Ich nehme an, Sie wissen inzwischen , wie Sie sich im Paradies fühlen und die Lektüre Dantes hat Sie in Ihrem Wunsche dort zu landen, bestärkt. Ihr Auto haben Sie bereits verkauft, Ihr Haus verschenkt und was Sie sonst noch besaßen bei ebay versteigert und den Erlös der Kirche zur gottgefälligen Verwendung überwiesen. Den letzten entscheidenden Schritt haben Sie auch schon getan. Sie haben sich im nächstgelegenen Franziskaner Kloster angemeldet und werden sich dort bis zum Ende Ihrer Tage kasteien. Das alles haben Sie getan, um im Mindesten auf dem Merkur zu landen und liebeglutdurchdrungen als Flämmchen zu leuchten und ganz zu erstrahlen, wenn mal ein Dante vorbeikommt, dem Sie etwas erzählen dürfen. Den Rest der Zeit werden Sie sich theologische Vorträge anhören. Da werden Antworten auf Fragen gegeben, die man nur im Paradies stellt. Sehnsuchtsvoll werden Sie dort auf das Jüngste Gericht warten. Nicht etwa weil sich dann groß was ändert, Sie werden vermutlich das Gleiche machen wie vorher, aber es ist immerhin mal eine Abwechslung, so ähnlich wie im Flugzeug bei einem 12 Stundenflug. Da wartet man ja auch nicht auf das Essen, weil man Hunger hat, sondern weil es eine Abwechslung ist und die Wiederbegegnung mit Ihrem Körper ist ja immerhin eine Abwechslung. Die Hoffnung allerdings, dass der Herrgott mal eine scharfe CD einwirft können Sie vergessen. Da kommt ein Psalm nach dem anderen, gnadenlos. Glück haben Sie im übrigen noch, wenn Sie schwul sind. Denn das Personal im Paradies ist ganz überwiegend männlich. Ob die ihren Körper wiederbekommen oder nicht, kann Ihnen als Hetero im Grunde völlig wurscht sein. Die einzig interessante Frau ist Eva, das Luder. Aber die sitzt, wie wir ganz am Schluss erfahren in der Nähe Gottes, also da kommen Sie schon mal gar nicht ran. Also man kann nicht gerade sagen, dass dies „A song of hope“ à la Led Zeppelin ist. Bevor Sie also ins Kloster gehen, sollten Sie sich das nochmal anhören, Led Zeppelin, This is a song of hope.
http://www.youtube.com/watch?v=DndZc0my_Q0
Danach ist Schicht im Schacht. Sie können nur noch aus der Kirche austreten und zusehen, dass Sie das Sakrament der Taufe irgendwie wieder loswerden. Dann kommen Sie in den Limbo. Da sitzen immerhin ein paar Griechen. Nicht gerade der Hammer, aber immer noch besser als Dominikus, Franziskus, Jakobus, Johannes und wie sie alle heißen. Der 28. Gesang ist jetzt was für ganz harte Jungs. Beatrice erklärt die verschiedenen Kategorien der Engel und die Engel sind keine Nixen, soviel ist schon mal klar. Alternativ könnten Sie natürlich auch selber eine Divina Commedia schreiben, Dante reloaded oder so. Vielleicht lässt Gott sich ja von guten Vorschlägen überzeugen. Irgendwie sowas.
Sturm und Drang (50 Terzinen)
braver Bürger (30 Terzinen)
Rentner (1)
Ne, das ist so ähnlich wie Dante. Obendrein fehlt ja auch das Jenseits. Das ist noch dämlicher:
Kindheit und Jugend (20 Terzinen)
der gereifte Mann (20 Terzinen)
Opa (20 Terzinen)
Und das Jenseits fehlt immer noch. Das wäre vielleicht was.
Preludium (40 Terzinen)
Allegro con brio (40 Terzinen)
Finale Furioso (40 Terzinen)
Party geht ohne mich weiter (1/2 Terzine)
Also irgendwie so. Im Grunde egal. Schlimmer als die Divina Commedia schafft das eh keiner.
Mit Wahrheitshelfer also mir bewies
Das Menschenelend unserer heutgen Zeiten
Sie, die für‘ s Paradies mich reisen ließ. -
Im Original
Poscia che 'ncontro a la vita presente
d'i miseri mortali aperse 'l vero
quella che 'mparadisa la mia mente,
Die also, die meinen Geist ins Paradiese führte,
hat eine Wahrheit mir verkündet, die ganz im
Gegensatz stand zu der elenden Sterblichen
Das ist jetzt wirklich zu komisch. Denn am Schluss (drittletzte Terzine) wird sie uns verkünden, dass sie die Einteilung bei Dionysius nachgelesen hat. Die Wahrheiten, die die holde Beatrice verkündet, hätte man also auch in jeder Klosterbibliothek nachlesen künden. Also die Wahrheit wird auch schon bei den elenden Sterblichen berichtet, dafür hätte man nicht ins Paradies steigen müssen. Das ist aber insgesamt das Problem des Paradieses. Entweder stehen die Wahrheiten auch in jeder Unibibliothek oder es wird behauptet, dass die Einsichten so paradiesisch sind, dass sie nicht mitgeteilt werden können.
Wenn wir durch einen Raum im Dunkeln schreiten
Und vor uns plötzlich dann im Spiegel sehen
Ein ungeahntes Licht Reflex verbreiten,
Dass wir uns überrascht nach rückwärts drehen
Und sehn, dass Schein und Wahrheit sich verflocht,
Wie Wort und Klang beim Lied zusammengehen,
So hab ich stehen wohl und schaun gemocht
In ihres Auges Pracht, draus Amor Schlingen
Zum Netz sich wob, das einst mich unterjocht.
