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Deutsch | Italienisch | Interpretation: |
Zweiundzwanzigster
Gesang: |
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DER LÄUTERUNGSBERG: XII Gesang | PURGATORIO: XII CANTO | |
Schon war der Engel hinter uns geblieben, Der uns zum sechsten Kreise ließ gelangen, Der mir das fünfte P getilgt von sieben |
Già era l'angel dietro a noi rimaso, l'angel che n'avea vòlti al sesto giro, avendomi dal viso un colpo raso; |
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Und die, die nach Gerechtigkeit hier bangen, Als selig pries; doch nur bis sitiunt, Weil weiter nicht des Engels Worte klangen. |
e quei c'hanno a giustizia lor disiro detto n'avea beati, e le sue voci con 'sitiunt', sanz' altro, ciò forniro. |
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Viel leichter als bisher durch einen Schlund Klomm hier mein Fuß, nachsteigend ohne Mühe Den schnellen Geistern aus dem tiefern Grund. |
E io più lieve che per l'altre foci m'andava, sì che sanz' alcun labore seguiva in sù li spiriti veloci; |
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Da sprach Virgil: „Wo auch durch Tugend glühe Die Liebe, Gegenliebe muss sie zünden, Gesetzt, dass sie nach aussen sichtbar sprühe. |
quando Virgilio incominciò: «Amore, acceso di virtù, sempre altro accese, pur che la fiamma sua paresse fore; |
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Und so – seit zu des Höllenvorhofs Gründen In unsern Kreis hinabstieg Juvenal, Mir deine Neigung rühmend zu verkünden, - |
onde da l'ora che tra noi discese nel limbo de lo 'nferno Giovenale, che la tua affezion mi fé palese, |
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Empfand ich Neigung auch für dich zumal, Wie wir sie Niegesehnen selten weihen Und mir nun klein dünkt dieser Stufen Zahl. |
mia benvoglienza inverso te fu quale più strinse mai di non vista persona, sì ch'or mi parran corte queste scale. |
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Jedoch – und magst du mir als Freund verzeihen, Wenn allzu weit mein Freimut löst den Zaum, Doch offen sprich, als ob wir Freunde seien – |
Ma dimmi, e come amico mi perdona se troppa sicurtà m'allarga il freno, e come amico omai meco ragiona: |
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Sag: wie der Geiz doch – ich begreif es kaum Bei deinem Streben nach Vollkommenheiten – Wie fand er nur in dir, dem Weisen, Raum?“ |
come poté trovar dentro al tuo seno loco avarizia, tra cotanto senno di quanto per tua cura fosti pieno?». |
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Um Statius Mund sah ich ein Lächeln gleiten. „Es kann mir deine Frage,“ sprach er dann, „Als Liebesmerkmal Freude nur bereiten. |
Queste parole Stazio mover fenno un poco a riso pria; poscia rispuose: «Ogne tuo dir d'amor m'è caro cenno. |
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Oft freilich sehn sich so die Dinge an, Dass man zu Zweifeln kommt und falschen Schlüssen, Weil man den rechten Grund nicht sehen kann. |
Veramente più volte appaion cose che danno a dubitar falsa matera per le vere ragion che son nascose. |
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So schöpftest du wohl auch aus trüben Flüssen Und glaubst, dass Habgier mich im Leben plagte? Vielleicht wohl, weil ich h i e r hab liegen müssen? |
La tua dimanda tuo creder m'avvera esser ch'i' fossi avaro in l'altra vita, forse per quella cerchia dov' io era. |
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Vernimm denn, dass ich stets dem Geiz entsagte! Sein Gegenteil war’ s grade, die Verschwendung, Drob ich vieltausend Monde lang hier klagte. |
Or sappi ch'avarizia fu partita troppo da me, e questa dismisura migliaia di lunari hanno punita. |
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Du gabest meinem Wandel da die Wendung, Denn ich auch hätt die Höllenlast gerollt, Doch vorher las ich, wie ob der Verblendung |
