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Deutsch | Italienisch | Interpretation: |
Dreiunddreißigster
Gesang: |
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DER LÄUTERUNGSBERG: XXXIII Gesang | PURGATORIO:XXXIII CANTO | |
„Deus venerunt gentes,“ also fingen Die Frauenchöre, wechselnd vier und drei, Den süßen Psalm mit Tränen an zu singen. |
'Deus, venerunt gentes', alternando or tre or quattro dolce salmodia, le donne incominciaro, e lagrimando; |
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Die Herrin lieh gerührt der Litanei Ihr Ohr voll Mitleid und so grambezwungen, Als ob sie unterm Kreuz Maria sei. |
e Bëatrice, sospirosa e pia, quelle ascoltava sì fatta, che poco più a la croce si cambiò Maria. |
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Doch als des Psalmes letzter Ton verklungen, Sah ich stolz aufrecht Beatricen stehen – Sie sprach verklärt, begeisterungsglutdurchdrungen: |
Ma poi che l'altre vergini dier loco a lei di dir, levata dritta in pè, rispuose, colorata come foco: |
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„In kurzem – und ich muss von hinnen gehen, Und wiederum, ihr Schwestern, meine Lieben, In kurzem – und ihr sollt mich wiedersehen.“ |
Modicum, et non videbitis me; et iterum, sorelle mie dilette, modicum, et vos videbitis me'. |
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Voranzugehn befahl sie dann den Sieben; Es schritt die Blumenleserin und ich Mit Statius nach, von ihrem Wink getrieben. |
Poi le si mise innanzi tutte e sette, e dopo sé, solo accennando, mosse me e la donna e 'l savio che ristette. |
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So ging sie – doch sie hatte sicherlich Noch nicht zurückgelegt der Schritte zehen, Da flammte ihres Auges Glanz auf mich, |
Così sen giva; e non credo che fosse lo decimo suo passo in terra posto, quando con li occhi li occhi mi percosse; |
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Und milde sprach sie: „“Schneller musst du gehen; Mich drängt mein Herz, so vieles dir zu sagen, Drum tritt heran, um deutlich zu verstehen. – |
e con tranquillo aspetto «Vien più tosto», mi disse, «tanto che, s'io parlo teco, ad ascoltarmi tu sie ben disposto». |
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Doch, Bruder, warum seh ich dich so zagen,“ Sprach sie, als ich ihr nah wie sie befohlen, „Hemmt meine Nähe dir so ganz das Fragen?“ |
Sì com' io fui, com' io dovëa, seco, dissemi: «Frate, perché non t'attenti a domandarmi omai venendo meco?». |
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Wie einer gleichsam steht auf glühnden Kohlen Vor Ehrfurcht, redet ihn ein Großer an, Und sich kein Wort getraut hervorzuholen, |
Come a color che troppo reverenti dinanzi a suo maggior parlando sono, che non traggon la voce viva ai denti, |
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So ich, tonlos, stockend nun begann: „O Herrin, fremd blieb nie Euch mein Verlangen, Ihr wisst, was mir zum Heile dienen kann.“ |
avvenne a me, che sanza intero suono incominciai: «Madonna, mia bisogna voi conoscete, e ciò ch'ad essa è buono». |
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Und sie zu mir: „Ich will von Scham und Bangen Befreit dich sehen, darum auf! erwache, Und sprich nicht, wie man redet schlafbefangen. |
Ed ella a me: «Da tema e da vergogna voglio che tu omai ti disviluppe, sì che non parli più com' om che sogna. |
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Vernimm: der Wagen, den zerstört der Drache, Er w a r und i s t nicht! Doch der Schuldge glaube: Ein Totenschmaus hemmt niemals Gottes Rache! |
Sappi che 'l vaso che 'l serpente ruppe, fu e non è; ma chi n'ha colpa, creda che vendetta di Dio non teme suppe. |
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Ein Erbe wird erstehen aus dem Staube Dem Adler, der sein Federkleid zerstreute, Drob er als Untier andern ward zum Raube. |
Non sarà tutto tempo sanza reda l'aguglia che lasciò le penne al carro, per che divenne mostro e poscia preda; |
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Ich prophezei – denn klar schon seh ich’ s heute: Die Sterne lassen eine Zeit erstehen, Die keinem Hindernisse fällt zur Beute, |
ch'io veggio certamente, e però il narro, a darne tempo già stelle propinque, secure d'ogn' intoppo e d'ogne sbarro, |
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Wo Gott uns die Fünfhundert, Fünf und Zehen Herschickt, durch die das Weib voll Trug und Arg Samt ihrem Buhlen wird zugrunde gehen! |
nel quale un cinquecento diece e cinque, messo di Dio, anciderà la fuia con quel gigante che con lei delinque. |
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Und gab ich dir jetzt Worte, knapp und karg, Wie Sphinx und Themis, dunkelheitbeladen, Dass noch der Sinn sich dir zweideutig barg – |
E forse che la mia narrazion buia, qual Temi e Sfinge, men ti persuade, perch' a lor modo lo 'ntelletto attuia; |
