Wir sind nun im 33. Gesang und Geträller des Läuterungsberges, also kurz vor dem Paradies. Wir wissen zwar immer noch nicht, was uns da erwartet, aber es wird immer unwahrscheinlicher, dass wir dort unseren Spaß haben werden, denn alles, was Spaß macht, ist da mit Sicherheit verboten: Der Rehbraten mit Preiselbeeren, Spätzle und Salat ist Gula (Gefräßigkeit), die hübschen Mädels sind entweder Anstandswauwaus, texten wie Lieschen Müller vom Finanzamt, oder präsentieren gar die Theologie, bei der Musik, die da tönt, steht die Befürchtung im Raum, dass das weder Beethoven noch Deep Purple ist, das ist immer irgendwie was Meditatives, und wer will schon ständig meditieren. Lehnen Sie sich also erstmal zurück und überlegen Sie sich, ob Sie da wirklich hinwollen, bzw. versuchen Sie eine Vorstellung darüber zu gewinnen, was sie da erwarten könnte. Das ist übrigens aus wissenschaftlicher Sicht auch das Problem mit dem Lied „Paradies“ von den Toten Hosen.
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Sie legen den Schwerpunkt auf die Frage, ob sich die Mühe lohnt.
Ich will nicht ins Paradies,
wenn der Weg dahin so schwierig ist
Die Frage, wie es da aussieht, wird nur in einem Nebensatz angedeutet.
Wer weiß, ob es uns dort besser geht
Die Frage ist also, wird Dante die Frage beantworten, die die Toten Hosen nicht
beantworten? Werden wir gewichtige Argumente finden, um ins Kloster zu gehen
und über das irdische Jammertal zu meditieren? Oder werden wir eher versuchen,
den Laden hier unten mal in Ordnung zu bringen und das Paradies auf die Erde
zu verlagern. Letzteres hätten wir ja immerhin in der Hand, wäre einer
rationalen Analyse zugänglich. Hierfür müsste man ja nur die
Chefideologen aller Couleur von Dante über Marx bis Beckstein in die Wüste
Sahara schicken und die anderen Talibans gleich hinterher.
„Deus venerunt gentes“, also fingen
Die Frauenchöre, wechselnd vier und drei,
Den süßén Psalm mit Tränen an zu singen
Sie singen also den 1. Vers des 78 Psalm:
Deus venerunt gentes in hereditatem
tuam polluerunt templum sanctum tuum posuerunt Hierusalem in pomorum custodiam.
HERR, es sind Heiden in dein Erbe gefallen, die haben deinen heiligen Tempel verunreiniget und aus Jerusalem Steinhaufen gemacht.
Die Übersetzungen sind merkwürdigerweise nicht überall gleich,
manchmal ist der 78. Psalm der 79. Im Deutschen auf jeden Fall ist es der 79.
Psalm, in vielen englischen Versionen der Bibel der 78.
Die Herrin lieh gerührt der Litanei
Ihr Ohr voll Mitleid und so grambezwungen,
Als ob sie unterm Kreuz Maria sei.
Es gibt eine Pop Version davon bei Youtube (auf Hebräisch??)
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Bei Dante klang das wahrscheinlich irgendwie so.
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Das Problem ist, dass bei Letzterem Kinder involviert sind. Die sollte man
zum Denken bringen, nicht zum Glauben. Denn wer glaubt, ist zu faul zum Denken.
Eine der drei christlichen Tugenden (Liebe, Glaube, Hoffnung) ist also eine
ausgesprochene Untugend. Man sollte das auch sehen beim Religionsunterricht
an den Schulen und ob man den auch in der islamischen Version erteilt. Man
kann über religiöse Fragen ergebnisoffen diskutieren, was die Kiddies
dann daraus machen, sollte man ihnen überlassen. Es gilt immer noch, was
schon Theodor Storm zutreffend festgestellt hat:
Der Glaube ist zum Ruhen gut, doch bringt er nicht von der Stelle;
Der Zweifel
in ehrlicher Männerfaust, der sprengt die Pforten der Hölle.
Es ist auch nicht zutreffend, dass der Glaube Berge versetzt. Historisch gesehen
hat er eher einen Misthaufen mit einer Betonschicht versiegelt.
Doch als des Psalmes letzter Ton verklungen,
Sah ich stolz aufrecht Beatricen stehen -
Sie sprach verklärt, begeisterungsglutdurchdrungen.
Das kennen wir auch, von Kirchentagen, Weltkirchentagen etc. Da glühen
dann Tausende von Leuten, wenn der Ratzinger, Joseph vorbeifährt in seinem
Papamobil; die sind dann so heiß wie ein Huhn im Backofen, erhitzt ohne
eigenes Zutun, besoffen von man weiß nicht von was. Begeisterungsglutdurchrungen
ist die Beschreibung eines Krankheitsbildes, wie Typhus, Pest und Cholera.
