Der Urlaub Dantes ist zu Ende, es kommt jetzt wieder die volle Dröhnung. Wir wissen nicht, wieviele Figuren ihm zur Verfügung standen. Nimmt man alle Menschen, die bis dahin gelebt haben, alle Persönlichkeiten der griechischen Mythologie und das gesamte Ensemble der Bibel, so werden es schon ein paar Millionen werden. Sie sollten also nicht klagen, Dante hätte noch ganz anders zuschlagen können.

Schon war der Engel hinter uns geblieben
Der uns zum sechsten Kreise ließ gelangen
Der mir das fünfte P getilgt von sieben

Wann das P wie peccato (Sünde) getilgt wird, wird hier nicht erzählt, auf jeden Fall hat irgendjemand es weggefegt, so dass Dante jetzt nur noch zwei von ehemals sieben Ps auf der Stirn hat. Bevor der Engel aber das P von der Stirn Dantes wischte, hat er noch was zu den anderen Büßern gesagt.

Und die, die nach Gerechtigkeit hier bangen
Als selig pries, doch nur bist sitiunt
Weil weiter nicht des Engels Worte klangen

Das ist natürlich wieder weitgehend sinnfrei. Betrachten wir also das italienische Orginal.

e quei c'hanno a giustizia lor disiro
detto n'avea beati, e le sue voci
con "*sitiunt*", sanz'altro, ciò forniro

und jene deren Wunsch Gerechtigkeit
nannte er beati, und ihre Stimmen reichten
nur bis „hungern“, ohne Fortsetzung, hier endete er

Also was der Engel den Büßenden kund tat, war ein Teil eines Teiles der Seligpreisungen aus dem Evangelium des Matthäus 5.

2 Selig sind, die da geistlich arm sind; denn das Himmelreich ist ihr.
3 Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich besitzen.
4 Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden
5 Selig sind, die da hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden.
6 Selig sind die Barmherzigen; denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.
7 Selig sind, die reines Herzens sind; denn sie werden Gott schauen.
8 Selig sind die Friedfertigen; denn sie werden Gottes Kinder heißen.
9 Selig sind, die um Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn das Himmelreich ist ihr.

Das Ganze gibt dann auf Lateinisch das da.

2 beati pauperes spiritu quoniam ipsorum est regnum caelorum
3 beati mites quoniam ipsi possidebunt terram
4 beati qui lugent quoniam ipsi consolabuntur
5 beati qui esuriunt et sitiunt iustitiam quoniam ipsi saturabuntur
6 beati misericordes quia ipsi misericordiam consequentur
7 beati mundo corde quoniam ipsi Deum videbunt
8 beati pacifici quoniam filii Dei vocabuntur
9 beati qui persecutionem patiuntur propter iustitiam quoniam ipsorum est regnum caelorum

Die Terzine von Dante spielt also auf die 5 Seligpreisung an: beati qui esuriunt et sitiunt iustitiam quoniam ipsi saturabuntur (Selig sind, die da hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden.). So weit so nett. Bleibt nur noch die Frage, warum der Engel nach „sitiunt“ abricht?

Er sagt also nur noch: Selig sind, die da hungern.

Die Frage ist jetzt, warum bricht der Engel nach hungern ab. Dazu hat die Dante Forschung unter Leitung von Prof.Dr. Anämusdantesca folgende Thesen ausgearbeitet. Wir referieren den neuesten Forschungsstand.

1) Der Engel hatte die Nacht vorher durchgefeiert und war heiser
2) Der Engel ist ein Gesandter der gesetzlichen Krankenkassen und wirbt für eine gesündere Ernährung, und gesünder heißt heutzutage ja wohl vor allem eins: Weniger. Selig sind die, die hungern, ist also ein Wink mit dem Zaunpfahl. Wer hungert und dabei abnimmt erhält eine Beitragsrückerstattung, die macht dann selig.
3) Sie befinden sich im fünften Kreis, da finden sich die Verschwender (was Vergil noch nicht begriffen hat, wie wir gleich sehen, er meint, dass dort nur die Geizigen sind. Wir sind also mal schlauer als Vergil. Wow!) Bei den Verschwendern ist es vielleicht mal eine gute Idee, das Hungern an sich zu preisen, also nicht das Hungern nach Gerechtigkeit, sondern das Hungern selbst, als Wert an und für sich, denn genau das tun die Verschwender ja gar nicht: Hungern.

Allerdings plädieren wir für These zwei. Hier sehen wir einen Bezug zur Gegenwart, das müsste bei McDonald hängen, über der Eingangstür, natürlich auf Lateinisch: Beati qui esuriunt et sitiunt

Aber wenn ich das richtig sehe, würden die McDonalds den Spruch geschäftstüchtig anders verstehen. Denn die, die hungern und dürsten, machen vor allem McDonald glücklich. Eine zielgruppengerechte Ansprache kann also nur erfolgen, wenn die Lateinkenntnisse der McDonalds Besucher gefestigt sind. Es muss also erkannt werden, dass Beati Nominativ ist, nicht Dativ.

Viel leichter als bisher durch einen Schlund
Klomm hier mein Fuß, nachsteigend ohne Mühe
Den schnellen Geistern aus dem tieferen Grund

Soll heißen, dass es ihm jetzt ihm leichter fällt, den anderen auf ihrem Weg nach oben zu folgen, da ja ein weiteres P getilgt wurde. Je weniger er mit Sünde belastet ist, desto leichter schwebt er nach oben.

Diese Belehrung von Vergil kommt jetzt etwas unvermittelt, ein richtiger Zusammenhang zum Kontext ist nicht erkennbar, die Idee kenne wir aber schon.

In diesem Fall scheint sich das auf Statius zu beziehen. Der ist tugendhaft und liebt Vergil, folglich liebt Vergil zurück.

Da sprach Virgil: „Wo auch durch Tugend glühe
Die Liebe, Gegenliebe muss sie zünden
Gesetzt, dass sie nach aussen sichtbar sprühe

Jetzt wird es wieder schwierig.

Und so, seit zu des Höllenvorhofs Gründen
In unsern Kreis hinabstieg Juvenal
Mir deine Neigung rühmend zu verkünden

Es gibt also einen Juvenal und der ist zu Vergil in die Hölle hinabgestiegen und hat Vergil mitgeteilt, dass auf Erden noch der großherzige Statius weilt, der ihn verehrt. Wer aber ist Juvenal? Geboren wurde Juvenal etwa um 60 nach Christus, er starb um etwa 120 nach Christus. Er wurde bekannt durch seine Satiren. Wahrscheinlich wurde er von Domitian verbannt (das ist der zweite Sohn von Titus, den kennen wir schon) und von Nero begnadigt. Im Gegensatz zu seinem Dichterkollegen Statius (davon später), der sich noch zu Lebzeiten zum Christentum bekehrte (zumindest meint Dante das), starb er als Heide, landet also im ersten Kreis der Hölle, da wo auch Vergil sitzt. Und in der höllischen Gemütlichkeit der Hölle erzählt Juvenal Vergil, dass Statius ihn gern hat. Das wird ihn wohl gefreut haben, den Vergil. Vergil fragt sich jetzt, wieso Statius solange auf der fünften Terrasse des Läuterungsberges gebüsst hat, also bei den Geizigen, wo er, so meint Vergil, doch gar nicht geizig war.