Im Original
come in lo specchio fiamma di doppiero
vede colui che se n'alluma retro,
prima che l'abbia in vista o in pensiero,
e sé rivolge per veder se 'l vetro
li dice il vero, e vede ch'el s'accorda
con esso come nota con suo metro
così la mia memoria si ricorda
ch'io feci riguardando ne' belli occhi
onde a pigliarmi fece Amor la corda
wie derjenige, in dessen Rücken eine Flamme
ward entzündet, deren Abglanz im Spiegel sieht,
noch bevor er sie im Blick oder in Gedanken trägt,
und sich dann umdreht um zu schauen, ob das Glas
ihm die Wahrheit sagt, und sieht, dass es mit der
Wahrheit übereinstimmt wie die Note mit dem Takt
so erinnert sich mein Gedächtnis, dass ich tat,
als ich in die schönen Augen schaute, wo um
mich zu fesseln Amor nach den Seilen griff
Zu Deutsch. Er sieht in den Augen Beatrices den Herrgott persönlich, das erfahren wir, nachdem die Terzinen eine Weile mäandert haben. Gott, in Punktform (davon gleich) spiegelt sich in den Augen Beatrices. Das bringt ihn dann auf den Vergleich mit der Fackel, die man im Spiegel sieht, wenn sie hinter einem leuchtet. Das Problem ist immer das Gleiche. Dante fehlt jedes Gespür für Authentizität, er verwechselt dunkel und verquast mit lyrisch. Authentisch ist etwas, das subjektiv wahr ist. Es sei konzediert, dass die Konstruktion Subjekt etwas unendlich Vermitteltes ist, letztlich keiner so recht weiß, wer er eigentlich ist, das berühmte „Erkenne dich selbst“ tangiert auch die Dichtung, allerdings gibt es ohne Subjekt, das eine individuelle Einstellung dem Objekt gegenüber einnimmt, keine Dichtung. Wird lediglich ein System, in diesem Falle die Auffassungen des Mittelalters über das Jenseits und in diesem ganz konkreten Geträller die Hierarchie der Engel referenziert, dann haben wir es nicht mit Dichtung zu tun. Als objektive Wahrheiten vorgestellte Systeme oder Tatsachen werden gerade nicht subjektiv bewerten. In diesem Fall vermissen wir auch, ganz en passant bemerkt, Stil. Denn Stil ist die subjektive Farbe, die einer Schilderung gegeben wird, er ist eben mit jenem subjektiven Kern liiert, der sich der Sprache entzieht. Damit das Subjekt sich aber als authentisch, das heißt nicht als das Ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse bzw. durch Autosuggestion gesteuert zu erkennen gibt, bedarf es eines Subjekts, das allem Fremden, ihm nicht zukommenden Widerstand leistet. Genau das liegt bei Dante nicht vor. Dante beschreibt ein System, ein theoretisches Konstrukt. Dass er von den verbeamteten Geistlichen für einen Dichter gehalten wird, sagt auf jeden Fall viel über diese aus.
Und traf auf einen Punkt, so stechend-scharf,
Dass sich mein Auge schloss, weil allzu grellen
Lichtschimmer blendend dieses Pünktchen warf.
Im Original
un punto vidi che raggiava lume
acuto sì, che 'l viso ch'elli affoca
chiuder conviensi per lo forte acume;
einen Punkt sah ich, dessen Licht so grell,
dass der Blick den er blendet durch das helle
Licht bedingt sich schließen muss
Man könnte diesem ganzen Lichthokuspokus jetzt hinterher recherchieren. Wahrscheinlich lassen sich viele Stellen in der Bibel finden, wo Gott als Lichterscheinung dargestellt wird, z.B. im Dornenbusch, wo er Moses erschien. Das wurde dann irgendwann zu einem ganzen Mysterienkult ausgebaut. Hier auf jeden Fall wird Gott als Punkt dargestellt und schon dieser Punkt strahlt soviel Licht ab, dass man davon geblendet wird. Allerdings ist das auch kein Bild, das aus dem prallen vollen Leben gegriffen ist, sowenig wie im Übrigen der Spiegel. Ein Licht, das sich in einem Spiegel spiegelt, wird lediglich reflektiert. Ein Punkt, der soviel Licht abstrahlt, dass man davon geblendet wird, war im Mittelalter eine theoretische Konstruktion. Der Autor geht davon aus, dass sich sowas heute mit technisch aufwendigen Hilfsmitteln konstruieren lässt; die Lichtquelle ist dann aber sicher nicht eine Kerze / Öllampe / Karbidlampe. Eine bildhafte Darstellung kann nur funktionieren, wenn das Bild als solches suggestiv ist, dem Leser also plastisch vor die Augen tritt. Man kann von jemandem sagen, dass er auf die schiefe Bahn geraten ist, das ist suggestiv, es geht dann eben abwärts. Man kann aber nicht von jemandem sagen, dass er sich auf eine Ebene begeben hat, die eine Neigung von 11.5 Prozent aufwies und deren Oberfläche aus spezialbehandeltem Kunststoff bestand, der zu einer geringen Reibung führte, was, bedingt durch die Gravitation, ein langsames Abrutschen mit einer Geschwindigkeit von 1,5 m pro Sekunde bedingte. Das ist dann nicht mehr suggestiv. Wahrscheinlich kapieren es aber verbeamtete Geistliche immer noch nicht. Diese haben nämlich ein geringer ausgeprägtes Gespür für das was geht und was nicht geht als der Normalsterbliche.
Ließ neben ihn der kleinste Stern sich stellen,
Groß wie der Mond erschien er dem Gesicht,
Wenn andere Sterne sich dem Mond gesellen.
