Wir haben zwar in den vorherigen Prüfungen nicht erfahren, dass Dante allzu tiefschürfende Erkenntnisse über den Glauben und die Hoffnung mitzuteilen hatte, wir würden sogar sagen, dass das als Schulaufsatz nicht mal für 11. Klasse ausreichend wäre, geschweige denn als Abitursaufsatz, aber im Mittelalter scheint das Niveau noch nicht allzu hoch gewesen zu sein. Jetzt kommt die Prüfung über die Liebe. Handelt es sich bei Begriffen wie Glaube und Hoffnung noch um zwei Themen, die wohl spontan jetzt nicht jeder reflektieren würde, obwohl der Begriff Hoffnung eigentlich zu reflektieren wäre, denn da ist Musik, so haben wir mit der Liebe ein Thema, über das wohl jeder reflektiert und selbst wenig litterarisch / philosophisch / reflektierend veranlagte Zeitgenossen haben zu diesem Begriff etwas zu sagen. Dante nicht. Er redet darüber wie der Papst über Erotik, außer einem ganzen Haufen Bibelzitate und altklugem Geschwätz fällt ihm wenig dazu ein.

Indes ich meiner Blindheit zweifelnd dachte,
Ging aus der Flammenglut, die mich geblendet
Ein Hauch hervor, der aufmerksam mich machte

Der Hauch ging aus dem Flämmchen Johannes hervor, weil der aus irgendwelchen Gründen in der christlichen Tradition für die Liebe zuständig ist.

Und rief: „Bis du dir fühlst zurückgesendet
Die Kraft des Auges, die mein Glanz verzehrt,
Sei Sprache dir als Trostersatz gespendet.

Sprich denn: Was ist es, das dein Herz begehrt?
Doch nimm als Stärkung erst dies Wort zum Pfand:
Dir ist verwehrt die Sehkraft, nicht versehrt!

Und deiner Herrin Auge, die ins Land
Des Herrn dich führte durch den Sternenäther,
Stärkt gleich Kraft wie Ananias Hand

Dante bleibt sich treu. Er bastelt sprachlich zusammen, was einfach nicht zusammengehört. Was soll man mit der Empfehlung anfangen, dass er sich mit der Sprache darüber hinwegtrösten möge, dass er nicht gucken kann (compense)? Man könnte natürlich auch sowas machen.

Solange deine Ohren ob des Donnerhalls
verstummten, tröste Dich, denn immerhin
kannst du noch riechen und wackeln mit den Zehen

Dass Beatrice ähnliche Fähigkeiten hat wie Ananias, ihm also die Sehkraft zurückgeben kann, freut uns natürlich. Bezug genommen wird auf die Apostelgeschichte Kapitel 9, die ist ja einigermaßen prominent, von daher soll die Geschichte zur Gänze zitiert werden, Saulus wird zum Paulus.

Saulus wütete immer noch mit Drohung und Mord gegen die Jünger des Herrn. Er ging zum Hohenpriester und erbat sich von ihm Briefe an die Synagogen in Damaskus, um die Anhänger des (neuen) Weges, Männer und Frauen, die er dort finde, zu fesseln und nach Jerusalem zu bringen. Unterwegs aber, als er sich bereits Damaskus näherte, geschah es, dass ihn plötzlich ein Licht vom Himmel umstrahlte. Er stürzte zu Boden und hörte, wie eine Stimme zu ihm sagte: Saul, Saul, warum verfolgst du mich? Er antwortete: Wer bist du, Herr? Dieser sagte: Ich bin Jesus, den du verfolgst.
Steh auf und geh in die Stadt; dort wird dir gesagt werden, was du tun sollst. Seine Begleiter standen sprachlos da; sie hörten zwar die Stimme, sahen aber niemand. Saulus erhob sich vom Boden. Als er aber die Augen öffnete, sah er nichts. Sie nahmen ihn bei der Hand und führten ihn nach Damaskus hinein. Und er war drei Tage blind und er aß nicht und trank nicht. In Damaskus lebte ein Jünger namens Hananias. Zu ihm sagte der Herr in einer Vision: Hananias! Er antwortete: Hier bin ich, Herr. Der Herr sagte zu ihm: Steh auf und geh zur sogenannten Geraden Straße und frag im Haus des Judas nach einem Mann namens Saulus aus Tarsus. Er betet gerade und hat in einer Vision gesehen, wie ein Mann namens Hananias hereinkommt und ihm die Hände auflegt, damit er wieder sieht. Hananias antwortete: Herr, ich habe von vielen gehört, wie viel Böses dieser Mann deinen Heiligen in Jerusalem angetan hat.
Auch hier hat er Vollmacht von den Hohenpriestern, alle zu verhaften, die deinen Namen anrufen.
Der Herr aber sprach zu ihm: Geh nur! Denn dieser Mann ist mein auserwähltes Werkzeug: Er soll meinen Namen vor Völker und Könige und die Söhne Israels tragen. Ich werde ihm auch zeigen, wie viel er für meinen Namen leiden muss. Da ging Hananias hin und trat in das Haus ein; er legte Saulus die Hände auf und sagte: Bruder Saul, der Herr hat mich gesandt, Jesus, der dir auf dem Weg hierher
erschienen ist; du sollst wieder sehen und mit dem Heiligen Geist erfüllt werden. Sofort fiel es wie Schuppen von seinen Augen und er sah wieder; er stand auf und ließ sich taufen. Und nachdem er etwas gegessen hatte, kam er wieder zu Kräften. Einige Tage blieb er bei den Jüngern in Damaskus;
und sogleich verkündete er Jesus in den Synagogen und sagte: Er ist der Sohn Gottes. Alle, die es hörten, gerieten in Aufregung und sagten: Ist das nicht der Mann, der in Jerusalem alle vernichten wollte, die diesen Namen anrufen? Und ist er nicht auch hierher gekommen, um sie zu fesseln und vor die Hohenpriester zu führen? Saulus aber trat um so kraftvoller auf und brachte die Juden in Damaskus in Verwirrung, weil er ihnen bewies, dass Jesus der Messias ist.

„Sei Heil mein Auge früher oder später“,
Sprach ich, „war‘ s doch einst ihrer Glut die Pforte,
Mein Herz ist heut noch besser Glut Verräter,

Das Gut, das euch beglückt an diesem Orte,
Ist A und O der Liebe, davon Kunde
Bald laut, bald leise geben Gottes Worte

Im Original

Io dissi: «Al suo piacere e tosto e tardo
vegna remedio a li occhi, che fuor porte
quand'ella entrò col foco ond'io sempr'ardo.

Lo ben che fa contenta questa corte,
Alfa e O è di quanta scrittura
mi legge Amore o lievemente o forte»

Und ich sagte: “Wie es ihr beliebt wird meinen
Augen, die Tür waren jenes Feuers, das mich noch heut
entzündet, früher oder später Heilung vergönnt.

Das Gute, das Seligkeit bedeutet diesem Orte,
ist das A und O von dem, was die Liebe
Mir vorliest leise und stark

Das A und O, das auch im Deutschen verwendet wird im Sinne von Anfang und Ende, bezieht sich eigentlich auf das griechische Alphabet, da ist A der erste und O der letzte Buchstabe. Die Terzine hat so richtig keiner verstanden. Das „Lo ben“ (das Gute) steht wohl für Gott, er ist der Anfang und das Ende (intellektuell gesehen eher das Ende, auf jeden Fall ist man, wenn man an Gott glaubt am Ende, denn der ist irgendwie immer verknüpft mit Jenseits und Tod). Dieser Gott zeigt sich dann in den großen und den kleinen Dingen.