„In kurzem – und ich muss von hinnen gehen,
Und wiederum, ihr Schwestern, meine Lieben,
In kurzem - und ihr sollt mich wiedersehen.
Im Original geht das so:
"*Modicum, et non videbitis me;
et iterum*, sorelle mie dilette,
*modicum, et vos videbitis me*".
Das Original zitiert also eine Stelle aus Johannes 16, 16: Über ein kleines, so werdet ihr mich nicht sehen; und aber über ein kleines, so werdet ihr mich sehen, denn ich gehe zum Vater.
Das ist eigentlich nicht schlecht. Wenn Sie sich also in Zukunft von Ihren
Kumpeln / Arbeitskollegen / Bekannten verabschieden, könnten Sie das schlichte
„bis später“ durch ein „Modicum, et non videbitis me,
modicum, et vos videbitis me“ (Ein kurzes, und ihr werden mich nicht mehr
sehen, ein kurzes, und ihr werdet mich wiedersehen) ersetzen.
Voranzugehn befahl sie dann den Sieben;
Es schritt die Blumenleserin und ich
Mit Statius nach, von ihrem Wink getrieben.
Die Sieben sind die Tugenden, die folgen ihr. Ab und an taucht auch Statius
wieder auf, während Vergil sich ja schon sein längerem verabschiedet
hat.
So ging sie – doch sie hatte sicherlich
Noch nicht zurückgelegt der Schritte zehen,
Da flammte ihre Auges Glanz auf mich
Dante teilte uns mal wieder genau mit, welche Entfernung zurückgelegt
wurde: 10 Schritte. Das ist jetzt natürlich einfacher als mit dem dreifachen
der Reichweite eines Pfeiles, da mussten wir ja nachrechnen. Ob wir allerdings
die Hotline 0190 / Dante (1,30 pro Minute) angerufen hätten, wenn er uns
das nicht mitgeteilt hätte, wage ich zu bezweifeln.
Und milde sprach sie: „Schneller musst du gehen;
Mich drängt mein Herz, so vieles dir zu sagen,
Drum tritt heran, um deutlich zu verstehen. -
Das klingt jetzt erstmal nach einem romantischen Spaziergang im Mondenschein,
sie will ihm etwas sagen, aber inzwischen sind wir ja mit ihrem sehr spezifischen
Charakter vertraut.
Doch, Bruder, warum seh ich dich so zagen“,
Sprach sie, als ich ihr nah wie sie befohlen,
„Hemmt meine Nähe dir so ganz das Fragen?“
Wie einer gleichsam steht auf glühnden Kohlen
Vor Ehrfurcht, redet ihn ein Großer an,
Um sich kein Wort getraut hervorzuholen,
So ich, tonlos, stockend nun begann:
„O Herrin, fremd blieb nie Euch mein Verlangen,
Ihr wisst, was mir zum Heile dienen kann.“
Sie spricht ihn also tatsächlich mit Bruder an (frate) , das scheint also
eine lange Tradition zu haben und keine Idee der Muslimbrüderschaften zu
sein, die reden sich ja auch mit Bruder und Schwester an. Was das Verlangen
angeht, das sie kennt, ist Beatrice, so sie es denn kennt, weiter als wir. Denn
im Grunde (so richtig genau ) wissen wir auch nicht , was Dante will, weil er
noch nie konkret geworden ist. Wir wissen nur, dass er sich auf halbem Wege
seines Erdenlebens in einem dunklen Wald verloren hat und nehmen das als Metapher
für eine seelische / geistige Verwirrung oder Unsicherheit, aber worin
diese genau bestand, hat er uns bis jetzt noch nie verraten. Was ihm zum Heile
dienen kann, wissen wir auch nicht so genau. Wir können uns zwar vorstellen,
dass die Vorführung des höllischen Gruselkabinetts geeignet ist, Maßnahmen
zu ergreifen, die geeignet sind, dort nicht hinzukommen, aber warum er konkret
befürchtete, da zu landen, wissen wir nicht. Geeignet zu seinem Heile scheint
irgendwie auch seine Liebe zu Beatrice zu sein, aber auch das ist nicht so richtig
dargestellt.
Und sie zu mir: „Ich will von Scham und Bangen
Befreit dich sehen, darum auf! Erwache,
Und sprich nicht , wie man redet schlafbefangen.
Das ist jetzt mal eine ganz merkwürdige, psychologische Aussage. Jemand
der sich schämt, der spricht dann auch verstockt, druckst rum. Aber schlafbefangen
(com'om che sogna)? Sie haben natürlich nicht erwartet, dass Beatrice
ihm jetzt erzählt, dass sie in den letzten zehn Jahren immer wieder an
ihn gedacht hat, an sein Lächeln, seine Gedichte, an das, was ihn unterscheidet,
dass es das ist, was sie ihm mitteilen will. Der Panzer fährt jetzt fort
mit seinem altklugen Gewäsch. Eines auf jeden Fall steht fest, wenn ein
Dante auf eine Beatrice trifft, dann kommen die bombensicher in den Himmel,
weil die schon als Methusalems auf die Welt gekommen sind.