Im Original
e quale stella par quinci più poca,
parrebbe luna, locata con esso
come stella con stella si collòca
und jener Stern war dort so winzig,
dass verglichen damit ein Mond mir deuchte,
jeder Stern der steht neben anderen Sternen
Sagen will er schlicht, dass der Punkt so winzig klein war, dass jeder Stern, die ja auch schon winzig sind, im Vergleich damit die Größe des Mondes hatte. Auch dieses Bild ist natürlich wieder so konstruiert und abartig, dass es als Lyrik nur der empfinden kann, der so ein ganzes Leben zwischen den zwei Buchdeckeln der Summa Theologiae verbracht hat.
Etwa so eng, als um des Mondes Licht
Der Hof den dichten Dunstkreis hält umschlungen,
Draus blass sein Bildnis und verkleinert bricht,
Hielt hier den Punkt ein Feuerrad umschlungen,
Das in der Drehung rasendschnellem Gang
Den schnellsten Himmel hätte leicht bezwungen.
Im Original
Forse cotanto quanto pare appresso
alo cigner la luce che 'l dipigne
quando 'l vapor che 'l porta più è spesso
distante intorno al punto un cerchio d'igne
si girava sì ratto, ch'avria vinto
quel moto che più tosto il mondo cigne;
Ganz ähnlich wie die Aureole eng das Licht
umschließt und es farbig strahlen lässt wenn
der Dunst in seiner Nähe, der es umgibt nur eng genug
drehte sich um den Punkt so schnell ein Feuerkreis
dass er übertroffen hätte jenen Kreis
der die Welt am festesten umschließt
Um den Punkt, der Gott ist und der sich im Auge Beatrices spiegelt, bildeten sich mehrere Kreise, so wie sich um den Mond, wenn der Himmel etwas dunstig ist, eine Aureola oder Korona bildet. Sollten Sie, wie der Autor, selten nach oben schauen, Dante spricht von so was:
Das muss aber nicht notwendig diese Farben haben, möglich ist auch so was:
Der Unterschied besteht darin, dass bei letzterem Bild das Licht durch Eiskristalle gebrochen wird, bei ersterem durch Wassertropfen. Wie dem auch immer sei, diese Korona meint er. Und diese Korona / Aureola dreht sich nun so schnell wie das Primum Mobile. Der Unterschied zur Korona besteht darin, dass er bei Dante neun Kreise hat (die sich unterschiedlich schnell drehen). In diesen Kreisen halten sich nun die verschiedenen Engel auf. Damit wir mal einen Überblick über das Geschehen bekommen, diese Grafik:
Der obere Kreis zeigt uns die Hierarchie der Engel, diese sind Gegenstand des gegenwärtigen Geträllers. Den unteren Kreis hatten wir schon und dazwischen ist die Mistica Rosa, die kommt noch. Jetzt kommt erstmal eine schlichte Aufzählung.
Um diesen Ring sich nun ein zweiter schlang,
Den schloss ein dritter, den ein vierter ein,
Um den ein fünfter sich und sechster schwang.
Der nächste schien bereits so groß zu sein,
Dass der zum Kreis ergänzte Irisbogen,
Ihn zu umspannen, wäre noch zu klein.
Neun Feuerschlangen waren so gezogen;
Die größern kreisten mit geringrer Schnelle
Je ferner sie den Mittelpunkt umflogen.
Und jene prangte in der größten Helle,
Die als die innerste in diesem Reigen
Am nächsten kreiste um die Wahrheitsquelle.
Wo Dante das wieder ausgegraben hat, ist unklar. Im Paradies sind auf jeden Fall nicht nur die Wesen nicht humanoider Natur, sondern die ganze Region ist irgendwie nicht humanoid. Bis jetzt hatten wir nur die Variante, dass die Wesen stärker leuchteten, je mehr sie liebesglutdurchdrungen waren. Jetzt kommt noch hinzu, dass sie sich auch schneller bewegen, je mehr sie abbekommen von der göttlichen Liebe.
Die Herrin sprach, als sie mich sah in Schweigen
Und Sorge stehn: „Sieh Himmel und Natur
Abhängig sich von diesem Punkte zeigen!
Und der zunächst ihm zieht die engste Spur,
Dem Kreise gibt die sehnsuchtsvolle Liebe
Zum Schwung die rasende Bewegung nur.“
Im Original
La donna mia, che mi vedea in cura
forte sospeso, disse: «Da quel punto
depende il cielo e tutta la natura.
Mira quel cerchio che più li è congiunto;
e sappi che 'l suo muovere è sì tosto
per l'affocato amore ond'elli è punto»
Meine Herrin, die mich sah in Sorge
Und schweigsam, sagte: „Von diesem Punkt hängt
Alles ab, der Himmel wie auch die Natur.
Betrachte den Kreis der ihn am engsten umgürtet;
und wisse dass er so rasch bewegt
Durch die übervolle Liebe deren Ursprung der Punkt.“
Je dichter also der Kreis an dem Punkt, desto mehr Liebe bekommt er ab, desto schneller dreht er sich. Das ist jetzt irgendwie eine ganz neue Sichtweise auf die Liebe. Sie rückt damit in die Nähe von Naturkräften wie die Gravitationskraft, die Zentrifugalkraft, der Magnetismus etc. Ganz falsch ist das ja nicht, die Liebe ist ja irgendwie auch eine Naturkraft. Dante hätte das wahrscheinlich gern romantischer, aber so ganz hinterlistig steckt er uns ja auch mal ein paar elementare Wahrheiten. Liebe als reine Naturkraft, die Dinge zum Kreisen bringt. Hm.
Und ich: „Wenn gleiche Ordnung hielt und triebe
Die Sinnenwelt wie hier die Himmelskreise,
So glaub ich, dass mir nichts zu zweifeln bliebe;
Doch drunten teilt man anders aus die Preise,
Gibt größre Göttlichkeit den Erdendingen,
Je ferner sie ums Zentrum ziehn die Gleise.
