Nu isse wech, die holde Beatrice.

Da geht sie hin, die holde Maid
sie schaut nicht her, ahnt nicht mein Leid
ach wie zierlich läuft sie übern Mist
und ich hab sie noch nie geküsst

Beatrice verabschiedet sich in den oberen himmlischen Verwaltungshimmel, dort thront sie bis zum jüngsten Gericht und wahrscheinlich darüber hinaus. Sie tut also jetzt endlich mal das, was Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst am liebsten tun: Thronen. Die letzten 30 Gesänge müssen sie auch an den Rand der totalen physischen und psychischen Erschöpfung gebracht haben. Aus eigener Kraft aufzusteigen, durch neun Verwaltungshimmel, das bringt jeden Beamten an den Rand der Erschöpfung. Neun Stockwerke hochzusteigen wäre der glatte Irrsinn und der seelische und körperliche Zusammenbruch. Auch wenn wir konzedieren, dass es wohl eher ein Gedankenflug war, wird es kaum besser. Ein Beamter mit einem Gedankenflug ist so was ähnliches wie eine Rock‘ n Roll tanzende Milchkuh. Beatrice hat Dante nun also verlassen und thront in dem dritten Kreis des himmelrosigen Amphitheaters. Absurd ist allerdings die Aussage Dantes, dass ihre Karriere im Zusammenhang mit ihrer Leistung steht. Wir wissen nicht, aufgrund welcher Qualifikation Dante ein Regierungsamt in Florenz hat übernehmen können, aber von Verwaltung und Beförderungsrichtlinien im öffentlichen Dienst, egal ob Angestellte oder Beamte, hatte er nicht den allerblassesten Schimmer der allerblassesten Ahnung . Wo hat er dem Beamtenrecht entnehmen können, dass eine Beförderung aufgrund von Leistung erfolgt ?? Nicht nur, dass die Gesetzestexte das nicht hergeben, das Gegenteil ist wahr, Beamte werden allein aufgrund ihres Alters befördert, müssen sich also schonen, um ein möglichst hohes Alter zu erreichen. Das System verstehen Sie sofort, wenn Sie mal das Bürgermeisteramt in Charlottenburg / Berlin betreten. Sie kommen da rein, wollen fix was erledigen, sind so richtig in zack zack Stimmung. Dann betreten Sie das Bürgermeisteramt. Breite Treppe und daneben ein Aufzug. Der Aufzug ist so langsam, dass Sie auf jeder Stufe einen Kaffe trinken könnten und noch immer schneller wären als der Aufzug. Schlagartig fällt die zack zack Stimmung von Ihnen ab. Von dem Schock müssen Sie sich dann erstmal erholen und gehen in die Kantine. Kantinen sind immer privat, selbst in Berlin. Das ist der einzige Ort in der öffentlichen Verwaltung, wo tatsächlich gearbeitet wird. Ein Stück Normalität, wo Sie sich langsam erholen können. Berauschend ist auch das Finanzamt für Körperschaften III in der Volkmarstraße in Berlin. Das unterste Stockwerk ist komplett einsehbar. Es ist völlig egal, wann Sie dahin kommen, da wird immer gefrühstückt. Wenn die Jungs und Mädels aber nicht frühstücken, ist es noch schlimmer. Dann schreiben sie Briefe, deren Inhalt sie meist selber nicht verstehen. Wir erfahren auch nirgends, was Beatrice überhaupt geleistet haben soll. Die einzige Leistung bestand ja darin, soweit wir der Quellenlage vertrauen dürfen, ein hübsches Mädel gewesen zu sein, wobei wir uns natürlich fragen, was Dante mit neun Jahren für ein neunjähriges Mädchen empfunden hat. In dem Alter fand der Autor Mädchen eigentlich nur doof und seine Passion galt den waghalsig konstruierten Tarzanschwingen und den Herzkirschen in Nachbars Garten. Erinnerlich ist ihm aus dieser Zeit auch kein Liebeskummer. Mehr Probleme bereiteten eingeschlagene Fensterscheiben, schlecht konstruierte Autospiegel, die ein Radrennen nicht überlebten, ästhetisch unbefriedigende Mercedes Sterne, die mühsam entfernt werden mussten, tollwütige Nachbarinnen mit überzogenen Besitzansprüchen, Verkäuferinnen, die sich zwischen den Autor und die Schokoladentafeln drängten und Ähnliches. Das Grundproblem bestand also im Wesentlichen darin, dass er schon mit neun Jahren das Prinzip der freien Software auf materielle Güter übertragen wollte. Mit neun Jahren war der Autor im Grunde weiter als Dante mit fünfzig. Seine Vorstellungen vom Paradies waren sehr konkret.
So in Gestalt von einer weißen Rose
Hielt mich die heilge Kriegerschar umringt,
Vermählt durch Christi Blut, das makellose;
Die andre, die im Fliegen schaut und singt
Die Glorie des, der Liebe weckt in Ihnen,
Und hoher Güte Werk durch sie vollbringt,

Sie schwärmte fleißig wie ein Schwarm von Bienen,
Der sich in Blüten taucht und dann enteilt,
Im Stocke süßem Honigwerk zu dienen,

Und stieg hinab zum Kelch, der sich zerteilt
In so viel Blätter, flog dann aufwärts wieder,
Wo ihrer ewgen Liebe Ursprung weilt.
Im Original

In forma dunque di candida rosa
mi si mostrava la milizia santa
che nel suo sangue Cristo fece sposa;

ma l'altra, che volando vede e canta
la gloria di colui che la 'nnamora
e la bontà che la fece cotanta,

sì come schiera d'ape, che s'infiora
una fiata e una si ritorna
là dove suo laboro s'insapora,

nel gran fior discendeva che s'addorna
di tante foglie, e quindi risaliva
là dove 'l suo amor sempre soggiorna

In der Gestalt der reinen Rose zeigte sich mir
das Heer der heiligen Streiter, mit dem Christus
sich vereinte als er sein Blut verströmte

doch die andere, die im Flug den Ruhm dessen
sieht und preist, dem sie in Liebe zugeneigt und
die Güte die sie zu dem machte, was sie sind

ganz wie ein Bienenschwarm, der zurückgekehrt
In die Blüte dringt während ein anderer dorthin
Kehrt wo sein Werk Geschmack erhält,

so stieg hinab der Schwarm zu den Blumen, die
soviele Blätter trugen, um dann zurückzukehren
wo seine Liebe immer weilt

