[an error occurred while processing this directive]
Deutsch Italienisch Interpretation:
   Achtzehnter Gesang:
   Zusammenfassung und Deutung

DER LÄUTERUNGSBERG: XVIII Gesang PURGATORIO: XVIII CANTO
Der hohe Lehrer nahm, als er geendet,
Aufmerksam einige Zeit mein Antlitz wahr,
Ob mich befriedigt, was sein Wort gespendet.
Posto avea fine al suo ragionamento
l'alto dottore, e attento guardava
ne la mia vista s'io parea contento;
Ich hatte neue Durstempfindung zwar,
Doch schwieg ich äußerlich und sprach nur innen:
Mehr fragen fällt ihm lästig offenbar.
e io, cui nova sete ancor frugava,
di fuor tacea, e dentro dicea: 'Forse
lo troppo dimandar ch'io fo li grava'.
Mir aber las durch mein verschwiegnes Sinnen
Den Wunsch der teure Vater vom Gesichte
Und hieß, selbstsprechend, Sprache mich gewinnen;
Ma quel padre verace, che s'accorse
del timido voler che non s'apriva,
parlando, di parlare ardir mi porse.
Drum sprach ich: „Trinkt mein Blick von deinem Lichte,
O Herr, so sieht er, wie der Nebel sinkt,
Dass selber das Verworrenste sich schlichte.
Ond' io: «Maestro, il mio veder s'avviva
sì nel tuo lume, ch'io discerno chiaro
quanto la tua ragion parta o descriva.
Sprich denn, dass mir dein Wort Erklärung bringt,
Von jener L i e b e , draus als ihrer Quelle
Nach deiner Ansicht Gut und Bös entspringt.“ –
Però ti prego, dolce padre caro,
che mi dimostri amore, a cui reduci
ogne buono operare e 'l suo contraro».
„So merke auf mein Wort,“ sprach er, „und schnelle
Wird jener Blinden Irrwahn dir zerstieben,
Die unberechtigt stehn an Führerstelle.
«Drizza», disse, «ver' me l'agute luci
de lo 'ntelletto, e fieti manifesto
l'error de' ciechi che si fanno duci.
Die Seele, die geschaffen, schnell zu lieben,
Strebt allem lebhaft zu, was ihr gefällt,
Wenn wirklich Reizempfindung sie getrieben.
L'animo, ch'è creato ad amar presto,
ad ogne cosa è mobile che piace,
tosto che dal piacere in atto è desto.
Die Fassungskraft entnimmt der äußern Welt
Ein Bild, pflanzt es als Eindruck fort nach innen,
Wo es der Seele sich vor Augen stellt.
Vostra apprensiva da esser verace
tragge intenzione, e dentro a voi la spiega,
sì che l'animo ad essa volger face;
Neigt sie dem Bild sich, so ist dies Beginnen,
Dies holde Reigen Liebe, ist Natur,
Und teilt sich mit als Lustgefühl den Sinnen.
e se, rivolto, inver' di lei si piega,
quel piegare è amor, quell' è natura
che per piacer di novo in voi si lega.
Denn wie die Flamme strebt nach oben nur,
Durch Stoff und Form bedingt, d a h i n zu dringen,
Wo minder schnell verwischt wird ihre Spur,
Poi, come 'l foco movesi in altura
per la sua forma ch'è nata a salire
là dove più in sua matera dura,
So wird die Seele treibend auch beschwingen
Die geistige Bewegung, die nicht ruht,
Bis sie das Heißersehnte darf umschlingen.
così l'animo preso entra in disire,
ch'è moto spiritale, e mai non posa
fin che la cosa amata il fa gioire.
Drum sieh, wie unrecht man der Wahrheit tut,
Wenn man den Irrtum teilt, den allgemeinen:
An sich sei Liebe löblich stets und gut.
Or ti puote apparer quant' è nascosa
la veritate a la gente ch'avvera
ciascun amore in sé laudabil cosa;
Der Stoff kann gut sein – wer will das verneinen? –
Doch schützt davor des besten Wachses Masse,
Dass Siegel unschön abgedruckt erscheinen?“ –
però che forse appar la sua matera
sempre esser buona, ma non ciascun segno
è buono, ancor che buona sia la cera».
„Soweit mein Geist gefolgt, dass er’ s erfasse,“
Sprach ich, „kann ich der Liebe Art nun sehen,
Doch ohne dass er Zweifel mir erlasse.
«Le tue parole e 'l mio seguace ingegno»,
rispuos' io lui, «m'hanno amor discoverto,
ma ciò m'ha fatto di dubbiar più pregno;
Denn lässt sie äussrer Eindruck nur erstehen,
N u r er – ist sie verantwortlich alsdann,
Wenn sie gekrümmt muss oder grade gehen?“ –
ché, s'amore è di fuori a noi offerto
e l'anima non va con altro piede,
se dritta o torta va, non è suo merto».