Im Original
E io a lei: «Se 'l mondo fosse posto
con l'ordine ch'io veggio in quelle rote,
sazio m'avrebbe ciò che m'è proposto;
ma nel mondo sensibile si puote
veder le volte tanto più divine,
quant'elle son dal centro più remote.”
Und ich zu ihr: “Wenn die Welt derselben
Ordnung folgte, die ich erkenne in diesen Kreisen,
hätte mich befriedigt, was du sagst;
doch in der Welt der Sinne kann man sehen,
dass um so göttlicher die Kreise,
je weiter sie entfernt vom Zentrum
Die Grundaussage ist eigentlich simpel. Die von der Erde entfernten Himmel drehen sich schneller als die, die nah sind. Am schnellsten dreht sich aber das Primum Mobile. Im Himmel ist es anders. Da drehen sich die Kreise, die dem Punkt am nächsten sind am schnellsten. Es gibt jetzt zwei Probleme. Das erste Problem ist, dass Dante die danteske Astrophysik nicht versteht und das zweite ist ein Übersetzungsproblem. Dante versteht die danteske Astrophysik deswegen nicht, weil die Energiequelle ja sowohl auf der Erde wie im Himmel Gott ist. Folglich dreht sich der innere Engelskreis und das Primum Mobile am schnellsten, die sind nämlich am dichtesten bei Gott und der Quelle der Liebe, die alles in Bewegung setzt. Das ist also im Grunde logisch, aber Dante blickt nicht mehr durch, durch die danteske Astrophysik. Das zweite Problem ist ein Übersetzungsproblem. Gmelin übersetzt so:
Doch in der Sinnenwelt kann man die Kreise
Nur um so schneller sehen in der Umdrehung,
Je weiter sie vom Mittelpunkt entfernt
Das „tanto più divino“ übersetzt er mit „um so schneller“ anstatt mit „um so göttlicher“. Das ist zwar nicht korrekt, kann man aber machen, denn schnell und göttlich läuft in der dantesken Astrophysik auf das Gleiche hinaus. Je dichter ein Kreis bei Gott ist, desto mehr Liebe bekommt er ab und desto schneller dreht er sich.
Soll drum mein Wunsch Befriedigung erringen
In diesem wunderbaren Engelstempel,
Drum Licht und Liebe sich als Grenzwall schlingen,
So musst du lehren mich, warum sich Stempel
Und Prägstock, Ab- und Urbild widerstreiten:
Allein kann ich nicht lösen dies Exempel!“
Im Original
Onde, se 'l mio disir dee aver fine
in questo miro e angelico templo
che solo amore e luce ha per confine,
udir convienmi ancor come l'essemplo
e l'essemplare non vanno d'un modo,
ché io per me indarno a ciò contemplo»
Drum muss, soll mein Begehr gestillt
Werden in diesem wunderbaren und engelhaften Tempel
der nur umgrenzt von Liebe und Licht
so muss ich hören warum das Original
Und die Kopie nicht in der gleichen Art geschaffen
weil ich dies ratlos betrachte
Er will also wissen, warum das Original, die um den Punkt kreisenden Sphären der Engel nicht mit der Kopie, also der Erde und ihren Sphären (Mond, Merkur, Venus, Sonne, Mars, Jupiter, Saturn) übereinstimmt. Im Grunde liegt das daran, dass Dante durch die danteske Astrophysik nicht durchblickt, aber Beatrice nimmt das Problem natürlich zum Anlass, einen recht langwierigen Vortrag über Theologie zu halten.
„Nicht wundert mich‘ s, wenn hier auf Schwierigkeiten
Dein Finger stößt; nur fester ward der Knoten,
Weil niemand an die Lösung ging beizeiten,“
Im Original
«Se li tuoi diti non sono a tal nodo
sufficienti, non è maraviglia:
tanto, per non tentare, è fatto sodo!».
“Wenn deine Finger diesem Knoten nicht
Genügen, ist dies kein Wunder:
Weil nie versucht, ist er nun hart geworden“
Das Bild ist zwar ein bisschen abartig, aber nicht vollkommen abwegig. Man kann das Gefühl haben, dass es sich hierbei um eine Redewendung handelt. Allerdings passt es nicht richtig. Einen Knoten kann man irgendwann tatsächlich nicht mehr lösen, er wird nämlich mit der Zeit tatsächlich immer härter, verfilzt auch. Wendet man das Bild aber auf ein Problem an, also auf ein durch die Kraft des Geistes zu lösendes Problem, dann passt es nicht. Ungelöste Probleme werden von sich aus mit der Zeit nur dann schwieriger, wenn sie wiederum andere Probleme hervorrufen. Die Analogie Finger / Knoten einerseits, Geist / Problem andererseits greift nicht.
So sprach sie und fuhr fort: „Wird dir geboten
Zu deiner Sättigung noch fernre Speise,
Lass deinen Scharfsinn mahlen sie und schroten!
Im Original
Così la donna mia; poi disse: «Piglia
quel ch'io ti dicerò, se vuo' saziarti;
e intorno da esso t'assottiglia
So meine Herrin; dann sagte sie: „Fang auf
was ich dir sagen werde, willst du dich sättigen;
und denke nach über die Details
Huh! Also wenn Beatrice was erzählt, dann muss man sich auch mit den Details beschäftigen. Schau ma mal.
Weit sind und eng die körperlichen Kreise,
Ganz wie die Kraft durch alle ihre Teile
Hinströmt in stärkrer oder schwächerer Weise.