Vernimm: der Wagen, den zerstört der Drache,
Er war und ist nicht! Doch der Schuldge glaube:
Ein Totenschmaus hemmt niemals Gottes Rache!
So ähnlich.
Sappi che ‘l vaso che 'l serpente ruppe
fu e non è; ma chi n'ha colpa, creda
che vendetta di Dio non teme suppe.
So wisse denn, dass der Wagen, der von der Schlange ward
zerschlagen,
war, aber jetzt nicht ist; doch der, der trägt daran die Schuld, glaubt
Dass die Rache Gottes keine Hindernisse kenne
Wir haben also ein Problem mit dem zweiten Teil, den schauen wir uns gleich
an. Der erste Teil ist klar, der Wagen, also die Kirche war (Vergangenheit),
aber ist nicht mehr (Gegenwart). Der Grund hierfür ist, meint Dante, die
Vermischung von Weltlichem und Geistlichem im Allgemeinen und konkret die enge
Anbindung des Papsttums an das französische Königshaus. Und schuld
daran (chi n‘ ha la colpa) ist der Papst. Probleme bereitet dann der Nachsatz:
…creda che vendetta di Dio non teme suppe (…doch der, der trägt
daran die Schuld, glaubt, dass die Rache Gottes keine Hindernisse kenne…).
Der Autor würde jetzt sagen, wir haben mit creda einen congiuntivo, und
dieser wird in einer etwas ungewöhnlichen Form eingesetzt, eigentlich müsste
so übersetzt werden:
So wisse denn, dass der Wagen, der von der Schlange ward
zerschlagen,
war, aber jetzt nicht ist; doch der, der daran vielleicht die Schuld trägt,
soll glauben,
dass die Rache Gottes keine Hindernisse kennt
Übersetzt man so, wie alle anderen dies tun, ergibt das keinen rechten
Sinn. Wenn der Papst tatsächlich der Meinung wäre, dass die Rache
Gottes keine Hindernisse kennt, würde er sich an den Riemen reißen,
das tut er aber nicht. Logischer ist es, den Satz als Aufforderung zu verstehen.
Der Papst soll sich klar machen, dass die Rache Gottes keine Hindernisse kenne.
Diese Übersetzung ist auch grammatikalisch einleuchtender, denn ganz unstrittig
steht da ein congiuntivo (creda) und kein indicativo (crede).
Ein Erbe wird erstehen aus dem Staube
Dem Adler, der sein Federkleid zerstreute,
Drob er als Untier andern ward zum Raube.
Ich prophezei – denn klar schon seh ich‘ s heute:
Die Sterne lassen eine Zeit erstehen,
Die keinem Hindernisse fällt zur Beute
Der Adler stand ursprünglich für Konstantin. Mit dessen Übereignung
eines Teils des römischen Reiches begann für Dante ja das Malheur.
Jetzt steht er aber für das Kaisertum allgemein, und dieser Kaiser hat
im Moment kein Erbe, da selbiges ja erst wieder entstehen soll. Oft wird vermutet,
dass Dante hierbei an den Staufer Friedrich II dachte, den schon öfters
erwähnten Stupor Mundi. Nach dessen Tod wäre Italien ohne Kaiser gewesen,
sein Erbe also ohne Kaiser. Wie man da drauf kommt, ist schleierhaft, Friedrich
II regierte nie uneingeschränkt in Italien, so gesehen hatte Italien noch
nie einen Kaiser, da keiner seinen Herrschaftsanspruch durchsetzen konnte. „Drob
er als Untier ward zum Raube“ bezieht sich dann eventuell wieder auf die
konstantinische Schenkung. Der ursprüngliche Adler, Konstantin, vermachte
ein Teil des Reiches der Kirche. Damit vermischt er Weltliches und Geistliches
und insbesondere entstanden so die Gelüste der anderen Kaiser. Das ging
dann hin und her bis zu Friedrich II. Nach dessen Tod war es dann verwaist,
das Reich. So im Detail muss man das nicht verstehen und historisch gesehen
ist es Mumpitz, aus x Gründen. Die konstantinische Schenkung war eine Fälschung,
kein Kaiser hatte jemals die Kraft, Italien zu einigen, die ganze zwei Schwerter
Theorie ist Mumpitz etc. etc. etc. In der zweiten Terzine prophezeit dann Beatrice
irgendwas, bleibt nur noch die Frage, was sie eigentlich prophezeit. Eigenartig
ist nur, dass die Sterne eine Zeit entstehen lassen, nicht etwa Gott, sondern
die Sterne. Schauen wir also mal, was die Sterne entstehen lassen.
Wo Gott uns die Fünfhundert, Fünf und Zehen
Herschickt, durch die das Weib voll Trug und Arg
Samt ihrem Buhlen wird zugrunde gehen!
