Es ist zu vermuten, dass Ihnen klar ist, dass Dante in den nächsten 29 Gesängen alle möglichen Fragen stellen wird, die Sie nie stellen würden und auf diese Fragen Antworten geben wird, die, nimmt man sie ernst, das Hirn löchrig werden lassen wie einen Emmentaler. Sie können aber mal einen interessanten Selbsttest machen, das heißt, das mal zwei Kapitel für ernst nehmen, dann kommt man vielleicht in einen Zustand, der es einem erlaubt, die Welt des Ratzinger, Joseph zu verstehen. Nach zwei Gesängen sollten sie aber den Selbstversuch abbrechen, denn er führt zur schleichenden Hirnerweichung. Das ganze Geduddel, auch beim Ratzinger, Joseph, hängt irgendwie damit zusammen, dass alles auf Gott bezogen ist, die Wahrnehmung wird extrem selektiv, was vergleichbar mit einer psychotischen Störung ist, und so klingt dann auch die Argumentation. Wer an einer psychotischen Störung leidet, interpretiert die Welt aus einem äußerst verengten Blickwinkel, entwickelt ein System, das für den Außenstehenden in keinster Weise nachvollziehbar ist. Wenn Marx also sagt, dass Religion Opiums für‘ s Volk sei, dann umschreibt er das Problem nur unscharf. Der Ausspruch „Religion ist Opium für‘ s Volk“ zielt auf den narkotischen Charakter der Religion ab, der bewirkt, dass das irdische Reich so bleibt, wie andere es gern hätten. Bei Fundamentalisten wie den Talibans, dem Ratzinger, Joseph, Dante, Marx, Ayatollah etc. geht die Sache aber wesentlich weiter. Sie stellen nur noch Fragen aus dem Blickwinkel ihrer verengten Weltsicht und lösen nur noch Probleme, die sich außerhalb ihrer verengten Weltsicht gar nicht stellen würden. Wie man die wirtschaftliche Situation verbessert und höchst konkrete Probleme löst, scheint sie gar nicht mehr zu interessieren. Das Desinteresse an solchen Fragen schafft dann wiederum eine Situation, die die Religion und Ersatzreligionen begünstigt, denn irgendwann hat man einen Zustand, der so hoffnungslos ist, dass nur noch das Jenseits oder eine ganz radikale Änderung bleibt. Manche Aussagen des Ratzinger, Joseph muss man als psychotische Störung interpretieren, zum Beispiel das Poltern gegen die Nutzung von Kondomen in Afrika. Er betrachtet das Problem aus dem Blickwinkel eines Menschen, der an einer psychotischen Störung leidet, zu einer umfassenden Würdigung der Realität ist er nicht mehr in der Lage. Erstaunlich ist, dass das Nachdenken über die Realität historisch sehr viel später einsetzt als der Hokuspokus à la Thomas von Aquin etc.. Ernst zu nehmende Überlegungen über Wirtschaft gibt es ja erst seit dem 18. Jahrhundert, der Beginn der modernen Volkswirtschaftslehre dürfte wohl das im Jahr 1776 erschienene Buch Wealth of Nations von Adam Smith sein. Genützt hätte ein Nachdenken über die Realität schon früher, auch die Spanier hätten sich die Eroberung Südamerikas glatt sparen können: Gold ist ein Zahlungsmittel, schafft aber keinen Reichtum. Für den Ökonomen reduziert sich die Angelegenheit schlicht auf

Y * P = M * U

Das Volkseinkommen (Y) multipliziert mit dem Preisniveau (P) ist genau so hoch, wie die Geldmenge (M) multipliziert mit der Umlaufgeschwindigkeit (U). Erhöht man die Geldmenge, im 15. / 16. Jahrhundert Gold, und sonst nichts, dann steigt das Preisniveau und genau das ist passiert. Der Zustrom an Gold aus Südamerika führte zu einer Inflation, sonst passierte nichts, Spanien wurde keinen Deut reicher. Hätte sich Isabel la Católica also mal mehr Gedanken gemacht über die real existierende Welt und nicht über höchst abstrakte Fragen wie die, ob die „Indianer“ eine Seele haben, dann hätten sich viele Fehler vermeiden lassen. Aber wahrscheinlich war auch das Hirn der Isabel la Católica, die den Columbus nach Südamerika schickte, mit Hokuspokus à la Thomas von Aquin so zugekleistert, dass die Realität völlig aus dem Blick geriet; ein Zustand, den sie mit dem Ratzinger, Joseph oder dem Honegger, Erich, Gott sei seiner Seele gnädig, teilt. Der kann stundenlang über Islam und Christentum, über Verhütung und gleichgeschlechtliche Partnerschaften philosophieren und darüber, ob Menschen gut oder böse sind. Interessanter ist aber die Frage, wie man die Welt ökonomisch in Ordnung bringt. Es sollte niemand auf die Idee kommen, dass die irdischen Talibans, also die Marxisten, über die Realität nachgedacht hätten. Die haben über jene bekannten drei Bände nachgedacht, den gesunden Menschenverstand hierbei weitgehend ausgeschaltet. Die Sache ist nämlich einfach. Glückliche Menschen sind die besseren Menschen; wenn den Leuten der Arsch auf Grundeis geht, dann kommt das Fressen vor der Moral. Das Pathos Schillers greift nicht ins Leere, er bringt die Sache ziemlich drastisch auf den Punkt.

Würde des Menschen?
Nichts mehr davon, ich bitt euch. Zu essen gebt ihm, zu wohnen, Habt ihr die Blöße bedeckt, gibt sich die Würde von selbst.

Der Papst sieht das sicher jetzt päpstlich und irgendwie anders. Wir würden sagen, wer es anders sieht, ist ein blasierter, durchgeknallter Spinner. Den päpstlichen Standpunkt vertreten ja auch viele verbeamtete, professorale Geistliche. Mal eigenes Geld verdienen und nicht von Staatsknete leben und vom Steuerzahler, würde helfen. Dies Problem haben wir auch bei Dante. Wir würden es nicht so formulieren, dass Dante ein Kind seiner Zeit war, wir würden eher sagen, er litt an derselben Psychose wie seine Zeitgenossen. In Anbetracht der Tatsache, dass ein Großteil der Konflikte zwischen den Städten Pisa, Mailand, Florenz, Siena etc. ökonomischer Natur war, die Frage, ob Anhänger des Papstes oder des Kaisers lediglich Ausdruck dieses Konflikte war, nicht aber dessen Ursache, hätte man die Problematik auch mal rational durchdringen können. Die nüchterne ökonomische Analyse zeigt sehr oft, dass ökonomische Konflikte so aufgelöst werden können, dass beide Seiten profitieren. Dante auf jeden Fall beschäftigt sich mit höchst abstrakten Fragen.

Der freie Mensch wird zwischen zweien Speisen,
Gleich fern, gleich lockend, hungern und vergehen,
Eh er den Vorzug einer wird erweisen:

So blieb ein Lamm auch zwischen Wölfen stehen
In gleichem Zagen zwischen gleicher Gier,
So auch ein Jagdhund zwischen zweien Rehen.

Wir müssen wissen, das erfahren wir gleich, dass Dante gleich zwei Fragen auf der Seele brennen, eine so irrelevant wie die andere. Der durch die zwei Metaphern oben umschriebene Konflikt besteht also darin, dass er hin- und hergerissen ist, also nicht weiß, ob er die eine oder die andere Frage zuerst stellt, wobei er, das ist poetisch reizvoll, seinen Konflikt unterschiedlich beschreibt. Einmal mit der Qual der Wahl und einmal mit einer Situation, bei der zwischen zwei Übeln gewählt werden muss.

So schwieg ich denn; doch war in meinen Zügen
Mir Wunsch und Frage ausgeprägt so hell,
Wie sich‘ s nicht klarer ließ in Worte fügen.  


Da ist er wohl komplett ausgestiegen, der Zoozmann. Das Original geht so:

Io mi tacea, ma 'l mio disir dipinto
m'era nel viso, e 'l dimandar con ello,
più caldo assai che per parlar distinto.  