Sag: Wie der Geiz doch – ich begreif es kaum
Bei deinem Streben nach Vollkommenheiten
Wie fand er nur in dir, dem Weisen, Raum

Wir fragen uns erstmal was ganz was anderes. Vergil starb 19 vor Christus, Statius wurde 40 nach Christus geboren, also 59 Jahre nach Vergils Tod. Wieso in drei Teufels Namen weiß Vergil etwas über den Lebenswandel von Statius? Man könnte jetzt natürlich sagen, dass die Quasselstrippe Juvenal Vergil alles erzählt hat, aber der starb 120 nach Christus, also nach Statius, der 96 nach Christus starb. Über die letzten 20 Jahre aus dem Leben des Statius konnte er also Vergil nichts mehr berichten. Wir schließen daraus, dass es in der Hölle eine Abhörzentrale gibt, gegen die alle Attacken eines Wolfgang Schäubles gegen die informelle Selbstbestimmung Sandkastenspiele sind. Wie dem auch immer sei, Vergil weiß von Juvenal, dass Statius ihn liebt.

Die Frage des Vergil, warum denn der gar nicht geizige Statius bei den Geizigen gelandet ist, beruht aus einer schlichten Desinformiertheit Vergils, er weiß einfach nicht, dass da, wo die Geizigen büßen, auch die Verschwender büßen. Er hat also, das unterscheidet Vergil von uns, nicht aufgepasst, denn das war schon in der Hölle so, die Geizigen und die Verschwender sind im selben Kreis der Hölle. Wieso manche Geizige / Verschwender aber auf ewig in der Hölle landen und andere im Läuterungsberg, weiß allein Dante. Es scheint also auch bei Dante sowas wie mildernde Umstände zu geben, was uns beruhigt.

Allerdings setzt Dante hier einen Spruch davor, der in Anbetracht der Trivialität der Situation, Vergil hat schlicht nicht aufgepasst, reichlich deplaziert ist, irgendwie altklug tönt, so wie wenn jemand überall irgendwelche Weisheiten unters Volk bringen will.

Oft freilich sehn sich so die Dinge an
Dass man zu Zweifeln kommt und falschen Schlüssen
Weil man den rechten Grund nicht sehen kann

Yo. Det stimmt. Wenn man den rechten Grund nicht kennt, dann kommt man zu falschen Schlüssen. Lassen wir uns also belehren.

Vernimm denn, dass ich stets dem Geiz entsagte!
Sein Gegenteil war‘ s grade, die Verschwendung
Drob ich vieltausend Monde lang hier klagte

Statius büßt hier also nicht seinen Geiz, sondern im Gegenteil, seine Verschwendung, das ist aber nicht unser Problem. Unser Problem besteht in Folgendem. Wir sehen vollkommen ein, dass die Hölle zur Stasi Zentrale ausgebaut wurde und die ungläubigen griechischen Philosophen bestens darüber informiert sind, was die Menscheit auf der Erde treibt, Vergil also voll im Bilde darüber ist, was Statius denkt, fühlt und macht. Was wir aber gar nicht verstehen, ist, woher Dante weiß, dass Statius ein Verschwender war. Darüber finden wir in der Literatur nichts. Es gibt überhaupt kaum Informationen über sein Leben. Was wir aber finden sind Hinweise darauf, dass seine finanziellen Verhältnisse sehr bescheiden waren. Zur Verschwendung fehlten ihm also ganz objektiv die Möglichkeiten.

Der nächste Vers ist nun etwas eigenartig. Die Übersetzung von Zoozmann würde passen, aber viele übersetzen anders.

Der Welt dein Vers in schönem Zorne grollt
Wohin noch lockst du, dass ihm Rettung schwände
Das Menschenherz, verfluchter Durst nach Gold

So weit so gut, das ist dann wie bei Goethe, „am Golde hängt, zum Golde drängt doch alles“. Also die Leute sind alles Raffzähne, laufen nur dem Mammon hinterher. Das Problem ist, dass das zwar für den Geiz passen würde, aber nicht für dessen Gegensatz, die Verschwendung, denndie wirft den schnöden Mammon ja zum Fenster raus. Schauen wir uns also das italienische Original an.

"Per che non reggi tu, o sacra fame
de l'oro, l'appetito de' mortali?",
voltando sentirei le giostre grame.

Warum regierst nicht du, o heiliger Hunger
nach Gold, den Appetit der Sterblichen
mich drehen würde ich spüren, das traurige Karussel

Dante deutet also einen Vers des Vergil aus der Äneis (Äneis III, 56) um. Dieser lautet so (es ist die Geschichte, die wir schon hatten. Priamus schickt seinen Sohn Polydor zu Polymnestor, damit der den Schatz der Trojaner in Sicherheit bringt. Als Troja besiegt ist, tötet Polymnestor den Polydor um in den Besitz des Schatzes zu gelangen.):

Der, wie das teucrische Reich hinsank, und das Glück sich entwandte,
Folgt' Agamemnons Macht und siegenden Waffen, verletzend

Alles Recht. Er ermordet des Priamus Sohn und gewaltsam
Nimmt er das Gold. Wozu zwingst nicht du der Sterblichen Herzen,
Scheußlicher Hunger noch Gold! –

Bei Vergil ist also die Gier nach Gold das Problem. Eventuell hat Dante hier eine Umdeutung vorgenommen. So ein bisschen Gier ist auch nicht schlecht, da wirft man sein Geld nicht zum Fenster hinaus. Betrachtet man aber die nächsten Verse, wird deutlich, dass Dante die Verse des Vergil tatsächlich umdeutet.

Da sah ich, dass man zu weit die Hände
Auch öffnen kann, bereute drum und glaubte
Dass Gott mich der und anderer Schuld entbände

Vergil im Orginal prangert die Habsucht an. Das passt also nicht. Statius hat aus den Versen des Vergil gelesen, dass man ein bisschen nach Gold streben soll, also nicht verschwenderisch sein soll. Von daher ist die Übersetzung von Zoozmann nicht schlüssig. Dante hat Vergil tatsächlich uminterpretiert.
Statius philosophiert jetzt noch eine Weile über Geiz und Verschwendung. Der Volkswirt würde aber sagen, das wird so erstmal nix, volkswirtschaftliche Zusammenhänge waren eindeutig nicht die Spezialität von Dante, was wir ihm nachsehen, wenn es auch überrascht. Das Vorhandensein oder nicht Vorhandensein der Seele ist schon seit 400 vor Christus irgendwie ein Problem, dass aber die Durchdringung volkswirtschaftlicher Zusammenhänge einen sehr viel größeren Nutzwert stiftet, diese Kenntnis reift erst 400 Jahre nach Dante, als Adam Smith die moderne Volkswirtschaftlehre mit seinem Werk „Wealth of Nations“ begründete. Die Diskussion wie geizig bzw. wie sparsam die Bevölkerung sein muss, würde man heutzutage eher anhand des Harrod / Domar Modells vom gleichgewichtigen Wachstum diskutieren.

Die nächsten Verse sind zwar einfach, aber die Übersetzung etwas holprig.

Wieviel erstehn einst mit gerupftem Haupte
Nur durch Unwissenheit, die immerfort
Bis in den Tod, der Reue sie beraubte

Soll heißen, dass es eine Menge Leute gibt, die bis zuletzt ihre Sünden nicht bereuen und deswegen kahl sind. Das Bild mit dem kahlen Schädel hatten wir schon im siebten Gesang der Hölle. Die Verschwender vergeuden sogar noch ihr Haupthaar.

Dieser Vers ist dann zwar schlicht in der Aussage, aber weitgehend sinnfrei. Dafür ist aber ausnahmsweise Zoozmann nicht verantwortlich.

