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Deutsch | Italienisch | Interpretation: |
Vierter
Gesang: |
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DAS PARADIES: IV Gesang | PARADISO: IV CANTO | |
Der freie Mensch wird zwischen zweien Speisen, Gleich fern, gleich lockend, hungern und vergehen, Eh er den Vorzug einer wird erweisen: |
Intra due cibi, distanti e moventi d'un modo, prima si morria di fame, che liber' omo l'un recasse ai denti; |
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So blieb ein Lamm auch zwischen Wölfen stehen In gleichem Zagen zwischen gleicher Gier, So auch ein Jagdhund zwischen zweien Rehen. |
sì si starebbe un agno intra due brame di fieri lupi, igualmente temendo; sì si starebbe un cane intra due dame: |
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Schwieg ich daher, von gleichen Zweifeln hier Gleichstark bedrängt, so kann ich mich nicht rügen Noch loben, denn notwendig war es mir. |
per che, s'i' mi tacea, me non riprendo, da li miei dubbi d'un modo sospinto, poi ch'era necessario, né commendo. |
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So schwieg ich denn; doch war in meinen Zügen Mir Wunsch und Frage ausgeprägt s o hell, Wie sich’ s nicht klarer ließ in Worte fügen. |
Io mi tacea, ma 'l mio disir dipinto m'era nel viso, e 'l dimandar con ello, più caldo assai che per parlar distinto. |
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Und Beatrice tat wie Daniel, Der grimmem Zorn Nebukadnezars wehrte, Als er entbrannte ungerecht und schnell, |
Fé sì Beatrice qual fé Danïello, Nabuccodonosor levando d'ira, che l'avea fatto ingiustamente fello; |
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Und sprach: „Ich sah es längst, dass dich verzehrte Ein Doppelwunsch, und dass von beiden Quälern Einer dem andern stets das Wort erschwerte. |
e disse: «Io veggio ben come ti tira uno e altro disio, sì che tua cura sé stessa lega sì che fuor non spira. |
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Du denkst: bleibt nur der gute Wille stählern Und fest, wie kann mir fremder Zwang den Wert Und wie den Umfang des Verdienstes schmälern? |
Tu argomenti: "Se 'l buon voler dura, la vïolenza altrui per qual ragione di meritar mi scema la misura?". |
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Und dann bezweifelst du, was Plato lehrt, Ob wirklich zu der Sterne Heimatkreise Die Seele von der Erde wiederkehrt? |
Ancor di dubitar ti dà cagione parer tornarsi l'anime a le stelle, secondo la sentenza di Platone. |
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Von diesen Fragen wird gleich laut , gleich leise Dein Herz bestürmt: die erste bleib verschont, Dass ich der zweiten schärfres Gift dir weise. |
Queste son le question che nel tuo velle pontano igualmente; e però pria tratterò quella che più ha di felle. |
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Der Seraph, der dem Herrn am nächsten wohnt, Auch Moses, Samuel, das Johannes-Paar, Maria selber, die am höchsten thront, |
D'i Serafin colui che più s'india, Moïsè, Samuel, e quel Giovanni che prender vuoli, io dico, non Maria, |
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Weilen im selben Himmel wie die Schar Der andern Geister, die dir hier erschienen, Auch währt nicht kürzer ihnen Tag und Jahr. |
non hanno in altro cielo i loro scanni che questi spirti che mo t'appariro, né hanno a l'esser lor più o meno anni; |
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Dem ersten Kreis zur Zierde alle dienen, Doch ist verschiedner Art ihr süßes Leben, Wie Gottes Hauch verschieden-fühlbar ihnen. |
ma tutti fanno bello il primo giro, e differentemente han dolce vita per sentir più e men l'etterno spiro. |
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Sie zeigen hier sich, nicht weil ihnen eben D i e Sphäre zuerteilt ward, nein zum Zeichen, Dass sie nicht höher ließ ihr Schicksal schweben. |
Qui si mostraro, non perché sortita sia questa spera lor, ma per far segno de la celestïal c'ha men salita. |
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So wird man nur verständlich euersgleichen, Denn nur, was euern Sinnen eingeprägt, Kann dem Verstand zur würdgen Zier gereichen. |
Così parlar conviensi al vostro ingegno, però che solo da sensato apprende ciò che fa poscia d'intelletto degno. |
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Darum erteilt auch, weil sie dies erwägt, Die Heilge Schrift dem Schöpfer Fuß und Hand, Die doch dabei im Sinn ganz andres trägt. |
Per questo la Scrittura condescende a vostra facultate, e piedi e mano attribuisce a Dio e altro intende; |
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So malt auch Kirchenkunst im Menschenstand Gabriel, Michael und Raphaelen, Durch den Tobiä Blindheit Heilung fand. |