Ich schwieg doch war mein Wunsch und damit auch die Frage
So heiß mir eingezeichnet auf meiner Stirn
dass es die Frage nichts mehr hätte klären können

Kontextbezogen kann man sich das vorstellen, dass also der Gesichtsaudruck zu erkennen gibt, was den Besitzer dieses Ausdruckes innerlich bewegt, wenn jemand mit einem Stadtplan auf der Straße steht. Bei den Fragen, die Dante bewegen, wird aber kaum jemand behaupten können, dass sie besonders kontextbezogen sind. Nimmt man es ganz genau, dann stellen sich eigentlich drei Fragen.

1) Konnte Beatrice tatsächlich erraten, welche höchst abstrakten Fragen Dante in seinem Busen hin und her wälzt?

2) Was will uns Dante mit diesem reichlich langen Vorspann eigentlich sagen? Das ist ja ein Dauerbrenner bei ihm, er hat ständig Angst, irgendwas zu fragen. Würde er dem Autor eine solche Frage stellen, wäre die Angst durchaus berechtigt, denn die Antwort wäre saftig. Die zur Theologie mutierte Beatrice aber glüht wahrscheinlich innerlich vor Begierde, ihm auf seine höchst abstrakten Fragen eine Antwort zu geben. Das haben Missionare so an sich, sie müsse ihre tiefsten Wahrheiten um jeden Preis der Menschheit mitteilen.

3) Mit dem Vorspann will uns Dante wahrscheinlich mitteilen, dass man elementares Interesse daran haben kann, solche Fragen beantwortet zu sehen. Er will uns also unbedingt mitteilen, dass diese Fragen für ihn eine große Bedeutung haben, will sozusagen der Gefahr, dass wir sie für reichlich abstrakt halten, vorbeugen. Genau das nehmen wir ihm aber nicht ab und die Tatsache allein, dass er uns mitteilt, wie viel ihm an der Beantwortung dieser Fragen liegt, legt schon den Verdacht nahe, dass er selber an deren Relevanz zweifelt.

Und Beatrice tat wie Daniel,
Der grimmem Zorn Nebukadnezars wehrte,
Als er entbrannte ungerecht und schnell

Bezug genommen wird auf Daniel 2, 1-49. Nebukadnezar hatte einen Traum, den er aber vergessen hatte und diesen Traum, den er vergessen hat, will er nun gedeutet haben und da keiner der dafür zuständigen Sterndeuter einen unbekannten Traum deuten kann, will er alle Sterndeuter umbringen. Daniel ist da pfiffiger. Da Nebukadnezar eh nicht weiß, was er geträumt hat, erzählt er ihm irgendeinen Traum und deutet diesen auch gleich. Wir finden das vernünftig. Wer so saublöd ist wie Nebukadnezar, den muss man einfach veräppeln. Was wir jetzt allerdings nicht verstehen, ist, was das mit den Fragen Dantes zu tun hat. Der kennt ja seine Fragen, auf die will er eine Antwort. Wir glauben nicht, dass Dante da ganz hintersinnig war. Eine Parallele wäre dann gegeben, wenn Dante gar keine Frage hatte, aber die Beantwortung dieser nicht vorhandenen Frage so wichtig war, dass er dafür sogar Leute hätte umbringen lassen, oder eben, wie er in der Terzine vorher schreibt, ganz begierig war, eine nicht vorhandene Frage beantwortet zu sehen. Also wenn er das meinte, dann verneigen wir uns vor Dante, dann hat er die Welt so grandios veräppelt, dass wir ihn aus ganzer Seele bewundern. Wir befürchten aber eher, dass Dante gar nicht gemerkt hat, wie absurd sein Vergleich ist. Die biblische Geschichte ist auf jeden Fall lustig.

Und im zweiten Jahr der Regierung Nebukadnezars hatte Nebukadnezar Träume, so daß sein Geist sich beunruhigte und er nicht mehr schlafen konnte. Da befahl der König, man solle die Traumdeuter und die Wahrsager, die Zauberer und die Chaldäer zusammenrufen, damit sie dem König seine Träume verkündeten. So kamen sie und traten vor den König. Da sprach der König zu ihnen: Ich habe einen Traum gehabt, und mein Geist ist beunruhigt, bis ich den Traum verstehe! Hierauf gaben die Chaldäer dem König auf aramäisch zur Antwort: O König, mögest du ewig leben! Erzähle deinen Knechten den Traum, so wollen wir die Deutung verkünden! Der König antwortete den Chaldäern: Mein Entschluß steht unwiderruflich fest: Wenn ihr mir nicht den Traum samt seiner Deutung verkündet, so sollt ihr in Stücke zerhauen und eure Häuser zu Misthaufen gemacht werden; wenn ihr mir aber den Traum und seine Deutung verkündet, so sollt ihr von mir Geschenke und Gaben und große Ehre empfangen. Darum sagt mir den Traum und seine Deutung! Da antworteten sie zum zweiten Mal und sprachen: Der König möge seinen Knechten den Traum erzählen, so wollen wir die Deutung verkünden! Der König antwortete und sprach: Ich weiß nun sicher, daß ihr Zeit gewinnen wollt, weil ihr seht, daß mein Entschluß unwiderruflich feststeht. Wenn ihr mir den Traum nicht mitteilt, so bleibt für euch nur ein Urteil; denn ihr habt euch vorgenommen, lügenhafte und trügerische Worte vor mir zu reden, bis sich die Zeiten ändern. Darum sagt mir den Traum, damit ich weiß, daß ihr mir auch die Deutung verkünden könnt! Die Chaldäer antworteten vor dem König und sprachen: Es gibt keinen Menschen auf Erden, der verkünden könnte, was der König befiehlt; deshalb hat auch nie irgend ein großer und mächtiger König so etwas von irgend einem Traumdeuter, Wahrsager oder Chaldäer verlangt! Denn die Sache, die der König verlangt, ist schwer. Es gibt auch niemand, der es dem König mitteilen könnte, ausgenommen die Götter, deren Wohnung nicht bei den Menschen ist. Hierüber wurde der König aufgebracht und sehr zornig, und er befahl, alle Weisen von Babel umzubringen. Und der Befehl ging aus, und die Weisen von Babel sollten getötet werden; und man suchte auch Daniel samt seinen Gefährten, um sie zu töten. Da erwiderte Daniel dem Arioch, dem Obersten der Scharfrichter des Königs, der ausgezogen war, um die Weisen zu töten, mit klugen und verständigen Worten. Er begann und sprach zu Arioch, dem Bevollmächtigten des Königs: Warum ist dieser strenge Befehl vom König ausgegangen? Da erklärte Arioch die Sache dem Daniel. Daniel aber ging hinein und bat den König, ihm eine Frist zu gewähren, damit er dem König die Deutung verkünden könne. Darauf zog sich Daniel in sein Haus zurück und teilte die Sache seinen Gefährten mit, Hananja, Misael und Asarja, damit sie von dem Gott des Himmels Erbarmen erflehen möchten wegen dieses Geheimnisses, damit nicht Daniel und seine Gefährten samt den übrigen Weisen von Babel umkämen. Hierauf wurde dem Daniel in einem Gesicht bei Nacht das Geheimnis geoffenbart. Da pries Daniel den Gott des Himmels. Daniel begann und sprach: Gepriesen sei der Name Gottes von Ewigkeit zu Ewigkeit! Denn sein ist beides, Weisheit und Macht. Er führt andere Zeiten und Stunden herbei! Da fiel der König Nebukadnezar auf sein Angesicht und verneigte sich tief vor Daniel und befahl, ihm Speisopfer und Räucherwerk darzubringen. Der König ergriff dann das Wort und sprach zu Daniel: Wahrhaftig, euer Gott ist der Gott der Götter und der Herr der Könige und ein Offenbarer der Geheimnisse, daß du dieses Geheimnis offenbaren konntest! Darauf machte der König den Daniel groß und gab ihm sehr viele Geschenke und setzte ihn zum Herrscher über die ganze Provinz Babel und zum Oberhaupt über alle Weisen von Babel. Daniel aber erbat sich vom König, daß er Sadrach, Mesach und Abednego über die Verwaltung der Provinz Babel einsetzte; Daniel aber blieb am Hof des Königs.