Und gab ich dir jetzt Worte, knapp und karg,
Wie Sphinx und Themis, dunkelheitsbeladen,
Dass noch der Sinn sich dir zweideutig barg-
So werden bald Ereignisse Najaden
Und diesen Rätseln dir die Lösung werben,
Doch nicht den Saaten, noch den Herden schaden.
Bei der ersten und der dritten Terzine verstehen wir ja nur Bahnhof, aber bei
der zweiten, so ungeheuerlich das klingt, sind wir mit der Beamtin im himmlischen
Dienste sogar einer Meinung und ich kann Ihnen zuversichtlich versichern, dass
der Autor mal mit einer Beamtin einer Meinung ist, das kommt wirklich so selten
vor, dass man auch sagen könnte, es kommt nie vor. Sie teilt uns also mit,
dass das alles ziemlich dunkelheitsbeladen ist und dass sie in Rätseln
spricht wie die Sphinx und Themis (Tochter von Uranos und Gaia, also eine Titanin,
Göttin der Philosophie und Schutzpatronin des Orakels zu Delphi). Auch
hier sehen wir also, dass einer Ehe zwischen Dante und Beatrice nichts entgegengestanden
hätte, denn die beiden sind die Erfinder des Kreuzworträtsels. Sie
fragen sich jetzt natürlich, warum ihm Beatrice nicht klipp und klar sagt,
was Sache ist. Die Frage kann ich Ihnen leider auch nicht beantworten. Ich vermute,
dass es bei Leuten, die absolut nichts zu sagen haben, Vorteile hat, wenn sie
in Rätseln sprechen, das sieht dann irgendwie nach Geheimnis aus und so
ein bisschen geheimnisvoll wollen wir ja alle sein, oder? Fangen wir also mal
mit der ersten Terzine an.
Wo Gott uns die Fünfhundert, Fünf und Zehen
Herschickt, durch die das Weib voll Trug und Arg
Samt ihrem Buhlen wird zugrunde gehen!
Bevor Sie das jetzt durchlesen, sollten Sie sich klar machen, dass man nicht
unbedingt sagen kann, dass das alberner Kinderkram ist, denn über die Bedeutung
der Zahl 515 zermatern sich jetzt irgendwelche professoralen Philologentrottel
bis spät in die Nacht das ohnehin schon vertrocknete Gehirn und Gemüt.
Das Ergebnis dieses Scharfsinns wollen Sie doch wohl jetzt nicht etwa wissen,
oder? Ich habe ja keine Ahnung, wie Sie drauf sind, aber von mir aus können
Sie auch gleich nach unten hopsen, mit den Augen.
515 ergibt in römischen Zahlen DXV
500 = D
10 = X
5 = V
Vertauscht man jetzt noch X mit V hat man DVX, das sieht dann so ähnlich
aus wie dux, der Führer. Die Frage ist dann natürlich, wer der dux,
der da aufräumen soll, denn eigentlich ist. So eine ähnlich mystische
Stelle haben wir auch in der Hölle, da wird von einem Veltro (Jagdhund)
gesprochen. Der taucht auf im ersten Gesang der Hölle im Vers 100.
Molti son li animali a cui s'ammoglia
e più saranno ancora, infin che'l veltro
verrà, che la farà morir con doglia.
Doch warum fliegt so weit über meinem Blick
Ihr geliebtes Wort,
so dass je mehr ich mich bemühe, es entschwindet
Wir gehen mal davon aus, dass mit Blick (veduta) Fassungsvermögen
gemeint ist, die Worte Beatrices übersteigen also sein Fassungsvermögen
und je mehr er darüber nachdenkt, desto weniger kapiert er. Beatrice
wird uns also richtig sympathisch, sie sagt jetzt mal ein paar Dinge, die
wir uns auch schon gedacht haben. Der Geist Dantes ist etwas verkrustet und
das großer Cleverle, dass er sein will, ist er auch nicht, der blickt
nämlich auch nicht durch. Dass der Autor und Beatrice aber zur selben
Beurteilung des Geisteszustandes Dantes kommen, heißt noch lange nicht,
dass sie sich auch über die Gründe einig sind, die diesen Zustand
herbeigeführt haben. In einem ähneln sich aber Beatrice und Dante,
sie sprechen gerne in Rätseln.
Und sie: „Dass du die Schule kannst verstehen,
Der du gefolgt bist, merken kannst, wie weit
Sie Kraft hat, meinem Worte nachzugehen,
Sehn, wie ihr fern auf euerm Irrweg seid
Der fern von Gottes Weg, wie von der Erden
Des höchsten Himmels ewige Herrlichkeit.
Schauen wir uns das im Original an:
«Perché conoschi», disse, «quella
scuola
c'hai seguitata, e veggi sua dottrina
come può seguitar la mia parola;
e veggi vostra via da la divina
distar cotanto, quanto si discorda
da terra il ciel che più alto festina».