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So werden bald Ereignisse Najaden Und diesen Rätseln dir die Lösung werben, Doch nicht den Saaten, noch den Herden schaden. |
ma tosto fier li fatti le Naiade, che solveranno questo enigma forte sanza danno di pecore o di biade. |
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Du merke, was ich sprach! und mach zu Erben All dieser Worte die lebendgen Seelen Des Lebens, das ein Wettlauf ist zum Sterben. |
Tu nota; e sì come da me son porte, così queste parole segna a' vivi del viver ch'è un correre a la morte. |
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Doch soll auch deine Feder nicht verhehlen, Wie du den Baum, der nicht für Menschen ward, Zum zweiten Male heute sahst bestehlen. |
E aggi a mente, quando tu le scrivi, di non celar qual hai vista la pianta ch'è or due volte dirubata quivi. |
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Wer ihn beraubt und schädigt frevler Art, Beleidigt tätlich Gott; er will ihn wissen Für sich als unantastbar aufgespart. |
Qualunque ruba quella o quella schianta, con bestemmia di fatto offende a Dio, che solo a l'uso suo la creò santa. |
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Der erste, der in diese Frucht gebissen, Hat heiß fünftausend Jahr nach d e m begehrt, Der ihn durch seinen Tod der Schuld entrissen. |
Per morder quella, in pena e in disio cinquemilia anni e più l'anima prima bramò colui che 'l morso in sé punio. |
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Du träumst, wenn dich die Einsicht nicht belehrt, Dass dieser Wunderbaum aus guten Gründen So hoch an Wuchs ist, doch auch so verkehrt. |
Dorme lo 'ngegno tuo, se non estima per singular cagione essere eccelsa lei tanto e sì travolta ne la cima. |
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Und wär nicht wie durch Elsas Flut mit Sünden Dein Geist umkrustet, sähst du lustbefleckt Nicht immer noch sich Pyrams Beeren ründen, |
E se stati non fossero acqua d'Elsa li pensier vani intorno a la tua mente, e 'l piacer loro un Piramo a la gelsa, |
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So hättest du am Baume längst entdeckt, Nach all den Zeichen, was des Herrn Verbot In seiner Allgerechtigkeit bezweckt! |
per tante circostanze solamente la giustizia di Dio, ne l'interdetto, conosceresti a l'arbor moralmente. |
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Doch weil dein Geist versteint in Sündennot, Und ich dein Herz in buntem Tand seh schwanken, Dass dich mein Lichtwort nur zu blenden droht, |
Ma perch' io veggio te ne lo 'ntelletto fatto di pietra e, impetrato, tinto, sì che t'abbaglia il lume del mio detto, |
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So nimm, wenn auch als Bild nur, in Gedanken Mein Wort mit, wie man von der Pilgerfahrt Den Stab heimbringt, dran Palmenblätter ranken.“ |
voglio anco, e se non scritto, almen dipinto, che 'l te ne porti dentro a te per quello che si reca il bordon di palma cinto». |
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Und ich: „Wie Wachs des Siegels Form bewahrt, Die ihm des Petschafts Druck vermag zu geben, So stempelt Ihr mein Herz auf gleiche Art. |
E io: «Sì come cera da suggello, che la figura impressa non trasmuta, segnato è or da voi lo mio cervello. |
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Doch warum lasset Ihr so hoch sich heben Das teure Wort? – Je weniger kann ich’ s sehen, Je mehr mein Blick sich müht, ihm nachzustreben.“ |
Ma perché tanto sovra mia veduta vostra parola disïata vola, che più la perde quanto più s'aiuta?». |
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Und sie: „Dass du
die Schule kannst verstehen , Der du gefolgt bist, merken kannst, wie weit Sie Kraft hat, meinem Worte nachzugehen, |
«Perché conoschi», disse, «quella scuola c'hai seguitata, e veggi sua dottrina come può seguitar la mia parola; |
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S e h n , wie ihr fern auf euerm Irrweg seid, Der fern von Gottes Weg, wie von der Erden Des höchsten Himmels ewige Herrlichkeit.“ – |
e veggi vostra via da la divina distar cotanto, quanto si discorda da terra il ciel che più alto festina». |
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„Wie?“ sprach ich, „hätt ich je, Euch fremd zu
werden Versucht? Und wär ich wirklich Euch entronnen, Empfände mein Gewissen nicht Beschwerden?“ |
Ond' io rispuosi lei: «Non mi ricorda ch'i' stranïasse me già mai da voi, né honne coscïenza che rimorda». |
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„Und wenn du dich trotzdem noch nicht besonnen,“ Sprach lächelnd sie, „gedenke, dass soeben Dein Herz sich erst erquickt an Lethes Bronnen. |
«E se tu ricordar non te ne puoi», sorridendo rispuose, «or ti rammenta come bevesti di Letè ancoi; |