Also Daniel hat Nebukadnezar erzählt, dass sein Gott ihm erzählt hat, was er geträumt hat, woraus Nebukadnezar dann schließt, dass dieser Gott supermächtig sein muss und diesen Traum hat er dann auch noch glatt gedeutet. Hätte der Nebukadnzear den Autor gefragt, hätte der natürlich ganz anders zugeschlagen. In etwa so: Der Herr hat mir deinen Traum erzählt. In deiner Schatzkammer liegen drei Tonnen Gold, die du absolut nicht brauchst, das ist in den Augen des Herrn eine völlige Verschwendung, der Herr hat dir also bedeutet, dass dieses Gold an mich zu übergeben seinen Willen erfüllt und damit dein Glück vollendet.

Obwohl also das, was jetzt kommt ebenfalls suggeriert, dass Beatrice eine nicht gestellte Frage beantwortet, gehen wir mal davon aus, dass Dante da nicht ganz bibelfest war.

Und sprach: „Ich sah es längst, dass dich verzehrte
Ein Doppelwunsch, und dass von beiden Quälern
Einer dem anderen stets das Wort erschwerte.

Du denkst: bleibt nur der gute Wille stählern
Und fest, wie kann mir fremder Zwang den Wert
Und wie den Umfang des Verdienstes schmälern?

Und dann bezweifelst du, was Plato lehrt,
Ob wirklich zu der Sterne Heimatkreise
Die Seele von der Erde wiederkehrt?


Im Original

e disse: «Io veggio ben come ti tira
uno e altro disio, sì che tua cura
sé stessa lega sì che fuor non spira.

Tu argomenti: "Se 'l buon voler dura,
la violenza altrui per qual ragione
di meritar mi scema la misura?".

Ancor di dubitar ti dà cagione
parer tornarsi l'anime a le stelle,
secondo la sentenza di Platone .


Und sie sagte: “Ich sehe schon, dass
Sowohl das eine wie das andere Verlangen
dich verzehrt, und dass deine Neugierde
ßen dringt

Du argumentierst: „Wenn guter Wille ist beständig,
wie kann die Gewalt von irgendjemand
mir des Verdienstes Lohne verringern

Und weiter peinigt dich die Frage
dass Platon sagt dass die Seelen
zurückkehren zu den Sternen


Also der Autor würde es mal so sehen. Die Frage, wieso man lediglich in der ersten Sphäre des Paradieses landet, wenn man zwangsverheiratet wurde und so das Gelübde nicht erfüllen konnte, kann man sich stellen, konkreter würde man sich natürlich die Frage stellen, wie man archaische Gesellschaften, bei der die Ehre der Frau verletzt wird, wenn diese vergewaltigt wurde, wieder auf Vordermann bringt. Hier ist letztlich der Staat gefordert, der mal bestimmten Leuten klar macht, wo der Hammer hängt. Die zweite Frage hat sich Dante nicht gestellt, da machen wir jede Wette, das hat sich Beatrice ausgedacht, die liest im Himmel gerade das Buch Timaios von Platon. Dort werden die Seelen dann von Zeit zu Zeit in Körpern inkarniert (natürlich ausschließlich männlichen) und auf die Erde verfrachtet. Nach dem Tod kehren die Seelen auf ihren Stern zurück. Wem solche Fragen auf den Nägeln brennen, dem muss es einfach verdammt gut gehen, Verbannung hin, Verbannung her.

Von diesen Fragen wird gleich laut, gleich leise
Dein Herz bestürmt: Die erste bleib verschont,
Dass ich der zweiten schärfres Gift dir weise.

Im Original:

Queste son le question che nel tuo *velle*
pontano igualmente; e però pria
tratterò quella che più ha di felle  

Das sind die Fragen die deinen Willen
Gleichermaßen beherrschen; zuerst werde
Ich die behandeln, die mehr Gift enthält


Mit dem Gift ist gemeint, dass die zweite Frage, also dass die Seelen zwischen der Erde und den Sternen hin und herwandern (wobei es bei Platon im Detail ein bisschen anders war, waren die Männer feige, dann wurden sie als Frauen wiedergeboren). Da dies den christlichen Glauben mehr in Frage stellt als die zweite (die nach dem Gelübde), enthält sie größeres Gift. Wir sehen also, dass, wenn zwei Gruppen von psychotisch Gestörten aufeinandertreffen, Fragen diskutiert werden und Emotionen auslösen, worüber man sich als Außenstehender nur noch an den Kopf fassen kann. Wenn auch die Fragen an sich auf das Vorliegen einer Psychose schließen lassen, sind die Auswirkungen dieser Emotionen höchst konkret. Die Christen und die Moslems prügeln sich, weil bei den einen die Dreifaltigkeit als Polytheismus gedeutet wird, die Katholiken prügeln sich mit den Protestanten, weil man bei den einen in den Himmel kommt ohne Buße und bei den anderen nur mit, die Shiiten und die Sunniten prügeln sich, weil bei den einen Ali der eigentliche Nachfolger Mohammeds ist und bei den anderen nicht. Also höchst bizarre Fragen, die aber durchaus zu Mord und Totschlag führen. Beatrice wird uns jetzt also erklären, wie das funktioniert mit dem Plato.

Der Seraph, der dem Herrn am nächsten wohnt,
Auch Moses, Samuel, das Johannes-Paar,
Maria selber, die am höchsten thront,

Weilen im selben Himmel wie die Schar
Der andern Geister, die dir hier erschienen,
Auch währt nicht kürzer ihnen Tag und Jahr.  


In Original:  

D'i Serafin colui che più s'india,
Moisè , Samuel, e quel Giovanni
che prender vuoli, io dico, non Maria,  

non hanno in altro cielo i loro scanni
che questi spirti che mo t'appariro,
né hanno a l'esser lor più o meno anni;  


Wie der Seraph, der am meisten von Gott durchstrahlt,
so wie auch Moses, Samuel und jener Johannes
den du kennst, das sag ich dir, und auch Maria

haben nicht in einem anderen Himmel ihren Sitz
als jene Geister die dir gerade erschienen
und haben auch nicht mehr oder weniger an Jahren

Seraph ist eine Art Engel, beschrieben wird der in Jesaja 6, 1-7:

Des Jahres, da der König Usia starb, sah ich den HERRN sitzen auf einem hohen und erhabenen Stuhl, und sein Saum füllte den Tempel. Seraphim standen über ihm; ein jeglicher hatte sechs Flügel: mit zweien deckten sie ihr Antlitz, mit zweien deckten sie ihre Füße, und mit zweien flogen sie. Und einer rief zum andern und sprach: Heilig, heilig, heilig ist der HERR Zebaoth; alle Lande sind seiner Ehre voll! daß die Überschwellen bebten von der Stimme ihres Rufens, und das Haus ward voll Rauch. Da sprach ich: Weh mir, ich vergehe! denn ich bin unreiner Lippen und wohne unter einem Volk von unreinen Lippen; denn ich habe den König, den HERRN Zebaoth, gesehen mit meinen Augen.

Er wohnt also direkt da, wo der Herr wohnt, also ganz oben, hat sechs Flügel und zwei Füße, aber keine Arme. Die brauchen sie auch nicht, denn Arme braucht man nur, wenn man irgendwas Praktisches macht, aber das machen die im Himmel ja aus Prinzip nicht. In dieser Sphäre halten sich auch Moses, Samuel, Johannes und Maria (entweder der Johannes aus dem Evangelium des Johannes oder der Johannes aus der Offenbarung, welchen Dante meint, wissen wir nicht, wir gehen davon aus, dass beide im Empyreum gelandet sind) auf. Entscheidend ist dann der Nachsatz „...haben nicht in einem anderen Himmel ihren Sitz, als jene Geister, die dir gerade erschienen“. Das heißt konkret, dass zwar das Abbild dieser Geister im Mond ist, sie sich aber tatsächlich nicht dort aufhalten. Das mit den Jahren ist dann schwierig. Angedeutet wird wahrscheinlich, dass man im Paradies nicht aufsteigt wie im Läuterungsberg, wo man mit den Jahren ja aufsteigt. Im Paradies hat man seinen Platz und da ist man dann bis in alle Ewigkeit.

Dem ersten Kreis zur Zierde alle dienen,
Doch ist verschiedner Art ihr süßes Leben,
Wie Gottes Hauch verschieden – fühlbar ihnen.

Im Original:

ma tutti fanno bello il primo giro ,
e differentemente han dolce vita
per sentir più e men l'etterno spiro .  

Qui si mostraro, non perché sortita
sia questa spera lor, ma per far segno
de la celestial c'ha men salita.  