Wir sehen also, dass das Ostereierprinzip im Paradies nicht mehr die Bedeutung hat, die es früher hatte. Das Ostereierprinzip war so eine Art Kreuzworträtsel; der Leser hatte aufgrund von dunklen Angaben zu entschlüsseln, um wen es sich bei der referenzierten Person handelt. Das ist eine Art Dunkelsprech. Der Dunkelsprech, den wir jetzt haben, ist traditioneller. Wir haben irgendwelche Vergleiche, das ist traditionell, die völlig schief sind, das ist nicht traditionell, in einer eigenartigen Syntax miteinander verknüpft und durch eine danteske Theologie verbunden, die wir irgendwie mit Hilfe vager Andeutungen rekonstruieren sollen. Bis jetzt war die Rose noch das Gesamtgebäude, also das Amphitheater, jetzt ist mit Rose nur noch die milizia Santa, das Heer der heiligen Streiter gemeint. Da wir ja nur zwei Gruppen haben, die Seligen, die aus dem Jammertal emporgestiegen sind und die Engel, ist die milizia Santa das Heer der aus dem irdischen Jammertal erlösten Seelen, denn nur diese hat Jesus, indem er sein Blut vergoss, von der Erbsünde befreit. Diese haben also die Form einer candida rosa. Im Gegenzug zu den anderen Übersetzungen plädieren wir bei candida nicht auf weiß, sondern auf pur. Candido heißt im Spanischen naiv, unbekümmert aber auch rein. Argumente gibt es für beides, für weiß und für rein. Weiß sind die Gewänder derer, die in der Offenbarung des Johannes darauf warten, das das Jüngste Gericht endlich anfängt. Für pur / rein spricht, dass sie eben von allen Sünden gereinigt sind. Wie dem auch immer sei, die Seligen harren in Form einer reinen / weißen Rose auf die Dinge, die da kommen mögen. Wenn die eine Schar also die Seligen sind, kann es sich bei der anderen (ma l‘ altra, che volando vede e canta) nur um die Engel handeln. Die fliegen auf und nieder und preisen den Herrn, der sie in seiner unendlichen Liebe zu dem gemacht hat, was sie sind, also perfekte Engel. (Wenn er diese aber , wie wir ein paar Geträller weiter vorne erfahren haben, schneller erzeugte als ein Lichtstrahl durch ein Kristall fährt, dann hat er soviel Liebe dafür nicht gebraucht. An die Liebe würden wir eher glauben, wenn er dafür zehntausend Jahre gebraucht hätte und die Erschaffung mit Arbeit verbunden gewesen wäre.) Mit den Bienen wird es jetzt wild. Diese fliegen bekanntlich zu den Blumen, saugen den Nektar auf und geben ihn beim Bienenstock ab. Bei Dante allerdings bekommt ihr Werk im Bienenstock Geschmack (…dove suo laboro s'insapora…). Und davon scheint er tatsächlich auszugehen, denn nur, wenn der Bienenstock die Quelle ist, passt das Bild. Das Bild ist das Gleiche wie zwei Geträller vorher, als der Gnadensee noch ein Gnadenfluss war. Funken stiegen auf vom Gnadensee, betankt mit Gnade und tankten damit die Blumen. Einmal vollgetankt, gingen sie zurück zum Gnadensee um ihren Kanister neu aufzufüllen um dann wieder aufzusteigen und eine andere Blumenseele vollzutanken. Auch hier steigen die Engel hinab zu den Rosen um dann wieder dahin zukehren, wo ihr Liebestank steht, an dem sie sich neu aufladen. Der Vergleich Bienenstock / göttlicher Liebeskanister einerseits und Rose / Engel andererseits hinkt aber. Die Bienen holen etwas von den Blumen und bringen es in den Bienenstock, die Engel holen was aus dem göttlichen Liebeskanister und bringen es zu den Rosen. Wer der Meinung ist, dass diese schiefen Vergleiche, deren Schiefheit nur deswegen nicht offensichtlich ist, weil sie in einer äußerst verquasten Sprache vorgetragen werden, Dichtung sind, der muss vorher alle Bände Thomas von Aquin und Albertus Magnus gelesen haben. Wir neigen ja nicht dazu, den Grimmigen aus der Toskana gegen den Grimmigen aus Wittenberg, also gegen Martin Luther, auszuspielen, aber dieser bezeichnete die Scholastik als „erlogenes, verfluchtes, teuflisches Geschwätz“. Die Hirnaufweichung, die das Studium derselben mit sich brachte, scheint auf jeden Fall erheblich gewesen zu sein. Nicht wirklich das Thema des Autors, aber man kann sich schon fragen, ob die Protestanten nicht insgesamt „vernünftiger“ sind. Immerhin haben die ja auch ein paar Intellektuelle in ihren Reihen, zum Beispiel Margot Käßmann. Wenn alle so klar strukturiert und mutig sind wie die, kann von mir aus auch der Staat die Kirchensteuer einziehen. Bei den Katholiken ist die personelle Besetzung da ja schon wesentlich problematischer. Irgendwie hat die schlechte Performance des Katholizismus auch historische Gründe.
Lebendge Glut im Antlitz, ihr Gefieder
Goldschimmernd, alles andre rein und weiß,
Wie reinrer Schnee nie fiel vom Himmel nieder,

So schwirrten sie und teilten inbrunstheiß,
Was sie an Liebe droben eingesogen,
Dem Blumenkelche mit von Kreis zu Kreis.

Im Original

Le facce tutte avean di fiamma viva,
e l'ali d'oro, e l'altro tanto bianco,
che nulla neve a quel termine arriva.

Quando scendean nel fior, di banco in banco
porgevan de la pace e de l'ardore
ch'elli acquistavan ventilando il fianco

Ihr Gesicht schien wie lebendige Flammen,
die Flügel schienen aus Gold, und das übrige so
Weiß, das kein Schnee so weiß kann sein

als sie herunterstiegen in der Blume, von Stufe zu
Stufe, entströmte jeder Stufe Frieden und Hingebung,
die sie erlangten, wenn sie mit den Flügeln schlugen

Das ist auch irgendwie Dunkelsprech. Das mit den Gesichtern, die in Flammen stehen, ist zwar makaber, aber wenn das bei den Engeln nun mal so ist, dann geht das durch. Die zweite Terzine allerdings ist merkwürdig. Die stiegen hinab (scendere) in (nel) der Blume (fiore) und zwar von Stufe zu Stufe. Die Blume hat also Stufen, ist also doch ein Amphitheater. Während sie hinunterstiegen teilten sie (porgevano) Frieden und Inbrunst (ardore), den sie wiederum erlangt hatten (acquistavano), indem sie mit den Flügel schlugen (ventilare il fianco). Soll das jetzt heißen, dass die Luft mit Frieden und Inbrunst geschwängert war und die Engel diese den Blumen zufächelten? Oder haben sie die Liebe und Inbrunst ein paar Stockwerke höher durch Flügelschlagen getankt und geben sie jetzt wieder ab? Man kann sich jetzt noch den Kommentar von Alessandro Vellutello durchlesen.

E quando questi angeli scendeano nel fiore di banco in banco, ciò è, di grado in grado, porgeano a quelle anime de la pace, ne la qual consiste la loro beatitudine, e de l'ardore, che dinota la carità che essi hanno verso di noi altri, che, ciò è, la qual pace et il qual ardore, elli acquistano da Dio ventillando il fianco, battendo l'ale, col qual batter il fianco si ventilla nel servir a lui.

Und wenn diese Engel in der Blume hinabsteigen, also von Bank zu Bank, von Stufe zu Stufe, entströmt diesen Seelen der Friede, der ja ihre Seligkeit ausmacht und Hingabe, was die Barmherzigkeit bezeichnet, die diese uns anderen entgegenbringen. Diesen Frieden und diese Hingabe erlangen sie von Gott, indem sie mit den Flügeln schlagen, denn dieses Schlagen mit den Flügeln (ventilando il fianco = die Seite dem Wind aussetzen) begünstigt ihr Dienen.

Im Detail ist und bleibt das also unklar. Der Autor würde sagen, die Luft war mit Frieden und Inbrunst / Hingebung / Glut geschwängert und die Engel fächerten den durch die Gegend.

Und ob sie rastlos auf- und niederflogen,
Und um die Rose kreisten dichtgedrängt,
Mir ward kein Schaun, dem Bild kein Glanz entzogen:

Denn Gottes Licht durchleuchtet unverhängt
Das Weltenall nach seinen Würdigkeiten,
Dass es kein Hindernis in Schranken zwängt.