Im Original
Li cerchi corporai sono ampi e arti
secondo il più e 'l men de la virtute
che si distende per tutte lor parti
Die körperlichen Kreise sind weit und eng
je nachdem wieviel und wie wenig die
Kraft alles ihre Bereiche durchdringt
In der dantesken Astrophysik, bei der wir jetzt nicht mehr wissen, wieviel Ptolemäus da noch drinsteckt, haben die Kreise der Erde (also die Sphären der Planeten) eine Ausdehnung und zwar je nachdem, wieviel sie von der göttlichen Kraft empfangen. Gemeint ist wahrscheinlich, dass die Kreise nach unten hin immer kleiner werden, der Mond sich also in einem kleineren Kreis dreht als der Merkur, der Merkur in einem kleineren als die Venus etc.. Das klingt zwar erstmal nach komplettem Schwachsinn, aber unter Umständen denkt Dante da an die maximale Höhe, die die Planeten im Verlaufe eines Jahres am Himmel erreichen. Aufgrund dieser Höhe wurde auch die Reihenfolge der Planeten ermittelt, die ja, sieht man mal von Mond und Sonne ab, der tatsächlichen Reihenfolge entspricht (zuerst Merkur, dann Venus, dann Mars, dann Jupiter dann Saturn. Neptun und Pluto fehlen, die waren damals nicht bekannt.) Schwachsinn ist es dann zwar immer noch, aber zumindest ist es irgendwie motiviert.
Die größere Güte wirkt in größerm Heile,
Und größrer Raum hält größres Heil umringt,
Gesetzt, das gleiche Kraft in jedem weile.
Im Original
Maggior bontà vuol far maggior salute;
maggior salute maggior corpo cape,
s'elli ha le parti igualmente compiute
Größere Güte führt zu größerem Heile;
ein größerer Körper umfasst größeres Heil,
wenn alle seine Teile gleich gefüllt
Das ist jetzt danteske Astrophysik vom Feinsten. In einen größeren Körper passt mehr Güte, das ist irgendeine göttliche Emanation, Gnade, Liebe, Licht was auch immer. Je größer der Kreis ist, desto mehr passt da rein unter der Voraussetzung, dass der Kreis homogen ist, also überall gleichermaßen mit göttlicher Emanation ausgefüllt werden kann. Das klärt aber zwei Dinge nicht. Erstens, wieso der Kreis größer wird und zweitens die Reihenfolge. Nur weil in einen größeren Eimer mehr Wasser passt, wird ein Eimer nicht größer, wenn man mehr Wasser reinschüttet. Fraglich ist allerdings, ob der Versuch, die Plausibilität eines solch abstrusen Quarkes zu untersuchen überhaupt Sinn macht.
Der Kreis nun, der das Weltall nach sich zwingt
In mächtigem Schwung, entspricht im Kern deswegen
Dem, der zutiefst mit Geist und Liebe dringt.
Im Original
Dunque costui che tutto quanto rape
l'altro universo seco, corrisponde
al cerchio che più ama e che più sape:
drum ist dieser, der das ganze andere
Universum mit sich reisst, dem Kreis
entsprechen der am tiefsten liebt und am meisten weiß
Logische Schlussfolgerungen zu ziehen war Dantes Stärke nicht. Es ist zwar bei diesem totalen Quark im Grunde wurscht, ob es in sich logisch kohärent ist oder nicht, aber die Logik ist abartig. Weil in einen größeren Kreis mehr göttliche Emmanation passt (was immer das sein mag), muss dieser Kreis - sie (Beatrice) redet vom Primum Mobile - in dem sie sich mit ihrer platonischen Jugendliebe gerade befindet, dem Kreis entsprechen, der am meisten liebt. Das läuft in etwa auf eine Aussage dieser Art hinaus. Wenn man in einen großen Eimer mehr Wasser füllen kann, ist der große Eimer der Eimer, in den am meisten Wasser passt. Das ist nicht falsch. Sie könnten es auch so formulieren. Wenn ein Eimer groß ist, ist er groß. Das ist auch zutreffend. Viele Aussagen Poppers fand der Autor ja immer trivial. Popper stellt zum Beispiel fest, dass der Wahrheitsgehalt einer Aussage kein Kriterium für die Qualität einer Aussage ist. Der Autor war immer der Meinung, dass sich dieser Tiefsinn auch dem schlichten gesunden Menschenverstand erschließt und in der Regel tut er das auch. Bei manchen Leuten, vor allem eben bei verbeamteten Geistlichen, wurde aber durch intensives Studium abstruser Theorien der gesunde Menschenverstand irgendwie weggeschossen. Ulkig ist auch noch das Verb sapere, wissen. Das Primum Mobile scheint irgendwie eine Art Lebewesen zu sein. Denn wissen als Verb ist eine Tätigkeit, kann nur von einem Lebewesen ausgeführt werden. In einer geographischen Region könnte man lediglich Wissen speichern.
Drum, willst du an die Kraft den Maßstab legen,
Nicht an die Form und Größe der geschwinden
Substanzen, die sich sphärisch hier bewegen,
So wirst du wunderbaren Einklang finden
In jedem Kreis mit dem was ihn regiert,
Dass Mehr sich pflegt dem Minder zu verbinden.“
Im Original
per che, se tu a la virtù circonde
la tua misura, non a la parvenza
de le sustanze che t'appaion tonde,
tu vederai mirabil consequenza
di maggio a più e di minore a meno,
in ciascun cielo, a sua intelligenza
denn wenn du auf die Kraft abstellst der
Kreise und nicht auf die Substanz der
Kreise die dir rund erscheinen
wirst du wundersame Folgerichtigkeit erkennen,
wenn das Größere dem Mehr, das Geringere dem
Weniger entspricht in jedem Himmel
Die danteske Astrophysik - da würde Bruno Binggeli sagen, dass man Stephen Hawking komplett in die Tonne treten kann dagegen - geht nun so und das will er uns mit den Terzinen sagen. Die Kreise, in denen die Engel wohnen, haben umso mehr göttliche Emanation (im Zweifelsfalle Liebe, das ist bei Dante eine Naturkraft), desto dichter sie bei Gott sind, sind aber kleiner als die folgenden, die zwar größer sind, aber weniger Emanation haben. Diese kleinen treiben nun aber die großen an, also die kleinen Engelskreise mit viel Energie die großen Sphären. Der Kreis der Seraphen also das Primum Mobile, der Kreis der Cherubine die Sphäre des Fixsternhimmels etc. Innerhalb dieses Quarks produziert er dann auch noch einen Widerspruch. Hat er uns oben noch mitgeteilt, dass in einen großen Kreis eben viel Emanation passt, das galt für die Sphären der Erde, dann teilt er uns jetzt mit, dass in einen kleinen Kreis mehr Emanation passt. Der Autor hat schon Verständnis dafür, dass man bei so vielen Sphären, liebesglutdurchdrungenem Glanzgelichter und ständigem Hosianna Singen im Qualm einer Haschpfeife irgendwann mal den Überblick verliert. Aber er hätte es dann auch irgendwann gelassen, mit dem Paradies. Dante braucht jetzt drei Terzinen, um uns mitzuteilen, dass er diesen Schwachsinn verstanden hat.