Dieselbe Stimme, die mit gutem Grunde
Die Furcht vor der Erblindung mir vertrieben,
Gebot, noch mehr zu reden, meinem Munde

„Gewiss! Doch musst du es noch feiner sieben,“
Sprach sie, „erklär drum das Was und Wie,
Drob stets des Ziels gedenk dein Pfeil geblieben.“

Im Original

Quella medesma voce che paura
tolta m'avea del sùbito abbarbaglio,
di ragionare ancor mi mise in cura;

e disse: «Certo a più angusto vaglio
ti conviene schiarar: dicer convienti
chi drizzò l'arco tuo a tal berzaglio»

Diesselbe Stimme die zuerst mir nahm
die Angst, die hervorgerufen meine Blendung,
forderte mich auf, noch mehr zu künden

und sagte: „Du musst mit einem engeren Sieb
Noch sieben: Künden musst du von dem Bogen
der sich spannte zu jenem Ziele“

Das mit dem Sieb ist nun wieder ein typische Dante Bild, also ziemlich abartig. Man kann ein Problem aus der Nähe betrachten, auf die Details eingehen. Man kann eine Weltanschauung / Lebensauffassung / Glaube / Religion auch detailliert betrachten, aber sieben kann man sie nicht. Ein Sieb dient dazu, das, was man haben will, von dem zu trennen, was man nicht haben will. Wenn also Dante seinen Glauben durch einen Sieb schickt, dann trennt er innerhalb seines Glaubens die Spreu vom Weizen. Naheliegenderweise hält der Autor, als echter Schwabe, nichts von Intelligenztests, weil die Performance von der Gesamtpersönlichkeit abhängt und zu Intelligenz haben die Schwaben ja bekanntlich eine drastische Ansicht: Bled ko ma sei, mo muas sich blos z‘ helfe wisse. Allerdings ist doch zu bedenken, dass die Zuordnung von Metaphern und Sprichwörtern zu konkreten Aussagen Teil dieser Tests sind und bei Dante scheint es da zu happern. Geht die Rede etwas mäanderhaft, dann sagen Schwaben übrigens sowas: Was der Kerle schwätzt ond a Hondle scheißt, isch grad z‘ gleiche. Auf jeden Fall soll Dante nun schildern, was ihn dazu veranlasst hat, dem einzig wahren Glauben zu folgen und wenn Sie jetzt befürchten, dass er das auch tatsächlich tun wird, so kann Ihnen der Autor versprechen, dass ihre Befürchtungen übertroffen werden.

Und ich: „Durch Gründe der Philosophie
Und Offenbarung, die von Gott gesandt ist,
Geschah‘ s, dass solche Liebe mir gedieh

Im Original

E io: «Per filosofici argomenti
e per autorità che quinci scende
cotale amor convien che in me si 'mprenti:

Und ich: “Durch philosophische Argumente
und durch die Autorität, die von dort herabsteigt
musste diese Liebe sich in mir entzünden

Das ist der ewige Quark mit der natürlichen Theologie. Die natürliche Theologie hilft dem Glauben insofern auf die Sprünge, so die Theorie, als sie zeigt, was wir nicht wissen können. Mit „philosophischen Argumenten“ ist diese natürliche Theologie gemeint. Also Aphorismus hat Thomas von Aquin das mal so ausgedrückt.

Das ist das Äußerste menschlichen Gotterkennens; zu wissen, dass wir Gott nicht wissen.

Der Rest der Erkenntnis kommt dann aus der Offenbarung. Wortreich erklärt Thomas von Aquin, dass der Mensch durch die Gnade Gottes in der Lage ist, letzteren zu erkennen. Die Theologie ist eine Brise, die aus dem Jenseits weht, also aus dem Grab. Allerdings lehrt uns Dante, dass die Brise, die von da weht, das Segel der Hoffnung nicht wird spannen können, denn das Diesseits ist wesentlich spannender als das Jenseits. Das Diesseits hat eigentlich nur ein Problem, es ist verdammt kurz. Die Probleme des Diesseits zu ontologischen Problemen umzudeuten, heißt vom Kern des Problems ablenken.

Das Gute, das als gut an sich erkannt ist,
Entfacht je größre Liebesflammen immer,
Je stärker es an Güte selbst entbrannt ist

Im Original

ché 'l bene, in quanto ben, come s'intende,
così accende amore, e tanto maggio
quanto più di bontate in sé comprende

dass das Gute, wenn als gut es wird erkannt,
entzündet die Liebe und dies umso mehr,
je mehr Güte ihn ihm enthalten

Wir vermuten, Dante macht eine Ansatz zur Konfliktlösung. Deutlicher wird was er meint, wenn man es umdreht. Auf Aggression folgt in der Regel eine zumindest ebenso aggressive Gegenreaktion. Auf den erkannten guten Willen eben guter Wille. Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube, den wir haben bis jetzt noch nicht feststellen können, dass Dante ein Bewunderer nicht aggressiven Verhaltens ist. Es scheint eher so zu sein, dass seine ganze Bewunderung höchst aggressiven und wenig liebevollen Gestalten gilt.

Dem Wesen also, dem ein andres nimmer
An Güte gleicht, drob jedes sonstige Gut
Von seinem Licht nur scheint ein blasser Schimmer,

Dem kehrt notwendig sich in Liebesglut
Die Seele zu,die ohne Wank begründet
Die Wahrheit sieht, drauf der Beweis beruht

Und solcher Wahrheit Licht hat mir entzündet
Er, der zuerst der Liebe Anfang weist,
Und sie als Urtrieb aller Wesen kündet

Im Original

Dunque a l'essenza ov'è tanto avvantaggio,
che ciascun ben che fuor di lei si trova
altro non è ch'un lume di suo raggio,

più che in altra convien che si mova
la mente, amando, di ciascun che cerne
il vero in che si fonda questa prova.

Tal vero a l'intelletto mio sterne
colui che mi dimostra il primo amore
di tutte le sustanze sempiterne

Das Wesen also, das so reichlich ausgestattet,
dass jedes Gut, das außerhalb sich befindet,
nur ein Abglanz ist seiner Strahlen

drum muss der Geist eines jeden, der erkennt die
Wahrheit, die in diesem Beweis gegründet, sich zu
ihm in Liebe mehr als zu allem anderen hingezogen fühlen

Und diese Wahrheit offenbart jener
meiner Vernunft der mir gezeigt die
erste Liebe aller ewigen Wesenheiten

Die Argumentation dreht zwar reichlich Schleifen, aber ein logischer Aufbau ist trotzdem nicht zu erkennen. Das Wesen, das reichlich ausgestattet ist, ist Gott. Was nicht bei Gott ist, empfängt nur einen Abglanz seiner göttlichen Eigenschaften. Weil dem so ist, muss jeder, der das Göttliche erkennt, sich zu diesem hingezogen fühlen. Und diese Wahrheit, also dass jeder, der erkennt, dass er von der Göttlichkeit nur einen Glanz abbekommen hat, erkennt wiederum die Vernunft. Eine Kausalkette sieht irgendwie anders aus. Man könnte ja genauso gut sagen, dass der Teufel reichlich ausgestattet ist und wer nicht beim Teufel ist, hat nur einen Abglanz seiner teuflischen Seele. Wer diese teuflische Seele nun erkennt, fühlt sich zu ihm hingezogen. Aus dem ganzen Mäander lässt sich schlussendlich nur entnehmen, dass Dante an den christlichen Brimborium glaubt, das wussten wir aber schon.