Im Original

Né l'interporsi tra 'l disopra e 'l fiore
di tanta moltitudine volante
impediva la vista e lo splendore:

ché la luce divina è penetrante
per l'universo secondo ch'è degno,
sì che nulla le puote essere ostante

Doch das zwischen oben und den Blumen
eine so große Menge flog hinderte den
Blick nicht des Glanzes Pracht zu schauen

das göttliche Licht dringt durch alles
des Universums, das diesem würdig, so
dann nichts für es ein Hindernis

Die Engel waren also, zumindest, was das göttliche Licht angeht, durchsichtig, denn dieses durchdringt alles, was ihm würdig ist. Den Nachsatz „ch‘ è degno“ (was würdig ist) zusammen mit „si che nulla le puote essere ostante“ verstehen wir dann weniger. Einerseits durchdringt das Licht alles, was ihm würdig ist, andererseits ist nichts für das göttliche Licht ein Hindernis. Nimmt man aber den ersten Teilsatz „ch‘ è degno“, müsste daraus ja folgen, dass es nicht durchdringt, wenn es nicht würdig ist. Das würde aber wiederum bedeuten, dass es durchaus auf Hindernisse stoßen kann. Ein Hindernis ist nämlich all das, was unwürdig ist. Aber wir gehen mal davon aus, dass in der rosa mistica genau so Party ist wie aktuell im Bundeskanzleramt (Jahr 2009, Finanzkrise). Da gelten keine Naturgesetze, keine Logik und keine ökonomischen Regeln mehr. Das ist Party pur.

Dies sichre Reich des Friedens, dessen Weiten
Bewohnt von alten Völkern sind und neuen,
Zwingt Herz und Blick, zu einem Ziel zu gleiten.

Im Original

Questo sicuro e gaudioso regno,
frequente in gente antica e in novella,
viso e amore avea tutto ad un segno

Dieses sichere und fröhliche Reich, bewohnt
von altem und von neuem Volke, schaute mit
Blick und Liebe nur auf ein Zeichen

Die „vom alten Volke“ sind die vor Geburt Christi, für die allein das Alte Testament Gültigkeit hatte, das Neue Testament gab es ja noch nicht. Die vom „neuen Volke“ sind die, die nach der Geburt Christi auf die Welt gekommen sind, für die galt das Neue Testament. Erstere sind also ungetauft in den Himmel gekommen, letztere nur, wenn sie getauft waren. Das widerspricht allem, was er bislang zu diesem Thema gesagt hatte. Zwar haben wir schon ziemlich oft festgestellt, dass auch allerlei Ungetauftes im Himmel ist, sahen das aber bislang der Konfusion Dantes geschuldet. Jetzt erfahren wir, dass er bei dieser Frage noch zu keinem abschließenden Urteil gekommen ist und den Leser an seinem Erkenntnisprozess teilhaben lässt. Wie das genau funktioniert, das ist dann die letzte Erkenntnisstufe, die Dante erreicht, erfahren wir im 32 sten paradiesischen Geträller. Vorab schon mal ein Überblick, wer wo im himmelsrosigen Amphitheater sitzt.


Licht! Das aus einem Sterne zu erfreuen
Dreifachen Strahles weiß die seligen Scharen,
Funkle auch uns, wenn Stürme uns umdräuen!

Im Original

O trina luce, che 'n unica stella
scintillando a lor vista, sì li appaga!
guarda qua giuso a la nostra procella!

Oh heiliges Licht, das in einem einzigen Stern
erglänzt in ihrem Blick, wenn es dort erlischt!
Schau hinab auf unser Unglück

Angespielt wird wohl auf die Trinität, also der Einheit von Gott, Sohn und heiligem Geist. Diese Einheit wird da oben offensichtlich unmittelbar deutlich, während sich im irdischen Jammertal die Logik, das ist wohl zutreffend, niemandem erschließt. Wir werden noch die letzten Mysterien der Trinität erfahren, da ist Dante gnadenlos, obwohl er es eigentlich schon x-mal durchgekaut hat. Dass er es uns nochmal erzählt kann zwei Gründe haben. Entweder glaubt er selber nicht an das, was er erzählt und muss sich selbst überzeugen oder er geht davon aus, dass wir es glauben, wenn er es nur oft genug erzählt.

Wenn aus dem Norden kamen die Barbaren -
Wo Helice an hoher Himmelsbahn
Stets beim geliebten Sohn ist zu gewahren-

Und Romas Wunderwerke staunend sahn,
Dort sahn, wo alles, was je Menschen schufen,
Weit übertroffen ward vom Lateran -

Wie staunte ich erst, der ich ward berufen
Vom Fleisch zum Geist, zum Engen aus der Zeit,
Und aus Florenz vor Gottes Himmelsstufen

Im Original

Se i barbari, venendo da tal plaga
che ciascun giorno d'Elice si cuopra,
rotante col suo figlio ond'ella è vaga,

veggendo Roma e l'ardua sua opra,
stupefaciensi, quando Laterano
a le cose mortali andò di sopra;

io, che al divino da l'umano,
a l'etterno dal tempo era venuto,
e di Fiorenza in popol giusto e sano

Ganz wie die Barbaren, wenn sie von dorther
Kommen wo jeder Tag der Himmel vom Großen Bär bedeckt,
mit ihrem geliebten Sohn sich drehend,

Rom sahen und dessen mächtigen Bauten,
erstaunt, wie hoch der Lateran
über den sterblichen Dingen herrscht;

so fühlte ich mich, der ich gekommen
war zum Göttlichen vom Menschlichen,
von Florenz zu gerechtem und gesundem Volke

In der Kurzfassung heißt das, dass er ähnlich verblüfft war wie die Barbaren, die aus den tiefsten Wäldern Germaniens nach Rom kamen und dessen Prachtbauten bestaunten, als er aus dem irdischen Jammertal ins Himmelreich gelangte. Allerdings sieht der große Grimmige aus der Toskana da ein paar Dinge völlig falsch. In der Regel sind die Römer irgendwo hingelatscht, nach Rom kamen sehr viel weniger Leute und wenn die Römer so begeistert waren von ihrem Rom, wieso in drei Teufels Namen sind sie dann nicht einfach dageblieben? Das erinnert ein bisschen an die feudalen Vororte von Berlin. Mächtig stolz sein auf die Villa, aber das Halligalli und das tobende Leben ist halt doch im Prenzl’berg und in Friedrichshain. Hätten die sich amüsiert die Römer, hätten sie nicht diesen panem et circensis Quark veranstaltet. Problematisch ist die Helice. Helike (Elice) ist eine Amme des Zeus. Sie half ihn großzuziehen, als Zeus von seiner Mutter auf dem Berg Ida versteckt wurde, damit ihn Kronos, sein Vater, nicht frisst. Dass Zeus Elike aus Dankbarkeit dann in das Sternbild des Großen Bären setzte, ist wahrscheinlich nicht hintersinnig, er dachte wohl kaum daran, dass die Bären ja ihre Kinder fressen, wenn diese ihnen vor die Schnauze laufen. Der Sohn ist dann der Kleine Bär und diese Sternenbilder sind im Norden, also über den tiefen, tiefen, tiefen Wäldern Germaniens, wo die blutsaufenden und keuleschwingenden Barbaren hausen, die, ganz wie die gen Bruchsal ziehenden Orgs, über die römischen Elfen herfallen. Der Lateran ist einer der sieben Hügel Roms. Er steht bei Dante für die weltbeherrschende Stellung Roms, für den Autor für ökonomischen Unsinn. Alles, was man durch eine imperiale Politik gewinnen kann, Land / Rohstoffe / Verfügungsgewalt über Menschen ist Pippifax im Vergleich zum technischen Fortschritt und intelligenter Organisation. Wir haben auch keine Ölkrise, wir haben eine Autokrise. Das Öl ist ok, aber die Autos bzw. die Art, wie Mobilität organisiert wird, ist schwachsinnig. Helfen würde eine vollständige Privatisierung der Bahn. Nur das Netz ist ein natürliches Monopol, das kann in staatlicher Hand bleiben, was drauf rollt, ist zu privatisieren. Wir würden Ähnliches erleben wie bei der Telekom, die Preise würden fallen, die Leute das Auto stehen lassen.

