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Deutsch | Italienisch | Interpretation: |
Sechsundzwanzigster
Gesang: |
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DAS PARADIES: XXVI Gesang | PARADISO: XXVI CANTO | |
Indes ich meiner Blindheit zweifelnd dachte, Ging aus der Flammenglut, die mich geblendet, Ein Hauch hervor, der aufmerksam mich machte, |
Mentr' io dubbiava per lo viso spento, de la fulgida fiamma che lo spense uscì un spiro che mi fece attento, |
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Und rief: „Bis du dir fühlst zurückgesendet Die Kraft des Auges, die mein Glanz verzehrt, Sei Sprache dir als Trostersatz gespendet. |
dicendo: «Intanto che tu ti risense de la vista che haï in me consunta, ben è che ragionando la compense. |
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Sprich denn: Was ist es, das dein Herz begehrt? Doch nimm als Stärkung erst dies Wort zum Pfand: Dir ist ver w e h r t die Sehkraft, nicht ver s e h r t! |
Comincia dunque; e dì ove s'appunta l'anima tua, e fa ragion che sia la vista in te smarrita e non defunta: |
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Und deiner Herrin Auge, die ins Land Des Herrn dich führte durch den Sternenäther, Stärkt gleiche Kraft wie Ananias Hand.“ – |
perché la donna che per questa dia regïon ti conduce, ha ne lo sguardo la virtù ch'ebbe la man d'Anania». |
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„Sie heil mein Auge früher oder später,“ Sprach ich, „war’ s doch einst i h r e r Glut die Pforte; Mein Herz ist heut noch dieser Glut Verräter. |
Io dissi: «Al suo piacere e tosto e tardo vegna remedio a li occhi, che fuor porte quand' ella entrò col foco ond' io sempr' ardo. |
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Das Gut, das euch beglückt an diesem Orte, Ist A und O der Liebe, davon Kunde Bald laut, bald leise geben Gottes Worte.“ |
Lo ben che fa contenta questa corte, Alfa e O è di quanta scrittura mi legge Amore o lievemente o forte». |
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Dieselbe Stimme, die mit gutem Grunde Die Furcht vor der Erblindung mir vertrieben, Gebot, noch mehr zu reden, meinem Munde: |
Quella medesma voce che paura tolta m'avea del sùbito abbarbaglio, di ragionare ancor mi mise in cura; |
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„Gewiß! doch musst du es noch feiner sieben,“ Sprach sie, „erkläre drum das Was und Wie, Drob stets des Ziels gedenk dein Pfeil geblieben.“ |
e disse: «Certo a più angusto vaglio ti conviene schiarar: dicer convienti chi drizzò l'arco tuo a tal berzaglio». |
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Und ich: „Durch Gründe der Philosophie Und Offenbarung, die von Gott gesandt ist, Geschah’ s, dass solche Liebe mir gedieh. |
E io: «Per filosofici argomenti e per autorità che quinci scende cotale amor convien che in me si 'mprenti: |
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Das Gute, das als gut an sich erkannt ist, Entfacht je größre Liebesflammen immer, Je stärker es an Güte selbst entbrannt ist. |
ché 'l bene, in quanto ben, come s'intende, così accende amore, e tanto maggio quanto più di bontate in sé comprende. |
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D e m Wesen also, dem ein andres nimmer An Güte gleicht, drob jedes sonstge Gut Von seinem Licht nur scheint ein blasser Schimmer, |
Dunque a l'essenza ov' è tanto avvantaggio, che ciascun ben che fuor di lei si trova altro non è ch'un lume di suo raggio, |
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D e m kehrt notwendig sich in Liebesglut D i e Seele zu, die ohne Wank begründet Die Wahrheit sieht, drauf der Beweis beruht. |
più che in altra convien che si mova la mente, amando, di ciascun che cerne il vero in che si fonda questa prova. |
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Und solcher Wahrheit Licht hat mir entzündet Er, der zuerst der Liebe Anfang weist. Und sie als Urtrieb aller Wesen kündet. |
Tal vero a l'intelletto mïo sterne colui che mi dimostra il primo amore di tutte le sustanze sempiterne. |
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Und Gottes Stimme selbst es ja verheißt; I c h w e r d e d i r j e d w e d e s G u t e z e i g e n , Verkündete dem Moses Gottes Geist. |
Sternel la voce del verace autore, che dice a Moïsè, di sé parlando: 'Io ti farò vedere ogne valore'. |
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Auch d e i n e Botschaft kann es nicht verschweigen, Wo tiefer als an jedes andern Hand Wir in das himmlische Geheimnis steigen.“ |
Sternilmi tu ancora, incominciando l'alto preconio che grida l'arcano di qui là giù sovra ogne altro bando». |
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Und ich vernahm: „Durch menschlichen Verstand Und kraft gleichlautender göttlicher Kunde Muss ja dein Lieben bleiben gottverwandt! |