Und wisse: Wenn die Schuld am Gegenort
Gradüber steht das Widerspiel der Sünde
So welken beide und ihr Grün verdorrt

Das italienische Original ist kongenial dazu, also genau so krautig.

E spappie che la colpa che rimbecca
per dritta opposizione alcun peccato,
con esso insieme qui suo verde secca;

So wisse dass die Sünde die sich findet
genau gegenüber einer anderen Sünde
zusammen mit dieser, trocknet ihr grün

Das heißt dann schlicht, dass in diesem Kreis sowohl der Geiz wie auch die Verschwendung gesühnt werden. Gewaltig irritierend und überhaupt nicht suggestiv ist das mit dem vertrocknenden Grün. Dieses Bild ist immer negativ konnotiert, weil grün in der Regel positiv ist („Grau mein Freund ist alle Theorie, und grün des Lebens goldener Baum“). Niemand käme auf die Idee, mit diesem Bild das Austrocknen eines Übels zu verbinden.

Wir kommen jetzt zu der Frage, die uns schon lange beschäftigt. Wieso ist Statius, der Heide, eigentlich nicht in der Hölle gelandet ist, denn ohne das Sakrament der Taufe gehört er ja nicht zur Christenheit. (Der Autor ist zwar getauft, aber nicht konfirmiert, dafür sabbelt er aber den besten Hund kaputt. Also ich geh‘ mal davon aus, dass ich den Petrus davon überzeuge, dass Taufe reichen muss, um ins Paradies zu kommen. Das ist ein schwieriges rechtliches Problem, getauft ja, aber nicht konfirmiert. Ich werde mich aber am Eingang zum Paradies nicht anwaltlich vertreten lassen, denn ich habe den Eindruck, dass man nach einer zweistündigen Internetrecherche versierter ist, als jeder Anwalt.). Vergil also stellt nun die entscheidende Frage.

Doch als du sangst, wie heißen Streites pflogen
Die Heldensöhne zu Jokastens Leid
Warf ein der Dichter lieblicher Eklogen

Als du der Klio deinen Sang geweiht
Schienst du de Glauben mir noch nicht verpflichtet
Dem Glauben, ohne den kein Heil gedeiht

Wie bereits oben erwähnt, wissen wir nicht, woher die Detailkenntnisse Vergils über das Leben Statius herstammen. Mit diesem Nichtwissen müssen wir uns abfinden. Die zweite, schwerwiegendere Frage ist aber diese. Ist es tatsächlich aus poetischer Sicht sinnvoll, noch das Trivialste mit Schnörkel zu versehen? Die zwei Terzinen oben hätten sich vom Ergebnis her wie folgt zusammenfassen lassen.

Wann bist du eigentlich zum christlichen Glauben übergetreten?

So richtig hat Dante das mit der Lyrik wohl einfach nicht verstanden. Lyrik besteht darin, die Sprache an ihre Grenzen zu führen, drückt Nichtsprachliches aus, lässt sich eben nicht auf einen Affermativsatz reduzieren. Nehmen wir, diesmal ein gekonntes, Beispiel, von Heinrich Heine.

Ich stand in dunklen Tränen
Und starrt ihr Bildnis an
Und das geliebte Antlitz
Heimlich zu lächeln begann

Von ihren Wangen flossen
Die Tränen wunderbar
Und wie von Wermutstropfen
Erglänzte ihr Augenpaar

Auch meine Tränen flossen
Mir von den Wangen herab
Ach ich kann‘ s kaum glauben
Dass ich sie verloren hab

Das lässt sich nicht in einen Affirmativsatz zusammenziehen. Die Aussage ist eben nicht, dass sie ihn verlassen hat oder die Liebe sonstwie zu Bruch ging. Diese Verse transportieren tatsächlich Nichtsprachliches, transportieren einen Inhalt, der sich der Sprache entzieht. Dann ist es gekonnt. Bei Dante haben wir reimende Affirmativsätze in Terzinen. Diese sind weitgehend wirkungslos. Ob er Vergil Vergil nennt, oder den Dichter der Eklogen, ist weitgehend egal. Noch unglücklicher ist der Satz „Als du der Klio deinen Sang geweiht“. Klio ist eine der neun Musen, Tochter des Zeus und Mnemosyne (einer Titanin, Göttin der Erinnerung). Klio war speziell zuständig für Heldendichtungen, und um eine solche handelt es sich bei dem Hauptwerk des Statius, der Thebaes, die den Inhalt der Sage „Sieben gegen Theben“ zum Gegenstand hat. (Hatten wir auch schon. Odysseus hatte zwei Söhne, Eteokles und Polyneikes. Diese sollten Theben gemeinsam regieren, verkrachten sich aber und Eteokles schwang sich empor zum Alleinherscher. Daraufhin versammelt Polyneikes die sieben Helden Griechenlands, die dann gegen Theben ziehen.)

Er sprach: „Du hast zuerst mich an die feuchte
Kastalsche Flut zum Trinken mich hingeleitet
Und warst mir auch zu Gott die erste Leuchte

In diesem Vers stecken jetzt mehrer Aussagen (die man in adretten Affirmativsätzen verpackt ohne weiteres verstehen würde). Bevor wir darauf eingehen, hier das italienische Original. (Wo Zoozmann die Kastalsche Flut her hat, ist unklar, das vergessen wir jetzt einfach.)

Ed elli a lui: «Tu prima m’ inviasti
verso Parnaso a ber ne le sue grotte,
e prima appresso Dio m'alluminasti.

Und er zu ihm: „Du warst der erste
der zum Parnass mich schickte in seiner Gruft zu trinken
und bevor ich noch Gott erkannte, hast du mich erleuchtet

Der Parnass ist ein 2455 m hoher Gebirgszug in Griechenland. An dieser Stelle befand sich auch das Orakel von Delphi. Er ist Apollo gewidmet und Heimat der Musen. Er ist das Sinnbild der Dichtung.
Komplizierter ist dann der zweite Teil, „und bevor ich noch Gott erkannte, hast du mich erleuchtet“.

Die Sache ist die. Aus einigen wenigen Versen wollten manche im Mittelalter herauslesen, dass Vergil die Geburt des Jesulein prognostizierte, genau genommen aus der vierten Ekloge.

Groß von neuem beginnt ursprüngliche Folge der Zeiten.
Schon kehrt wieder Asträa, es kehrt die saturnische Herrschaft,
Schon ein neues Geschlecht entsteigt dem erhabenen Himmel.
Sei nur dem kommenden Knaben, mit dem sich das eiserne Alter
Schließet, und rings aufblüht ein goldnes Geschlecht auf dem Erdkreis,

Bei Vergil kommt also irgendein Knabe, mit dem das eherne Zeitalter sich schließt (Asträa ist Justititia, die weilte einst auf Erden, hat sich dann aber bei Beginn des ehernen Zeitalter in den Sternenhimmel verkrümmelt, wo sie als Stern Asträa leuchtete. Kommt das goldene Zeitalter, steigt sie wieder hinab.).

Es braucht kaum erwähnt zu werden, dass wir es hier mit Mumpitz zu tun haben. Prophezeiungen, dass irgendein Messias kommt, gibt es wohl so ein paar Tausend, immer wieder. Es scheint wohl im Mittelalter ein gewisses Bedürfnis gegeben zu haben, die Kultur der Antike mit dem Christentum zu verschmelzen.