Wie staunte ich erst, der ich ward gerufen
Vom Fleisch zum Geist, zum Engen aus der Zeit,
Und aus Florenz vor Gottes Himmelsstufen

Zur Stadt der Weisheit und Gerechtigkeit?
Ich konnte nur betäubt und schweigend stehen,
Weil Wonne mit dem Staunen lag im Streit!

Im Original

io, che al divino da l'umano,
a l'etterno dal tempo era venuto,
e di Fiorenza in popol giusto e sano

di che stupor dovea esser compiuto!
Certo tra esso e 'l gaudio mi facea
libito non udire e starmi muto

wie musste ich erst, der ich kam zum Göttlichen vom
Menschlichen, zum Ewigen von der begrenzten Zeit,
und von Florenz zu einem gerechten und gesunden Volke

von Staunen erfasst werden ! und inmitten
dieses Himmels und des Glückes gefiel es
mir nicht zu hören und still zu sein

Also wenn sein Schweigen Ausdruck seiner Glückseligkeit ist, dann muss er bis jetzt ja vollkommen unglücklich gewesen sein, denn anstatt mal wunschlos glücklich zu sein, hört er sich schon seit 30 Gesängen höchst abstrakte Vorträge an.

So staunt umher, wenn sein Gelübd geschehen,
Im Gnadenort der Pilger, dass er Kunde
Heimbringe, wie der Tempel ausgesehen,

Wie ich den Blick hier warf zum Flammengrunde,
Worauf ich, scharf zu jeder Stufe lugend,
Ihn auf und ab ließ schweifen durch die Runde.

Im Original

E quasi peregrin che si ricrea
nel tempio del suo voto riguardando,
e spera già ridir com'ello stea,

su per la viva luce passeggiando,
menava io li occhi per li gradi,
mo sù, mo giù e mo recirculando

Und wie ein Pilger, der sich erholt im Tempel,
dem Ziel seiner Pilgerschaft, sich umschaut
in der Hoffnung irgendwann davon zu berichten,

so stiegen meine Augen die Stufen hinauf
zu den schwebenden Lichtern, aufwärts und
abwärts, ließ sie in der Runde schweifen

Da pilgert ein Pilger irgendwohin und schaut sich dann dort den Wallfahrtsort an, damit er später was berichten kann. Na das ist ja auch keine Einstellung nich, der müsste den letzten Kilometer auf Knieen dahinrobben, sich dabei kasteien und niemandem was davon erzählen, dann kommt er in den Himmel. So die Touri Tour das geht ja gar nich. Wahrscheinlich auch noch ein Bild geschossen mit dem Handy und gleich an alle Kollegen verschickt. Das freut den Herrn nicht, nein, nein, nein. Und so macht das Dante auch? Vielleicht nicht mal so eine üble Idee.

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Was übrigens wirklich funktionieren würde, wäre die Divina Commedia als Erlebnispark. Irgendwo in der Nähe des Vatikans. Heissa da käm Freude auf. Auf jeden Fall hat Dante sich jetzt umgeschaut, damit er uns was zu berichten hat. Er bildet sich also inzwischen ein, dass ihm die Musen beistehen. Das würde den Autor jetzt aber tatsächlich wundern.

Gesichter, holdverschönt zur Himmelsjugend
Durch eignes Lächeln und durch fremdes Licht,
Lockten zur Liebe da, geschmückt mit Tugend.

Im Original

Vedea visi a carità suadi,
d'altrui lume fregiati e di suo riso,
e atti ornati di tutte onestadi

Ich sah Gesichter die von Gnade zeugten,
durch fremdes Licht und durch ihr Lächeln
und ehrfurchtheischenden Gebärden voller Würde

Dass im Paradies keiner mehr sündigt, ist anzunehmen. Da gibt es ja auch nichts mehr, was einer Sünde wert wäre. Zum Sündigen fehlt da schlicht die Gelegenheit.

An Einzelheiten haftete noch nicht
Mein Blick, doch wie im ganzen sich gestalte
Das Paradies, erkannte mein Gesicht.

Im Original

La forma general di paradiso
già tutta mio sguardo avea compresa,
in nulla parte ancor fermato fiso;

Mein Blick hatte schon die Form des ganzen
Paradieses erfasst, obwohl er sich noch
nicht auf ein Detail gerichtet

Er wird sich jetzt fragen, wer wo sitzt, also die oben in der Skizze abgebildete Struktur erfragen. Das sind die Details, die ihn jetzt beschäftigen werden.

Und neu entstand die Fragesucht, die alte;
Drum sah ich hin zu ihr, um sie zu fragen,
Wie sich‘ s mit dem, was unklar mir, verhalte?

Auf diese Frage wird ihm aber nicht Beatrice eine Antwort geben, denn die is nu wech, sondern Bernhard von Clairvaux. Davon später.

Sie war gemeint – ein andrer sollt es sagen:
Anstatt bei ihr, stand ich bei einem Greise,
Im Kleid, wie hier die Ruhmesreichen tragen.

Sein Blick war Gruß in liebevollster Weise,
Und Güte strahlte ihm im Auge helle
Wie milden Vätern in der Kinder Kreise.

Im Original

Uno intendea, e altro mi rispuose:
credea veder Beatrice e vidi un sene
vestito con le genti gloriose.

Diffuso era per li occhi e per le gene
di benigna letizia, in atto pio
quale a tenero padre si convene

Einer war gemeint, doch ein anderer gab die Antwort: Ich
glaubte Beatrice zu sehen und sah einen Greis gewandet
mit dem Kleide, das ehrwürdige Leute tragen

Von den Augen bis zu den Wangen ward
er von Freude überzogen, in frommer
Gebärde, wie es einem Vater ziemt

Die letzten zwei Geträller werden wir also ohne Beatrice verbringen müssen. Das werden wir überleben, denn ihre Performance auf der Weltbühne war doch im Grunde ziemlich mittelmäßig. Es wäre mehr drin gewesen. Wenn zum Beispiel Dante Gitarre gespielt hätte wie Paco de Lucia und Beatrice dazu einen Flamenco hingelegt hätte, also so im Original, aus Granada, dann hätten wir natürlich wow! gesagt. Im Grunde war Beatrice die zu Dante kongeniale trübe Tasse. Wenn die beiden geheiratet hätten, dann hätten sie wahrscheinlich noch im Bett über den Begriff der Gnade bei Thomas von Aquin debattiert und wären immer an Ostern nach Rom gepilgert, um von irgendwelchen durchgeistigten älteren Herren den apostolischen Segen zu erhalten. Die letzten zwei Geträller wird uns also Bernhard von Clairvaux begleiten. Dieser Bernhard von Clairvaux ist nun ein weiterer Irrer in der langen Reihe der Irren. Geboren wurde er 1090 in der Nähe von Dijon. Er starb 1153 in Clairvaux. Er ist Mitbegründer des Zisterzienser (im Ort Citeaux, in der Nähe von Dijon, daher der Name) Ordens, der die Regeln des Benedicts von Nursia strenger auslegt als die Benediktiner. Er schaffte, was Papst Eugen III alleine nicht schaffte, nämlich in Frankreich, Deutschland und Italien eine Begeisterung für den zweiten Kreuzzug zu entfachen. Dieser war nötig geworden, weil sich die Kreuzfahrerstaaten in Palästina aufgrund ihrer inneren Spannungen nicht halten konnten. In diesem Zusammenhang trat er auch für eine Stärkung der Tempelritter ein. Der zweite Kreuzzug scheitert, die christlichen Heere werden von Seldschuken aufgerieben.