“Da du die Schule kennst”, erwiderte sie,
„der du folgtest, ihre Lehren kennst, kannst
du ermessen, wie weit du meinem Worte folgst
weißt, wie weit dein Pfad
vom göttlichen Pfade abgewichen, wie weit entfernt
die Erde ist vom Himmel und der höchsten Sphäre
hm. Also sagen will sie, dass er sehr wohl beurteilen kann, wie weit die Lehre
dieser Schulen (Philosophie, „weltliche“ Wissenschaften) von dem
entfernt ist, was sie ihm sagt, er also weiß, wie weit diese Lehren entfernt
sind vom Himmel. Das Problem ist, dass wir nicht erfahren, um welche Lehren es
sich dabei handelt. So abstrakt gesehen ist das natürlich völliger
Schwachsinn, denn „irdische“ Wissenschaften bringen einen ganz irdisch
konkreten Nutzen und nur Leute wie die Taliban, die absolut nicht sehen, wie
sie das Irdische in Ordnung bringen, heben ihren Blick gebannt gen Himmel.
Sehn, wie ihr fern auf euerem Irrweg seid,
Der fern von Gottes Weg, wie von der Erden
Des höchsten Himmels ewige Herrlichkeit.“
Dass Beatrice das so sieht, kann man nachvollziehen, die ist ja im Himmel, also
Beamtin im himmlischen Reich und beamtentypisch erklärt sie ihren Zuständigkeitsbereich
für das Allerwichtigste überhaupt. Das Mädel hätte mal ein
bisschen arbeiten sollen, das würde vielen Beamten gut tun, dann wüsste
sie, wie bunt und komplex auch das irdische Reich ist.
Also eine richtig inhaltlich substantielle Diskussion kommt zwischen den beiden
nicht zustande. Wir schließen daraus, dass sie im Grunde noch, soweit das
bei zwei so Langweilern überhaupt möglich ist, immer noch ineinander
verliebt sind, das ist die einzige Erklärung. Wer wird sich schon beim ersten
Date über irgendetwas Ernstes, Substantielles unterhalten. Wir vermuten,
die zwei haben sich tief in die Augen geschaut und das Gebrabbel ist völlig
irrelevant.
„Wie?“ sprach ich, „hätt ich je,
Euch fremd zu werden
Versucht? Und wär ich wirklich Euch entronnen,
Empfände mein Gewissen nicht Beschwerden?“
„Und wenn du dich trotzdem noch nicht besonnen“,
Sprach lächelnd sie, „gedenke, dass soeben
Dein Herz sich erst erquickt an Lethes Bronnen.
Also Dante behauptet, dass er die ganze Zeit emsig Thomas von Aquin studiert
hat, also nichts Irdisches. Er ist sich also keiner Sünde bewusst. Beatrice
wiederum behauptet, dass er das sehr wohl getan hat, aber sich jetzt nicht mehr
erinnert, weil er ja im Lethe gebadet worden ist.
Wie Rauch vermag ein Feuer anzugeben,
So zeigt dein Nichtbesinnen mir: Es war
nicht fleckenlos, ein, schuldvermischt dein Streben!
??? Das Bild - wo Rauch ist, ist auch Feuer - ist hinlänglich bekannt und
oft ein treffendes Bild. Hier allerdings ist ja gar kein Feuer. Wenn Dantes
Erinnerungen tatsächlich vollkommen gelöscht sind, dann kann er sich
an seine Sünden auch nicht erinnern, er ist nicht verstockt (das könnte
man als Rauch deuten), sondern schlicht ahnungslos. Das Bild, das Beatrice hier
abliefert, passt also gar nicht. Wir wollen ja überhaupt nicht erwähnen,
dass die Fähigkeit zu einer bestimmten Situation das passende Bild / Sprichwort,
die passende Redewendung zu finden von Intelligenz zeugt, bzw. von deren Nichtvorhandensein,
wenn ein Griff ins Klo auf den nächsten folgt. Das Mädel mag ja hübsch
gewesen sein, aber auch ein bisschen dappig.
Fortan soll jedes Redeschmuckes bar
Mein Wort dir klingen, dass sich deutlich weise,
Was deinem stumpfen Menschenblick nicht klar!
Yo. Darauf warten wir schon lange, dass jeden Redeschmuckes bar ein Wort erklingt,
welches dann klärt, was unserem stumpfen Menschenblick durchaus unklar.
Wenn wir aber bedenken, dass es jetzt ins Paradies geht, also in eine Sphäre,
die allem Irdischen endgültig entrückt ist, höchstwahrscheinlich
auch jeder Logik, dann sind wir nicht gerade hoffnungsfroh. Bedenken wir dann
weiter, dass Beatrice dann das Kommando übernimmt, dann sind wir nicht nur
nicht hoffnungsfroh, wir sind dann sogar ganz und gar die Hoffnung los.
Noch glühender, doch träger schon im Kreise
Nahte der Sonnenball dem Meridiane,
Der sich dem Blick verschiebt, als ihre Reise
Das ist ziemlich falsch übersetzt,
das Original geht so.