Ob Dante an diesen Hokuspokus glaubte oder nicht, ist übrigens weit weniger interessant, als die Frage, worum sich ein ganzes Heer von Altphilologen, die schrecklichste Sparte der Philologenzunft, mit der Rezeption des Vergils im frühen Mittelalter beschäftigt. Und die Texten, da zieht es einem glatt die Fußnägel hoch.

Aus: http://www.plekos.uni-muenchen.de/2001/rfreund.pdf

Die überarbeitete Eichstätter Dissertation, angeregt von Hans Jürgen Tschiedel, zeichnet anhand der Untersuchung von etwa 200 Vergilzitaten bei den frühchristlichen Apologeten von Tertullian bis Arnobius den ”Beginn der Wirkungsgeschichte Vergils im Christentum“ nach. Selbstverständlich haben sich Editoren und Kommentatoren seit jeher um den Nachweis der Benützung einzelner Dichter bei den genannten Autoren bemüht. Jedoch geschah das in aller Regel durch die Nennung in Similienapparaten oder in eher schlichten Auflistungen.

Mann, Mann, Mann, die haben Sorgen. Was den Autor begeistert, ist die immer gleiche Tonlage dieser Sippschaft, das tönt so.

Insgesamt hat der Verf. eine solide Arbeit vorgelegt, die einen wichtigen Beitrag zu Sprache und Argumentationsweise der frühen Apologeten leistet, auch dort, wo man gelegentlichen spekulativen ¨Überlegungen (z.B. 196 f. Unterweltsschilderungen; 212 Dido; 317 zur Magna Mater) nur zögerlich folgen wird. In der Erforschung der Vergilrezeption stellen die Untersuchungen einen Markstein dar.

Die Frage ist, was nützt ein Markstein in einem mit Steuergeldern finanzierten Sandkasten? Es gibt folglich noch eine Verschwendung, die hat Dante vergessen, die ist aber das zentrale Problem der Geisteswissenschaften. Diese besteht darin, sich auf Kosten des Steuerzählers damit abzuquälen, irrelevante Fragen in pseudowissenschaftlicher Manier zu beantworten und so sein Leben zu vergeuden. Nachzulesen ist das bei Faust.

Weh! steck ich in dem Kerker noch?
Verfluchtes dumpfes Mauerloch,
Wo selbst das liebe Himmelslicht
Trüb durch gemalte Scheiben bricht!
Beschränkt von all dem Bücherhauf,
Den Würme nagen, Staub bedeckt,
Und bis ans hohe Gewölb hinauf
Mit angeraucht Papier besteckt,
Mit Gläsern, Büchsen rings bestellt,
Mit Instrumenten vollgepfropft,
Urväter Hausrat drein gestopft -
Das ist deine Welt, das heißt eine Welt!

Die Geisteswissenschaften konstatieren ja immer wieder ihre völlige und totale Irrelevanz. Sie sollten mal darüber nachdenken, woran das liegen könnte. Den Vergil kann man dann mal auf sich beruhen lassen, eine Zeit lang. Und wenn Sie auf diese Frage keine schlüssige Antwort finden, dann sollte man das Geld für diesen Hokuspokus umwidmen, es für die Lösung konkreter Probleme einsetzen.

Dem Führer gleich, der selbst im Dunkel schreitet
Doch –weil er über‘ m Haupt die Fackel hält
Um alle, die ihm folgen Licht verbreitet

Das soll irgendwie heißen, dass Vergil zwar keinen Plan hatte, den anderen aber leuchtete. Wie das gehen soll, ist zwar unklar, aber auch eine intensivere Beschäftigung mit dem italienischen Original bringt keine Klärung der Zusammenhänge.

Facesti come quei che va di notte,
che porta il lume dietro e sé non giova,
ma dopo sé fa le persone dotte,


Du tatest wie jener, der wandelt in dunkler Nacht
der das Licht nach hinten fallen lässt aber selbst nichts davon hat
doch hinter sich erleuchtet er die Leute

Indem du sprachst: Es schickt vom Himmelszelt
Gerechtigkeit herab der ewge Richter
Und alte Sitte der verjüngten Welt!

So machtest du zum Christen mich und Dichter
Doch dass noch deutlicher das Bild dir werde
Setz ich der Skizze Schatten auf und Lichter

Also wenn Statius, der Hofdichter des Domitian, der letzteren pries und lobte, zum Christentum übergetreten ist, dann hätte doch Statius in der Vorhölle landen müssen, bei denen, die zu feige waren, Stellung zu beziehen, denn Domitian verfolgte die Christen.

Vom wahren Glauben war erfüllt die Erde
Seit rings ihn ausgesät mit frommem Sinn
Des ewgen Reiches Boten trotz Beschwerde

Soll heißen, Statius lebte im ersten Jahrhunder nach Christus, als sich der christliche Glauben auszubreiten begann.

Da deine Seherworte von vorhin
Gleich klangen mit dem neuen Predigtone
Gab dieser Born mir Labsal und Gewinn

Dante findet also, dass die Botschaft Vergils der Botschaft des Christentums glich. Wie er da drauf kommt, verkündet er uns aber leider nicht. Pickt man einzelne Zitate heraus, dann lässt sich wahrscheinlich auch Marquis de Sade als Wegbereiter des Humanismus deuten.

Frech ist dann das da.

Tief litt ich unter all dem Schmerz und Hohne
Mit dem Domitian verfolgend jagte
Sie, die ich würdig hielt der Kaiserkrone

Der Schmerz scheint sich aber in Grenzen gehalten zu haben, denn über diesen Domitian dichtete Statius in höchsten Tönen.

So dass ich, als mir noch die Sonne tagte
Treu beistand der als wahr erkannte Sekte
Und endlich auch der Schritte letzten wagte

Das dürfte reine Phantasie sein, ohne jede Verankerung in der historischen Realität. Nichts, absolut nichts ist darüber bekannt. Statius hat sich nie in irgendeiner Weise für die verfolgten Christen exponiert, noch ist er zum Christentum übergetreten. Entweder hat dies Dante frei erfunden, oder er schöpft aus einer unzuverlässigen Quelle.

Noch eh die Muse Thebens leid mir weckte
Ward ich bekehrt und ließ mich heimlich taufen
Weil ich mein Christentum aus Furcht versteckte

Behauptet wird also, dass sich Statius schon vor der Ausarbeitung seines Epos Thebais hat taufen lassen. Darüber ist nichts bekannt.

Und noch als Heide galt dem großen Haufen
Musst ich ob dieser Lauheit mehr als vier
Jahrhunderte im vierten Kreis durchlaufen

Auf der vierten Terrasse des Läuterungsberg büßen die, die nicht genug Kraft hatten, dem Pfad der Tugend zu folgen. Irgendwie gibt es also bei Dante mildernde Umstände, denn andere, deren Geist willig, doch deren Fleisch schwach war, landen in der Hölle.

So. Und jetzt kommt volles Ballet. Was an Dichtern noch nicht erwähnt wurde, kommt jetzt. Der einzige Sinn und Zweck ist es wohl, dem Leser Dantes Wissen vorzuführen, wobei er das Entscheidende vergisst. Nicht die Masse machte es, sondern die Klasse.

Wo weilen Terenz, Barro der Weise
Cäcil und Plautus, sag mir wenn du‘ s weißt
Sind Sie verdammt? Und wenn: zu welchem Kreise?