e Santa Chiesa con aspetto umano Gabrïel e Michel vi rappresenta, e l'altro che Tobia rifece sano. |
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Doch was Timäus lehrte von den Seelen, Gleicht dem nicht, was hier sichtbar – aber gerne Glaubt man, er spreche ohne zu verhehlen. |
Quel che Timeo de l'anime argomenta non è simile a ciò che qui si vede, però che, come dice, par che senta. |
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Er sagt, die Seele kehrt zu ihrem Sterne, Und glaubt, dass sie ihm ehemals entwich, Als sie Natur dem Körper gab zum Kerne. |
Dice che l'alma a la sua stella riede, credendo quella quindi esser decisa quando natura per forma la diede; |
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Vielleicht ist’ s richtiger, dass man anders sich Sein etwa missverstandnes Wort erkläre – Dann ist der Sinn wohl minder lächerlich; |
e forse sua sentenza è d'altra guisa che la voce non suona, ed esser puote con intenzion da non esser derisa. |
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Denn etwas Wahres träf sein Bogen, wäre Die Meinung so: in Lob und Tadel kehrte Der Einfluss wieder heim zu seiner Sphäre. |
S'elli intende tornare a queste ruote l'onor de la influenza e 'l biasmo, forse in alcun vero suo arco percuote. |
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Fast alle Welt verstand, was Plato lehrte, Zu Unrecht, so dass früher man die Sterne Merkur, Mars, Jupiter als Götter ehrte. – |
Questo principio, male inteso, torse già tutto il mondo quasi, sì che Giove, Mercurio e Marte a nominar trascorse. |
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Der andre Zweifel birgt in seinem Kerne Viel weniger Gift und hätte nie vermocht, Dass sich z u w e i t von mir dein Weg entferne. |
L'altra dubitazion che ti commove ha men velen, però che sua malizia non ti poria menar da me altrove. |
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Dass Gottes Rat oft scheinbar unterjocht Der Menschen Recht – das stärke euch im Glauben, Statt dass ihr ketzrisch auf die Meinung pocht! |
Parere ingiusta la nostra giustizia ne li occhi d'i mortali, è argomento di fede e non d'eretica nequizia. |
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Doch weil auch euch zu hoch nicht diese Trauben, Will ich – damit du siehst, was Wahrheit sei – Dir gern auf deinen Wunsch den Schleier rauben. |
Ma perché puote vostro accorgimento ben penetrare a questa veritate, come disiri, ti farò contento. |
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Wenn d a s Gewalt heißt, wo zu keinerlei Mitwirkung sich der Dulder lässt verpflichten, So sind von Schuld nicht jene Seelen frei. |
Se vïolenza è quando quel che pate nïente conferisce a quel che sforza, non fuor quest' alme per essa scusate: |
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Kein Wille, der nicht will, ist zu vernichten Und wird wie Feuer den Naturtrieb zeigen, Trotz tausendfachem Druck sich aufzurichten. |
ché volontà, se non vuol, non s'ammorza, ma fa come natura face in foco, se mille volte vïolenza il torza. |
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Lässt er nachgiebig etwas nur sich neigen: Er weicht dem Zwang! Drum hätte jenes Paar Rückfliegen können in des Klosters Schweigen. |
Per che, s'ella si piega assai o poco, segue la forza; e così queste fero possendo rifuggir nel santo loco. |
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Doch beide waren jenes Willens bar, Durch den Laurentius auf dem Rost verblieben, Durch den des Mucius Hand so standhaft war; |
Se fosse stato lor volere intero, come tenne Lorenzo in su la grada, e fece Muzio a la sua man severo, |
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Er hätte sonst die zwei zurückgetrieben, Nachdem sie frei, zum Zufluchtsort der Frommen; Doch wenige gibt’ s, die Willensstärke lieben. |
così l'avria ripinte per la strada ond' eran tratte, come fuoro sciolte; ma così salda voglia è troppo rada. |
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Hast du dies Wort nun einsichtsvoll vernommen, So sind die Zweifel sicherlich zerstreut, Die sonst gewiss noch manchmal dich beklommen. |
E per queste parole, se ricolte l'hai come dei, è l'argomento casso che t'avria fatto noia ancor più volte. |
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Doch siehe! schon ein andres Hemmnis beut Sich deinem Wege, das zu überbrücken Wohl deine schwache Kraft allein sich scheut! |
Ma or ti s'attraversa un altro passo dinanzi a li occhi, tal che per te stesso non usciresti: pria saresti lasso. |
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Ich ließ dich’ s fest dir ins Gedächtnis drücken, Dass Selige nicht lügen, weil sie hier Sich mit der Ursprungswahrheit Abglanz schmücken. |