Überliefert sind die Worte:

"Ein Ritter Christi tötet mit gutem Gewissen; noch ruhiger stirbt er. Wenn er stirbt, nützt er sich selber;
wenn er tötet, nützt er Christus."

Auch sonst ist er volles Programm. Zwar tritt er den Judenprogromen entgegen (diese werden erst kurz vor dem Jüngsten Gericht bekehrt), tritt aber für die Bekämpfung des Islam und aller Andersgläubigen ein, angefangen bei den Katharern bis zu Einzelpersonen wie Petrus Abelard, dessen Schriften er als Häresie verurteilen lässt. Die Sympathie Dantes ist wohl durch sein unbedingtes Eintreten für das Papsttum und seine Marienverehrung (davon gleich) bedingt.

Doch: „Wo ist Beatrice?“ rief ich schnelle,
Und er: „Dass deinem Wunsch Gehör ich leihe,
Berief sie selbst mich her von höhrer Stelle.

Blick zu des höchsten Umfangs dritter Reihe,
Dort siehst du sie, auf ihrem Thron erhoben,
Wo ihren Tugenden wird Lohn und Weihe!“

Im Original

E «Ov'è ella?», sùbito diss'io.
Ond'elli: «A terminar lo tuo disiro
mosse Beatrice me del loco mio;

e se riguardi sù nel terzo giro
dal sommo grado, tu la rivedrai
nel trono che suoi merti le sortiro»

“Wo ist sie”, fragte ich. Und er:
„Um deine Begehren zu stillen ließ
Beatrice mich meinen Platz verlassen

und wenn du aufblickst zum Rand des dritten
Kreises, wirst du sie wiedersehen auf dem Thron,
der ihr zukommt durch ihre Verdienste

Dass ihre Stellung ihren Tugenden und Meriten geschuldet ist, sehen wir ja gar nicht. Geleistet hat das Mädel eigentlich gar nichts. Man kann sich durchaus fragen, was Dante veranlasst hat, ihr diese zentrale Stelle in seinem opus minimus zuzuweisen. Rein funktional hätte er sie ja auch durch irgendeinen der zahlreichen Ordenstifter oder Theologen ersetzen können, durch den Franzl von Assisi, Dominikus, Benedikt, Thomas von Aquin, Albertus Magnus etc. etc. Beatrice ist wohl der letzte Rest Poesie, der letzte Rest Leben, der bei Dante überhaupt übriggeblieben ist, dadurch erklärt sich ihre Bedeutung in dem dantesken Seelenhaushalt. Um es mit Frank Wedekind zu sagen:

Sein Herz ist leer, wie eine hohle Nuss
Als Kobold spuckt darin der Überdruss

Dieses einzig authentische Gefühl im Kartoffelkeller der dantesken Seele muss er nun unbedingt mit der göttlichen Liebe in Verbindung bringen, womit es natürlich gnadenlos wenig zu tun hat. Tatsächlich wäre Beatrice das Einzige gewesen, was dem Werk eine poetische Kraft hätte geben können, das war wohl im Grunde auch Dante klar. Allerdings hat er es dann gnadenlos versemmelt. Eine geniale Frauenfigur ist zum Beispiel Judith im Grünen Heinrich von Gottfried Keller, so was wäre es gewesen. Die führt den grünen Heinrich ins Leben hinein, Beatrice führt eher in die Wüste Sahara.

Und wortlos wanderte mein Blick nach oben
Und sah ums Haupt ihr eine Gloriole
Vom Widerschein des ewgen Lichts gewoben.

Nie von des Donnerhimmels höchstem Pole
Stand ferner je ein Mensch, ob er auch tauchte
Bis zu des Meeresgrundes tiefster Sohle,

Als hier mein Auge grüßte die Erlauchte;
Denn klar ihr Bildnis sah ich niederschweben,
Weil Ferndunst ihre Reinheit nicht umhauchte.

Im Original

Sanza risponder, li occhi sù levai,
e vidi lei che si facea corona
reflettendo da sé li etterni rai.

Da quella region che più sù tona
occhio mortale alcun tanto non dista,
qualunque in mare più giù s'abbandona,

quanto lì da Beatrice la mia vista;
ma nulla mi facea, ché sua effige
non discendea a me per mezzo mista

Ohne zu antworten, richtete ich die Augen nach
oben, und sah sie die eine Krone krönte, gebildet
Durch den Abglanz der ewigen Stahlen.

Nie stand ein sterblich Auge weiter
Entfernt von jener Gegend die dort oben donnert,
und wenn es auch versenkt im tiefsten Meere wäre

wie entfernt meinem Blick Beatrice;
doch dies bewirkte nicht, dass ihr Anblick
nicht unbehindert zu mir niederstiege

Der Dichter will uns mitteilen, dass er das Antlitz Beatrices noch aus einer Entfernung klar erkannte, aus der man im irdischen Jammertal gar nichts mehr sieht. Irgendwas will uns der große Grimmige damit sagen, leider ist nur unklar was. Sagen will er uns wahrscheinlich, dass egal wie weit Beatrice in Zukunft entfernt ist, er wird sie nie vergessen oder egal wie weit sie weg war, er hat sie nie vergessen. Ob allerdings der große Grimmige, dessen seelisches Erleben so abenteuerlich war wie das eines Kartoffelsackes, nicht doch an Thomas von Aquin dachte, ist unklar. Der Mann ist zu allem fähig. Da kann Naomi Campell, Juliette Binoche, Julia Roberts und Heike Makatsch zusammen vor ihm auf dem Tisch tanzen, der verpflanzt die eiskalt ins Paradies, da kennt der nix.

„O Himmlische, du meiner Hoffnung Leben,
Die in die Hölle selbst der Tritte Spur
Zurückließ, mich zum Heile zu erheben,

In allem, was ich lebte und erfuhr,
Was mich mit Kraft durch Gnadenwirkung stählte,
Erkenn ich deine Macht und Güte nur!

Die Sklavenfessel, die den Freien quälte,
Du nahmst sie mir, weil zielgerechte Pfade
Und sichre Mittel deine Gunst erwählte!

Bewahr in mir das Kleinod deiner Gnade,
Dass sich des Leibes, wohlgefällig dir,
Die Seele, die du heilest, einst entlade!“-

Im Original

«O donna in cui la mia speranza vige,
e che soffristi per la mia salute
in inferno lasciar le tue vestige,

di tante cose quant'i' ho vedute,
dal tuo podere e da la tua bontate
riconosco la grazia e la virtute.

Tu m'hai di servo tratto a libertate
per tutte quelle vie, per tutt'i modi
che di ciò fare avei la potestate.

La tua magnificenza in me custodi,
sì che l'anima mia, che fatt'hai sana,
piacente a te dal corpo si disnodi».

“Oh Herrin in welcher meine Hoffnung Kraft
gewann, und die geduldet um meines Heiles
willen dass deine Spuren in die Hölle führten

in allen Dingen die ich gesehen von
deiner Kraft und deiner Güte
Erkenne ich die Gnade und die Tugend

Du hast mich gezerrt von meinem Sklavenleben zur
Freiheit durch all‘ diese Wege, durch alle Mittel
die deiner Macht zur Verfügung standen

Dein hohes Werk in mir bewahre,
wie auch meine Seele, die du geläutert,
die, dir zum Wohlgefallen, lösen wird vom Körper.“

Das Rätsel bleibt also auch auf der Zielgeraden ungelöst. Was zum Teufel hat Beatrice eigentlich getan, außer ständig irgendwelche Vorträge zu halten und mit jedem Stockwerk, das sie höher stiegen, noch strahlender liebesglutdurchdrungen zu glänzen? Die Wandlung, die Beatrice bis zur Divina Commedia durchgemacht hat, ist dramatisch.