Terenz (Publius Terentius Afer, geb. um 195 vor Christus in Karthago, gest. 159 vor Christus in Rom) war Sklave des Senators Terentius Lucanus, der ihn aber in die Freiheit entließ. Er gilt als einer der bedeutendsten Komödiendichter der Antike. Varro Atacinus (geb. 82 vor Christus, gest. 35 vor Christus) schrieb ein geographisches Werk, Cosmographia genannt, das man sich mal anschauen könnte. Vielleicht ist das die Quelle der merkwürdigen Vorstellungen, die sich Dante von der Welt macht. Caecilius Statius (gest. 168 vor Christus) adaptierte griechische Komödien für die römische Bühne. Titus Maccius Plautus (geb. um 254 vor Christus, gest. um 184 nach Christus) war einer der bekanntesten Dichter des frühen Roms.

Sie, Persius, ich und noch manch Dichtergeist
Sprach mein Vergil, „wir sind mit dem zusammen,
den Musenmilch wie keinen sonst gespeist“

Aulus Persius Flaccus (geb. am 4. Dezember 34 nach Christus, gest. am 24 November 62 nach Christus) war ein römischer Satiriker. Ihn zu identifizieren ist also leicht. Schwieriger wird es mit „den Musenmilch wie keinen sonst gespeist“, denn hier hat uns Zoozmann doch glatt etwas unterschlagen.

«Costoro e Persio e altri assai»,
rispuose il duca mio, «siam con quel Greco
che le Muse lattar più ch'altri mai,

Jene und Persius und viele andere
antwortete mein Führer, „wir sind mit jenem Griechen
den die Muse mehr wie jeden anderen säugten

Das „jenem Griechen“ fehlt uns bei der Übersetzung von Zoozmann: es handelt sich also um Homer. Die ganze Schar landet also in der Vorhölle, da wo die landen, die sich nichts haben zu Schulden kommen lassen, außer eben, dass sie nicht getauft sind. Dante ist also der perfekte Vertreter institutionalisierter Herrschaft und der perfekte Beamte (wenn er denn selber an seinen Stuss glaubte.). Wo jemand landet, hängt ab von reinen Formalien, in diesem Fall also vom Sakrament der Taufe.

Nicht Sünder waren‘ s – doch nicht groß und laut
Genug war ihr Verdienst, denn sie entbehrten
der Taufe, die den Glauben zeugt und baut

Es ist dieser Typ Mensch, den man am besten mal aus dem Verkehr zieht, denn er ordnet und sieht die Welt durch ein System, und zwar ausschließlich durch die Brille seines Systems.

Was Zoozmann jetzt geritten hat wissen wir nicht. Er fügt da etwas an, was da ganz eindeutig nicht hingehört.

Im ersten Dämmerkreis, doch fern der Flammen
Und unsere Sehnsucht dachte oftmals schon
Des Bergs, dem unsre heiligen Neun entstammen

Das italienische Original sieht so aus.

nel primo cingho del carcere cieco:
spesse fiate ragioniam del monte
che sempre ha le nutrice nostre seco.

Im ersten Kreis des blinden Kerkers
sind wir in Gedanken oft beim Berg
der unseren Ernährerinnen Heimstatt bietet

Die Ernährerinnen der Dichter sind die Musen, die auf dem Berg Parnass wohnen. Was lernen wir daraus? Die Heiden bleiben einfach Heiden. Anstatt sich nach dem Läuterungsberg zu sehnen, der ins Paradies führt, denken sie an ihren Musentempel. Wenn das so ist, sollen die da bleiben bis zum jüngsten Gericht.

Dort weilt Euripides mit Antiphon
Und anderen Griechen, die im Lorbeer prangen
Simonies harrt dort mit Agathon

Euripides (geb. 480 v. Christus, gest. 406 nach Christus) gehört zusammen mit Aischylos und Sophokles zu den drei größten Tragödiendichtern Griechenlands (Aischylos und Sophokles haben wir jetzt mal dazu gefügt, könnte ja sein, dass Dante sie vergisst, die Liste wäre dann nicht komplett, das können wir nicht verantworten.) Das mit Antiphon ist nun grenzwertig, weil dessen Identität reichlich unbestimmt ist. Gesichert gilt nur, dass er im 5. Jahrhundert vor Christus lebte. Zu Dantes Zeit waren keinerlei Schriften überliefert. Zitiert Dante etwa aus irgendeiner damals kursierenden Enzyklopädie ohne den Genannten tatsächlich zu kennen? Ganz spannend ist aber Agathon von Athen (geb. 448 v. Christus, gest. 400 vor Christus). Von dessen Werk sind nämlich nur Fragmente vorhanden. Dante konnte also nichts Näheres über ihn gewusst haben. Man kann sich die Frage stellen, warum Dante nicht zum Einwohnermeldeamt von Pisa marschiert ist und sich da irgendwelche Namen rausgesucht hat. Ähnlich verhält es sich mit Simonide (geb. um 555 vor Christus, gest. 466 vor Christus). Auch sein Werk ist nur fragmentarisch vorhanden, und es ist fraglich, ob Dante diese Fragmente kannte. Er zitiert also schlicht irgendjemanden.

Ein paar sind aber immer noch übrig aus dem Ensemble der damals bekannten Menschheit, plus Mythologie, egal welcher Provenienz.

Auch die, von denen deine Verse sangen
Deiphile weilt dort mit Argia
Ismene, noch und Athys schmerzbefangen

Auch hier wissen wir nicht, was Zoozmann veranlasste, die Namen auszutauschen, das Orginal lautet so.

Quivi si veggion de le gente tue
Antigone, Deifile e Argia,
e Ismene sì trista come fue.

Weiter leben dort auch deine Leute
Antigone, Deifile und Argia,
wie auch Ismene, so tiebetrübt wie sie immer war

Die Antigone hat er uns also einfach unterschlagen, der Zoozmann. So was geht ja gar nicht, man kann doch nicht einfach irgendjemanden nicht nennen. Antigone und Ismene sind die Töchter von Ödipus und Iokaste (wobei Iokaste ja Mutter und Gattin des Ödipus ist. Der hat ja seinen Vater erschlagen und seine Mutter geehelicht, was wir merkwürdig finden. Da gab es soviele hübsche Griechinnen, mit denen man romantisch am Strand von Ithaka oder sonstwo die untergehende Sonne hätte betrachten können, und der Typ heiratet seine Mutter, nur weil sie Königin von irgend so einem Provinznest ist.) Mit seiner Muttergattin hat er, die Geschichte kennen wir schon, noch zwei Söhne: Polyneikes und Eteokles, die sollen zusammen regieren. Weil aber Eteokles Alleinherrscher des Kuhdorfes werden will, verstößt er Polyneikes, der dann wiederum ein paar griechische Helden zusammentrommelt, um seinen Bruder platt zu machen. Schlussendlich sterben sie aber beide beim Kampf um das Kuhdorf Theben. Nachdem sich die Beiden dann gegenseitig hingemeuchelt haben, wird ihr Onkel Kreon König. Der wiederum will den Polyneikes nicht bestatten, weil der ja sozusagen an Theben Verrat begangen hat. Sieht so aus, als wenn sich Konflikte immer aus Gründen ergeben, die kein rational denkender Mensch irgendwie nachvollziehen kann, das ist eine Konstante der Menschheitsgeschichte. Antigone will jetzt nämlich ihren Bruder Polyneikes ordentlich bestatten, damit dieser in den Hades kommt (was er davon hat, ist jetzt egal), was sie dann auch heimlich tut. Ismene, also die Schwester der Antigone, will sie daran hindern. Als das aber nicht geht, will sie zusammen mit ihrer Schwester sterben, was Kreon ablehnt. Kreon will Antigone also lebendig begraben lassen, obwohl sie mit seinem Sohn verlobt ist. Dieser Sohn Haimon tut nun etwas, was in der griechischen Mythologie selten vorkommt. Er tut was Vernünftiges, sagt seinem Papa, dass er einen an der Waffel hat. Der Seher Teiresias sagt Kreon dann voraus, dass mehrere Mitglieder der Familie sterben werden, wenn Antigone stirbt. Daraufhin lenkt er ein. Es ist aber zu spät. Antigone hat sich schon umgebracht. Daraufhin begehen auch sein Sohn Haimon und seine Frau Eurydike Selbsmord. Deiphile war die Frau von Tydeus, dem König von Calydon. Er war einer der Helden, die Polyneike bei seinem Kampf gegen Theben unterstützten, wo er in dem großen Gekeile ums Leben kam. Argia war die Schester von Deiphile und Frau des Polyneike. Die Frauen haben sich also dergestalt ihrer Männer entledigt, und wenn sie schlau waren, haben sie sich jetzt ohne diese karrieregeilen Streithähne prächtig amüsiert. Aber wie ich die Griechen kenne, war das jetzt ein Gejammere und Geklage ohne Ende.