Und Gottes Stimme selbst es ja verheißt;
Ich werde dir jedwedes Gute zeigen,
Verkünde dem Moses Gottes Geist

Im Original

Sternel la voce del verace autore,
che dice a Moisè, di sé parlando:
Io ti farò vedere ogne valore'.

Die Stimme des wirklichen Autors sagt
es selbst zu Mose, al er von sich spricht:
Ich werde dich schauen lassen jeden Wert

Der wirkliche Autor ist Gott, denn die Bibel ist Gottes Wort und da lassen sich viele Stellen finden, wo er jeden Wert beschreibt, zum Beispiel in Exodus, Kapitel 33. Da will Moses Gottes Herrlichkeit sehen.

Und Mose sprach zu dem HERRN: Siehe, du sprichst zu mir: Führe das Volk hinauf! und läßt mich nicht wissen, wen du mit mir senden willst, so du doch gesagt hast: Ich kenne dich mit Namen, und du hast Gnade vor meinen Augen gefunden. Habe ich denn Gnade vor deinen Augen gefunden, so laß mich deinen Weg wissen, damit ich dich kenne und Gnade vor deinen Augen finde. Und siehe doch, daß dies Volk dein Volk ist. Er sprach: Mein Angesicht soll vorangehen; damit will ich dich leiten. Er aber sprach zu ihm: Wo nicht dein Angesicht vorangeht, so führe uns nicht von dannen hinauf. Denn wobei soll doch erkannt werden, daß ich und dein Volk vor deinen Augen Gnade gefunden haben, außer wenn du mit uns gehst, auf daß ich und dein Volk gerühmt werden vor allem Volk, das auf dem Erdboden ist? Der HERR sprach zu Mose: Was du jetzt geredet hast, will ich auch tun; denn du hast Gnade vor meinen Augen gefunden, und ich kenne dich mit Namen. Er aber sprach: So laß mich deine Herrlichkeit sehen. Und er sprach: Ich will vor deinem Angesicht alle meine Güte vorübergehen lassen und will ausrufen des HERRN Namen vor dir. Wem ich aber gnädig bin, dem bin ich gnädig; und wes ich mich erbarme, des erbarme ich mich. Und sprach weiter: Mein Angesicht kannst du nicht sehen; denn kein Mensch wird leben, der mich sieht. Und der HERR sprach weiter: Siehe, es ist ein Raum bei mir; da sollst du auf dem Fels stehen. Wenn denn nun meine Herrlichkeit vorübergeht, will ich dich in der Felskluft lassen stehen und meine Hand ob dir halten, bis ich vorübergehe. Und wenn ich meine Hand von dir tue, wirst du mir hintennach sehen; aber mein Angesicht kann man nicht sehen.

Auch deine Botschaft kann es nicht verschweigen,
Wo tiefer als an jedes andern Hand
Wir in das himmlisches Geheimnis steigen

Im Original

Sternilmi tu ancora, incominciando
l'alto preconio che grida l'arcano
di qui là giù sovra ogne altro bando»

Auch du offenbarst mir, wo du beginnst
Die hohe Hymne die vom Unsichtbaren kündet
von der hier unten mehr als alles andere kündet

Der, der angesprochen wird, ist Johannes (wobei Dante an den Apostel denkt, dieser aber nicht der Verfasser der Offenbarung des Johannes ist). Mit Beginn der Offenbarung des Johannes wäre dann dies gemeint.

Dies ist die Offenbarung Jesu Christi, die ihm Gott gegeben hat, seinen Knechten zu zeigen, was in der Kürze geschehen soll; und er hat sie gedeutet und gesandt durch seinen Engel zu seinem Knecht Johannes, der bezeugt hat das Wort Gottes und das Zeugnis von Jesu Christo, was er gesehen hat. Selig ist, der da liest und die da hören die Worte der Weissagung und behalten, was darin geschrieben ist; denn die Zeit ist nahe.

Also er kündet vom Reich Gottes. Davon kündet aber die Bibel am laufenden Band, wieso Dante jetzt gerade diese Stelle herausnimmt, ist schleierhaft. So richtig klar ist auch nicht mehr, worum es in diesem Geträller überhaupt geht. Die ursprüngliche Frage, auf die Dante hätte antworten sollen, lautete „Was ist es, was dein Herz begehrt“ (3 Terzine). Die Frage an sich wäre ja interessant, es ist sich interessanter, zu erfahren, was ein Mensch begehrt, wie zu erfahren, was er ist. Aber dann erfahren wir alles mögliche, dass die Liebe von oben kommt und alle sich mit ihr vereinigen wollen, dass die natürliche Philosophie dem Glauben auf die Sprünge hilft, dass die Liebesgluten noch tiefer glühen, wenn alle glühen und das er diese tiefe Wahrheit aus Gottes Wort schöpft. Das ist alles hochinteressant, hat aber mit der ursprünglichen Frage gar nichts zu tun. Die Aussage jedoch, dass es sich um ein Gespräch unter Tauben handelt, das so ähnlich tönt, wie wenn zwei Sturzbesoffene unterhalten, ist insofern falsch, weil mit einer Sprache, die kein empirisches Substrat mehr hat, also reiner Energieträger ist, ein Gespräch zu einem Hundegebell wird. Beim Hundegebell steht nicht mehr der Informationsaustausch im Vordergrund, sondern die Emittierung von Energie. Der „semantische“ Wert des Hundegebells ist nicht mehr der Signifikant, also der Sachzusammenhang, auf den die Sprache verweist, sondern die Energie. Auch bei höheren Säugetieren hat dieser Aspekt eine Bedeutung, die von der traditionellen Linguistik nicht ausreichend, um genau zu sein gar nicht, berücksichtigt wird. Sprache kann reiner Energieträger sein, das ist an und für sich unkritisch. Bei höheren Säugetieren sollte aber der zweite Aspekt, also der Verweis auf ein empirisch Substrat, zumindest partiell eine Rolle spielen. Wir fragen uns aber zunehmend, ob Dante diese Entwicklung mitgemacht hat. Sie sehen aber, dass eine dunkel raunende Sprache nicht notwendigerweise für einen hohen Entwicklungsstand steht, sie kann, ganz im Gegenteil, auch für Regression stehen. Am Ende des Geträllers wird Dante uns übrigens noch eine Einführung in die Linguistik geben. Verglichen mit den tiefen Einsichten des großen Grimmigen aus der Toskana war Chomsky einfach nur Waisenknabe.

Und ich venahm: „Durch menschlichen Verstand
Und Kraft gleichlautender göttlicher Kunde
Muss ja dein Lieben bleiben gottverwandt!

Im Original

E io udi': Per intelletto umano
e per autoritadi a lui concorde
d'i tuoi amori a Dio guarda il sovrano

Und ich hörte: Durch menschlichen Geist
und durch die Autorität die in Einklang mit diesem
ist Gott, der Souverän aller Lieben

Das müssen Sie jetzt nicht verstehen, Dante irrlichtert. Im Grunde ist es wieder der gleiche Quark wie oben, die natürliche Theologie kann Gott erkennen, das tut sie zum Beispiel in den „Gottesbeweisen“ von denen auch Thomas von Aquin ein paar liefert. Diese steht aber in Einklang mit der Offenbarung. Mit der eigentlichen Frage hat das aber leider auch nichts zu tun.