E io udi': «Per intelletto umano e per autoritadi a lui concorde d'i tuoi amori a Dio guarda il sovrano. |
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Doch fühlst du dich zur Liebe nicht im Grunde Auch noch durch andre Fäden hingerissen? So zeige ihres Zahnes Biss und Wunde.“ |
Ma dì ancor se tu senti altre corde tirarti verso lui, sì che tu suone con quanti denti questo amor ti morde». |
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Ich merkte wohl, wie Christi Aar beflissen In heilger Absicht war, um meine Beichte Auf e i n e Stelle hingelenkt zu wissen; |
Non fu latente la santa intenzione de l'aguglia di Cristo, anzi m'accorsi dove volea menar mia professione. |
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Drum sprach ich: „Jeder Biss, der mich erreichte, Wodurch der Herr den Menschen zu sich lenkt, Mein Herz für Liebe stets nur mehr erweichte. |
Però ricominciai: «Tutti quei morsi che posson far lo cor volgere a Dio, a la mia caritate son concorsi: |
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Der W e l t e n Dasein, m e i n s , das mir geschenkt, Der Tod, den er ertrug, dass ich soll leben, Und das, was jeder Christ erhofft und denkt, |
ché l'essere del mondo e l'esser mio, la morte ch'el sostenne perch' io viva, e quel che spera ogne fedel com' io, |
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Dies und die obgerühmte Kenntnis geben Mir Rettung aus der falschen Liebe Meer, Um auf den Strand der wahren mich zu heben. |
con la predetta conoscenza viva, tratto m'hanno del mar de l'amor torto, e del diritto m'han posto a la riva. |
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Für alles Laub im Garten hoch und hehr Des heilgen Gärtners fühl ich mich durchdringen, Weil er ihm wohltut, Liebe gar so sehr!“ |
Le fronde onde s'infronda tutto l'orto de l'ortolano etterno, am' io cotanto quanto da lui a lor di bene è porto». |
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Ich schwieg und hörte laut den Himmel klingen Und meine Herrin dreimal Sanctus sprechen, In das der Chor einfiel mit Jubelsingen. |
Sì com' io tacqui, un dolcissimo canto risonò per lo cielo, e la mia donna dicea con li altri: «Santo, santo, santo!». |
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Wie uns des Schlafes Fesseln jäh zerbrechen, Sobald ein grelles Licht die Sehkraft weckt, Dass man es fühlt durch Lid und Wimper stechen, |
E come a lume acuto si disonna per lo spirto visivo che ricorre a lo splendor che va di gonna in gonna, |
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Und des Erwachens Hast uns erst erschreckt, Bis Urteilskraft uns, die noch schlafestrunken, Die Kenntnis unsrer Lage neu entdeckt – |
e lo svegliato ciò che vede aborre, sì nescïa è la sùbita vigilia fin che la stimativa non soccorre; |
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So war der Schleier m e i n e m Blick entsunken Vor B e a t r i c e n s Blick, der rings verstreute Wohl über tausend Meilen Lichterfunken, |
così de li occhi miei ogne quisquilia fugò Beatrice col raggio d'i suoi, che rifulgea da più di mille milia: |
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So dass mich schärfres Sehn als sonst erfreute Und ich erstaunt sie fragte, was die Pracht Von jenem neuen, vierten Licht bedeute? |
onde mei che dinanzi vidi poi; e quasi stupefatto domandai d'un quarto lume ch'io vidi tra noi. |
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Und sie: „Dort preist des ewgen Schöpfers Macht Im Strahlenkleid der erste Menschengeist, Den Urkraft je erschaffen und erdacht.“ |
E la mia donna: «Dentro da quei rai vagheggia il suo fattor l'anima prima che la prima virtù creasse mai». |
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Wie sich, sobald ein Wind durchs Laubdach kreist, Das Blättlein beugt und, wenn der Wind vergangen, Es eigne Schnellkraft wieder aufwärts reißt, |
Come la fronda che flette la cima nel transito del vento, e poi si leva per la propria virtù che la soblima, |
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So hielt ihr Wort mit Staunen mich gefangen, Doch fasste, als sie schwieg, ich rasch Vertrauen, Und in mir wuchs zu fragen das Verlangen, |
fec' io in tanto in quant' ella diceva, stupendo, e poi mi rifece sicuro un disio di parlare ond' ïo ardeva. |
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Und sprach: „O e i n z g e Frucht, die reif zu schauen Bei ihrer Schöpfung war, uralter Ahne, Vater zugleich und Schmäher aller Frauen, |
E cominciai: «O pomo che maturo solo prodotto fosti, o padre antico a cui ciascuna sposa è figlia e nuro, |
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Vergib, dass dreist zu dir den Weg sich bahne Mein Wunsch, mit dir zu sprechen – auch im Schweigen Verstehst du mich und ohne dass ich mahne.“ |