Aber wir sind noch nicht ganz fertig. Dante ist nichts für Luschis, hier wird der ganze Mann gefordert, das ist wie bei Freddy Quinn, so hieß der doch oder?

Ich liebe das Land irgendwo
Wo noch Männer unter sich sind

Huuuuh

Also weiter im Text. Härte !

Dann jene, die Adrasten zur Langia
Den Weg gewiesen hat: Hypsipyle
Im Kranz der Schwestern weilt Deïdamia

Also der Plot hinter dieser Geschichten ist jetzt auch ein bisschen bluna. Hypsipyle war die Tochter des Thoas und Königin auf Lemnos. Lemnos liegt da.



Auf Lemnos wurde eigentlich der Göttin Aphrodite gehuldigt. Als die Frauen ihr aber nicht mehr ausreichend huldigten, strafte sie Frauen mit Mundgeruch, so dass die Männer ihnen fernblieben (es gibt übrigens etwas, was der griechischen Mythologie irgendwie völlig fehlt, Romantik. Die Plots sind zwar immer ziemlich abrupt, aber nie romantisch.) Daraufhin gehen die Männer zu den thrakischen Sklavinnen (ich wette tausend zu eins, das haben die schon vorher gemacht). Daraufhin machen die süßen Griechinnen kurzen Prozess und murksen die Männer ab. Der Einzige der verschont wird, ist der Papa von Hypsipyle, der wollte wahrscheinlich auch nichts mehr von den Thrakerinnen. Thoas wird nun von Hypsipyle versteckt und sie wird Königin. Als nun die Lemnierinnen merken, dass Hyspipyle ihren Vater verschont hat, wird sie verstoßen und von Piraten gefangenommen, die sie wiederum an den König von Nemea verkaufen. Nemea wiederum liegt hier.

Als nun die Helden gegen Theben ziehen (immer noch die Geschichte „Sieben gegen Theben“), kommen sie auch in Nemea vorbei. Die Helden sind natürlich mächtig durstig und Hyspipyle zeigt ihnen den Weg zu einer Quelle. Eigentlich war sie aber in Nemea mit der Erziehung des prinzlichen Archemoros beauftragt. Den hat sie aber in dem ganzen Tohuwabohu kurz aus den Augen verloren, und prompt wird er von einer Schlange gebissen, was natürlich den Vater des Prinzen, Lykurg, etwas mißgelaunt stimmt. Vor der Rache des Lykurg schützt sie Adrastos. Den Adrastos kennen wir auch schon. Das ist der, der Amphiaraos dazu bringt, am Kampf gegen Theben teilzunehmen, indem er dessen Gattin Eriphyle mit dem Gürtel der Harmonia besticht, die dann wiederum ihren Gatten dazu überredet, nach Theben zu ziehen, wodurch Amphiaraos, der bereits vorhersah, dass er in dieser Auseinandersetzung sterben würde und deswegen nicht mit wollte, stirbt. Deidamia ist die Tochter des Lykomedes, mit ihr zusammen wurde Achill erzogen, bis der arglistige Odysseus kam und mit dem uns bereits bekannten Trick den Helden erkannte. Er brachte Schmuck und Waffen. Die Mädchen griffen nach dem Schmuck und Achill nach den Waffen. Es scheint sich aber die letzten 3000 Jahre, wir gehen mal davon aus, dass die Odysee 1000 vor Christus geschrieben wurde, noch niemand gefragt zu haben, wie Achill ausgesehen haben muss, damit man ihn nicht von einem Mädchen unterscheiden konnte. Das Problem bei dieser Terzine ist, dass Zoozmann hier gewaltig interpretiert, höchstwahrscheinlich aber richtig. Hier nochmal die Version von Zoozmann.

Dann jene, die Adrasten zur Langia
Den Weg gewiesen hat: Hypsipyle
Im Kranz der Schwestern weilt Deidamia

Und hier das Original.

Védeisi quella che mostrò Langia;
èvvi la figlia di Tiresia, e Teti
e con le suore sue Deïdamia».

Man sah jene die Langia zeigte
und dort die Tochter des Tiresius, und Thetis
mit ihrer Schwester Deïdamia

Die Hypsipyle hat also Zoozman eingefügt, sie ist es aber tatsächlich die das gegen Theben ziehende Heer zur Quelle Langia führte (Langia ist eigentlich der Name einer Nymphe. Diese wurde von Dionysos beauftragt, eine Quelle geheim zu halten, nachdem Dionysos Argos strafte, indem er alle Quellen versiegen ließ.) Die Tochter des Tiresias hat Zoozmann ebenfalls unterschlagen, das heißt er schwächelt auf der Zielgeraden, der gute Zoozmann, immer mal wieder unterschlägt er jemanden, das geht nicht. Wer ist also Tiresias? Tiresias ist uns schon öfter begegnet. Er wird von Ödipus aufgefordert, den Mörder des Laios zu offenbaren. Der Plott um Teiresias ist jetzt natürlich so skurril wie immer, allerdings wissen wir noch nicht so genau, ob die Geschichte tatsächlich einen literarischen Wert hat. Wir finden allmählich, dass der Umfang der griechischen Mythologie irgendwie damit zusammenhängt, dass reichlich spintisiert wurde, und die geringe Motivierung der Plots die Reichhaltigkeit überhaupt erst ermöglichte. Wären die Geschichten von künstlerischem Wert, wären es wahrscheinlich weniger, denn dann wird es schwieriger. Teiresias war ursprünglich ein Priester des Zeus. Dann betrachtete er zwei kopulierende Schlangen (bis dahin gehen wir noch mit, dass kann man ja machen). Die weibliche Schlange tötet er, dann und wird zur Frau (???). Aus dem Priester des Zeus wird eine Priesterin der Hera, als Priesterin heiratet sie/er und hat eine Tochter Manto. Nach sieben Jahren sieht sie / er wieder ein paar kopulierende Schlangen und tötet wieder eine, diesmal die männliche, was sie / er dann wieder zum Mann werden lässt. Da sie ja nun sowohl das Leben als Mann wie auch das Leben als Frau kennt,
wird sie von Hera und Zeus (dem schwesterlichen Ehepaar) aufgefordert, zu entscheiden, wer mehr Lust beim Sex hatte. Da wundert allein schon die Frage. Hera weiß doch schon, dass ihr Gatte nichts anbrennen läßt, die Lust muss also gewaltig sein. Teiresias aber antwortet, dass die Frau neunmal soviel Lust empfinde wie ein Mann (genau neunmal??!!). Daraufhin ist Hera sauer und lässt Teiresias erblinden. Die in der Terzine von oben genannte Tochter des Tiresius ist also Manto. Was aber wirklich der Hammer ist, ist, dass Dante Manto in den Limbo steckt, in die Vorhölle, zu den anderen, die ungetauft verstarben. Tatsächlich ist Manto aber in dem Kreis der Hölle, wo die Wahrsager ewig büßen.