E più corusco e con più lenti passi
teneva il sole il cerchio di merigge,
che qua e là, come li aspetti, fassi
Und glühender noch und langsamen Schrittes
betrat die Sonne den Mittagskreis
der hier und dort gemäß der Lage unterschiedlich
Allerdings ist auch schon das italienische Original völlig verquer. Der
Meridian (der Begriff stammt zwar aus dem Lateinischen circulus meridianus =
Mittagskreis), hat aber mit Mittag überhaupt nichts zu tun. Es ist schlicht
ein halber Längenkreis. Der Zeitpunkt, an dem die Sonne am höchsten
steht, ist tatsächlich abhängig vom jeweiligen Längengrad, auf
dem man sich befindet. Der Meridian selber ist aber nicht irgendwie kausal abhängig
von der geographischen Lage, sondern mit Hilfe der Längen- und Breitengrade
wird eine Position beschrieben. Wie das mit den langsamen Schritten zustande
kommt, ist dem Autor ein Rätsel, er würde schlicht vermuten, dass die
Winkelgeschwindigkeit der Sonne immer die Gleiche ist. Unter Umständen kommt
Dante auf diese Schnapsidee, weil die Zunahme des Schattens im Tagesablauf unterschiedlich
schnell erfolgt, das ist aber ein ganz anderes Thema.
Die sieben Fraun gehemmt – wie bei der Fahne,
Wenn sich Verdächtges scheint am Weg zu zeigen,
Der Führer halten lässt die Karawane.
Die Quintessenz dieser Terzine ist, dass die Weiber angehalten haben. Hat Ihnen
der Autor schon erzählt, was Lyrik ist bzw. was es nicht ist? Hat er schon,
also weiter.
Beleuchtet war der Ort so blass und eigen,
Wie sich auf Berggewässer Schatten legen,
Wenn sie der Hochwald deckt mit dunkeln Zweigen.
Da schauen wir uns besser mal kurz das italienische Original an. Da die Terzinen
zusammengehören, schauen wir uns beide an.
quando s’ affisser, sì come s'affigge
chi va dinanzi a gente per iscorta
se trova novitate o sue vestigge,
le sette donne al fin d'un'ombra smorta,
qual sotto foglie verdi e rami nigri
sovra suoi freddi rivi l’ Alpe porta.
sie hielten inne, wie auf ein Zeichen
dessen der an der Spitze schreitet zum Geleit
nach Neuem oder Fremden Ausschau haltend
die sieben Frauen am Ende eines dunklen Schattens
wie er entsteht unter grünen Blättern und schwarzen Zweigen
auf den kalten Flüssen in den Alpen
Wir
vermuten jetzt schlicht, dass der Wald zu Ende war und sie am Rande einer Lichtung
waren.
Euphrat und Tigris schienen mir entgegen
Zu strömen: Schnell erst aus vereinter Quelle,
Dann träg, wie Freunde sich zu trennen pflegen.
Also, dass sich Freunde träge trennen (quasi amici, dipartirsi pigri) ist
merkwürdig, unter Umständen, wenn sie stockbesoffen aus der Kneipe
taumeln. Euphrat und Tigris stehen hier für den Fluss Lethe, in dem alle
Erinnerungen gelöscht werden und Eunos, wo, so man darin badet, die guten
Erinnerungen wieder auftauchen. Das Verfahren ist natürlich eigenartig.
Man stelle sich mal eine Festplatte vor, bei der man im ersten Schritt alle
Daten platt machen muss, um dann in einem zweiten die relevanten wieder aufzuspielen.
Technisch waren die Griechen, oder wer immer sich das ausgedacht hat, halt nicht
so versiert.
„O du, der Menschheit Ruhm und Sonnenhelle,
Was für ein Strom bricht hier vereint zutage
So stark und spaltet plötzlich seine Welle?“
Die Frage ist ja nicht absurd, aber jetzt kommen Beatrice und Matelda (Matelda
ist, das erfahren wir jetzt auch mal, der Name der Frau, die Blumen pflückte,
als er das Paradies betrat).
Bescheid ward mir auf diese Bitte: „Frage
Matelda um Bescheid.“ Und darauf sagte
Wie in der Abwehr vorwurfsvoller Klage
Die Schöne: „Dies und was er sonst noch fragte,
Hab ich ihm schon erklärt und bin gewiss
Dass er mit Unrecht Lethe drob verklagte.“
Jetzt müssen Sie mal in sich gehen. Kommt Ihnen das irgendwie bekannt vor?
Sie stellen eine relativ harmlose Frage und werden mit so einem arroganten Müll
zugekleistert, anstatt eine Antwort zu erhalten? Wo passiert einem sowas? Richtig!