„Ich forsche nur, soweit Vernunft es kann,
Doch Beatrice,“ sprach er, „wird zufrieden
Dich stellen, fängt die Glaubenssache an!
Ed elli a me: «Quanto ragion qui vede,
dir ti poss' io; da indi in là t'aspetta
pur a Beatrice, ch'è opra di fede.
Jedwede Wesensform ist zwar verschieden
Vom Stoffe, doch unlöslich ihm verbunden,
Und eine Sonderkraft ist ihr beschieden,
Ogne forma sustanzïal, che setta
è da matera ed è con lei unita,
specifica vertute ha in sé colletta,
Die sich nicht ohne Wirkung kann bekunden,
Nur sichtbar im Erfolg ist, wie das Leben
Des Baums am grünen Laube wird erfunden.
la qual sanza operar non è sentita,
né si dimostra mai che per effetto,
come per verdi fronde in pianta vita.
Auskunft kann keine Menschenweisheit geben,
Woher die Urbegriffe uns entstanden,
Woher der Urtrieb stammt, das Urbestreben.
Però, là onde vegna lo 'ntelletto
de le prime notizie, omo non sape,
e de' primi appetibili l'affetto,
Wie bei den Bienen der Instinkt vorhanden,
Honig zu sammeln, so wird auch dies Wollen, -
An sich nicht gut noch bös – uns nie zuschanden.
che sono in voi sì come studio in ape
di far lo mele; e questa prima voglia
merto di lode o di biasmo non cape.
Dass d e m Trieb alle andern folgen sollen,
Rät U r t e i l s k r a f t , die als Torhüterin
Euch schützt vor allzuschnellem Beifallzollen!
Or perché a questa ogn' altra si raccoglia,
innata v'è la virtù che consiglia,
e de l'assenso de' tener la soglia.
Der Schuld und des Verdienstes Urbeginn
Ist diese Kraft, sie leitet als Fanal
Zu Gut und Bös die dunkeln Wünsche hin.
Quest' è 'l principio là onde si piglia
ragion di meritare in voi, secondo
che buoni e rei amori accoglie e viglia.
Die eingeborne Freiheit unsrer Wahl
Erkennen darum an, die tiefer blicken,
Sie lassen auch dem Menschen die Moral.
Color che ragionando andaro al fondo,
s'accorser d'esta innata libertate;
però moralità lasciaro al mondo.
Mag drum Notwendigkeit in allen Stücken
Der Liebe Anfang sein: wenn sie entbrannt,
Soll sie in des Verstandes Zaum sich schicken.
Onde, poniam che di necessitate
surga ogne amor che dentro a voi s'accende,
di ritenerlo è in voi la podestate.
Die „freie Wahl“ wird diese Kraft benannt
Von Beatricen; drum sei dir’ s befohlen:
Aufmerksam sei, gibt sie es dir bekannt!“ –
La nobile virtù Beatrice intende
per lo libero arbitrio, e però guarda
che l'abbi a mente, s'a parlar ten prende».
Der Mond, der sich versäumt auf trägen Sohlen
Bis Mitternacht, bleichend der Sterne Reigen,
Und aussah wie ein Kessel glühnder Kohlen,
La luna, quasi a mezza notte tarda,
facea le stelle a noi parer più rade,
fatta com' un secchion che tuttor arda;
Begann denselben Weg hinaufzusteigen,
Drauf zwischen Sardenland und Korsika
Die Römer sehn den Sonnenball sich neigen,
e correa contra 'l ciel per quelle strade
che 'l sole infiamma allor che quel da Roma
tra ' Sardi e ' Corsi il vede quando cade.
Als er – der höhern Ruhm als Mantua
Pietola ließ erblühn, dem kleinen Flecken, -
Die schwere Last mir abgenommen da.
E quell' ombra gentil per cui si noma
Pietola più che villa mantoana,
del mio carcar diposta avea la soma;
Drob ich, dem von den Zweifeln alle Decken
Und Hüllen wegzog sein belehrend Wort,
Mich fand noch grübelnd wie im Traume stecken.
per ch'io, che la ragione aperta e piana
sovra le mie quistioni avea ricolta,
stava com' om che sonnolento vana.
Da riss aus der Versonnenheit sofort
Ein Lärm mich, der sich hinter uns erhoben;
Und viele Seelen strömten her von dort.
Ma questa sonnolenza mi fu tolta
subitamente da gente che dopo
le nostre spalle a noi era già volta.
Wie einst Asopus und Ismen das Toben
Zur Nachtzeit sah des trunknen Volks von Theben,
Wenn sie zum Bacchosfest in Scharen stoben –
E quale Ismeno già vide e Asopo
lungo di sè di notte furia e calca,
pur che i Teban di Bacco avesser uopo,
So sah ich diese hier die Fersen heben,
Denn rechte Liebe trieb zur Hast die Scharen,
Und guter Wille spornte ihr Bestreben.
cotal per quel giron suo passo falca,
per quel ch'io vidi di color, venendo,
cui buon volere e giusto amor cavalca.