Doch fühlst du dich zur Liebe nicht im Grunde
Auch noch durch andere Fäden hingerissen?
So zeige ihres Zahnes Biss und Wunde

Im Original

Ma di' ancor se tu senti altre corde
tirarti verso lui, sì che tu suone
con quanti denti questo amor ti morde

Doch sage noch, ob du dich nicht fühlst durch
Andere Bande zu ihm hingezogen, so dass du
Fühlst mit wievielen Zähnen dich diese Liebe zwackt

Er fragt also, ob seine Kenntnis, seine liebevolle Hinwendung oder was auch immer nur aus den obengenannten Quellen schöpft, das heißt aus der Bibel und dieser eigenartigen Liebestheorie, oder noch sich noch aus einer anderen Quelle speist. Und logischerweise speist sie sich auch noch aus der Tatsache, dass Jesus Christus gestorben ist, weil Eva einen Apfel verspeist hat und der Herrgott dann seinen Sohn geopfert hat und damit wiederum den Menschen gezeigt hat, wie sehr er sie liebt. Gott sei Dank sind es nur noch sieben Geträller. Einer mehr und der Autor wäre der Meinung, dass die Einführung vor dreißig Jahren der grünen Kiwi ein Zeichen Gottes ist und für das Blühen der Schöpfung steht, die über die rote Tomate triumphiert und der Fall der Mauer den Menschen vor Augen führt, dass die Kiwi über die Tomate triumphiert hat und demnächst das Zeitalter der Bananen heranbricht, die die in den Dosen verschlossenen Ananas zur Freiheit führen. Die wiedererstandene Ananas steht dann für Maria Magdalena und wenn diese mit Johannes einen Cocktail trinken geht bekommt Jakobus seinen Körper wieder, weil sie an ihn denken und Buddha kommt aus dem Nirvana zurück und tanzt mit Vischnu auf der Erde Salsa. Oder so ähnlich. Wenn in Italien die Divina Commedia drei Jahre lang in der Schule gelehrt wird, steht nicht die Frage im Mittelpunkt, ob dies didaktisch, also als Einführung in die Literatur sinnvoll ist. Wir haben es mit einem handfesten medizinischen Problem zu tun. Die Lektüre der Divina Commedia kann für Fachleute mit gefestigten Vorstellungen interessant sein. Aber in der Schule sollte man mit Texten arbeiten, die die Grundlagen legen, also zeigen, wo oben und unten, rechts und links, vorne und hinten ist.

Ich merkte wohl, wie Christi Aaar beflissen
in heiliger Absicht war, um meine Beichte
Auf eine Stelle hingelenkt zu wissen

Im Original

Non fu latente la santa intenzione
de l'aguglia di Cristo, anzi m'accorsi
dove volea menar mia professione

Sie war nicht versteckt, die heilige Absicht
des Adlers Chrisi, so dass ich merkte
wohin er meine Rede lenken wollte

Das ist ja jetzt auch nicht wirklich schwer zu erahnen. Denn die Gründe oben haben ja das zentrale Moment des christlichen Glaubens noch gar nicht genannt. Entscheidend für das Christentum ist, dass Jesus die äpflige Erbsünde von den Menschen genommen hat, Gott in seiner Gnade hierfür seinen Sohn geopfert hat und dieses Lamm oder, je nach Sichtweise, dieser Pelikan, am Kreuz nicht nur einen Dieb zum Guten bekehrte sondern bei dieser Gelegenheit auch noch gleich die zum damaligen Zeitpunkt gar nicht existierende Kirche geheiratet hat.

Drum sprach ich: „Jeder Biss, der mich erreichte,
Wodurch der Herr den Menschen zu sich lenkt,
Mein Herz für Liebe stets nur mehr erweichte.

Der Welten Dasein, meins, das mit geschenkt,
Der Tod, den er ertrug, dass ich soll leben,
Und das, was jeder Christ erhofft und denkt,

Dies und die obgerühmte Kenntnis geben
Mir Rettung aus der falschen Liebe Meer,
Um auf den Strand der wahren mich zu heben

Im Original

Però ricominciai: «Tutti quei morsi
che posson far lo cor volgere a Dio,
a la mia caritate son concorsi:

ché l'essere del mondo e l'esser mio,
la morte ch'el sostenne perch'io viva,
e quel che spera ogne fedel com'io,

con la predetta conoscenza viva,
tratto m'hanno del mar de l'amor torto,
e del diritto m'han posto a la riva.

Und ich fuhr fort: “Alle diese Bisse
die die Herz zu Gott hinlenken können,
sind herbeigelaufen zu meiner Barmherzigkeit:

damit ich lebe, ertrug er den Tod, damit
Leben sei auf der Erde und damit ich lebe,
und wie der Gläubige der wie ich hofft,

hat er mich durch vorhegesagtes Wissen,
mit weggezogen vom Meer der falschen Liebe,
und an die Küste der gerechten hat er mich gesetzt