War Manto, die der Länder viel befahren
Bis sie im Orte blieb, der mich gebar.
Doch davon möchte ich mehr dir offenbaren.

Hölle, 20. Gesang

Das heißt, dass Dante allmählich den Überblick über sein Ensemble verliert und darüber, wo er es hingestopft hat. Was ebenso verblüfft, ist, dass er da auch Thetis hinsetzt, also die Mutter des Achill. Deren Großmutter war ja immerhin eine Titanin. Bis jetzt hat Dante ja noch keinen Gott oder Titan oder sowas in die Hölle verfrachtet.

Vier Sonnenmägde, schon hinabgestiegen
Räumten den Platz der Fünften, deren Hand
Die Rosse suchte unter‘ s Joch zu schieben

Das heißt schlicht, dass es zwischen vier und fünf Uhr morgens war. Das italienische Original sieht so aus.

e già le Quattro nacelle eran del giorno
rimase a dietro, e la quinta era al temo,
drizzando pur in sù l'ardente corno,

und schon waren vier Mägde des Tage
hinter uns geblieben, und die Fünfte war am Steuer
steuerte in die Höhe, den feurigen Wagen

Die Stunden sind also die Mägde des Tages, davon haben sie schon vier zurückgelassen und im Moment sitzt die Fünfte am Steuer des Sonnewagens und führt ihn in die Höhe. Man kann wohl sagen, dass Dante das Prinzip Lyrik nicht begriffen hat. Lyrik besteht nicht darin, verquast auszudrücken, was man auch einfach sagen könnte. Lyrik ist es, wenn etwas gesagt wird, was sich nicht sagen lässt. Man trifft ja immer wieder Leute, die von sich behaupten, ihre Sprache zu lieben. Sprache ist aber wohl das Unauthentischste, was sich denken lässt. Sprache ist nur dann authentisch, wenn sie sprachlos verstanden wird. Dante allerdings ist kein Vorwurf zu machen. Hätte er irgendwas geschrieben, was unserem heutigen Verständnis von Literatur ähnelt, wäre er ähnlich erfolgreich gewesen, wie Kandinsky bei der Ausstattung einer katholischen Kirche zur Zeit der Hochgotik.

Da sprach Vergil: „Mir dünkt, dass wir zum Rand
wie sonst, die rechte Schulter müssten kehren,
Hier zu umkreisen diese Felsenwand

So ließen wir uns durch Gewohnheit lehren
Und sorglos schlugen wir den Weg dann ein
Zumal auch Statius nachgab dem Begehren

Den Läuterungsberg durchwandern sie gegen den Uhrzeigersinn, die rechte Schulter zeigt als zum Abgrund. Da der Läuterungsberg aber rund ist, ist es reichlich Jacke wie Hose, ob sie mit oder gegen den Uhrzeigersinn wandern, sie kommen immer an die Terrasse.

Sie schritten vor, ich folgte hintendrein
Und lauschte still für mich, was sie gesprochen
Was meiner Dichtkunst könnte dienlich sein

Was da über die Dichtkunst gesprochen wurde, würde uns jetzt natürlich brennend interessieren, doch darüber erfahren wir nichts.

Der holde Redefluss ward unterbrochen
Plötzlich durch einen Baum in Wegesmitten
in Früchten prangend, die verlockend rochen

Nicht wie die Natur den Tannewuchs geschnitten
Nein umgekehrt, nach unten wurden schmaler
Die Äste, das sie kein Ersteigen litten

Das Bild wird nirgends so richtig erklärt. Denkbar ist, dass auf den Baum der Erkenntnis angespielt wird, an dessen Früchte kam man ja bekanntermaßen ran, entweder weil sie unten hingen, oder man hinauf klettern konnte. Da auf dem Läuterungsberg aber niemand mehr in Versuchung geführt wird, wäre die bei diesem Baum nicht möglich. Die großen, fruchttragenden Äste sind oben, und hinaufsteigen kann man auch nicht, weil die ersten Äste hierfür zu schwach sind. Es ist ja genau umgekehrt wie bei einem normalen Baum. Die starken Äste sind oben, die schwachen unten. Biologisch gesehen ist das natürlich ein Wunder, denn die starken Äste sind vor allem älter und sind von daher unten.
Diese Interpretation passt jetzt nicht zu der Übersetzung des nächsten Verses, wie wir sie bei Zoozmann finden. Übersetzt man richtig, passt es wieder. Das ist die Übersetzung von Zoozmann.

Und näher trat zum Baum das Dichterpaar
Da! – aus dem Laube sprach‘ s in Menschentönen
„An dieser Frucht gebricht‘ s euch noch fürwahr!“

Diese Übersetzung hat aber nicht nur das Problem, dass sie nicht zu unserer Interpretation der vorherigen Verse passt, sie ist überhaupt reichlich sinnfrei. Was soll das bedeuten, dass es ihnen noch an einer Frucht mangelt?
Das italienische Original sieht so aus.

Li due poeti a l'alber s'appressaro;
e una voce per entro le fronde
gridò: «Di questo cibo avrete caro».


Die zwei Dichter näherten sich dem Baume
und eine Stimme aus dem Innern des Laubes
rief: „Von dieser Speise, werdet ihr nicht pflücken.“

Was dann aufgrund der besonderen Gestaltung des Baumes zutreffend ist. Vom Baum der Erkenntnis werden sie nicht essen. Der Autor versteht zwar nicht, wieso es eine Sünde ist, vom Baum der Erkenntnis zu essen und zu wissen was gut und böse ist, aber das ist hier egal. Den Fehler, den Adam und Eva begangen haben, werden sie nicht mehr machen.

Dann rief‘ s: „Nur um die Hochzeit zu verschönern
und reich zu feiern, sorgte sich Maria
Nicht um den Mund, der euch will Gott versöhnen“

Soll heißen, dass Maria Jesus bei der Hochzeit von Kanaa nicht deswegen dazu anhielt, das Wasser in Wein zu verwandeln, damit sie anständig bechern kann. Es ging ihr lediglich darum, dass das Fest anständig gefeiert wird. Der Unterschied ist irgendwie feinsinnig moralisch, das Ergebnis dürfte aber das gleiche sein, die haben sich wohl ordentlich volllaufen lassen, was ja unproblematisch ist, denn mit dem Auto war ja keiner unterwegs. Dieses Bild geht allerdings wieder in Richtung „Maria ist Vorbild der Gierigen“.

Die Römerin verschmähten Wasser nie!
Das Fasten ließ sich Daniel nicht verdrießen
Im Eifer, dass ihm Wissenschaft gedieh

Das ist ein bisschen krautig übersetzt. Das Original lautet so.

E le Romane antiche, per lor bere,
contente furon d'acqua; e Daniello
dispregiò cibo e acquistò savere.