Io t'ho per certo ne la mente messo ch'alma beata non poria mentire, però ch'è sempre al primo vero appresso; |
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Und doch bekräftigte Piccarda dir, Konstanze wär dem Schleier treu geblieben; So steht sie denn im Widerspruch mit mir? |
e poi potesti da Piccarda udire che l'affezion del vel Costanza tenne; sì ch'ella par qui meco contradire. |
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Furcht vor Gefahr hat manchen schon getrieben, Wenn widerstrebend auch, zu einer Tat, Die als ein Unrecht niemand möchte lieben, |
Molte fïate già, frate, addivenne che, per fuggir periglio, contra grato si fé di quel che far non si convenne; |
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Wie auch Alkmäon, weil der Vater bat, Die Mutter tötete; den Sohnespflichten Gehorchend übte er als Sohn Verrat. |
come Almeone, che, di ciò pregato dal padre suo, la propria madre spense, per non perder pietà si fé spietato. |
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Dies ist der Punkt, und den vergiss mitnichten: Wenn auch der Zwang den Willen unfrei macht, Wird Tat zur Schuld, muss man den Täter richten! |
A questo punto voglio che tu pense che la forza al voler si mischia, e fanno sì che scusar non si posson l'offense. |
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Wille an sich ist nie darauf bedacht, Zu schaden; doch aus Furcht, dass mehr er leide, Wenn er sich sträubt, wird Unrecht oft vollbracht. |
Voglia assoluta non consente al danno; ma consentevi in tanto in quanto teme, se si ritrae, cadere in più affanno. |
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Piccarda also sprach – dies unterscheide! – Vom Willen an sich selbst, vom andern i c h , Und darum zeugten Wahrheit dir wir beide.“ |
Però, quando Piccarda quello spreme, de la voglia assoluta intende, e io de l'altra; sì che ver diciamo insieme». |
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Also ergoss die heilge Welle sich, Die aus der Wahrheit Ursprungsquell entsprungene, Und söhnte aus mit beiden Zweifeln mich. |
Cotal fu l'ondeggiar del santo rio ch'uscì del fonte ond' ogne ver deriva; tal puose in pace uno e altro disio. |
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„Geliebte der Urliebe, Gottdurchdrungene,“ Rief ich, „wie überströmt mit Lebensmut Solch Wort die Seele mir, die Lichtbezwungene! |
«O amanza del primo amante, o diva», diss' io appresso, «il cui parlar m'inonda e scalda sì, che più e più m'avviva, |
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Nicht tief genug ist meiner Inbrunst Glut, Euch Gabe gegen Gabe darzubringen -: Der alles kann und sieht, mach’ s freundlich gut! |
non è l'affezion mia tanto profonda, che basti a render voi grazia per grazia; ma quei che vede e puote a ciò risponda. |
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N i e wird dem Geiste Sättigung gelingen, Als mit dem Licht, das aus der Wahrheit quillt, Und außer ihr nicht lässt sie sich erringen. |
Io veggio ben che già mai non si sazia nostro intelletto, se 'l ver non lo illustra di fuor dal qual nessun vero si spazia. |
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Da ruht er, wie im Dickicht ruht das Wild, Wenn er’ s erreicht hat, und er kann’ s erreichen, Sonst bliebe alle Sehnsucht ungestillt. |
Posasi in esso, come fera in lustra, tosto che giunto l'ha; e giugner puollo: se non, ciascun disio sarebbe frustra. |
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Drum sprossen, einem Schössling zu vergleichen, Am Fuß der Wahrheit Zweifel – doch Natur Spornt uns, vom Weg zur Höh nicht abzuweichen! |
Nasce per quello, a guisa di rampollo, a piè del vero il dubbio; ed è natura ch'al sommo pinge noi di collo in collo. |
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Dies treibt nur, dies ermutigt jetzt mich nur, Dass ich in Ehrfurcht, Herrin, Euch befrage Nach einer andern Wahrheit dunkler Spur: |
Questo m'invita, questo m'assicura con reverenza, donna, a dimandarvi d'un'altra verità che m'è oscura. |
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Ob Fehlgelübde man im Lauf der Tage Durch andres gutes Werk ersetzen kann, Dass es zu leicht nicht laste Eurer Wage?“ |
Io vo' saper se l'uom può sodisfarvi ai voti manchi sì con altri beni, ch'a la vostra statera non sien parvi». |
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Da sahn mich Beatricens Augen an, Göttliche Liebesfunken darin zeigend, Dass meine Kraft mir zu entfliehn begann |
Beatrice mi guardò con li occhi pieni di faville d'amor così divini, che, vinta, mia virtute diè le reni, |
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Und ich mich selbst verlor, die Augen neigend. | e quasi mi perdei con li occhi chini. | |
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