Den Inbegriff der Seligkeit darf schauen
Wer meine Herrin sieht im Frauenkreise!
Die mit ihr wandeln dürfen – dieser Frauen
Ist keine, die sich drob nicht glücklich preise.
Weil ihre Anmut wirkt so zarter Weise,
Darf sich kein Neid in ihre Näh getrauen;
Von ihrer Tugend lässt sie lieb und leise
Auch auf die andern treuen Abglanz tauen.
Bescheiden lässt ihr Anblick alles werden,
Und nicht sie selbst nur glänzt – nein, sie verschönt,
Was sie umgibt, mit Anmut gleich der Sonne.
So lieb ist sie von Antlitz und Gebärden
Dass, wer sie sah, von soviel Reiz gekrönt,
Nur seufzend ihrer denkt in Liebeswonne!

Das zielt auf eine Frau, das kann man nachvollziehen. Man kann nachvollziehen, dass eine Frau, die man liebt, alles was sie umgibt, magisch auflädt. Und irgendwas davon, also etwas Authentisches, wollte Dante in die Scholastik retten, was wohl gründlich daneben gegangen ist. Die Liebe sollte irgendwie nicht mehr das Diesseits beleuchten, sondern in das himmlische / göttliche Megaloch strahlen. Der Versuch mit Beatrice Leben und Authentizität in die Scholastik zu bringen, ist in etwa so sinnvoll wie Flamenco in einem Kuhstall oder Goethe beim Finanzamt.

So mein Gebet – und sie, weltfern von mir,
Schien lächelnd einen Blick mir zuzusenden,
Und sah dann auf zum ewgen Glanzrevier.

Im Original

Così orai; e quella, sì lontana
come parea, sorrise e riguardommi;
poi si tornò a l'etterna Fontana

Dies war mein Gebet; und jene, so weit entfernt
sie schien, ließ ihren Blick lächelnd ruhn auf mir,
und wendete sich dann zu der ewigen Quelle

Die ewige Quelle ist natürlich Gott. Den glotzt sie an von Anbeginn zu Ewigkeit, Amen. Jetzt irrlichtert Bernhard noch ein bisschen.

Da sprach der heilige Greis: „Ganz zu vollenden
Den Weg bis an sein Ziel, wozu die Bitte
Der heilgen Liebe mich den Fuß ließ wenden,

Flieg mit den Augen durch des Gartens Mitte,
Auf dass, erstarkt, der ungetrübte Sinn
Zum höchsten Gottesglanze wagt die Schritte,

Und Gnade wird die Himmelkönigin,
Für die ich glühe, auf dich niedertauen,
Weil ich Bernardus, ihr Getreuer bin!“

Im Original

E 'l santo sene: «Acciò che tu assommi
perfettamente», disse, «il tuo cammino,
a che priego e amor santo mandommi,

vola con li occhi per questo giardino;
ché veder lui t'acconcerà lo sguardo
più al montar per lo raggio divino.

E la regina del cielo, ond'io ardo
tutto d'amor, ne farà ogne grazia,
però ch'i' sono il suo fedel Bernardo»

Da sprach der heilige Greis: “Damit du
Ganz erkennst deinen Weg, zu dem Gebet
Und heilige Liebe mich berufen,

flieg mit den Augen durch diesen Garten;
denn mehr noch wird dein Blick dir gewähren
aufzusteigen durch den göttlichen Strahl

Und die Königin des Himmels, für die
Ich vor Liebe brenne, wird jede Gnade gewähren,
weil ich Bernardo bin, ihr treuer Diener

Das wäre eine weitere Deutungsmöglichkeit. Bernardo als Minidante. Was dem einen seine Beatrice, ist dem anderen seine Maria. Könnte sein, dass die Marienverehrung nach demselben Muster abläuft, also einen Versuch darstellt, Authentizität in einen himmlischen Verwaltungsapparat zu bringen. Dass Bernardo ein treuer Verehrer Marias war, wird immer wieder erzählt. Das mit den Augen, die durch den Anblick der Himmelsrose eine größere Sehkraft erhalten und so noch mehr sehen werden müssen wir nicht verstehen. Das ist irgendwie schon die ganze Zeit so. Aus irgendwelchen Gründen kann er immer besser gucken. Kennen Sie den Werbespot, wo ein richtiger Feger einen Detektiv auffordert, einen Optiker zu finden, der günstiger ist als Fielmann? Der Detektiv antwortet ja nur mit einem trockenen „vergessen Sie’s“, teilt uns also mit, dass Fielmann der billigste ist. Der Autor kennt jetzt einen besseren, die rosa mistica.

Treibt einen, etwa aus Kroatiens Gauen,
Zu unsrer Vera Icon heilge Pflicht,
Und kann am alten Ruhm nicht satt sich schauen

Der fremde Fremdling, der wohl staunend spricht:
„O Jesus Christ, wahrhaftger Gott der Ehren,
So also war zu schaun dein Angesicht?“

Im Original

Qual è colui che forse di Croazia
viene a veder la Veronica nostra,
che per l'antica fame non sen sazia,

ma dice nel pensier, fin che si mostra:
`Segnor mio Iesù Cristo, Dio verace,
or fu sì fatta la sembianza vostra?';

Ganz wie der, der aus der Ferne angereist,
um das Schweißtuch unseres Herrn zu sehen,
dessen alter Ruhm nicht sättigt,

und sich es betrachtend in Gedanken fragt:
„Mein Herr Jesus Christus, wahrer Gott,
war so wirklich deine Gestalt?“

Dante schaut also noch oben und ist erstaunt, wie der Pilger, der aus der Ferne (Crozia / Kroatien steht hier allgemein für Ferne)kommt und das Tuch sieht, mit dem sich Christus am Kreuz das Gesicht abgewischt hat (Veronica ist wohl eine abgeschliffene Verbindung aus vera-immagine / wahres Bild. Das Tuch wird im Petersdom in Rom aufbewahrt.) Bei der wie üblich unschlagbaren Wikipedia findet man einen Artikel dazu:
http://de.wikipedia.org

„O Gnadensohn“, sprach er, „dies Wonneleben
Erkennst du nicht und wird sich nie dir weisen,
Wenn dir die Augen nur am Boden kleben.