In der öffentlichen Verwaltung. Sie gehen zum Beispiel ins Schwimmbad und
fragen die einsam dasitzende Dame an der Kasse, die absolut nichts zu tun hat,
wann das Freibad schließt und erhalten als Antwort: „Steht doch
da drüben!“ Aufgefallen ist Ihnen ja sicher auch schon das völlig
unterschiedliche Verhalten am Telefon bei mittelständischen Unternehmen
und der öffentlichen Verwaltung. Bei ersteren sind Sie Kunde, bei letzteren
ein Störfaktor. Wir wissen zwar immer noch nicht, wie das Paradies aussieht,
aber eines wissen wir: herrscht dort keine marktwirtschaftliche Ordnung, dann
sind Sie da so ziemlich der letzte Arsch. Es ist also völlig unter der
Würde der himmlischen Beamtin Beatrice, diese durchaus berechtigte Frage
zu beantworten. Das delegiert sie, was wiederum typisch ist für die öffentliche
Verwaltung. In der Zeit, in der sie es delegiert, hätte sie die Frage auch
gleich beantworten können.
Und Beatrice: „Leicht mag Finsternis
Verschleiernd sich auf sein Gedächtnis legen,
Wenn größre Sorge dessen Band zerriss.“
Schauen wir uns mal das italienische Original an:
E Beatrice: «Forse maggior cura,
che spesse volte la memoria priva,
fatt'ha la mente sua ne li occhi oscura.
Und Beatrice: “Vielleicht hat größer
Sorge,
die oft die Erinnerung verdunkelt
seinen Verstand und seine Augen trüb gemacht“
Hm. Also zu dem konkreten Vorgang passt die Bemerkung natürlich gar nicht,
weil sein Gedächtnis ja sozusagen mechanisch gelöscht wurde, durch
ein Bad im Fluss Lethe, seine Gemütsverfassung spielt hierbei überhaupt
keine Rolle. Unabhängig davon kann die Bemerkung richtig sein. Schwere
Depressionen können den Verstand lahmlegen. Inwieweit diese aber auch
die Erinnerungen auslöschen, ist unklar. Die Bemerkung wäre ausbaufähig,
so plakativ vorgetragen sagt sie natürlich nicht viel.
Doch sieh: Eunos rieselt uns entgegen!
Um die verstorbnen Kräfte neu zu wecken,
Führ ihn zur Flut, gewohnten Amts zu pflegen.“
Das ist jetzt wieder öffentliche Verwaltung. Solange da nur ein einsamer
Dante ankommt, kann man den ja noch persönlich in den Eunos tunken, damit
die guten Erinnerungen erwachen (dasselbe würde man übrigens auch
mit Marihuana erreichen, da werden die guten Erinnerungen zwar nicht erweckt,
aber die Vergangenheit wird durchaus positiv „umgestaltet“). Kämen
da jeden Tag, was realistischer ist, ein paar Millionen an, dann braucht es
schon eine ausgefallenere Logistik.
Im Übrigen brauchen Menschen, so sie gesund sind, weder einen Lethe noch
einen Eunos. Das machen wir nämlich ständig. Die schlechten Erinnerungen
merzen wir aus, die guten halten wir hoch und unser Verhalten interpretieren
wir auch gerne mal ein bisschen um. Das hat schon Goethe festgestellt.
Alle Tag und alle Nächte
rühm ich so des Menschen Los;
denkt er ewig sich ins Rechte,
ist er ewig schön und groß.
Ob allerdings die komplette Neuformatierung
der Festplatte eine wirklich gute Idee ist, kann man dann doch bezweifeln,
insbesondere gibt das künstlerisch
wenig her. Dante hätte das berühmte „Erkenne dich selbst“,
dieses prankt immerhin in der Vorhalle des Tempels zu Delphi, kennen können.
Die einzige Möglichkeit, sich selbst zu erkennen, sind aber die Erinnerungen,
bzw. die Erlebnisse, die das aufwühlen, was man ist und das ist durchaus
nicht bei allen Menschen das Gleiche. Das ist der Kniff des Romans „A
la recherche du temps perdu“, „Auf der Suche nach der verlorenen
Zeit“ von Marcel Proust. Das wahre Ich, das „vrai moi“ entfaltet
sich in der Zeit. Die tabula rasa, das - mit Hegel gesprochen - reine unmittelbare
Sein, ist das Nichts. Nur wer gar nicht wissen will, wer er ist, sondern sein
Selbst lediglich zurichten will auf ein System, kann den Wunsch haben, die
Erinnerungen auszulöschen.
So fasste meine Hand beim Weiterschreiten
Die Schöne; und nach edler Frauen Art
Sprach sie zu Statius: „Komm! Uns zu begleiten.“
Ach ja, den hätten wir fast vergessen, der latscht ja immer hinterher,
der Statius und wird jetzt auch gebadet.
Die folgenden Verse beurteilen wir natürlich sehr kritisch.
Hätt ich mir, Leser, größern Raum gespart,
Dir würd ich einen Teil der Wonnen singen
Des Tranks, von dem ich nie gesättigt ward.