Durch Jesus Christus als, der gekreuzigt wurde, wandte sich seine Liebe ins Jenseits, von dem wir inzwischen wissen, dass es ein himmlisch / göttliches Megaloch angefüllt mit lauter nicht humanoiden Lebensformen ist, die über allerlei skurrile Themen Vorträge halten und deren Sozialverhalten wir nur abstrakt erschließen, spontan aber nicht nachvollziehen können. Das Meer der falschen Liebe ist jetzt jede Art von Liebe, die sich auf Dinge des irdischen Jammertals richtet. Unklar bleibt natürlich, warum Dante nicht einfach Franziskanermönch geworden ist und sich über die Bitterkeit der Verbannung beschwert, wobei wir ihm übrigens nicht mal abnehmen, dass er so arm war, denn sein Sohn konnte nach seinem Tode ein größeres Anwesen kaufen. Im Grunde ähneln sich das Christentum was die Bewertung der menschlichen Psyche angeht, wenn auch die Schlüsse, die gezogen werden, völlig unterschiedlich sind. Bei den einen ist das Leben aufgrund dieser Psyche ein Jammertal, das man schnellstmöglich in Richtung Jenseits verlässt, bei den anderen muss man die Expropriateure expropriieren. Beide scheitern daran, dass ihre Analyse auf einzelne Aspekte fokusiert ist. Der Marxismus vergisst, dass in einer Demokratie die Akkumulierung des Kapitals in den Händen weniger nicht möglich ist, aus dem schlichten Grund, weil eine Partei eine Mehrheit braucht und diese Mehrheit die Partei wählen wird, die die Akkumulation auf ein wirtschaftlich sinnvolles Maß begrenzt. Das Christentum vertritt den Standpunkt homo homini lupus, der Mensch ist dem Menschen ein Wolf. Das mag aus der Mikroperspektive ab und an zutreffen, aus der Makroperspektive nicht. Der Mensch muss sogar dafür sorgen, dass er aus seinen Mitmenschen alle Kreativität rauskitzelt, mit Milliardenaufwand, denn ohne eine hochqualifizierte Gesellschaft geht uns der Arsch ziemlich schnell auf Grundeis. Falsch im Marxismus ist auch die Annahme, dass das gesamte Kapital in Maschinen steckt, die Leute, die es bedienen keiner Qualifikation bedürfen, bzw. diese ein Posten unter ferner liefen ist. Es ist eher umgekehrt, das Kapitel steckt in den Menschen und zwar nicht abstrakt, sondern höchst konkret, es kostet nämlich eine Menge Geld, diese auszubilden. Sie sind also teuer und was teuer ist, wird mit Sorgfalt behandelt. Die eine Ideologie, das Christentum, ist so krautig wie die andere, der Marxismus. Beide steuern auf einen finalen Endzustand zu. Die Wahrheit leitet sich vom intendierten Endzustand ab. Ob es aus dem Jenseits weht oder aus der klassenlosen Gesellschaft, ist letztlich egal. Es weht nicht mehr die Brise der Hoffnung der unendlichen Möglichkeiten, sondern der Moderduft der verwalteten Welt. Allerdings stimmt der Titel jenes berühmten Werkes von Popper nicht, „Marx, Hegel und die Folgen“. Zwar steuert auch Hegel auf ein finales Endziel zu, das „bei sich sein“ des Weltgeistes, aber das kann man auf das Konto Brimborium buchen. Hegel beschreibt aber eine dynamische Subjekt  Objekt Beziehung, die Wechselwirkung zwischen Individuum und Gesellschaft als tendenziell offenem Horizont. Da, wo Marx Hegel auf dieser Ebene ausführt („das herrschende Bewusstsein, ist das Bewusstsein der Herrschenden“, „das Sein, bestimmt das Bewusstsein“ etc.) bleibt er innerhalb der Logik Hegels. Wo aber als Telos der „bei sich seiende Weltgeist“ durch die klassenlose Gesellschaft ersetzt wird, hat er Hegel nicht auf die Füße gestellt, sondern schlicht nicht verstanden und stattdessen wenig kenntnisreich über Wirtschaft schwadroniert, ein Thema, von dem er dann gar keine Ahnung hatte, ein Schicksal, das er mit Popper teilt. Richtig bei Popper ist die Vorstellung, dass die gesellschaftliche Entwicklung einem naturwissenschaftlichen Experiment ähnelt, die sich aus demokratischen Entscheidungsprozessen ergebenden Handlungsoptionen theoriegeladen sind (im besten Falle, gegenwärtig geht es wohl bei dem vorliegenden politischen Personal eher theorielos) und diese Theorien wiederlegt werden können und revidiert werden müssen, wenn sie entweder absolut falsch sind oder sich die Rahmenbedingungen ändern. Richtig ist aber auch, die eher hegelianische These (sie beschreibt ja die Übermacht des Objekts über das Subjekt), dass das Ganze, wie Adorno es formuliert, auch das Falsche sein kann. Der richtige Titel seines Buches wäre gewesen „Dante, Marx und die Folgen“. Im übrigen heißt die Wirtschaftsform dieser unserer Republik auch nicht Kapitalismus, wie überall zu hören und zu lesen. Wir haben eine marktwirtschaftliche Ordnung, die die Allokation der Mittel über den Preis steuert. Das sorgt für Transparenz. Ein Problem besteht da, wo Kommunismus herrscht, also im öffentlichen Sektor, wo Millionen von Leuten ohne Sachkenntnis Gelder verwalten, die ihnen nicht gehören und die die Transparenz scheuen wie der Teufel das Weihwasser. Zwar sieht der typische Beamte aus, wie die steingewordene Würde und der Habitus ist konservativ, aber tatsächlich ist diese Bevölkerungsgruppe das letzte Bollwerk des Kommunismus. Sie bekommen ihr Geld, ohne eine konkrete Leistungskontrolle, verfügen über Geld, ohne das Risiko zu tragen und treten in der Öffentlichkeit auf wie die Sprecher des Politbüros: Dumm, arrogant und träge. Und der Autor kann zuversichtlich versichern, dass er weiß von was er redet, er hat sie nämlich mal zwei Jahre unterrichtet. Seitdem ist er sich sicher, dass Controlling nicht nur in der Vermittlung von Wissen besteht. Viel effizienter ist manchmal ein Tritt in den Hintern. Die Herstellung von Transparenz in den öffentlichen Haushalten ist eine weit dringlichere und vor allem realisierbarere Aufgabe, als der Versuch, über politische Maßnahmen die Wirtschaft zu steuern. Auf jeden Fall sollte man zuerst mal das Naheliegende und Konkrete tun, bevor man in höhere Regionen abschweift.

Für alles Laub im Garten hoch und hehr
Des heilgen Gärtners fühl ich mich durchdringen,
Weil er ihm wohltut, Liebe gar so sehr

Im Original

Le fronde onde s'infronda tutto l'orto
De l'ortolano etterno, am'io cotanto
quanto da lui a lor di bene è porto».

Das Laub womit sich begrünt der Garten
des ewigen Gärtner, liebe ich so sehr,
weil von ihm zu ihnen das Gute ward übertragen

Das Laub sind die Geschöpfe Gottes, damit begrünt sich der Garten des ewigen Gärtners, also die von Gott erschaffene Welt. Und weil die Geschöpfe Gottes von Gott das Gute erhalten haben, liebt er sie. Das ist uns bis jetzt noch nicht aufgefallen, dass Dante seine Mitmenschen liebt. Uns ist noch nicht mal aufgefallen, dass er sie überhaupt als Individuen wahrnimmt. Würde er in irgendeiner Weise über sie reflektieren, würde er auch zu schärferen und komplexeren Portraits kommen. Die Welt wird bei ihm einsortiert nach dem Raster, das seine Ideologie vorgibt.

Ich schwieg und hörte laut den Himmel klingen
Und meine Herrin dreimal Sanctus sprechen,
In das der Chor einfiel mit Jubelsingen

Im Original

Sì com'io tacqui, un dolcissimo canto
risonò per lo cielo, e la mia donna
dicea con li altri: «Santo, santo, santo!»

Sobald ich schwieg, erscholl süßester Laut
Im Himmel, und meine Herrin stimmte ein in
Das, was die anderen sagten: „Heilig, heilig, heilig“

Das geht jetzt wieder auf das Konto nicht humanoide Lebensformen. Dante sagt irgendwas reichlich belangloses und der Rest der himmlischen Heerscharen ist wild begeistert.

Wie uns des Schlafes Fesseln jäh zerbrechen,
Sobald ein grelles Licht die Sehkraft weckt,
Dass man es fühlt durch Lid und Wimpern stechen

Und des Erwachens Hast uns erst erschreckt,
Bis Urteilkraft und, die noch schlafestrunken,
die Kenntnis unsrer Lage neu entdeckt -

So war der Schleier meinem Blick entsunken
Vor Beatricens Blick, der rings verstreute
Wohl über tausend Meilen Lichterfunken,

So dass mich schärfres Sehn als sonst erfreute
Und ich erstaunt sie fragte, was die Pracht
Von jenem neuen, vieren Licht bedeute

Im Original

E come a lume acuto si disonna
per lo spirto visivo che ricorre
a lo splendor che va di gonna in gonna,

e lo svegliato ciò che vede aborre,
sì nescia è la sùbita vigilia
fin che la stimativa non soccorre;

così de li occhi miei ogni quisquilia
fugò Beatrice col raggio d'i suoi,
che rifulgea da più di mille milia:

onde mei che dinanzi vidi poi;
e quasi stupefatto domandai
d'un quarto lume ch'io vidi tra noi

Und wie ein gleisend Licht uns dem Schlaf entreisst
durch die Sehkraft die in ihrem Glanz
von Augenhöhle zu Augenhöhle wandert,

und der so Erwachte das Gesehene flieht,
wenn so plötzlich das Erwachen,
bis die Urteilskraft ihm zur Hilfe eilt

so entzog meinen Augen jeden Schleier,
Beatrice mit den ihren, die glänzten
Noch in einer Entfernung von 1000 Meilen:

so dass ich weiter sehen konnte als vorher;
und fast erstaunt dann fragte, wer das vierte
Licht, das zwischen uns erschienen