Doch alle sind die Zierde des ersten Kreises
und verschieden ist ihr süßen Leben
weil mehr oder weniger sie fühlen den ewigen Atem

Sie erscheinen hier, nicht weil sie vorbestimmt
sind dieser Sphäre, sondern um Zeugnis abzulegen
des Himmels in welchem sie enden


Das heißt jetzt auf Deutsch, dass sich zwar manche im ersten Kreis befinden, also in der Sphäre des Mondes, aber tatsächlich sind sie wie alle im Empyreum, also ganz oben. In der ersten Sphäre erscheinen sie nur als abschreckendes Beispiel, also um zu illustrieren, dass man da landet, wenn man zum Beispiel, wenn auch unter Zwang, ein Gelübde bricht. Der Text ist also etwas unklar, weil wir zwei Aussagen haben. Zum einen heißt es, dass alle im Empyreum sind, also gleich nah bei Gott (Wie der Seraph, der am meisten von Gott durchstrahlt, so wie auch Moses…), auf der anderen Seite heißt es, dass sie weiter unten weniger von dem Licht Gottes abbekommen (…und verschieden ist ihr süßen Leben…). Logisch schlüssig wird das also nur, wenn man davon ausgeht, dass sie im Mondhimmel lediglich erscheinen, sich aber nicht tatsächlich da aufhalten. Zu vermuten ist, dass Dante hier eigene Vorstellungen entwickelt, zumindest hat der Autor diese Vorstellungen bei Thomas von Aquin nicht gefunden.

So wird man nur verständlich euresgleichen,
Denn nur, was euern Sinnen eingeprägt,
Kann dem Verstand zur würdgen Zier gereichen.

im Original:

Così parlar conviensi al vostro ingegno,
però che solo da sensato apprende
ciò che fa poscia d'intelletto degno.  

So muss man euren Geist ansprechen
der nur durch die Sinne lernt,
was später auch der Verstand würdigt



Wie Beatrice auf die Idee kommt, dass Menschen nur das verstandesmäßig erfassen bzw. weiterverarbeiten, was sie vorher sinnlich erfahren haben, ist dem Autor völlig rätselhaft und seine Laune, dem hinterher zu recherchieren, hält sich in Grenzen. Er weiß, dass die Bedeutung der Sinne für die Erfahrung eine philosophische Streitfrage ist, aber nicht jede Frage, die gestellt wird, ist auch sinnvoll. Bedauerlicherweise scheinen es geradezu die sehr theoretischen Fragen zu sein, die zu besonders langen Diskussionen Anlass geben. Interessanter wäre natürlich die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Kenntnis und Interesse. Die meisten Leute interessieren sich ja auch nicht für Wirtschaft und für das Auf und Ab der Börsenkurse, bis zu dem Tag, wo mal ein paar Tausend Euro hops gegangen sind, dann wollen sie schon wissen, wie das funktioniert. Die Frage Kenntnis und Interesse ist auch deswegen bedeutender, weil wahrscheinlich alle Menschen so mehr oder weniger alles lernen und verstehen können, vorausgesetzt, sie interessieren sich dafür. Im Übrigen ist die sinnliche Wahrnehmung selbst theoriegeladen. Nur wer ein bestimmtes theoretisches Interesse hat, wird die Tatsache, dass Äpfel vom Baum fallen, interessant finden. Interessant fand das zum Beispiel Isaac Newton, dem fiel, so die Legende, 1666 unter einem Apfelbaum liegend ein Apfel auf die Birne, was ihn dann zur Gravitationskraft führte. Was die Philosophen auf diesen Hokuspokus mit den Sinneswahrnehmungen brachte, ist dem Autor ein Rätsel. Der menschliche Verstand braucht keine Sinneswahrnehmungen, um sich in Marsch zu setzen. Er denkt gnadenlos über alles nach, was ihn irgendwie aus irgendeinem Grund interessiert.  

Darum erteilt auch, weil sie dies erwägt,
Die Heilge Schrift dem Schöpfer Fuß und Hand,
Die doch dabei im Sinn ganz andres trägt.

Im Original:

Per questo la Scrittura condescende
a vostra facultate, e piedi e mano
attribuisce a Dio, e altro intende;


So erteilt auch die Schrift
Eurer Auffassungsgabe gemäß, dem
Schöpfer Hand und Fuß, auch wenn sie anderes meint

Sagen will er, dass Gott in den Beschreibungen ja aussieht wie ein Mensch und diesen ja auch nach seinem Ebenbilde geschaffen hat:

Genesis, 1, 26: Und Gott sprach: Laßt uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei, die da herrschen über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über die ganze Erde und über alles Gewürm, das auf Erden kriecht.

Was ja wiederum witzig ist, denn bei Moses 5, 8 heißt es dann: Du sollst dir kein Bildnis machen, keinerlei Gleichnis, weder des, das oben im Himmel, noch des, das unten auf Erden, noch des, das im Wasser unter der Erde ist.  

Wenn Gott den Menschen aber nach seinem Ebenbild geschaffen hat, dann sieht er höchstwahrscheinlich aus wie ein Mensch, womit dann schlagend bewiesen ist, dass es sich bei der Bibel um die Schrift eines Ketzers handelt: Quod erat demonstrandum, was zu beweisen war. Der Islam ist da übrigens konsequenter, der hat wirklich kein Bild von Allah, was psychologisch raffinierter ist, denn das Denkverbot wird dann radikaler. Die Position Beatrices liegt dann irgendwo dazwischen. Die Bibel hat zwar ein Bildnis, aber das ist nur deswegen da, weil wir armen Erdenwürmer einfach zu blöd sind, etwas zu erfassen, was wir uns nicht konkret vorstellen können. Wahrscheinlich besteht darin auch die Erbsünde, also wenn es jemand noch nicht begriffen hat: Die jetzige Version ist ja die, dass wir Menschen von der Erbsünde belastet sind, weil Eva einen Apfel gegessen hat und weil Eva einen Apfel gegessen hat, wird Jesus ans Kreuz genagelt, obwohl der Apfelklau strafrechtlich nur Mundraub ist ( § 248a StGB, Verfolgung nur auf Antrag). Raffinierter ist das: Die Erbsünde besteht darin, dass irgendjemand in der Bibel Gott beschreibt, obwohl das nach der Bibel verboten ist. Na gut, wahrscheinlich auch nicht, der Autor hat etwas Probleme der christlichen Logik zu folgen.

So malt auch Kirchenkunst im Menschenstand
Gabriel, Michael und Raphaelen,
Durch den Tobiä Blindheit Heilung fand.

Im Original hat Dante ein Osterei versteckt, das hat Zoozmann schon für uns gefunden.

e Santa Chiesa con aspetto umano
Gabriel e Michel vi rappresenta,
e l'altro che Tobia rifece sano.

und die heilige Kirche zeichnet
mit menschlichem Angesicht den Gabriel
und Michael und den anderen, der Tobias gesunden ließ

Im Original haben wir also das Osterei Raphael suchen müssen, was wir natürlich als gewitzte mit google bewaffnete Ostereiersucher auch selber könnten. Die Geschichte wird im apokryphen, nicht zum Kanon der Bibel gehörenden Buch Tobias erzählt. Die Geschichte ist ein bisschen weired, verdreht. Tobit, also der Vater des Tobias, begräbt einen Juden, was verboten ist. Dadurch ist er unrein geworden und darf sein Haus nicht betreten. Deshalb schläft er draußen, wo wiederum Sperlinge das machen, was Vögel ab und zu mal machen und dieses Etwas fällt in seine Augen und er erblindet. Tobit hat wiederum Geld versteckt und weist seinen Sohn Tobias an, dieses zu holen. Der Engel Raphael bietet sich unterwegs als Weggefährte an und bewahrt ihn vor allen möglichen Gefahren, insbesondere sorgt er aber dafür, dass Tobias einen Fisch fängt, der Heilkräfte hat. Mit dessen Galle wird Tobit geheilt.