Das ist es eben, was wir bezweifeln würden. Wir bezweifeln, dass Dante
irgendwelche Wonnen erlebt hat, und noch mehr, dass er in der Lage ist, diese
zu schildern. Man kann sich vorstellen, dass ein begnadeter Dichter rein KONTEMPLATIV
mit großer
Intensität etwas „erleben“ kann, allerdings wird es sich dabei
um irgendetwas handeln müssen, was zumindest von einem konkreten Erlebnis
angestoßen wurde. Dante aber will uns Wonnen schildern, die überhaupt
keinen Bezug zur Realität haben, will uns also berichten von Wonnen im emotional
/ sinnlichen / geistigen Nirvana. So was gibt es nicht. Dichtung kann auch Antiwelt
sein (sie ist es bei Maria Vargas Llosa, Historia de un deicidio, Geschichte
eines Gottesmordes. Die Welt ist flach, langweilig, es mangelt an Intensität
und der Dichter schafft eine Welt, die hiervon das Gegenteil ist), dies sei konzediert,
aber auch in der Antiwelt ist eben die Welt vorhanden, sie ist der Schatten,
ohne die die Sonne nicht gesehen wird. In der bildenden Kunst gibt es die Antiwelt
als Programm, bei Kandinsky zum Beispiel. Aber wie verschlungen die Wege auch
sein mögen, auch dort ist sie neue Welt (O-Ton Kandinsky: Ein Kunstwerk
zu schaffen heißt, eine neue Welt zu schaffen), ist der Gegenentwurf zur
Welt und ohne Welt keine Antiwelt. Man braucht aber gar nicht so weit auszuholen,
das Problem ist offensichtlich. Die Luft ist so dünn, dass Dante nur noch
mit äußerst spärlichen Bemerkungen berichten kann, eigentlich
nur mit dem Hinweis, dass er dort unendliche Wonnen empfunden hat. Die Wonnen
kann er aber nicht mehr näher beschreiben. Das ganze Geeiere, die vagen
Andeutungen, die Wortdrechslereien, die schiefen Metaphern und Vergleiche sind
auch Ausdruck eines konzeptionellen Fehlers. Im emotional / sinnlichen / geistigen
Nirvana gibt es keine Wonnen, es gibt dort zwar auch kein Leid, aber eben auch
keine Wonnen und eine terra incognita lässt sich vielleicht theoretisch
beschreiben, aber um zu beschreiben, was man dort fühlt, müsste man
mal dagewesen sein.
Doch weil die Blätter mir zu Ende gingen,
Die ich bestimmte für den zweiten Sang,
So hemmt der Zaum der Kunst mein Weiterdringen.
Das würden wir jetzt glatt als Ausrede interpretieren, genauer gesagt würden
wir von einer Flucht in den Formalismus sprechen. Offensichtlich ist Dante selber
aufgefallen, dass seinem Werk eine „innere Notwendigkeit“ fehlt
und er versucht, diesen Mangel durch formale Symmetrie und Zahlenhokuspokus
zu ersetzen, will durch Formalismus eine „innere Notwendigkeit“
vortäuschen, die de facto nicht existiert. Und mit einem Vers, der an der
systembedingten Schwäche leidet, endet dann auch der letzte Gesang des
Läuterungsberges.
Verjüngt ich aus der heiligen Flut mich schwang
Gleich einer Pflanze, die im tiefsten Kerne
Der Lenz mit neuer Lebenskraft durchdrang,
Rein und bereit zum Fluge durch die Sterne.
Das heißt im Original:
Io ritornai da la santissima onda
rifatto sì come piante novelle
rinnovellate di novella fronda,
puro e disposto a salire a le stelle
Aus den heiligen Wellen tauchte ich auf
auferstanden ganz wie eine frische Pflanze
die ganz erneuert ward von neuem Laub
rein und bereit aufzubrechen zu den Sternen
Für seine Wonnen kann er keine Beschreibung finden, die Metapher bringt
uns wenig, da uns völlig unklar ist, wie sich eine Pflanze fühlt,
die wieder grün wird. Wir vermuten, die fühlt gar nichts. Der Vergleich
wäre dann zwar zutreffend, weil im emotionalen / sinnlichen / geistigen
Nirvana tatsächlich nichts gefühlt wird, aber Dante will mit diesem
Bild ja seine Wonnen beschreiben. Eine Pflanze hat aber keine Wonnen, zumindest
nach allgemeiner Auffassung und selbst wenn sie irgendwelche Wonnen fühlt,
ist das Bild nicht suggestiv, denn absolut niemand wird die Empfindungen einer
knospenden Pflanze nachempfinden können. Wir gehen also davon aus, dass
Dante letztlich gescheitert ist, die Schiefheit der Metaphern und Vergleiche
letztlich systembedingt ist, und wir glauben kaum, dass er im Paradies, was
ja noch eine Abstraktionsebene höher anzusiedeln ist, uns vom Gegenteil
wird überzeugen können.