Er braucht also geschlagene vier Terzinen, um uns mitzuteilen, dass ein viertes Licht erschienen ist, nämlich Adam. Die erste Terzine hat zwar mal den Hauch, den ganz schwachen Hauch, einer Selbstbeobachtung, die man hätte dichterisch verwerten können, aber insgesamt ist die Konstruktion so abartig und hirnrissig, dass sie eigentlich nur nervt. Das Erwachen kann man schildern, dies tut bekanntlich Marcel Proust zwanzig Seiten lang. Möglich auch, dass irgendjemand mal den kurzen Moment abgepasst hat, wo man nach dem Erwachen etwas sieht, aber dies, weil das Gehirn noch nicht richtig anwesend ist, nicht verwert kann. Wenn aber eine Parallele gezogen wird zwischen dem einsetzenden Verstand und den Augen Beatrices, die die gleiche Wirkung haben sollen, dann wird die Sache einfach abartig. Wieso soll Dante besser gucken können, weil die Kluppscher von Beatrice 1000 Meilen reichen. Wir verstehen schon gar nicht, welcher Zusammenhang besteht, zwischen der Bestrahlung von oben und ihren Kluppschern und noch weniger, zwischen ihren Kluppschern und denen Dantes. Das Problem Dantes besteht darin, dass er über das Paradies partout nichts zu berichten hat und die Glückseligkeit durch äußere Merkmale beschreibt, die nur noch abstrakt, und zwar höchst abstrakt, auf eine emotionale Befindlichkeit verweisen, bzw. vorgeben, auf eine zu verweisen. Die Art, wie sich diese Glückseligkeit jedoch kundtut, ist ziemlich unirdisch, also selber kurios. Die Divina Commedia hat einen schweren Konstruktionsfehler. Man kann mit Begriffen tatsächlich abstrakt auf Dinge Bezug nehmen, die außerhalb der menschlichen Erfahrungsfähigkeit liegen, bzw. Konzepte über einen abstrakten Begriff bezeichnen. Bekanntlich ist ja die gesamte Philosophie Hegels aufgebaut auf Konzepten, die abstrakt referenziert werden (wobei man bei Hegel durchaus die Begriffe mit „Leben“ füllen kann). Dichtung ist aber das genaue Gegenteil von abstrakt. Sie ist, wie jede Kunst, unmittelbar. Sie ist nicht mal durch Sprache vermittelt, ihre Vermittlung setzt eben gerade da ein, wo sie über die Sprache hinausgeht. Unmittelbar ist zwar keine Empfindung, denn diese ist durch tausend Kanäle geleitet und modifiziert, aber die Wirkung der Kunst ist unmittelbar, zielt auf den gesamten Menschen. Dante hat nun versucht, über ein abstraktes Konzept, das Jenseits, eine Dichtung zu schaffen. Das kann nicht gelingen, denn wie komplex, gesellschaftlich vermittelt und ausdifferenziert ein Bewußtsein auch sein mag, geprägt wird es vom Diesseits, das Jenseits kann nur abstrakt gefasst werden. Vielleicht ist eine Reise ins völlig Unbekannte mit der Musik möglich, aber die Sprache, so sie Poesie sein soll, ist durch und durch irdisch. Die völlige sprachliche Verquastheit, die an den Haaren herbeigezogenen Metaphern, Bilder, Vergleiche sind entweder Ausdruck der Tatsache, dass Dante um jeden Preis das Teil zu Ende schreiben wollte, dann hätte er immerhin gemerkt, dass es nichts wird, oder er hat schlicht nicht mal den Schimmer einer Ahnung, was Dichtung eigentlich ist. Vermutlich trifft letzteres zu.

Und sie: „Dort preist des ewgen Schöpfers Macht
Im Strahlenkleid der erste Menschengeist,
Den Urkraft je erschaffen und erdacht.“

Des ist also Adam, der war der erste, den die Urkraft, also Gott, erschaffen hat.

Wie sich, sobald ein Wind durch‘ s Laubdach kreist,
Das Blättlein beugt und, wenn der Wind vergangen,
Es eigne Schnellkraft wieder aufwärts reißt,

So hielt ihr Wort mit Staunen mich gefangen,
Doch fasste, als sie schwieg, ich rasch Vertrauen,
Und in mir wuchs zu fragen das Verlangen

Und sprach: „O einzge Frucht, die reif zu schauen
Bei ihrer Schöpfung war, uralter Ahne,
Vater zugleich und Schmäher aller Frauen,

Vergib, dass dreist zu dir den Weg sich bahne
Mein Wunsch, mit dir zu sprechen – auch in Schweigen
Verstehst du mich und ohne dass ich mahne

Im Original

Come la fronda che flette la cima
nel transito del vento, e poi si leva
per la propria virtù che la soblima,

fec'io in tanto in quant'ella diceva,
stupendo, e poi mi rifece sicuro
un disio di parlare ond'io ardeva.

E cominciai: «O pomo che maturo
solo prodotto fosti, o padre antico
a cui ciascuna sposa è figlia e nuro,

divoto quanto posso a te supplìco
perché mi parli: tu vedi mia voglia,
e per udirti tosto non la dico»

Wie das Laub das den Wipfel beugt
beim Vorüberziehn des Windes, und sich
Dann neu erhebt aus eigener Kraft, die nach oben strebt

so tat während sie noch sprach auch ich,
verblüfft, doch der Wunsch von dem zu sprechen
Was in mir brannte, ließ mich Haltung gewinnen

Und ich begann: „ Oh Frucht, die kaum geschaffen
Schon war reif, o alter Vater dem jede Braut
Ist Tochter und auch Schwiegertochter

so ehrerbietig wie ich kann bitte ich dich
zu mir zu sprechen: Du siehst meine Wünsche,
so dass ich, dich zu hören, schweige und nicht spreche

Die ersten zwei Terzinen sind weder einer jener zahlreichen abstrusen Vergleiche, die aus der dantesken Phrasendreschmaschine stammen. Er richtete sich auf, wie ein vom Wind gebeugter Baumeswipfel. Hu! Die Frucht, die schon reif auf die Welt kam, ist Adam. Das mit der Frucht ist natürlich fies, denn an einer selbigen ist ja gescheitert. Tochter und Schwiegertochter ist jede Frau, weil ja alle von ihm abstammen und die Söhne dann wiederum Frauen heiraten, die auch von ihm abstammen. Anders formuliert, das biblische Personal leidet an Inzucht. Die vierte Terzine (so ehrerbietig wie ich kann…) ist dann wieder das oft gelesene Tralala. Die können Gedanken lesen da oben und folglich ist es völlig unnötig, dass Dante kund tut, was er wissen will.

Wie an den raschelnden, bewegten Zweigen
Dem Jäger sich Bewegung und Gebärde
Des im Gebüsch verborgenen Wildes zeigen,

So ließ der Ersterschaffene dieser Erde
Die Freude schimmern durch sein Lichtgewand,
Dass er mir redend gern gefällig wäre

Im Original

Talvolta un animal coverto broglia,
sì che l'affetto convien che si paia
per lo seguir che face a lui la 'nvoglia;

e similmente l'anima primaia
mi facea trasparer per la coverta
quant'ella a compiacermi venìa gaia

Wie oftmals ein verstecktes Tier sich regt,
so dass offenbar wird was es fühlt,
weil seine Hülle den Gefühlen folgt;

so ähnlich ließ die erste Seele
durch ihre Hülle hindurch mich spüren
wie erfreut sie ist, mir zu gefallen

Die Sache wird immer wirrer und zunehmend geht das auch nicht mehr auf das Konto Mittelalter. Die Vergleiche sind so hirnrissig und vor allem haben wir es mit einer Häufung hirnrissiger Kommentare zu tun, dass der Eindruck entsteht, dass bei Dante ein paar Synapsen falsch verdrahtet waren. Ein Tier, das z.B. Angst hat, zeigt unter Umständen was es fühlt, aber hierauf auf die Empfindungen einer nicht humanoiden Lebensform zu schließen, ist schon abartig. Unter Umständen ist dieser Vergleich dadurch motiviert, dass Dante irgendetwas Irdisches braucht, um die Gefühle der Protagonisten im Jenseits zu beschreiben. Die Verbindung der zwei Sachverhalte wird aber nicht etwa über das Gefühl selbst hergestellt, denn das Tier, das sich versteckt hält, hat Angst, die Flamme aber ist überglücklich, sondern über die „Hülle“ die beide bedeckt. Auf jeden Fall freut sich der Adam, dass er auch mal was sagen darf.