Und die Römerinnen der Antike, um ihren Durst zu stillen
begnügten sich mit Wasser; und Daniel
verachtete die Nahrung und erlangte Wissen

Woher Dante weiß, wieviel die Römerinnen gebechert haben und was, ist ein Rätsel. Was Daniel angeht, wird eine Stelle aus der Bibel referenziert (Daniel, 1, 1)

Das Buch Daniel, Kapitel 1
Daniel und seine Freunde am babylonischen Hof: 1,1-21
1 Im dritten Jahr der Herrschaft des Königs Jojakim von Juda zog Nebukadnezzar, der König von Babel, gegen Jerusalem und belagerte es.
2 Und der Herr gab König Jojakim von Juda sowie einen Teil der Geräte aus dem Haus Gottes in Nebukadnezzars Gewalt. Er verschleppte sie in das Land Schinar, in den Tempel seines Gottes, die Geräte aber brachte er in das Schatzhaus seines Gottes.
3 Dann befahl der König seinem Oberkämmerer Aschpenas, einige junge Israeliten an den Hof zu bringen, Söhne von königlicher Abkunft oder wenigstens aus vornehmer Familie;
4 sie sollten frei von jedem Fehler sein, schön an Gestalt, in aller Weisheit unterrichtet und reich an Kenntnissen; sie sollten einsichtig und verständig sein und geeignet, im Palast des Königs Dienst zu tun; Aschpenas sollte sie auch in Schrift und Sprache der Chaldäer unterrichten.
5 Als tägliche Kost wies ihnen der König Speisen und Wein von der königlichen Tafel zu. Sie sollten drei Jahre lang ausgebildet werden und dann in den Dienst des Königs treten.
6 Unter diesen jungen Männern waren aus dem Stamm Juda Daniel, Hananja, Mischaël und Asarja.
7 Der Oberkämmerer gab ihnen andere Namen: Daniel nannte er Beltschazzar, Hananja Schadrach, Mischaël Meschach und Asarja Abed-Nego.
8 Daniel war entschlossen, sich nicht mit den Speisen und dem Wein der königlichen Tafel unrein zu machen, und er bat den Oberkämmerer darum, sich nicht unrein machen zu müssen.
9 Gott ließ ihn beim Oberkämmerer Wohlwollen und Nachsicht finden.
10 Der Oberkämmerer sagte aber zu Daniel: Ich fürchte mich vor meinem Herrn, dem König, der euch die Speisen und Getränke zugewiesen hat; er könnte finden, dass ihr schlechter ausseht als die anderen jungen Leute eures Alters; dann wäre durch eure Schuld mein Kopf beim König verwirkt.
11 Da sagte Daniel zu dem Mann, den der Oberkämmerer als Aufseher für ihn selbst sowie für Hananja, Mischaël und Asarja eingesetzt hatte:
12 Versuch es doch einmal zehn Tage lang mit deinen Knechten! Lass uns nur pflanzliche Nahrung zu essen und Wasser zu trinken geben!
13 Dann vergleiche unser Aussehen mit dem der jungen Leute, die von den Speisen des Königs essen. Je nachdem, was du dann siehst, verfahr weiter mit deinen Knechten!
14 Der Aufseher nahm ihren Vorschlag an und machte mit ihnen eine zehntägige Probe.
15 Am Ende der zehn Tage sahen sie besser und wohlgenährter aus als all die jungen Leute, die von den Speisen des Königs aßen.
16 Da ließ der Aufseher ihre Speisen und auch den Wein, den sie trinken sollten, beiseite und gab ihnen Pflanzenkost.
17 Und Gott verlieh diesen vier jungen Leuten Wissen und Verständnis in jeder Art Schrifttum und Weisheit; Daniel verstand sich auch auf Visionen und Träume aller Art.
18 Als ihre Zeit zu Ende war und man sie vor den König bringen musste, wie er es bestimmt hatte, stellte sie der Oberkämmerer dem Nebukadnezzar vor.
19 Der König unterhielt sich mit ihnen und fand Daniel, Hananja, Mischaël und Asarja allen anderen überlegen. Sie traten also in den Dienst des Königs.
20 Sooft der König in Fragen, die Weisheit und Einsicht erfordern, ihren Rat einholte, fand er sie allen Zeichendeutern und Wahrsagern in seinem ganzen Reich zehnmal überlegen.
21 Daniel blieb im königlichen Dienst bis ins erste Jahr des Königs Kyrus.

Auch die vorletzte Terzine des 22. Gesanges könnte man ohne weiteres und schnörkellos durch einen schlichten Aussagesatz zusammenfassen: Hunger ist der beste Koch. Dante macht daraus etwas Verschnörkeltes.

Es war zu Zeiten, die die goldenen hießen
Dem Hunger Eichel eine leckere Speise
Durst sah in jedem Bache Nektar fließen

So trivial das ist, wundert uns jetzt natürlich die Eichel. Um Eicheln zu essen, muss man sie stundenlang kochen und das Wasser wechseln, sie enthalten Gerbstoffe, diese müssen erstmal extrahiert werden. Eicheln wurden gelegentlich in Notzeiten zur Nahrung aufbereitet. Fragt sich nur noch, ob das italienische Original auch von Eicheln spricht.

Lo secol primo, quant'oro fu bello,
fé savorose con fame le ghiande,
e nettare con sete ogne ruscello.

Die erste Zeit, als sie noch war die goldene
macht die Eichel schmackhaft durch den Hunger
und jeder Bach der Durst zu Nektar

Auch das Original spricht also tatsächlich von Eicheln, ghiande.

Denkt an des Wüstenpredigers strenge Weise
Heuschrecken mussten ihm das Leben fristen
Und Honig – dennoch ward ihm Ruhm zum Preise

Auch hier hat uns Zoozmann einen Namen unterschlagen, der Wüstenprediger wird im Orginal namentlich genannt.

Mele e locuste furon le vivande
che nodriro il Batista nel diserto;
per ch'elli è glorioso e tanto grande

quanto per lo Vangelio v'è aperto».

Honig und Heuschrecken waren seine Nahrung
die den BATISTA nährten in der Wüste
so ruhmreich und groß ist er

Wie es Evangelium euch offenbart

Bezug genommen wird auf das Evangelim des Johannes.
(Matthäus Evangelium, 3, 1)

Zu der Zeit kam Johannes der Täufer und predigte in der Wüste des jüdischen Landes. Aber der Engel sprach zu ihm: Fürchte dich nicht, Zacharias! denn dein Gebet ist erhört, und dein Weib Elisabeth wird dir einen Sohn gebären, des Namen sollst du Johannes heißen. Und sprach: Tut Buße, das Himmelreich ist nahe herbeigekommen! Und er ist der, von dem der Prophet Jesaja gesagt hat und gesprochen: "Es ist eine Stimme eines Predigers in der Wüste: Bereitet dem HERRN den Weg und macht richtig seine Steige!" Er aber, Johannes, hatte ein Kleid von Kamelhaaren und einen ledernen Gürtel um seine Lenden; seine Speise aber war Heuschrecken und wilder Honig.

In quei giorni comparve Giovanni il Battista a predicare nel deserto della Giudea, dicendo: «Convertitevi, perché il regno dei cieli è vicino!». Egli è colui che fu annunziato dal profeta Isaia quando disse: Voce di uno che grida nel deserto: Preparate la via del Signore, raddrizzate i suoi sentieri! Giovanni portava un vestito di peli di cammello e una cintura di pelle attorno ai fianchi; il suo cibo erano locuste e miele selvatico.

Dante nennt ihn also nur Battista (den Täufer). Der ganze Name ist Giovanni il Battista. Im Übrigen ist natürlich klar, dass, wenn Johannes in der Wüste Honig gegessen hat, die Wüste nicht so wüst gewesen sein kann.