E se non fosse ch'io drizzai mia cura, quand' io intesi là dove tu chiame, crucciato quasi a l'umana natura: |
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Der Welt dein Vers in schönem Zorne grollt: Wohin noch lockst du , dass ihm Rettungschwände , Das Menschenherz , verfluchter Durst nach Gold? |
'Per che non reggi tu, o sacra fame de l'oro, l'appetito de' mortali?', voltando sentirei le giostre grame. |
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Da sah ich ein, dass man z u w e i t die Hände Auch öffnen kann, bereute drum und glaubte, Dass Gott mich d e r und andrer Schuld entbände. |
Allor m'accorsi che troppo aprir l'ali potean le mani a spendere, e pente'mi così di quel come de li altri mali. |
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Wieviel erstehn einst mit gerupftem Haupte Nur durch Unwissenheit, die immerfort, Bis in den Tod, der Reue sie beraubte. |
Quanti risurgeran coi crini scemi per ignoranza, che di questa pecca toglie 'l penter vivendo e ne li stremi! |
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Und wisse: wenn der Schuld am Gegenort Gradüber steht das Widerspiel der Sünde, So welken beide und ihr Grün verdorrt! |
E sappie che la colpa che rimbecca per dritta opposizione alcun peccato, con esso insieme qui suo verde secca; |
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Und sahn mich also büßen diese Schlünde, Wo Habgier weint, so hat mich hergezogen Des Geizes Widerspiel – nicht andre Gründe.“ – |
però, s'io son tra quella gente stato che piange l'avarizia, per purgarmi, per lo contrario suo m'è incontrato». |
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„Doch als du sangst, wie heißen Streites pflogen Die Heldensöhne zu Jokastens Leid,“ Warf ein der Dichter lieblicher Eklogen, |
«Or quando tu cantasti le crude armi de la doppia trestizia di Giocasta», disse 'l cantor de' buccolici carmi, |
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„Als du der Klio deinen Sang geweiht, Schienst du dem Glauben mir noch nicht verpflichtet, Dem Glauben, ohne den kein Heil gedeiht? |
«per quello che Clïò teco lì tasta, non par che ti facesse ancor fedele la fede, sanza qual ben far non basta. |
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Sag, welche Sonne dir die Nacht gelichtet, Welch eine Kerze dich die rechte deuchte, Dass du dem Fischer nach dein Boot gerichtet?“ |
Se così è, qual sole o quai candele ti stenebraron sì, che tu drizzasti poscia di retro al pescator le vele?». |
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Er sprach: „Du hast zuerst mich an die feuchte Kastalsche Flut zum Trinken hingeleitet, Und warst mir auch zu Gott die erste Leuchte |
Ed elli a lui: «Tu prima m'invïasti verso Parnaso a ber ne le sue grotte, e prima appresso Dio m'alluminasti. |
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Dem Führer gleich, der selbst im Dunkeln schreitet, Doch – weil er über’ m Haupt die Fackel hält – Um alle, die ihm folgen, Licht verbreitet, |
Facesti come quei che va di notte, che porta il lume dietro e sé non giova, ma dopo sé fa le persone dotte, |
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Indem du sprachst: Es schickt vom Himmelszelt Gerechtigkeit herab der ewge Richter Und alte Sitte der verjüngten Welt! |
quando dicesti: 'Secol si rinova; torna giustizia e primo tempo umano, e progenïe scende da ciel nova'. |
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So machtest du zum Christen mich und Dichter; Doch dass noch deutlicher das Bild dir werde, Setz ich der Skizze Schatten auf und Lichter. |
Per te poeta fui, per te cristiano: ma perché veggi mei ciò ch'io disegno, a colorare stenderò la mano. |
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Vom wahren Glauben war erfüllt die Erde, Seit rings ihn ausgesät mit frommem Sinn Des ewgen Reiches Boten trotz Beschwerde. |