Dann sprach er: „Ohne, dass du ihn genannt,
Hab deines Herzens Wunsch ich ich längst erfahren,
Und klarer als du je etwas erkannt

Das kennen wir schon, hatten wir schon tausendmal. Die können Gedanken lesen da oben.

Denn in dem Spiegel sah ich ihn, dem wahren
Der sich zum Abbild macht von allend Dingen,
Doch nirgends lässt sein eigenes offenbaren

Die Vorstellung, dass Gott alles sieht, stammt aus dem Psalm 139.

Ein Psalm Davids, vorzusingen.“ HERR, du erforschest mich und kennest mich.
Ich sitze oder stehe auf, so weißt du es; du verstehest meine Gedanken von ferne.
Ich gehe oder liege, so bist du um mich und siehest alle meine Wege.
Denn siehe, es ist kein Wort auf meiner Zunge, das du, HERR, nicht schon wissest.

Die Idee, aus der Allwissenheit Gottes dann einen Bundestrojaner à la Schäuble zu bauen, also dass die Mitmenschen via Gott auch alles sehen, ist dann Dante gekommen, das steht so erstmal nicht in der Bibel. Bedenkt man dann aber, was Dante wissen will, wird klar ersichtlich, dass die Vorstellungen, Gedanken lesen zu können, lang nicht so faszinierend ist, wie man meinen könnte, denn manchen Müll, will man absolut nicht wissen.

Du fragst: Wieviel Jahrhunderte vergingen,
Seit ich in Eden war, wo die Erlauchte
Zum zweiten Flug dir rüstete die Schwingen

Manchmal hat man den Eindruck, dass Dante den Quark wirklich glaubt. Also entweder ist die Divina Commedia die größte Verarsche seit Erfindung der Schrift oder es rennen ein Haufen Irre über den Globus. Er fragt also, wie lang es schon her ist, dass Gott ihn aus dem Garten Eden geworfen hat. Vom Garten Eden aus ist Dante am Ende der unter Läuterungsberg gesammelten Geträller Richtung Paradies entsegelt.

Wie lang mein Herz in Edens Luft sich tauchte?
Den Grund, der den erhabenen Zorn erweckte?
Und welche Sprache ich ersann und dachte?

Also zumindest die Antwort auf die zweite und dritte Frage verspricht ja noch zur Erheiterung beizutragen.

Mein Sohn, nicht dass ich von dem Baum schmeckte,
War Grund an sich, dass mich der Herr verbannt,
Der Bruch der Schranke war‘ s, der mich befleckte

Im Original

Or, figluol mio, non il gustar del legno
fu per sé la cagion di tanto essilio,
ma solamente il trapassar del segno

Nun mein Sohn, nicht das ich probierte von der Frucht
war der Grund so langer Verbannung,
sondern das die Grenze ward überschritten

Aha! Die Erbsünde besteht also nicht darin, dass Eva einen Apfel verspeist hat, sondern darin, dass er die Grenze überschritt, also ein Gebot Gottes nicht beachtet hat. Also mit dem Apfel hat Dante auch ein Problem. Da erkennen wir ja sogar einen Rest an Vernunft in einem ansonsten völlig durchgeknallten Hirn. Wieso man allerdings dadurch, dass man ein Verbot übertritt erfährt, was gut und böse ist, bleibt weiterhin ein Mysterium. Ich glaube der Dante macht sich da was vor. Der Apfel ist das Corpus Delicti. Aber der eigentliche Grund ist der. Adam und Eva haben sich im Paradies total gelangweilt und haben alles unternommen, um da rauszukommen. Wahrscheinlich hätte Eva eine ganze Kiste Äpfel verspeist mitsamt Schlange nur um dieser grauenhaften Langeweile zu entfliehen.

Ich sah, bevor ich kam ins Himmelsland,
Viertausendundreihundertzweimal kreisen
Die Sonne dort, wo Beatrice fand

Vergil – sah sie von Stern zu Sterne reisen,
Solang ich mich auf Erden noch befunden,
Neunhundertdreißigmal in ihren Gleisen

Im Original

Quindi onde mosse tua donna Virgilio,
quattromilia trecento e due volumi
di sol desiderai questo concilio;

e vidi lui tornare a tutt'i lumi
de la sua strada novecento trenta
fiate, mentre ch'io in terra fu' mi.

Wo also deine Herrin Vergil traf,
viertausenddreihundertundzwei Sonnen-
umrundungen ich dieses Reich ersehnte;

und ich sah sie zurückkommen in ganzem Glanz
Seiner Straße neunhundertdreißig Mal,
als ich noch auf Erden weilte

Puh! Und ist es auch der Wahnsinn, so hat es doch System. Dante geht also davon aus, dass Adam 930 Jahre unter den Lebenden weilte, dort sah er die Sonne (sie zurückkommen = Sonne zurückkommen) 930 Mal zurückkommen. Nach seinem Tod ist er im Limbus, also in der Vorhölle gelandet, dort hat er nochmal 4302 Jahre geschmachtet. Von der Erschaffung Adams bis zur Kreuzigung Jesu, die ihn aus dem Limbus erlöste, sind also 5232 (4302 + 930 = 5232) Jahre vergangen. Die erste Zahl, die 930 hat er aus Genesis, 5, 4-5:

…und lebte darnach achthundert Jahre und zeugte Söhne und Töchter; daß sein ganzes Alter ward neunhundertunddreißig Jahre, und starb.

Die andere Zahl, die 4302 soll von von Eusebius kommen. Eusebius (geb. 260, gest. 340) gilt als der Vater der Kirchengeschichte. Das Werk ist in Auszügen hier zu finden:

http://www.tertullian.org

Die Schreibe ist allerdings etwas wirr, die Zahl 4302 taucht dort nicht auf. Es ist also letztlich unklar, woher Dante sie genommen hat. Der Autor hat auch den Eindruck, dass Eusebius da nicht ganz durchblickte. Der Homo Sapiens Sapiens erblickte vor etwa 30 000 Jahren das Licht der Welt, war also damit lange vor Adam da. Woraus wir schließen, dass Gott ein Raubkopierer war und lediglich nachgebaut hat, was er vorfand.