Im Original

«Figliuol di grazia, quest'esser giocondo»,
cominciò elli, «non ti sarà noto,
tenendo li occhi pur qua giù al fondo”;

“Oh Sohn der Gnade, dieses selige Leben”,
so begann er, „wirst du nicht erkennen,
wenn deine Augen nur nach unten sind gerichtet“;

Das meint Dante jetzt wahrscheinlich wieder theologisch tiefsinnig. Sohn der Gnade ist er, weil ihn ja die Gnade in vielfältiger Form ins Paradies geführt hat. Sagen will uns der Dichter wohl, dass wir uns lösen sollen vom irdischen Jammertal und den Blick nach oben, also zu Gott richten sollen. Da Dante uns bis jetzt aber noch nicht erklärt hat, was es da zu sehen gibt, außer eben eine mittelmäßig ausgestattete Bibliothek zur Theologie, eigentlich eher ein schlichter Handapparat, ist völlig unklar, was das ständige Nachobengeglotze soll. Der Autor plädiert also für den Blick nach unten, der sollte allerdings scharf sein. Würde man sich länger damit beschäftigen, könnte man wahrscheinlich einen Zusammenhang ermitteln zwischen Nachobenglotzen und Stillstand unten. Unter Umständen hätte der Ratzinger, Joseph auch interessantere Dinge zu sagen, wenn er seltener in die Bibel, aber öfter in ein Handbuch der VWL schaut. Bei der Finanzkrise (immer noch im Jahre 2009) z.B. ist die Gier, die vermeintlich die Bankmanager treibt, nicht das Problem, auch wenn der Ratzinger, Joseph das meint. Das Problem ist ein weitgehend völlig undurchschaubares Finanzsystem. Daraus folgt dann als Konsequenz, dass die Bundesregierung, die es ebenfalls nicht durchschaut, am besten gar nichts tut und zusammenkrachen lässt, was zusammenkrachen muss. Dieser Prozess würde das System für die breite Öffentlichkeit transparent machen. Durch das Agieren der Bundesregierung wird alles noch undurchschaubarer, als es ohnehin schon ist. Die marktwirtschaftliche Ordnung sorgt für Transparenz und gibt damit den Teilnehmern die Möglichkeit, adäquat zu reagieren. Setzt der Staat die freien Kräfte des Marktes außer Kraft, verlagert er das Risiko auf die Allgemeinheit. Das nennt man Sozialismus. Da das Abfedern von Fehlern in Teilmärkten letztlich nur möglich ist, wenn andere gesunde Teilmärkte via Entzug von Steuergeldern geschwächt werden, wird das Gesamtsystem geschwächt. Unklar ist auch, wieso der Staat jetzt in den Finanzmarkt verstärkt regulierend eingreifen soll. Anzunehmen ist, dass die Akteure ihre Lektion gelernt haben und ein großer Teil der Akteure wird gar nicht mehr die Möglichkeit haben, dubiose Blasen aufzubauen. Die sind nämlich platt. Der gute Ackermann wird auch seinen Standardspruch, dass ein „high potential“ nun mal 12 Millionen Euro kostet im Jahr auch nicht mehr durchbringen. Die gibt es nämlich nach den Banken- und Börsenpleiten bei Aldi im Sonderangebot. Zu befürchten ist viel mehr, dass diese Krise zum Anlass genommen wird, die Staatstätigkeit auszudehnen und damit die Intransparenz zu erhöhen. Eine Bank hat nämlich eine Bilanz, die jeder anschauen kann, auch im Internet. Der Bundeshaushalt ist weitgehend undurchschaubar und auch nicht im Internet. Der langen Rede kurzer Sinn: Der Blick sollte stramm nach unten gehen.

Empor den Blick! Bis zu den fernsten Kreisen!
Bis sich die Königin dir thronend zeigt,
Die alle hier als Untertanen preisen!“

Im Original

ma guarda i cerchi infino al più remoto,
tanto che veggi seder la regina
cui questo regno è suddito e devoto»

Doch betrachte die weit entferntesten Kreise,
bis du siehst die Königin, der dieses Reich
Ist untertan und zugeneigt

Die Königin ist immer noch Maria. Genau das sollte man aber auf keinen Fall tun. Es mag durchaus menschlich sein, zu Persönlichkeiten aufzublicken und von dort die Lösung irgendwelcher Probleme zu erwarten. Insofern ist Dante stringent. Der Verlagerung des utopischen Horizontes ins himmlisch / göttliche Megaloch entspricht die Hoffnung, dass die Probleme im Diesseits durch einen Kaiser gelöst werden, das Abstraktionsniveau ist durchaus ähnlich. Die Personalisierung von Problemen korreliert mit einer Gesellschaft, die als nicht steuerbar empfunden wird. Womit dann wohl eine wesentliche Funktion des Internets angesprochen wird. Es muss mit Hilfe des Internets gelingen, Transparenz herzustellen, Fach- und Insiderwissen der Allgemeinheit zugänglich zu machen.

Ich sah empor. Wie, wenn der Morgen steigt,
Den ganzen Osten Gluten überfliegen,
Indes der Westen sich ins Dunkle neigt,

Im Original

Io levai li occhi; e come da mattina
la parte oriental de l'orizzonte
soverchia quella dove 'l sol declina,

Ich hob die Augen; und wie am Morgen
der Horizont im Orient stärker strahlt
Als jener wo die Sonne untergeht

Das ist vermutlich richtig, auch wenn der Autor, wie bereits mehrmals erwähnt, nicht nur aus prinzipiellen Überlegungen heraus selten nach oben schaut. Er tut das allgemein selten. Aber wahrscheinlich ist der Osten bei Sonnenaufgang heller erleuchtet als der Westen, ist ja naheliegend. Hervorragend beobachten ließe sich das übrigens von Korsika aus, also wenn Sie den GR20 machen. Mal ein Tipp, falls Sie noch nichts geplant haben für die nächsten Ferien.

So sah ich, als mein Blick bergan gestiegen,
Ein Licht im höchsten Rande funkelnd tagen
Und alle andern Reihn an Glanz besiegen.

Im Original

così, quasi di valle andando a monte
con li occhi, vidi parte ne lo stremo
vincer di lume tutta l'altra fronte

so sah ich als ich schweifen ließ die
Augen vom Tal zum Berg, wie ein Punkt
Im Gipfel mit Licht besiegte die andere Seite

Dies ist wieder einer jener zahlreichen hirnrissigen Vergleiche Dantes. Verglichen werden zwei Sachverhalte, die völlig unterschiedlich sind. Da die Sonne nun mal im Osten aufgeht, braucht es eine Weile, bis das Sonnenlicht überall gleichmäßig strahlt. Das Sonnenlicht verdrängt aber in diesem Zusammenhang kein Licht, es dauert nur eine Weile, bis es sich ausdehnt. Meinen kann er höchstens, dass die Sterne auch nur schrittweise verschwinden, also im Westen länger zu sehen sind als im Osten. Das sagt er aber nicht. Dieser Sachverhalt, also die aufgehende Sonne, wird nun verglichen mit einem ganz anderen Sachverhalt. Strahlt aus großer Entfernung ein Leuchtkörper deutlich stärker als die anderen, dann ist es denkbar, dass die schwächeren Leuchtkörper nicht mehr wahrgenommen werden. In diesem Fall würde das stärkere Licht tatsächlich das schwächere Licht „besiegen“. Ob das stimmt oder nicht stimmt sei dahin gestellt. Es stimmt natürlich, wenn das helle Licht so hell ist, dass es blendet. Zu vermuten ist aber eher, dass Dante dieses Phänomen nie real beobachtet hat, weil alle zur damaligen Zeit zur Verfügung stehenden Leuchtstoffe in etwa gleich stark waren. Die Terzine reduziert sich also auf die Aussage, das irgendeine Funzel da geleuchtet hat.

Und wie am Himmel – naht der Sonnenwagen
Des armen Phaeton – stets wächst die Flamme,
Das schönste Morgenrot zu überragen,

So glühte diese Friedensoriflamme
In ihrem Kern am hellsten, und es ward
Gleichmäßig seitwärts abgedämpft die Flamme.