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Wie Rauch vermag ein Feuer anzugeben, So zeigt dein Nichtbesinnen mir: es war Nicht fleckenlos, nein, schuldvermischt dein Streben! |
e se dal fummo foco s'argomenta, cotesta oblivïon chiaro conchiude colpa ne la tua voglia altrove attenta. |
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Fortan soll jedes Redeschmuckes bar Mein Wort dir klingen, dass sich deutlich weise, Was deinem stumpfen Menschenblick nicht klar!“ – |
Veramente oramai saranno nude le mie parole, quanto converrassi quelle scovrire a la tua vista rude». |
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Noch glühender, doch träger schon im Kreise Nahte der Sonnenball dem Meridiane, Der sich dem Blick verschiebt, als ihre Reise |
E più corusco e con più lenti passi teneva il sole il cerchio di merigge, che qua e là, come li aspetti, fassi, |
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Die sieben Fraun gehemmt – wie bei der Fahne, Wenn sich Verdächtges scheint am Weg zu zeigen, Der Führer halten lässt die Karawane. |
quando s'affisser, sì come s'affigge chi va dinanzi a gente per iscorta se trova novitate o sue vestigge, |
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Beleuchtet war der Ort so blass und eigen, Wie sich auf Berggewässer Schatten legen, Wenn sie der Hochwald deckt mit dunkeln Zweigen. |
le sette donne al fin d'un'ombra smorta, qual sotto foglie verdi e rami nigri sovra suoi freddi rivi l'alpe porta. |
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Euphrat und Tigris schienen mir entgegen Zu strömen: schnell erst aus vereinter Quelle, Dann träg, wie Freunde sich zu trennen pflegen. |
Dinanzi ad esse Ëufratès e Tigri veder mi parve uscir d'una fontana, e, quasi amici, dipartirsi pigri. |
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„O du, der Menschheit Ruhm und Sonnenhelle, Was für ein Strom bricht hier vereint zutage So stark, und spaltet plötzlich seine Welle?“ |
«O luce, o gloria de la gente umana, che acqua è questa che qui si dispiega da un principio e sé da sé lontana?». |
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Bescheid ward mir auf diese Bitte: „Frage Matelda um Bescheid.“ Und darauf sagte Wie in der Abwehr vorwurfsvoller Klage |
Per cotal priego detto mi fu: «Priega Matelda che 'l ti dica». E qui rispuose, come fa chi da colpa si dislega, |
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Die Schöne: „Dies und was er sonst noch fragte, Hab ich ihm schon erklärt und bin gewiss, Dass er mit Unrecht Lethe drob verklagte.“ |
la bella donna: «Questo e altre cose dette li son per me; e son sicura che l'acqua di Letè non gliel nascose». |
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Und Beatrice: „Leicht mag Finsternis Verschleiernd sich auf sein Gedächtnis legen, Wenn größre Sorge dessen Band zerriss. |
E Bëatrice: «Forse maggior cura, che spesse volte la memoria priva, fatt' ha la mente sua ne li occhi oscura. |
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Doch sieh: Eunos rieselt uns entgegen! Um die erstorbnen Kräfte neu zu wecken, Führ ihn zur Flut, gewohnten Amts zu pflegen.“ |
Ma vedi Eünoè che là diriva: menalo ad esso, e come tu se' usa, la tramortita sua virtù ravviva». |
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Und wie ein edles Herz zu fremden Zwecken Den eignen Willen rückhaltlos lässt leiten, Mag sie ihm nur ein leiser Wink entdecken, |
Come anima gentil, che non fa scusa, ma fa sua voglia de la voglia altrui tosto che è per segno fuor dischiusa; |
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So fasste meine Hand beim Weiterschreiten Die Schöne; und nach edler Frauen Art Sprach sie zu Statius: „Komm! uns zu begleiten.“ – |
così, poi che da essa preso fui, la bella donna mossesi, e a Stazio donnescamente disse: «Vien con lui». |
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Hätt ich mir, Leser, größern Raum gespart, Dir würd ich einen Teil der Wonnen singen Des Tranks, von dem ich nie ersättigt ward. |
S'io avessi, lettor, più lungo spazio da scrivere, i' pur cantere' in parte lo dolce ber che mai non m'avria sazio; |
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Doch weil die Blätter mir zu Ende gingen, Die ich bestimmte für den zweiten Sang, So hemmt der Zaum der Kunst mein Weiterdringen. |
ma perché piene son tutte le carte ordite a questa cantica seconda, non mi lascia più ir lo fren de l'arte. |
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Verjüngt ich aus der heiligen Flut mich schwang Gleich einer Pflanze, die im tiefsten Kerne Der Lenz mit neuer Lebenskraft durchdrang, |
Io ritornai da la santissima onda rifatto sì come piante novelle rinovellate di novella fronda, |
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Rein und bereit zum Fluge durch die Sterne. |
puro e disposto a salire a le stelle. | |
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