Wie klarer Glanz des Himmels Wölbung ziert,
Bläst Boreas aus der uns holdern Wange
Den mildern Hauch, wobei nichts mehr gefriert,
So dass der Nebel weicht dem warmen Zwange,
Und blau der Himmel seinen Fächer spannt,
Als ob drauf aller Engel Lächeln prange -:
So spaltete wie eine Wolkenwand
Es sich vor mir beim Worte ihrer Güte,
Dass wie ein Stern die Wahrheit vor mir stand.
Im Original
Come rimane splendido e sereno
l'emisperio de l'aere, quando soffia
Borea da quella guancia ond'è più leno,
per che si purga e risolve la roffia
che pria turbava, sì che 'l ciel ne ride
con le bellezze d'ogne sua paroffia;
così fec'io, poi che mi provide
la donna mia del suo risponder chiaro,
e come stella in cielo il ver si vide
Wenn nachdem der Nordwind hat geblasen aus
Jener Wange wo er weicher bläst, die Wölbung
Des Himmels klar und prächtig strahlt
weil er reinigt von den Nebelschwaden, was
durch diese ward verdunkelt, so dass der Himmel
lacht in seiner ganzen Pracht in der ganzen Gemeinde
so ging es mir, nachdem mich meine Herrin
versorgt mit ihrer klaren Antwort,
und wie ein Stern am Himmel man die Wahrheit sieht
Eine ernsthafte Studie der Divina Commedia müsste sich mit der Frage beschäftigen, wie Dante, selbst wenn er ein Bild nimmt, das einigermaßen suggestiv ist(Nebel als Metapher für Verwirrtsein, Desorientierung, Traurigkeit etc.) es schafft, derartig impotente Terzinen zu schmieden. Nebel ist, wenn anwesend, eine sehr suggestive Metapher für Traurigkeit, Niedergeschlagenheit.
Über die Heide hallet mein Schritt
dumpf aus der Erde wandert es mit
Herbst ist gekommen, Frühling ist weit
Gab es denn einmal selige Zeit?
Brauende Nebel geistern umher,
schwarz ist das Kraut und der Himmel so leer
Warum nur bin ich hier gegangen im Mai
Leben und Liebe, wie flog es vorbei
Theodor Strom
Und ebenfalls von Theodor Storm, der sich verziehende Nebel.
Der Nebel steigt, es fällt das Laub
Schenk ein den Wein den holden
Wir wollen uns den grauen Tag,
vergolden, ja vergolden
Und jammert auch einmal das Herz
stoß an und lass es klingen
wir wissen doch ein rechtes Herz
ist gar nicht umzubringen
Ein Problem bei Dante ist die Konstruiertheit der Sprache. Muss der Leser einer, vorsichtig formuliert, argumentatorischen Achterbahn folgen, dann ist das Gedicht wirkungslos. Wie suggestiv Gedichte sprachlich sind, ergibt sich im übrigen nicht aus der Analyse des Reimschemas oder des Versmaßes. Aussagekräftiger ist eine Feldforschung, mit der überprüft wird, wieviele Leute ein Gedicht wirksam rezitieren können und wieviele Leute weitgehend unmotivierte Sprachmodulationen durchführen. Da nun die Wahrheit durchs göttliche Walhala dröhnt und donnert, passiert natürlich mächtig was.
Sie schwieg – und sieh! aus allen Kreisen sprühte
Ein Funkentanz, wie es das Eisen macht,
Wenn unterm Hammer ächzt das weißgeglühte.
Und jeder Funke neue Funken facht,
Dass ich bei diesem Wachsen und Zerspalten
An jenes Schachbrett-Zahlenspiel gedacht.
Mit dem Schachbrett wird auf jene bekannte Geschichte angespielt: Der indische Herrscher Shihram tyrannisierte sein Volk und sah absolut nicht, dass er ohne seine Untertanen nichts war (eine
ähnliche Situation haben wir ja auch heute. Über Politik wird viel berichtet, über Wirtschaft wenig, obwohl die politischen Gestaltungsmöglichkeiten von der technischen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit abhängen. Die Politik ist lediglich ein Anhängsel derselben). Als erzieherische Maßnahme erfand der Brahmane Sissa das Schachspiel, wodurch der König dann lernte, dass er ohne seine Untertanen nichts ausrichten kann. Sein Verhalten besserte sich. Weil er den Brahmanen belohnen wollte, gewährte er ihm einen Wunsch. Dieser wünschte sich, dass er ihm soviel Getreide geben soll, wie sich ergibt, wenn man auf das jeweils nächste Schachfeld die doppelte Menge an Körnern liegt, die auf dem vorigen war (1, 2, 4, 8, 16, 32 etc.). Der König war zuerst erbost über den Wunsch, aber tatsächlich führt dieses Verfahren zu einer gewaltigen Menge an Getreide.