Già era 'l mondo tutto quanto pregno de la vera credenza, seminata per li messaggi de l'etterno regno; |
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Da deine Seherworte von vorhin Gleich klangen mit dem neuen Predigttone, Gab dieser Born mir Labsal und Gewinn. |
e la parola tua sopra toccata si consonava a' nuovi predicanti; ond' io a visitarli presi usata. |
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Tief litt ich unter all dem Schmerz und Hohne, Mit dem sie Domitian verfolgend jagte, Sie, die ich würdig hielt der Heilgenkrone, |
Vennermi poi parendo tanto santi, che, quando Domizian li perseguette, sanza mio lagrimar non fur lor pianti; |
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So dass ich, als mir noch die Sonne tagte, Treu beistand der als wahr erkannten Sekte Und endlich auch der Schritte letzten wagte. |
e mentre che di là per me si stette, io li sovvenni, e i lor dritti costumi fer dispregiare a me tutte altre sette. |
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Noch eh die Muse Thebens Lied mir weckte, Ward ich bekehrt und liess mich heimlich taufen; Weil ich mein Christentum aus Furcht versteckte, |
E pria ch'io conducessi i Greci a' fiumi di Tebe poetando, ebb' io battesmo; ma per paura chiuso cristian fu'mi, |
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Und noch als Heide galt dem großen Haufen, Musst ich ob dieser Lauheit mehr als vier Jahrhunderte den vierten Kreis durchlaufen. |
lungamente mostrando paganesmo; e questa tepidezza il quarto cerchio cerchiar mi fé più che 'l quarto centesmo. |
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Du aber, der des Auges Schleier mir Gelüftet hat zur Wahrheit, die ich preise, Belehre mich, solang wir steigen hier: |
Tu dunque, che levato hai il coperchio che m'ascondeva quanto bene io dico, mentre che del salire avem soverchio, |
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Wo weilen Freund Terenz, Barro der weise, Cäcil und Plautus, sag mir, wenn du’ s weißt; Sind sie verdammt? und wenn: zu welchem Kreise?“ – |
dimmi dov' è Terrenzio nostro antico, Cecilio e Plauto e Varro, se lo sai: dimmi se son dannati, e in qual vico». |
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„S i e , P e r s i u s , ich und noch manch Dichtergeist,“ Sprach mein Virgil, „wir sind mit d e m zusammen, Den Musenmilch wie keinen sonst gespeist, |
«Costoro e Persio e io e altri assai», rispuose il duca mio, «siam con quel Greco che le Muse lattar più ch'altri mai, |
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Im ersten Dämmerkreis, doch fern den Flammen, Und unsre Sehnsucht dachte oftmals schon Des Bergs, dem unsre heilgen Neun entstammen. |
nel primo cinghio del carcere cieco; spesse fïate ragioniam del monte che sempre ha le nutrice nostre seco. |
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Dort weilt Euripides mit Antiphon Und andern Griechen, die im Lorbeer prangen, Simonides harrt dort und Agathon. |
Euripide v'è nosco e Antifonte, Simonide, Agatone e altri piùe Greci che già di lauro ornar la fronte. |
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Auch die, von denen deine Verse sangen: Deïphile weilt dorten mit Argia, Ismene, noch um Athys schmerzbefangen; |
Quivi si veggion de le genti tue Antigone, Deïfile e Argia, e Ismene sì trista come fue. |
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Dann jene, die Adrasten zur Langia Den Weg gewiesen hat: Hypsipyle; Im Kranz der Schwestern weilt Deïdamia, |
Védeisi quella che mostrò Langia; èvvi la figlia di Tiresia, e Teti, e con le suore sue Deïdamia». |
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Tiresias Tochter und Antigone.“ - - Wir standen oben frei; die Dichter schwiegen, Rings spähend, wo der Weg nun weitergeh. |