Das eigentliche Rätsel ist aber etwas anderes. Wir finden ja das Verbot sich ein Bildnis zu machen psychologisch sinnvoll, das dient dem Machterhalt der monotheistischen Religionen. Merkwürdig ist aber, dass Beatrice sagt, dass die Anordnung im Himmel nur deswegen so ist, damit den Menschen sinnlich wahrnehmbar vor Augen geführt wird, dass man in einer unteren Sphäre des Paradieses landet, wenn man nicht ganz astrein war, eigentlich nur deswegen, weil die Menschen zu blöd sind, um etwas zu kapieren, was sie nicht sehen. Aber im Paradies ist doch eh kein Mensch, es ist also völlig wurscht. Die ganze Anordnung ist also nur deshalb so, weil Dante da mal vorbeischlurft, denn es ist der einzige Mensch, der das Paradies jemals als Mensch betritt. Und Dante hätte das auch begriffen, wir würden es ja auch begreifen. Hätte man ihm gesagt, dass zwar alle im Empyreum sind, aber manche davon halt doch nicht ganz astrein sind und dort nur sind, weil Gott eben gnädig ist, dann hätte er das begriffen. Das ist also schon ein ziemlicher Aufwand, den Gott da wegen Dante betrieben hat.

Doch was Timäus lehrte von den Seelen,
Gleicht dem nicht, was hier sichtbar – aber gerne
Glaubt man, er spreche ohne zu verhehlen.

Im Original:  

Quel che Timeo de l'anime argomenta
non è simile a ciò che qui si vede,
però che , come dice, par che senta.  

Was Timäus berichtet von den Seelen,
ist nicht dem ähnlich, was wir hier erblicken
denn er scheint, wie man sagt, alles wörtlich zu meinen


Im Buch Timaios wird, wie oben bereits geschildert, das Hin und Herwandern der Seelen zwischen der Erde und den Planeten beschrieben. Da wird Platon natürlich völlig missverstanden, obwohl Beatrice das nicht in einem persönlichen Gespräch hat erfahren können, denn Platon ist ja ungetauft im ersten Kreis der Hölle gelandet, sie im Paradies. Beatrice kann ihre Einsichten also nur aus der Sekundärliteratur oder aus ihrem eigenen Kopf ausgegraben haben, beides reichlich unsichere Quellen. Sie fragen sich jetzt natürlich, warum man Platon überhaupt erwähnen soll? Also Sie können auch reichlich weltfremde Fragen stellen, mal ganz ehrlich. Beatrice ist doch sowas wie Beamter im himmlischen öffentlichen Dienst, gehört also zur selben Kategorie, wie die verbeamteten Geistlichen, vulgus Professor. Und die schmieren sich nur dann Butter auf‘ s Brot, wenn das auch Aristoteles, Kant, Hegel, Diderot, Schelling, Fichte, Schleiermacher, Ortega y Gasset, Unamuno, Pascal, Foucoult, Bergson und Gramsci gemacht haben. Sagen Sie jetzt nicht, dass es völlig wurscht ist, was Plato gesagt hat, selbst der Irrtum Platons ist wichtiger als die richtige Ansicht eines erbärmlichen Erdenwurms, deswegen werden wir jetzt über die Irrtümer Platons aufgeklärt.

Er sagt, die Seele kehrt zu ihrem Sterne,
Und glaubt, dass sie ihm ehemals entwich,
Als sie Natur dem Körper gab zum Kerne.

Vielleicht ist‘ s richtiger, dass man anders sich
Sein etwa missverstandnes Wort erkläre -
Dann ist der Sinn wohl minder lächerlich;

Im Original:

Dice che l'alma a la sua stella riede,
credendo quella quindi esser decisa
quando natura per forma la diede;

e forse sua sentenza è d'altra guisa
che la voce non suona, ed esser puote
con intenzion da non esser derisa.  


Er sagt die Seele gehe zu den Sternen,
glaubt also dass alles schon entschieden
Wenn die Natur ihr eine Form verleiht

doch vielleicht ist sein Urteil anderer Natur
als es das Wort vermuten lässt und kann auch
So verstanden werden, dass es nicht lächerlich klingt

Sie geht also davon aus, dass Platon etwas anderes meint, als er schreibt, also nicht wörtlich zu nehmen ist und wenn man es richtig auffasst, ist es nicht vollkommen lächerlich, denn etwas, das im Widerspruch zum christlichen Glauben steht, ist natürlich lächerlich. Richtig muss es also heißen:

Denn etwas Wahres träf sein Bogen, wäre
Die Meinung so: In Lob und Tadel kehrte
Der Einfluss wieder heim zu seiner Sphäre.

Im Original:

S'elli intende tornare a queste ruote
l'onor de la influenza e 'l biasmo, forse
in alcun vero suo arco percuote.


 Wenn er damit jenen Rädern zuweist
Die Ehre des Verdienstes und des Fehls,
vielleicht etwas Wahres beinhaltete sein Bogen

Beatrice korrigiert also Platon dahingehend, dass dieser nicht meint, dass die Seelen immer auf den gleichen Planeten zurückkehren, sondern sagen will, dass die Sterne das menschliche Leben beeinflussen. Man muss Platon also nicht wörtlich nehmen, sondern das Wort als Metapher auffassen. Meint Beatrice.

Weiter teilt uns Beatrice noch mit, dass alle Plato bislang falsch verstanden haben.

Fast alle Welt verstand, was Plato lehrte,
Zu Unrecht, so dass früher man die Sterne
Merkur, Mars, Jupiter als Götter ehrte.


Im Original:

Questo principio , male inteso, torse
già tutto il mondo quasi, sì che Giove,
Mercurio e Marte a nominar trascorse.

Dieses Prinzip, schlecht verstanden, verwirrte
Schon die ganze Welt, bis es schließlich geschah
dass man diese Planeten Jupiter, Merkur und Mars nannte


Der Autor ist sich noch nicht richtig schlüssig, ob er tatsächlich wissen will, was Platon uns sagen wollte. Bei Platon allerdings sind Merkur und Mars tatsächlich Götter, die wurden nämlich von dem Demiurgen, also sozusagen dem Primum Mobile, dem ersten Bewegten, tatsächlich geschaffen.

Auf folgende Weise soll es sich also nach ihrer Erzählung mit der Entstehung dieser Götter verhalten, und so wollen wir es wiedergeben: Als Kinder der Ge (Erde) und des Uranos (Himmel) wurden Okeanos und Tethys geboren; diese aber zeugten Phorkys und Kronos und Rhea und alle, die mit ihnen kamen; von Kronos und Rhea aber stammen Zeus und Hera und alle, von denen uns bekannt ist, daß sie als ihre Geschwister gelten, und schließlich noch andere Abkömmlinge von diesen. Als nun alle die Götter entstanden waren, sowohl die, welche sichtbar umherwandeln, als auch diejenigen, die sich nur dann zeigen, wenn sie wollen, da sprach der Schöpfer dieses Alls folgendes zu ihnen: «Ihr Götter, von Göttern abstammend, ich bin euer Urheber und der Vater der Werke, die durch mich entstanden sind und nicht zerstört werden können, solange ich nicht will.

Und erst später gibt er diesen Göttern dann eine Seele in Planetenform.

Dass aber die Verknüpfung von Planeten mit Göttern (Venus, Mars, Merkur) auf Platon zurückgeht, würde der Autor jetzt so aus dem Bauch heraus bestreiten. Er würde eher vermuten, dass Platon hier die griechische Mythologie in seinem System verbaute. Dafür spricht auch, dass er einen Demiurg einsetzt, der die anderen Götter erschuf. Rein logisch gesehen kommt er damit aber auch nicht weiter. Damit hat er zwar erklärt, wer Gaia erschuf, aber die Frage, wer den Demiurg erschuf, bleibt weiterhin unerklärt. Das ist ja überhaupt die Kernfrage: Wer erschuf Gott?

Der andre Zweifel birgt in seinem Kerne
Viel weniger Gift und hätte nie vermocht,
Dass sich zu weit von mir dein Weg entferne.


Der andere Zweifel ist der, ob derjenige, dessen Gelübde durch gewaltsame Einwirkung Dritter gebrochen wurde, Schuld auf sich lädt. Sie sehen also Fragen über Fragen. Wie heißt es so schön bei Goethe:

Oh glücklich, wer noch hoffen kann,
aus diesem Meer des Irrtums aufzutauchen

Bei Plato fühlte sich ja das Herz des Autors jugendlich erschüttert (Wo kommt das her, das „jugendlich erschüttert“ ? Richtig, Goethe isses!). Die ganze Angelegenheit erinnert ihn an einen Aufsatz, den er mal in der Schule schreiben musste, über Platons Ideenlehre. Da hatte er einen Kumpel, Sie sehen also, dass sich der Autor immer schon mit den richtigen Leuten umgeben hat, der brauchte für diesen Aufsatz nicht mal eine Minute, der ganze Aufsatz bestand aus einem Satz:

Sex and drums and Rock‘ n Roll is all my brain and body needs.