Worauf von Chor zu Chor Hosannas schallten
Dem festen Punkt, der sie an ihrem Ort
Stets hielt, noch hält, und ewig so wird halten!
Im Original
Io sentiva osannar di coro in coro
al punto fisso che li tiene a li *ubi*,
e terrà sempre, ne' quai sempre fuoro
Ich hörte wie erscholl Hossian von Chor zu Chor
bis zu jenem Punkt der fest hält am vorbestimmten
Punkt, wo sie immer sein werden und immer waren
Die Chöre, die da singen sind wahrscheinlich die ganzen Engel, die singen Hosanna. Hosanna ist eine Lobpreisung des Herrn. Der Ausdruck heißt eigentlich auf Hebräisch „Hilf“, mutierte dann aber zur Lobpreisung. Gesungen wird das am Palmsonntag, eventuell, in Bayern vielleicht. Konkret bezieht sich Hosanna auf den 18. Psalm, da steht ein paar Mal „Hilf“. Mit „bis zu jenem Punkt“ ist der Herrgott gemeint. Der hält alle fest, von Anbeginn zu Ewigkeit, Amen.
Sie, die mein Zweifeln sah, ergriff das Wort:
„Hier wirken in den ersten beiden Ringen
Seraph du Cherubine fort und fort;
Sie lässt ein Liebesband im Kreise schwingen,
Um Gott durch Anschaun soweit gleich zu sein,
Als sie begabt, sein Wesen zu durchdringen.
Im Original
E quella che vedea i pensier dubi
ne la mia mente, disse: «I cerchi primi
t'hanno mostrato Serafi e Cherubi.
Così veloci seguono i suoi vimi,
per somigliarsi al punto quanto ponno;
e posson quanto a veder son soblimi
Und sie die mich sah wie ich im Geiste
Zweifel trug, sagte: „Die ersten Kreise
Zeigten dir Seraphen und Cherubine.
So schnell folgen sie ihren Banden, dass sie
verschmelzen mit ihm so weit wie möglich; und
je mehr ihr Schauen es gestattet, umso mehr vermögen sie
Wieso sie sich dem Punkt umso mehr angleichen, je schneller sie drehen, weiß Dante allein oder vielleicht noch Dionysius Areopagita, von dem er die Darstellung hat. Jetzt kommt nochmal die geballte Ladung Theologen-Hokuspokus.
Die Liebesflammen, die darum sich reihn,
Heißt man des ewgen Angesichtes Throne;
Sie schließen diese Engelsdreiheit ein.
Im Original
Quelli altri amori che 'ntorno li vonno,
si chiaman Troni del divino aspetto,
per che 'l primo ternaro terminonno;
Diese anderen Liebeswesen, die um sie kreisen,
heißen Throne des göttlichen Anblicks,
weil sie die ersten in der Hierarchie der Engel
Der ganze Quark mit den Engeln kommt jetzt von einem gewissen Dionysius Areopagita, der allerdings nach heutigem Forschungsstand nicht historisch ist. Ihm wird die Schrift "Hierarchia coelestis" zugeschrieben. Die neun Engelskreise teilt er in drei Gruppen. Auf der ersten Stufe stehen Seraphin, die Cherubim und die Throne. Auf diese strömt die göttliche Emanation unmittelbar ein. Diese geben die Emanation, Liebe, Erkenntnis oder was auch immer an die drei Chöre der mittleren Triade (Dreiergruppe), die Herrschaften, Mächte und Gewalten, die diese dann wiederum weitervermitteln and die unterste Triade, die Fürstentümer, Erzengel und Engel. Letztere reichen es dann durch an die kirchliche Hierarchie, die wiederum in Form Worten, Sakramenten und dienender Liebe diese wiederum an die Menschen austeilt. Dann gibt es noch eine Einteilung von Gregor dem Großen (die Seraphim und Cherubine lobpreisen Gott, die zweite Gruppe, bestehend aus fünf Engelskreisen, sorgen für das
kosmische Kreisen der Sphären und andere Tätigkeiten, die in einem funktionierenden Universum durchzuführen sind und die letzte Gruppe befasst sich dann mit dem Menschen). Dante wird später, wir kommen darauf zurück, erklären, dass er ursprünglich ein Anhänger Gregors war, sich dann aber eines anderen besann und die Engelein wie Dionysius sortiert.
So viel wird jedem Seligkeit zum Lohne,
Als sich zur Wahrheitstiefe senkt sein Geist,
Dass er darin beglückt und wunschlos wohne.
Im Original
e dei saper che tutti hanno diletto
quanto la sua veduta si profonda
nel vero in che si queta ogne intelletto
und du musst wissen, dass alle selig sind
wenn ihr Blick so tief ins Wahre sich
versenkt, wo jeder Geist dann glücklich
Na ja. Wenn im Paradies nix mehr ist, worüber man sich freuen kann, keine Frauen, ständiges Psalm Gedudel und überall Baustrahler, sich um die eigene Achse drehende liebesglutdruchdrungene Glanzgelichter und überall ältere Herren lauern, die darauf erpicht sind Vorträge zu halten, dann bleibt einem als einziges Glück ja auch nur noch, die Wahrheit zu erkennen. Auf der Erde ist das ja anders. Lieber eine interessante Lüge als eine langweilige Wahrheit.
Das Gott anschaun, wie hieraus sich erweist,
ist Grundbedingung für ein selig Leben;
Das Liebe dann als zweites erst verheißt!