Bald waren sie zu uns herangefahren,
denn nichts hielt auf der großen Menge Lauf,
Und laut wehklagten zwei, die vorne waren:
Tosto fur sovr' a noi, perché correndo
si movea tutta quella turba magna;
e due dinanzi gridavan piangendo:
„Maria eilte zum Gebirg hinauf,
Und Cäsar schloss, Ilerda zu gewinnen,
Massilien ein und flog nach Spanien drauf.“
«Maria corse con fretta a la montagna;
e Cesare, per soggiogare Ilerda,
punse Marsilia e poi corse in Ispagna».
Und andre schrien; „Lasst nicht die Zeit verrinnen
Durch träge Liebe, rasch! und lasst durch Fleiß
Den Baum der Gnade neues Grün umspinnen!“ –
«Ratto, ratto, che 'l tempo non si perda
per poco amor», gridavan li altri appresso,
«che studio di ben far grazia rinverda».
„O Volk, das hier durch Eifer glühend heiß,
Was es versäumt mit Lauheit, einzubringen
Sich wacker müht in diesem Büßerkreis –
«O gente in cui fervore aguto adesso
ricompie forse negligenza e indugio
da voi per tepidezza in ben far messo,
Hier dieser lebt – mag’ s euch auch seltsam klingen,
Wahr ist’ s! – und mit der Sonne bergempor
Sucht er den Weg; drum fördert sein Gelingen!“ –
questi che vive, e certo i' non vi bugio,
vuole andar sù, pur che 'l sol ne riluca;
però ne dite ond' è presso il pertugio».
So sprach Virgil, und aus der Schatten Chor
Erhob sich einer, Antwort uns zu sagen:
„Folgt uns, so kommt ihr an das Felsentor.
Parole furon queste del mio duca;
e un di quelli spirti disse: «Vieni
di retro a noi, e troverai la buca.
Uns aber treibt die Sehnsucht fortzujagen,
Da wir nicht zögern dürfen; drum verzeiht,
Scheint frommer Eifer unhöflich Betragen.
Noi siam di voglia a muoverci sì pieni,
che restar non potem; però perdona,
se villania nostra giustizia tieni.
Zum Abt Sankt Zenos hat man mich geweiht
Unter des ‚guten’ Rotbart Herrscherstabe,
Den heute Mailand noch vermaledeit.
Io fui abate in San Zeno a Verona
sotto lo 'mperio del buon Barbarossa,
di cui dolente ancor Milan ragiona.
Und der steht schon mit einem Fuß im Grabe,
Der um dies Kloster weinen wird alsbald
Und trauern, dass er drin gewaltet habe,
E tale ha già l'un piè dentro la fossa,
che tosto piangerà quel monastero,
e tristo fia d'avere avuta possa;
Weil er dem Sohn – verkrüppelt an Gestalt,
Stumpfsinnig, bösen Herzens, missgeboren –
Statt rechtem Hirten dorten gab Gewalt.“
perché suo figlio, mal del corpo intero,
e de la mente peggio, e che mal nacque,
ha posto in loco di suo pastor vero».
Ob er noch sprach? schon schwieg? – Vor meinen Ohren
Verklang’ s, weil er im Flug vorüberlief;
Doch seine Rede blieb mir unverloren.
Io non so se più disse o s'ei si tacque,
tant' era già di là da noi trascorso;
ma questo intesi, e ritener mi piacque.
Da sprach, der stets mir beisprang, wenn ich rief:
„Schau dorthin! Wo zwei Schatten dem Verderben
Der Trägheit Bisse geben scharf und tief.“
E quei che m'era ad ogne uopo soccorso
disse: «Volgiti qua: vedine due
venir dando a l'accidïa di morso».
Die riefen allen hinterdrein: „Erst sterben
Musste das Volk, dem aufgetan die Meere,
Bevor der Jordan schaute seine Erben;
Di retro a tutti dicean: «Prima fue
morta la gente a cui il mar s'aperse,
che vedesse Iordan le rede sue.
Und jenes, das zurückgeschreckt die Schwere
Der Not, Äneen wandernd zu begleiten,
Beschied mit seinem Los sich, bar an Ehre.“
E quella che l'affanno non sofferse
fino a la fine col figlio d'Anchise,
sé stessa a vita sanza gloria offerse».
Als drauf die Geisterschar in fernen Weiten
Unsichtbar wurde, kam mir ein Gedanke,
Und der erzeugte baldigst einen zweiten,
del qual più altri nacquero e diversi;
e tanto d'uno in altro vaneggiai,
che li occhi per vaghezza ricopersi,
Dem wieder andre folgten, dunkle, schwanke,
Bis ich sie ineinander sah zerrinnen,
Dass um mein Aug sich spann des Traumes Ranke,
e 'l pensamento in sogno trasmutai.
In Schlaf behaglich wandelnd mir das Sinnen.  
<<< zurück
weiter >>>
Andrés Ehmann | Stephanstraße 11 | D-10559 Berlin