Im Original

E come quivi ove s'aspetta il temo
che mal guidò Fetonte, più s'infiamma,
e quinci e quindi il lume si fa scemo,

così quella pacifica oriafiamma
nel mezzo s'avvivava, e d'ogne parte
per igual modo allentava la fiamma;

Und wie dort, wo man auf die Deichsel wartet,
die Phaeton so schlecht führte, es heller und
Heller wird und das Licht verblasst,

so lebte auch im Innern diese
Oriafiamma auf, und trug die Flamme
in alle Richtungen weiter

Mit der Deichsel, die Phaeton so schlecht führte, wird auf den Unfall angespielt, den Phaeton mit dem Auto seines Vaters, des Sonnengottes Helios, verursachte. Dieser Sonnenwagen zog die Sonne über den Himmel. Helios erlaubte seinem Sohn, diesen zu steuern, aber der ließ ihn vom Himmel stürzen (zumindest fast, bevor es dazu kam, zerschmetterte Zeus den Wagen mit seinen Blitzen). Gemeint ist also der Sonnenaufgang. Dieser lässt das Licht blasser werden, das Problem ist das Gleiche wie oben. Er meint wohl die Sterne. Die Oriafiamma (Oriflamme) ist das Wappen und die Kriegsstandarte der französischen Könige (zur damaligen Zeit). Sie sieht so aus.

Mit dieser Orlifiamma vergleicht Dante nun das Licht im himmelrosigen Amphitheater. Ein Zusammenhang ergibt sich durch die Sterne, die von der Flamme tropfen. Diese überstrahlt nun aber nicht mit ihrem Licht die anderen Lichter, sondern gibt dieses Licht ab. Das Problem bei komplett hirnrissigen Texten besteht darin, dass man sie nur komplett ablehnen kann. Es ist schwieriger einen Text zu widerlegen, der aus purem Nonsense besteht, wie die Divina Commedia, als einen Text, der eine klare Aussage hat. Wenn Sie den Beginn der Frühstücks so beschreiben,

„Wenn der Himmel blau, blau wie der Bavaria Blue, doch unvermischt, erstrahlt wie Rama, wenn der Toast dem Toaster ward entsprungen, dann ist es Zeit, das Ei zu köpfen.“

dann ist es dem gesunden Menschenverstand zwar sofort möglich, das als Nonsense zu interpretieren, aber ein Romanist würde das eiskalt interpretieren.

Die präzise Phantasie des Autors spannt einen weiten Bogen in der Phantasie des Lesers. Der Beginn des Tages ist zum einen verknüpft mit dem Blau, das die Sonne vor sich her rollt, zum anderen mit dem Blau, das wir uns zuführen, der individuelle und universale Schöpfungsakt, ein neuer Morgen als Schöpfungsakt der die ewige Ordnung bestätigt, sind also in der Farbe vereint. Haben wir aber bislang den Schöpfungsakt nur als passiv, duldend, erlebt, so steht das Köpfen des Eis für unser tatkräftiges „Inderweltsein“ im Sinne Heideggers.

Glauben Sie es dem Autor einfach. Ein Romanist wäre imstande, den oben genannten Satz zu interpretieren. Sie können ja mal ein halbes Kilo Dante Interpretation aus der mehrere tausend Tonnen schweren Leistung der Romanistik herausfischen. Da finden Sie Sätze von wirklich erlesener Schönheit.

Und um die Mitte, tausendfach geschart,
Frohlockten Engel mit gespreizten Schwingen,
An Glanz und Feierkleid verschiedner Art.

Im Original

e a quel mezzo, con le penne sparte,
vid'io più di mille angeli festanti,
ciascun distinto di fulgore e d'arte

und um diese Mitte, sah ich mit gespreizten
Flügeln, tausend feiernde Engel,
jeder unterschiedlich in Glanz und Kunst

Ob die gespreizten Flügel was nützen, wissen wir natürlich immer noch nicht, weil wir nicht wissen, ob es da oben eine Atmosphäre gibt. Gibt es keine, fliegen die Engel mit ihren gespreizten Flügeln gnadenlos auf die Fresse. Wer will kann sich die Himmelsrose so vorstellen. So hat Gustav Doré sich das vorgestellt.


Und Schönheit lachte ihrem Tanz und Singen,
Die ließ entzückte Wonnenharmonie
Durchs Auge aller andern Heilgen dringen.

Im Original

Vidi a lor giochi quivi e a lor canti
ridere una bellezza, che letizia
era ne li occhi a tutti li altri santi;

Ich sah aus ihren Spielen und Gesängen
eine Schönheit strahlen, dass vor Freude
Strahlten die Augen aller anderen Heiligen

Soll man zu so einem Quark sagen? So völlig nicht humanoide Lebensform ist es nicht, man kann grundlos gut drauf sein und bekanntlich unterscheiden sich Menschen ja auch in der Tönung der Grundstimmung. Ein Thema für Psychologen. Interessant wäre es jetzt natürlich noch zu wissen, was die da oben spielen. Wohl nicht Monopoly oder Mensch ärgere dich nicht. An dem Spiel (giochi) hat sich dann auch Zoozmann verschluckt, er übersetzt mit Tanz. Der Autor vermutet, die spielen Blinde Kuh oder es tanzt ein Bibabutzelmann in unserem Kreis herum, fidebum.

Wenn Menschenwort mir solchen Reichtum lieh,
Zu schildern, was die Seele sah – nie sänge
Den kleinsten Reiz hiervon die Fantasie!

Im Original

e s'io avessi in dir tanta divizia
quanta ad imaginar, non ardirei
lo minimo tentar di sua delizia

und wäre mein Reichtum an Worten gleich
meinem Reichtum an Vorstellung ich hätte
kein Verlangen zu schildern diese Freude

Dante will uns also weismachen, dass sein Reichtum an Fantasie größer ist als sein Reichtum an Worten, was dann bedingt, dass er nicht alle Fantasien mit Worten mitteilen kann, weil ihm dafür die Worte fehlen. Das ist rein logisch vollkommener Mumpitz. Die Vorstellungskraft / Fantasie (immaginar) ist ein weitgehend rational kontrollierter Bereich, was sich da abspielt, lässt sich immer in Worte fassen. Was sich der Sprache entzieht, ist ein Stockwerk weiter unten. Es ist die komplexe Subjekt-Objekt Dynamik, die den ganzen Menschen erfasst, die sich der Sprache entzieht. Rein rationale Vorgänge entziehen sich der Sprache nicht. Dante mag ein Problem haben, sich klar auszudrücken, das ist aber eine andere Kategorie. Einzig interessant ist hier, dass ein weiterer Grund angegeben wird, warum er uns die Freuden des Paradieses nicht mitteilt. Er hat schlicht keine Lust. Behauptet er zumindest. Tatsächlich sieht es so aus: Er kann es nicht. Weder subjektiv noch objektiv. Subjektiv nicht, weil er kein Dichter ist. Es dürfte reichlich wurscht sein, was Dante schildert, es klänge immer wie das Einkommensteuergesetz in Terzinenform. Objektiv nicht, weil die Konstruktion der Divina Commedia schwachsinnig ist. Ohne empirisches Substrat ist keine Dichtung möglich. Über ein himmlisch / göttliches Megaloch gibt es nichts zu berichten.

Als Bernhard merkte, wie mein Antlitz hänge
An seiner Königin weltentrückt, da wandte
Auch er so brünstig sich zum Glanzgepränge,

Dass ich zum Anschaun heißer noch entbrannte.

Im Original

Bernardo, come vide li occhi miei
nel caldo suo caler fissi e attenti,
li suoi con tanto affetto volse a lei,
che ' miei di rimirar fé più ardenti

Bernhard, als er sah wie meine Augen sich fest
und aufmerksam hoben zu ihrer heiße Glut, da richtete
er die seinen mit gleicher Hingebung auf sie,

so dass die meinen durch die Schauen, noch mehr
entbrannten

Mit „a lei“ ist immer noch Maria gemeint. Was also bis jetzt Beatrice war, ist jetzt Maria. Mit beiden wird der Versuch unternommen, den katholischen Hokuspokus zu erotisieren.