Die Sprache, die ich sprach, war längst verschwunden,
Bevor zum Riesenbau die schwache Kraft
Der Nimrodvölker nutzlos sich verbunden

Im Original

La lingua ch'io parlai fu tutta spenta
innanzi che a l'ovra inconsummabile
fosse la gente di Nembròt attenta:

Die Sprache, die ich sprach war schon erloschen
bevor sich das Volk Nimrodt widmete jenem
Bau, den fertigzustellen nie wäre möglich

Nimrod war ein Urenkel Noahs, Gründer des babylonischen Reiches und Initiator des Turmbaus zu Babel. Ein Problem hat Dante, er will partout nie zugeben, dass er schlicht keine Ahnung hat, das wäre dem Verfasser der „De vulgare eloquentia“ offensichtlich peinlich. Deswegen teilt er uns mit, das seine Sprache schon erloschen war, bevor es zum babylonischen Sprachgewirr kam. Diese Information hilft natürlich nicht weiter, wir hätten ja zu gerne gewusst, wer ihm, der gleich als Erwachsener auf die Welt kam und niemanden hatte, der ihm die Sprache vermittelt hätte, diese überhaupt her hatte und was er genau mit erloschen meint. Erloschen in Form von ausgestorben oder weiterentwickelt. Wir machen ja großzügig Konzessionen an das Mittelalter, fragen uns aber doch, ob die Jungs nicht voll Panne waren. Dass Sprache, auch die Muttersprache, erlernt werden muss, hätte man doch auch im Mittelalter merken können. Weiter hätte es nicht viel Scharfsinn bedurft, um festzustellen, dass Sprachen sich verändern. Dass es zwischen Latein und Italienisch, Italienisch und Spanisch Beziehungen gibt, fällt doch eigentlich schon jedem achtjährigen Schüler auf. War der gute Dante nicht im Grunde ein bisschen doof? Schlicht doof? Da er aber zum Thema Sprache nicht wirklich was zu sagen hat, klärt er uns über irgendetwas anderes auf, stellt eine Verbindung her zwischen dem Sprachwandel und allgemeinem Halodri.

Verstandeswerke sind nicht dauerhaft,
Weil Menschenneigung nach der Sterne Walten
Veränderungslustig immer Neues schafft

Im Original

ché nullo effetto mai razionabile,
per lo piacere uman che rinovella
seguendo il cielo, sempre fu durabile

kein Werk des Verstandes, war jemals
dauerhaft, weil der Mensch, dem Himmel
folgend, ständig es verändert

Das hat eigentlich erstens mit dem Thema Sprache rein gar nichts zu tun, außer eben dass wir erfahren, dass der Mensch aufgrund des Einflusses der Sterne öfter mal seine Meinung wechselt und damit dann auch die Sprache. Etwas erstaunlich ist dann die Aussage, dass die Sterne für diesen sporadisch festzustellenden Sinneswandel verantwortlich sein sollen. Gewichtiger ist dann schon diese Aussage.

Das Sprachvermögen hat der Mensch erhalten,
Doch sinnvoll sich in Worten auszudrücken,
So oder so – lässt frei Natur ihn schalten

Im Original

Opera naturale è ch'uom favella;
ma così o così, natura lascia
poi fare a voi secondo che v'abbella

Natürlich ist’ s, dass der Mensch spricht;
Doch ob so oder so, überlässt euch die
Natur ganz wie es euch gefällt

??? Das Sprechvermögen, also die physische Befähigung dazu und die Mechanismen, die zumindest den Erwerb der Erstsprache sichern (z.B. das Nachplapper Bedürfnis und die Benennung von Gegenständen auch dann, wenn dies sachlich gar nicht geboten ist etc.) ist in der Tat angeboren, also natürlich. Aber was will uns der große Grimmige aus der Toskana mit dem Satz mitteilen, dass die Natur es uns überlässt, ob wir so oder so sprechen? Mein er mit so oder so diese oder jene Sprache, in Prosa oder in Terzinen, Sinnreiches oder Sinnloses. Wenn er letzteres meint, dann kann man sich tatsächlich fragen, ob hier von der Freiheit nicht missbräuchlich Gebrauch gemacht wird. Vielleicht sollte man so manchem Terzinenschmied mal mitteilen, das Sprache, die zu texten geronnen ist, auch Papier verbraucht. Und wenn ich ins Paradies komme, will ich mir nicht so einen Müll anhören.

Pria ch'i' scendessi a l'infernale ambascia,
*I* s'appellava in terra il sommo bene
onde vien la letizia che mi fascia;

Bevor ich hinabstieg zu den höllischen Qualen,
ward das höchtes Gut auf Erden, die mir die
Freude gibt, die mich umhüllt, noch *I* genannt

I steht für die römische Zahl 1 und auch für Gott. Ob das stimmt oder nicht, können wir natürlich nicht kontrollieren und Dante wusste es auch nicht, denn aus dieser Zeit hat er mit Sicherheit kein schriftliches Dokument gefunden, die sind alle während der Sinnflut abgesoffen. Warum er also behauptet, dass zu dieser Zeit das I für Gott stand, ist ein Rätsel.

Als Eli hat man dann sein Lob vernommen,
Da Menschenwort sich gleich den Blättern zeigt,
Die heute welken, weil schon andre kommen

Im Original

e *El* si chiamò poi: e ciò convene,
ché l'uso d'i mortali è come fronda
in ramo, che sen va e altra vene

und *El* hieß er später: und so ist es,
dass die Gebräuche der Sterblichen wie ein
Blatt am Zweig ist, wo das eine geht, das andere kommt

Was Dante hier konkret meint, ist ein Rätsel. El ist zwar tatsächlich ein Gott, nämlich in der Mythologie des Ugarit (http://de.wikipedia.org/wiki/El_(Gott)), aber keineswegs der Gott der Christen. Dass auch der ein und ein einzige Gott der Christenheit, andere Namen haben kann, hätte ihm bekannt sein können, im Judentum zum Beispiel heißt er Jahwe. Jahwe ist aber noch der Gleiche Gott, El ist ein ganz anderer. Das ist kein Sprachproblem. Hier wird etwas anderes gemeint. Möglich ist natürlich auch, dass Dante aus einer anderen Quelle schöpfte, wo El eine Bezeichnung für den Gott der Christen bedeutete. Sieht man die Terzine allgemeiner, versteht man sie so, dass er sagen will, dass die Begriffe sich lediglich in Abhängigkeit einer Laune der Menschen ändern, dann ist das natürlich wieder dämlich, weil die Aussage so allgemein ist, dass man damit mehr oder weniger alles erklären kann.

Auf jenem Berg nun, der zuhöchst entsteigt
Dem Schoß des Meeres, hab ich sieben Stunden
Von früh an bis die Sonne sich geneigt -

In Reinheit und in Sünde mich befunden

Im Original

Nel monte che si leva più da l'onda,
fu' io, con vita pura e disonesta,
da la prim'ora a quella che seconda,
come 'l sol muta quadra, l'ora sesta».

Auf dem Berg der sich am meisten emporhebt aus den Wellen,
war ich, mit reinem und unreinem Leben,
von der ersten Stunde welche folgt,
nachdem die Sonne den Quadranten wechselt, der sechsten

Er stand also auf der höchsten Erhebung des Läuterungsberges, das ist der Garten Eden, oder das irdische Paradies. Da war er zweimal, nämlich einmal, nachdem Gott ihn da rausgeworfen hat und einmal nachdem er aus dem Limbus, der Vorhölle bei der Auferstehung Christi da wieder hingepflanzt worden ist. Die Zeitangabe ist dann ein Anzeichen schwerer Demenz. Er war sieben Stunden im Garten Eden. Von der ersten Stunde (1 Uhr nachts) bis zu der, welche auf die sechste folgt, dann ist es also 7 Uhr morgens. Dann hat die Sonne den Quadranten gewechselt (12 – 3, 3-6, 6-9, 9-12), befindet sich also im Quadranten 6-9. Was das wiederum mit Sprache zu tun hat, ist ein Geheimnis. Weiter verwechselt Dante Dichtung mit Rätselraten. Irgendjemand hat ihm beigebracht, darunter leiden ja auch die verbeamteten Geistlichen, dass Dichtung immer irgendwie tief raunen muss. Die Sache ist die. Akzeptabel ist Geraune nur dann, wenn es tatsächlich von Tiefe kündet. Wenn es bei einem Flachsinn raunt, dann sollte man irgendwo lernen, wie man sich klar und deutlich ausdrückt.