Tacevansi ambedue già li poeti, di novo attenti a riguardar dintorno, liberi da saliri e da pareti; |
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Vier Sonnenmägde, schon hinabgestiegen, Räumten den Platz der fünften, deren Hand Die Rosse suchte unter’ s Joch zu schmiegen. |
e già le quattro ancelle eran del giorno rimase a dietro, e la quinta era al temo, drizzando pur in sù l'ardente corno, |
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Da sprach Virgil: „Mir dünkt, dass wir zum Rand Wie sonst die rechte Schulter müssten kehren, Hier zu umkreisen diese Felsenwand.“ |
quando il mio duca: «Io credo ch'a lo stremo le destre spalle volger ne convegna, girando il monte come far solemo». |
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So liessen wir uns durch G e w o h n h e i t lehren, Und sorglos schlugen wir den Weg dann ein, Zumal auch Statius nachgab dem Begehren. |
Così l'usanza fu lì nostra insegna, e prendemmo la via con men sospetto per l'assentir di quell' anima degna. |
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Sie schritten vor, ich folgte hinterdrein Und lauschte still für mich, was sie gesprochen, Was meiner Dichtkunst könnte dienlich sein. |
Elli givan dinanzi, e io soletto di retro, e ascoltava i lor sermoni, ch'a poetar mi davano intelletto. |
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Der holde Redefluss ward unterbrochen Plötzlich durch einen Baum in Wegesmitten, In Früchten prangend, die verlockend rochen. |
Ma tosto ruppe le dolci ragioni un alber che trovammo in mezza strada, con pomi a odorar soavi e buoni; |
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Nicht wie Natur den Tannenwuchs geschnitten, Nein umgekehrt: nach u n t e n wurden schmaler Die Äste, dass sie kein Ersteigen litten. |
e come abete in alto si digrada di ramo in ramo, così quello in giuso, cred' io, perché persona sù non vada. |
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Und wo der Weg ungangbar, schoss aus kahler Felswand hervor ein Sprühquell frisch und klar Und war des Laubdachs kühlender Bestrahler. |
Dal lato onde 'l cammin nostro era chiuso, cadea de l'alta roccia un liquor chiaro e si spandeva per le foglie suso. |
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Und näher trat zum Baum das Dichterpaar, Da! – aus dem Laube sprach’ s in Menschentönen: „An dieser Frucht gebricht’ s euch noch fürwahr!“ – |
Li due poeti a l'alber s'appressaro; e una voce per entro le fronde gridò: «Di questo cibo avrete caro». |
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Dann rief’ s: „Nur um die Hochzeit zu verschönen Und reich zu feiern, sorgte sich Marie, Nicht um den Mund, der euch will Gott versöhnen!“ – |
Poi disse: «Più pensava Maria onde fosser le nozze orrevoli e intere, ch'a la sua bocca, ch'or per voi risponde. |
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Die Römerin verschmähte Wasser nie! Das Fasten liess sich Daniel nicht verdrießen Im Eifer, dass ihm Wissenschaft gedieh! |
E le Romane antiche, per lor bere, contente furon d'acqua; e Danïello dispregiò cibo e acquistò savere. |
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Es war zu Zeiten, die die goldnen hießen, Dem Hunger Eichel eine leckre Speise, Durst sah in jedem Bache Nektar fließen! |
Lo secol primo, quant' oro fu bello, fé savorose con fame le ghiande, e nettare con sete ogne ruscello. |
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Denkt an des Wüstenpredgers strenge Weise; Heuschrecken mussten ihm das Leben fristen Und Honig – dennoch ward ihm Ruhm zum Preise, |
Mele e locuste furon le vivande che nodriro il Batista nel diserto; per ch'elli è glorïoso e tanto grande |
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Wie uns besiegeln die Evangelisten!“ | quanto per lo Vangelio v'è aperto». | |
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