Der teacher war natürlich nicht amused. Der Aufsatz des Autors war länger, der sabbelt den besten Hund kaputt, aber nicht wirklich ertragreicher, wenn auch besser benotet.

Dass Gottes Rat oft scheinbar unterjocht
Der Menschen Recht – das stärke euch im Glauben,
Statt dass ihr ketzrisch auf die Meinung pocht!


Im Original:

Parere ingiusta la nostra giustizia
ne li occhi d'i mortali, è argomento
di fede e non d'eretica nequizia.  


Wenn Unrecht scheint unsere Gerechtigkeit
In den Augen der Sterblichen, ist das ein Argument
Für den Glauben und zeugt nicht von Häresie


Was lernen wir daraus? Der totale Schwachsinn ist das gemeinsame Reich der Erzkonservativen wie Dante und der Hippybewegung. Kennen Sie das aus Hair?  

Wenn der Mond im 7. Hause steht
und Jupiter auf Mars zugeht
herrscht Frieden unter den Planeten
lenkt Liebe ihre Bahn

Genau ab dann regiert die Erde der Wassermann
regiert sie der Wassermann
der Wassermann, der Wassermann!

Harmonie und Recht und Klarheit
Sympathie und Licht und Wahrheit
niemand will die Freiheit knebeln
niemand mehr den Geist umnebeln
Mystik wird uns Einsicht schenken
und der Mensch lernt wieder Denken dank dem Wassermann  

Na det wes ich ja och nich, ob Mystik uns Einsicht schenkt. Der Autor ist ja Schwabe und bei denen heißt es:

Brettle bohre
Net end Luft guka

Aber zurück zu der göttlichen Gerechtigkeit, die uns erbärmlichen Erdenwürmern so ungerecht vorkommt, wobei doch gerade diese göttliche Ungerechtigkeit ein Zeichen ist, dass wir treu im Glauben verharren. So rein vordergründig verstehen wir das natürlich auch nicht und wir sehen da auch keine christliche Tradition. Die christliche Tradition ist eher die, dass es für die Existenz Gottes handfester Beweise bedarf, da müssen Kranke geheilt werden, ein Marsch über das Wasser muss möglich, dem ägyptischen Pharao muss mal anständig heimgeleuchtet werden und ab und zu muss Gott in einem Dornbusch erscheinen, sonst glaubt das niemand. Damit also Gott anerkannt wird, muss er seine Göttlichkeit schon konkret erweisen, sendet er kein Manna vom Himmel oder ist ungerecht, dann schwindet dieses Vertrauen drastisch. Weiter beinhaltet die Terzine eine Immunisierungsstrategie. Wenn die Ungerechtigkeit Gottes die Existenz Gottes beweisen soll, dann ist jeder Zustand mit der göttlichen Schöpfung vereinbar. In diesem Falle ist es günstiger, die Menschheit verlässt sich auf ihre eigenen Fähigkeiten. Die Terzine ist also etwas wirr, wird auch in allen Kommentaren schweigend übergangen. Man kann sie natürlich auch so verstehen, dass Beatrice ankündigt, dass sie uns im folgenden erklären wird, warum nur Häretiker sagen werden, dass die Ungerechtigkeit ein Zeichen der Nichtexistenz Gottes ist, sie uns also mit schlagenden Argumenten beweisen wird, dass das, was uns erbärmlichen Erdenwürmern ungerecht erscheint, eigentlich gerecht ist. Sie wird uns also erklären, warum es gerecht ist, dass auch derjenige, der sein Gelübde ohne Eigenverschulden bricht, auf einer niederen Sphäre des Himmels landet. Der Stil, in dem sie ihm das erläutert, ist natürlich wie üblich ex cathedra. Sie ist im Besitz der absoluten Wahrheit.

Doch weil auch euch zu hoch nicht diese Trauben,
Will ich – damit du siehst, was Wahrheit sei -
Dir gern auf deinen Wunsch den Schleier rauben.

Im Original:

Ma perché puote vostro accorgimento
ben penetrare a questa veritate,
come disiri, ti farò contento.


Aber weil dein Verstand es dir ermöglicht
diese Wahrheit zu verstehen
werde ich, weil du es wünschst, es dir erklären

 Zoozmann hat das also noch verschärft, er kann sich also so allmählich richtig in Beatrice hineindenken. Beatrice sagt ja mehr oder weniger so was:

Selbst Du, obwohl dein Hirn doch etwas sperrig
kannst das verstehen, wenn ich es dir erkläre,
dich von deiner gnadenlosen Blödheit nun erlöse


Also ganz so krass wie bei Zoozmann drückt sie sich nicht aus, sie meint das zwar so, aber selbst bei einem Beamten in himmlischen Diensten brennen doch nicht alle Sicherungen durch. Ob wir Erdenwürmer das jetzt allerdings begreifen mit der himmlischen Ungerechtigkeit, die gerecht ist, steht auf einem anderen Blatt.

Wenn das Gewalt heißt, wo zu keinerlei
Mitwirkung sich der Dulder lässt verpflichten,
So sind von Schuld nicht jene Seelen frei.    

Im Original:

Se violenza è quando quel che pate
niente conferisce a quel che sforza,
non fuor quest'alme per essa scusate;  

Wenn Gewalt ist, wenn der der sie erträgt
dem nicht weicht der sie ausübt
sind diese Seelen deshalb nicht entschuldigt


Das ist jetzt reichlich weired, also verdreht. Sagen will Beatrice, dass Gewalt etwas ist, was man nicht ausüben kann, weil der, der sie erträgt ja einen freien Willen hat, also demjenigen, der sie ausübt, nicht weichen muss. Das sieht die gute Beatrice jetzt natürlich ganz abstrakt. Den Menschen kann man ganz unstreitig durch Gewalt brechen, sinnvoller ist es also, das politische / ökonomische / rechtliche System so auszulegen, dass es zu solchen Exzessen gar nicht kommt.

Kein Wille, der nicht will ist zu vernichten
Und wird wie Feuer den Naturtrieb zeigen,
Trotz tausendfachem Druck sich aufzurichten.

Also was das Mädel alles zusammenbrabbelt. Das ist aber bei Beamten so. Mit Staatsknete versorgt, noch nie in der freien Wirtschaft gearbeitet, meinen sie, eine Vorstellung zu haben, was in der Welt passiert. Wer also glaubt, dass ein unbändiger Wille wie das Feuer immer nach oben strebt, muss irgendwo in einer Behörde sitzen, wo allein der Wille zur Anwesenheit schon ausreicht, alle paar Jahre nach oben zu rücken. Die Sache wäre durch Lebenserfahrung leicht zu korrigieren. Es gilt das schon oft zitierte Wort Goethes:

Der Mensch, der nicht geschunden wird,
Wir nicht erzogen

Sie erklärt uns jetzt, ohne nähere Kenntnis der Realität, was ein Mensch so aushalten muss.

Lässt er nachgiebig etwas nur sich neigen:
Er weicht dem Zwang! Drum hätte jenes Paar
Rückfliegen können in des Klosters Schweigen.

Doch beide waren jenes Willens bar,
Durch den Laurentius auf dem Rost verblieben,
Durch den Mucius Hand so standhaft war;


Laurentius starb am 10. August 258 in Rom, sein Geburtsjahr ist nicht bekannt. Kaiser Valerian ließ ihn gefangen nehmen, nachdem Laurentius sich geweigert hatte, die Schätze der Kirche zu übergeben und diese anstatt dessen an die Armen Roms verteilte. Diese wiederum präsentierte er Valerian als die wahren Schätze der Kirche, was jener natürlich anders sah und ihn auf einem glühenden Rost zu Tode folterte. Muzio Scevola ist der Held einer römischen Legende. Als 508 vor Christus Rom von den Etruskern belagert wurde und die Lebensmittel knapp wurden, schwor Muzio den Anführer der Etrusker, Porsenna, zu töten. Es gelang ihm, sich unter die etruskischen Soldaten zu mischen und jemanden zu erdolchen, den er für Porsenna hielt. Tatsächlich tötete er aber jemand anderen. Als er Porsenna vorgeführt wurde, tauchte er seine Hand in ein Kohlebecken, um die Hand dafür zu bestrafen, dass er den falschen umgebracht hatte. Porsenna war davon so beeindruckt, dass er ihn begnadete. Porsenna teilte ihm daraufhin, sozusagen aus Dankbarkeit, mit, dass noch 299 junge Römer bereitstünden, ihn zu töten, was natürlich eine Lüge war. Diese Lüge aber beeindruckte Porsenna und er zog sich zurück, weil er bei so vielen mutigen Römern um sein Leben fürchtete.