divoto quanto posso a te supplìco perché mi parli: tu vedi mia voglia, e per udirti tosto non la dico». |
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Wie an den raschelnden, bewegten Zweigen Dem Jäger sich Bewegung und Gebärde Des im Gebüsch verborgnen Wildes zeigen, |
Talvolta un animal coverto broglia, sì che l'affetto convien che si paia per lo seguir che face a lui la 'nvoglia; |
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So ließ der Ersterschaffne dieser Erde Die Freude schimmern durch sein Lichtgewand, Dass er mir redend gern gefällig werde. |
e similmente l'anima primaia mi facea trasparer per la coverta quant' ella a compiacermi venìa gaia. |
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Dann sprach er: „Ohne dass du ihn genannt, Hab deines Herzens Wunsch ich längst erfahren, Und klarer als d u je etwas erkannt; |
Indi spirò: «Sanz' essermi proferta da te, la voglia tua discerno meglio che tu qualunque cosa t'è più certa; |
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Denn in d e m Spiegel sah ich ihn, dem wahren, Der sich zum Abbild macht von allen Dingen, Doch nirgends lässt sein eignes offenbaren. |
perch' io la veggio nel verace speglio che fa di sé pareglio a l'altre cose, e nulla face lui di sé pareglio. |
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Du fragst: w i e v i e l J a h r h u n d e r t e v e r g i n g e n , S e i t i c h i n E d e n w a r , wo die Erlauchte Zum zweiten Flug dir rüstete die Schwingen? |
Tu vuogli udir quant' è che Dio mi puose ne l'eccelso giardino, ove costei a così lunga scala ti dispuose, |
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Wie l a n g mein Herz in Edens L u f t sich tauchte? D e n G r u n d, der den e r h a b n e n Z o r n erweckte? Und w e l c he S p r a c h e ich ersann und brauchte? – |
e quanto fu diletto a li occhi miei, e la propria cagion del gran disdegno, e l'idïoma ch'usai e che fei. |
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Mein Sohn, nicht dass ich von dem Baume schmeckte, War Grund an sich, dass mich der Herr verbannt, Der B r u c h der Schranke war’ s, der mich befleckte. |
Or, figliuol mio, non il gustar del legno fu per sé la cagion di tanto essilio, ma solamente il trapassar del segno. |
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Ich sah, bevor ich kam ins Himmelsland, Viertausendunddreihundertzweimal kreisen Die Sonne d o r t , wo Beatricen fand |
Quindi onde mosse tua donna Virgilio, quattromilia trecento e due volumi di sol desiderai questo concilio; |
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Virgil – sah sie von Stern zu Sterne reisen, Solang ich mich auf Erden noch befunden, Neunhundertdreißigmal in ihren Gleisen. |
e vidi lui tornare a tutt' i lumi de la sua strada novecento trenta fïate, mentre ch'ïo in terra fu'mi. |
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Die Sprache, die ich sprach, war längst verschwunden, Bevor zum Riesenbau die schwache Kraft Der Nimrodvölker nutzlos sich verbunden. |
La lingua ch'io parlai fu tutta spenta innanzi che a l'ovra inconsummabile fosse la gente di Nembròt attenta: |
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Verstandeswerke sind nicht dauerhaft, Weil Menschenneigung nach der Sterne Walten Verändrungslustig immer Neues schafft. |
ché nullo effetto mai razïonabile, per lo piacere uman che rinovella seguendo il cielo, sempre fu durabile. |
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Das Sprach v e r m ö g e n hat der Mensch erhalten, Doch sinnvoll sich in Worten auszudrücken, So oder so – lässt f r e i Natur ihn schalten! |
Opera naturale è ch'uom favella; ma così o così, natura lascia poi fare a voi secondo che v'abbella. |
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Eh Gott zur Höllenqual mich ließ entrücken, Hieß El das höchste Gut, von dem entglommen Die Wonnestrahlen sind, die mich umschmücken; |
Pria ch'i' scendessi a l'infernale ambascia, I s'appellava in terra il sommo bene onde vien la letizia che mi fascia; |
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Als Eli hat man dann sein Lob vernommen, Da Menschenwort sich gleich den Blättern zeigt, Die heute welken, weil schon andre kommen. |
e El si chiamò poi: e ciò convene, ché l'uso d'i mortali è come fronda in ramo, che sen va e altra vene. |
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Auf jenem Berg nun, der zuhöchst entsteigt Dem Schoß des Meeres, hab ich sieben Stunden – Von früh an bis die Sonne sich geneigt – |
Nel monte che si leva più da l'onda, fu' io, con vita pura e disonesta, da la prim' ora a quella che seconda, |
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In Reinheit und in Sünde mich befunden.“ | come 'l sol muta quadra, l'ora sesta». | |
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