Er hätte sonst die zwei zurückgetrieben,
Nachdem sie frei, zum Zufluchtsort der Frommen;
Doch wenige gibt‘ s, die Willenstärke lieben.


Im Original:

così l'avria ripinte per la strada
ond'eran tratte, come fuoro sciolte;
ma così salda voglia è troppo rada.


Dann hätte er sie auf der Straße, wenn wieder frei,
Von der sie gekommen waren zurückgetrieben
doch solch starker Wille ist selten


Soll heißen, dass der starke Wille sie hätte wieder zurückgehen lassen, nachdem sie frei waren.

Hast du dies Wort nun einsichtsvoll vernommen,
So sind die Zweifel sicherlich zerstreut,
Die sonst gewiss noch manchmal dich beklommen.


Also der Gedanke der holdseligen Beatrice war der, dass ein eiserner Wille sich immer durchsetzt. Dieser Gedanke ist von einem solch abgründigen Tiefsinn, dass unser Hirn - ohnehin schon von der Fülle der Gedanken und Einsichten überwältigt - kaum noch zu folgen vermag.

Doch siehe! Schon ein andres Hemmnis beut
Sich deinem Wege, das zu überbrücken
Wohl deine schwache Kraft allein sich scheut!


Im Original:

Ma or ti s'attraversa un altro passo
dinanzi a li occhi, tal che per te stesso
non usciresti: pria saresti lasso.  


Doch jetzt erscheint ein anderer Zweifel
vor deinen Augen, den du allein nicht
Wirst lösen können: Du würdest bald ermüden


Das glauben wir auch nicht, dass Dante den nächsten Zweifel wird lösen können.

Ich ließ dich‘ s fest dir ins Gedächtnis drücken,
Dass Selige nicht lügen, weil sie hier
Sich mit der Ursprungswahrheit Abglanz schmücken.

Und doch bekräftige Piccarda dir,
Konstanze wär dem Schleier treu geblieben;
So steht sie denn im Widerspruch zu mir ?

Mit der ersten Terzine, dass die Seligen nicht lügen, wird auf eine Terzine im vorigen Gesang angespielt (Doch frage sie und glaube das Erklärte!/Das Licht, das sie beseelt, wird nie gestatten/Dass sie abirren von der Wahrheit Fährte). Desgleichen der andere Vers (Dem Herzen aber ward er nicht geraubt / Trotzdem man – gegen Recht und Pflicht geschah‘ s – Zur Welt verhasste Rückkehr ihr erlaubt!). Die weltbewegende Frage also, über der Dante brütet und die Beatrice ihm beantworten wird, ist diese: Wie kann Konstanze sagen, dass der Schleier ihr geraubt wurde, aber im Herzen doch nicht geraubt wurde? Frage! Sollten sie die Tragweite dieses Problems nicht begreifen, dann schicken Sie ein email an beatrice@paraiso.it.

Furcht vor Gefahr hat manchen schon getrieben,
Wenn widerstrebend auch, zu einer Tat
Die als ein Unrecht niemand möchte lieben,

Wie auch Alkmäon, weil der Vater bat,
Die Mutter tötete; den Sohnespflichten
Gehorchend übte er als Sohn Verrat.

Das mit den Griechen kennen wir schon, das ist üben, üben, üben. Hier laufen zwei Handlungsstränge zusammen, beide kennen wir schon. Der eine Handlungsstrang ist der, dass sich die Kinder von Ödipus, Eteokles und Polyneikes in die Wolle bekamen. Geplant war, dass beide abwechselnd in Theben regieren, aber Eteokles setzte seinen Bruder ab und dieser wiederum suchte sich Gefährten, mit denen zusammen er gegen Theben zog. In der Schlacht kam sowohl Polyneikes wie auch Eteokles um. Innerhalb dieser Geschichte gibt es nun eine Nebengeschichte. Auch Ampharos, der Vater des Alkmaion (auf dessen Schicksal die Terzine anspielt) sollte gegen Theben ziehen, was dieser aber nicht wollte, weil er voraussah, dass er diesen Krieg nicht überleben wird. Daraufhin besticht Polyneikes mit dem Halsband der Harmonia (ein von Hephaistos gefertigtes Halsband, auf dem ein Fluch lag) die Frau des Ampharos, Eriphyle, damit diese ihren Gatten dazu überredet, doch an dem Krieg teilzunehmen. Der Krieg endet, wie von Ampharos vorhergesehen, in einem Desaster und es beginnt die zweite Runde. Zehn Jahre später zogen die Epigonen, die Söhne der "Sieben gegen Theben", wieder in den Krieg, diesmal erfolgreich, der Sohn des Eteokles, Laodamas, wird getötet. An diesem Feldzug nimmt auch der Sohn des Ampharos teil, Alkmaion. Ampharos trug diesem, bevor er in die Schlacht zog, auf, seinen unvermeidlichen Tod zu rächen, das heißt seine Mutter Eriphyle zu töten. Er tat dies aber erst, nachdem sich seine Mutter nochmal bestechen ließ und so bewirkte, dass beide Söhne, also Alkmaion wie auch Amphilochus, in den Krieg zogen. Alkmaios kam also den Sohnespflichten nach, aber nicht seinen Pflichten als Sohn. Ob Dante hier also das geeignete Objekt zur Illustrierung verwendet hat, kann man bezweifeln. Denn eine Mutter, die ihren eigenen Sohn wegen einem Firlefanz in den Krieg schickt, ist ja auch etwas merkwürdig. Alkmaion hätte auch ganz ohne seinen Vater Grund genug gehabt, auf seine Mama sauer zu sein.

Dies ist der Punkt, und den vergiss mitnichten:
Wenn auch der Zwang den Willen unfrei macht,
Wird Tat zur Schuld, muss man den Täter richten!

Im Original:

A questo punto voglio che tu pense
che la forza al voler si mischia, e fanno
sì che scusar non si posson l'offense .


Ich will, dass du verstehst,
dass die Kraft mit dem Willen sich vermischt,
und zwar so, dass die Beleidigung nicht entschuldigt werden kann


Heißen soll das wohl, dass auch dann, wenn sich der Wille lediglich nackter Gewalt beugt, Gott dennoch beleidigt wird. Fasst man die Dialektik der Beatrice zusammen, dann sieht man sofort ein, dass die Worte so erleuchtend waren, dass Dante das nie vergessen darf. Das erste Argument war, dass man sich auch dann nicht vom Pfad der Tugend darf abbringen lassen, wenn man auf einem Rost geröstet wird, das war die Sache mit Laurentius. Das zweite Argument war, dass auch dann, wenn der Wille Gottes Pfaden zu folgen lediglich durch nackte Gewalt gebrochen wird, dies dennoch eine Sünde ist. Es fällt da etwas schwer, den Unterschied zwischen diesen zwei Argumenten zu finden, aber abgesehen davon ist der Autor, ganz im Gegensatz zu Dante, auch nicht so richtig überzeugt. Selbst die zusammenfassende Erläuterung anhand eines Beispiels können wir nicht so richtig nachvollziehen.

Piccarda also sprach – dies unterscheide! -
Vom Willen an sich selbst, vom andern ich,
Und darum zeugten Wahrheit dir wir beide.“


Im Original:

Però, quando Piccarda quello spreme,
de la voglia assoluta intende, e io
de l'altra; sì che ver diciamo insieme».


 Weil, als Piccarda jenes berichtet,
meinte sie den absoluten Willen, und
Ich den anderen; so meinen wir dasselbe

Die Logik ist also die: Piccarda behauptet, dass das Gelübde der Konstanze zwar gebrochen wurde (durch die Gewalt Dritter), aber dass Konstanze im Herzen dem Gelübde treu blieb. Beatrice sagt nun, dass das zwar richtig sei, aber eben nicht ausreicht, weil sie nicht ins Kloster zurückmarschiert ist, als dies möglich war. Irgendwie will uns Beatrice irgendwas von Thomas von Aquin erklären. Dieser behauptet, dass auch der Schuld auf sich lädt, der dem absoluten Willen Gottes aus Furcht nicht Folge leistet. Sie können aus diesem Abschnitt aber etwas Entscheidendes für das ganze Leben lernen. Wer völlig abstruse Fragen stellt, bekommt noch abstrusere Antworten. Allerdings gilt das nur, wenn da nicht ein mächtig halluzinogener Pilz involviert ist. Denn Dante ist von der Antwort geradezu begeistert. Leute allerdings, denen nicht mal die Frage klar ist, schauen hier natürlich wie ein Schwein ins Uhrwerk, sind fasziniert, was Dante alles begeistert.

Also ergoss die heilge Welle sich,
Die aus der Wahrheit Ursprungsquell entsprungene,
Und söhnte aus mit beiden Zweifeln mich.


Wow! Dante hat jetzt also erstens sein Problem mit den Göttern Platons geklärt, die zwischen den Planeten und der Erde hin- und herwandern und zweitens weiß er jetzt, dass Schuld auf sich lädt, wer dem Willen Gottes aus Furcht nicht folgt. Das waren natürlich jetzt mächtig viele Terzinen dafür und wir wissen nicht mal, ob wir tatsächlich schlauer sind.

„Geliebte der Urliebe, Gottdurchdrungene,“
Rief ich, „wie überströmt mit Lebensmut
Solch Wort die Seele mir, die Lichtbezwungene!

Nicht tief genug ist meiner Inbrunst Glut,
Euch Gabe gegen Gabe darzubringen -:
Der alles kann und sieht, mach‘ s freundlich gut!

Lucy in the sky with diamonds. Es muss die Wahnsinns Pilze gegeben haben in der Toskana, aber die in Brandenburg, da hat Falkenhausen gelebt, einer der zahlreichen Dante Interpreten, die müssen das totale Hammerkraut gewesen sein, denn der schreibt: „ Was Beatrice, die Gottgeliebte lehrt, ist Ausfluß göttlicher Wahrheit, befruchtend wie Sonnenschein und Regen für den Geist, der in ihr Frieden und sichere Zuflucht fand. (Dante, Die Göttliche Komödie, Insel Taschenbuch, Frankfurt, 1977, Seite 600.)

Nie wird dem Geiste Sättigung gelingen,
Als mit dem Licht, das aus der Wahrheit quillt,
Und außer ihr nicht lässt sie sich erringen.


Dazu Falkenhausen: Dass dem Menschen Wahrheit erkennbar sei, ist thomistische Lehre im Gegensatz zur stoischen. Da der Zweifel nichts anderes ist als der Keim zur Wahrheit, wagt Dante noch eine Frage: nach der Möglichkeit eines Ersatzes für unerfüllte Gelübde. (ebenda Seite 600)

Dass Thomas von Aquin uns armen Erdenwürmern zutraut, die Wahrheit zu erkennen, finden wir natürlich gut und wir freuen uns auch darüber, dass Dante uns mitteilt, dass Thomas von Aquin davon überzeugt ist. Allerdings steht die Befürchtung im Raum, dass diese Aussage allein zur Steuerung der Wissenschaft und zum Austüten von Steuergeldern dafür nicht ganz ausreicht. Ganz düster sieht es dann aus, wenn man sich mal kurz überlegt, was das Bundesministerium für Bildung und Forschung so treibt. Dieses Institut wird ja momentan von einer Doktorin geleitet, von Dr. Annette Schavan, die ist ja Theologin und da scheint mit den Erkenntnissen von Thomas von Aquin tatsächlich ein milliardenschweres Ministerium geleitet zu werden. Wer über dieses Ministerium dann nachdenkt, der denkt an Heine: Denk ich an Deutschland in der Nacht / bin ich um den Schlaf gebracht. Dieses Ministerium tütet zum Beispiel 32 Millionen Euro aus für die Förderung von Web2 im e-learning Bereich, obwohl dieser Bereich, privatwirtschaftlich organisiert, überhaupt kein Geld braucht. Der Autor macht so was nämlich und verdient damit Geld. Die 32 Millionen fließen an irgendwelche Professorchen, die von dem Thema keine Ahnung haben und die Steuergelder glatt verbrennen. Eine Geschichte des Scheiterns und der gnadenlos verbrannten Steuergelder ist diese Seite: http://www.medien-bildung.net. Da sind alle Projekte gelistet, eines bedeutungsloser als das andere und manchmal hängt sogar ein Preisschild dran. Das kann man dann zusammenaddieren. Wer dann immer noch glaubt, dass Thomas von Aquin einen Ansatz bietet, die Produktion von Wissen effizient zu steuern, der hat schlicht einen an der Waffel. Die Wahrheit erlangt man nicht dadurch, dass man vom Licht des Schöpfers durchströmt wird, man kann aber mal ein Handbuch zu Controlling in die Hand nehmen, das hilft. Wenn man wissen will, wie man den wissenschaftlichen Fortschritt evaluiert, kann man das Buch von Karl Popper, Logik der Forschung, in die Hand nehmen.

Da ruht er, wie im Dickicht ruht das Wild,
Wenn er‘ s erreicht hat, und er kann‘ s erreichen,
Sonst bliebe alle Sehnsucht ungestillt.


Im Original:

Posasi in esso, come fera in lustra ,
tosto che giunto l'ha; e giugner puollo:
se non, ciascun disio sarebbe *frustra*.

In ihr ruht er, wie das Tier im Nest,
wenn er einmal sie hat gefunden, und finden kann er sie
sonst wäre jede Sehnsucht unerfüllt


„Er“ ist der Geist, der ruht in „ihr“, also der Wahrheit, wie das Tier im Nest. Könnte der Geist die Wahrheit nicht finden, bliebe jede Sehnsucht unerfüllt. Irgendwie haben wir den Eindruck, dass Dante sich wiederholt, ohne dass die Argumentation deshalb logisch stringenter würde.

Drum sprossen, einem Schössling zu vergleichen,
Am Fuß der Wahrheit Zweifel – doch Natur
Spornt uns, vom Weg zur Höh nicht abzuweichen!


Das klingt ja erstmal nach dem Durchscheinen der Toleranz, zweifeln darf man also. Aber nur, wenn die Pflanze entlang des vom Gärtner Kirche eingepflanzten Bambusstabes nach oben rankt landet man nicht auf dem Scheiterhaufen.

Ist die Sache mit der Fragerei unglücklich gestartet, so wird die absurde Antwort eine noch absurdere weitere Frage aufwerfen.

Dies treibt nur, dies ermutigt jetzt mich nur,
Dass ich in Ehrfurcht, Herrin, Euch befrage
Nach einer andern Wahrheit dunkler Spur:

Ob Fehlgelübde man im Lauf der Tage
Durch andres gutes Werk ersetzen kann,
Dass es zu leicht nicht laste Eurer Wage?“

Was er also wissen will ist, ob die Schuld, die man dadurch auf sich lädt, dass ein Gelübde, das gebrochen wurde, wenn auch unter Gewalt, durch Taten zumindest teilweise verringert werden kann.

Betrachtet man die Diskussion zwischen den Beiden und die Wirkung, die diese Diskussion hervorruft, bekommt man eine Vorstellung über die Natur des Lichtes, die durch das Paradies strahlt. Das ist vielleicht kein Pilz, aber die Wirkung ist irgendwie ähnlich.

Da sahn mich Beatricens Augen an,
Göttliche Liebesfunken darin zeigend,
Dass meine Kraft mir zu entfliehn begann

Und ich mich selbst verlor, die Augen neigend.

Weil er also die oben beschriebene Frage stellt, schaut sie ihn mit göttlichen Liebesfunken in den Augen an. Der Autor kennt das wirklich nur bei Leuten, die mit zugedröhnter Birne durch die Gegend laufen. Da hat dann das, was objektiv passiert auch nichts mehr mit den Reaktionen zu tun, die ausgelöst werden.