Im Original
Quinci si può veder come si fonda
l'essere beato ne l'atto che vede,
non in quel ch'ama, che poscia seconda;
So kann man sehen wie sich gründet
das selige Leben im Schauen,
und nicht in der Liebe, welche dieser folgt
Heilige Madonna der Schlachthöfe. Weil in den Tiefen des Universums irgendwelche Engelskreise gut schauen und deshalb von Liebe durchglüht sind, muss das auch auf der Erde so sein. Na also wenn das mal keine stringent schlüssige Argumentation ist. So ganz theologisch mystisch will er uns wohl sagen, dass wir hienieden Gott schauen müssen, zum Beispiel durch seinen gekreuzigten Sohn und dessen Stellvertreter auf Erden. Und haben wir ihn erst gesehen, dann sind wir liebesglutdurchdrungen.
Das Schaun will dem Verlust den Maßstab geben,
Und guter Wille wird Verdienst durch Gnade;
So kann Verdienst sich stufenweis erheben.
Im Original
e del vedere è misura mercede,
che grazia partorisce e buona voglia:
così di grado in grado si procede
Und aus dem Schauen erwächst der Verdienst,
den Gnade austeilt und guter Wille:
so fährt man fort von Stufe zu Stufe
Gesagt werden soll wohl das Tralala mit der Gnade, die Gott völlig selbstlos austeilt, davon redet der Ratzinger, Joseph auch immer. Wenn aber die Gnade Gott gar nichts kostet, dann wäre es, ökonomisch gesprochen, auch irrational, die Gnade nicht auszuteilen. Ein Pareto suboptimaler Zustand liegt vor, wenn durch den Austausch von Waren zumindest der Gesamtnutzen eines Beteiligten erhöht wird. In dieser Situation wäre es irrational, nicht zu tauschen. Gott verliert nichts und der Mensch gewinnt was. Möglich ist natürlich, dass es sich mit der Gnade verhält wie mit dem Sand in der Wüste. Den kann man auch tauschen, aber der eine verliert nix und der andere gewinnt nix, dann kann man es auch lassen. Etwas rätselhaft ist dann das „von Stufe zu Stufe“. Das geht wohl irgendwie so: Gott lässt gnädig schauen, dann wird der Wille gut, dann lässt er noch gnädiger schauen, dann wird der Wille besser, dann . . . Also irgendwie so.
Die zweite Dreiheit, im lauen Bade
Himmlischer Lenzluft blüht im ewgen Flore,
Dass nie mit Nachtfrost ihr der Widder schade,
Lässt aus dreifach verschlungnem Freudenchore
Ein ewig Lenzhosanna preisend klingen
Dreifacher Melodie vor Gottes Ohre.
Im Original
L'altro ternaro, che così germoglia
in questa primavera sempiterna
che notturno Ariete non dispoglia,
perpetualemente "*Osanna*" sberna
con tre melode, che suonano in tree
ordini di letizia onde s'interna
Die nächsten Drei, die in jenem
ewigen Frühling blühen, den der
nächtliche Widder nie entlaubt
sangen Hosanna ohne Unterlaß in drei
Verschiedenen Melodien, so dass er
In drei Ordnungen ertönt
Puh! Also die nächsten drei Engelskreise, die da Hosianna singen sind die Engelskreise der Herrschaften, Kräfte, Mächte (dominazioni, virtù, potestà). Das mit dem nächtlichen Widder ist jetzt schwierig. Die haben einen ewigen Frühling da oben, also ein Frühling, wie er auf der Erde herrschen würde, wenn nicht Frühlingspunkt (die Sonne stand früher im Widder, wenn sich die Ekliptik und der Himmelsäquator im Frühling schnitten. Das heißt, dass Tag und Nacht gleich lang waren. Danach werden die Tage länger). Vermutlich meint Dante aber gar nicht den Frühlingspunkt, sondern das Gegenstück dazu, die Herbst Tag- und Nachtgleiche am 22/23 September. Danach werden die Tage kürzer. Irgendwas wird er mit NÄCHTLICHEM Widder wohl gemeint haben. Vielleicht aber auch nicht, das kann man bei dem großen Grimmigen aus der Toskana nie wissen. Auf jeden Fall ist da oben ewiger Frühling, was natürlich im Ptolemäische Weltbild ebenso wahrscheinlich ist wie ewige Eiseskälte, denn im Ptolemäischen Weltbild ist eigentlich ziemlich unklar, wieviel Sonne die da oben abbekommen. Was das mit den drei Melodien auf sich hat, ist ein Rätsel. Eventuell hörten die drei Engelskreise drei verschiedene Melodien. Dass man auf so gewaltige Distanzen ohne Luft überhaupt was hört, ist erstaunlich, wäre ja auch mit Luft erstaunlich. Aber offensichtlich überträgt der Äther oder was immer da oben das Vakuum ausfüllt, die Schallwellen besser.
In dieser Hierarchie als erste schwingen
Herrschaften sich, dann siehst du Kräfte glänzen,
Und endlich Mächte ihren Reigen schlingen.
Im Original
In essa gerarcia son l'altre dee:
prima Dominazioni, e poi Virtudi;
l'ordine terzo di Podestadi èe
In dieser Hierarchie sind andere Götter:
Zuerst die Herrschaften, dann die Kräfte;
und die dritte Ordnung sind die Mächte
Mit dee sind hier wohl nicht Götter gemeint, sondern göttliche Wesen. Die Aufgaben der Engel kann man teilweise aus Bibelstellen herauslesen. Eine Darstellung der Hierarchie der Engel und mit welcher Bibelstelle die Zuordnung begründet ist, findet sich bei Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Engel#Christentum. Dann suchen nach Pseudo-Dionysius.
Erblick nun in den beiden nächsten Kränzen
Die Fürstentümer und Erzengel schweben -
Der letzte dient zu Engelspiel und Tänzen.
Im Original
Poscia ne' due penultimi tripudi
Principati e Arcangeli si girano;
l'ultimo è tutto d'Angelici ludi
In den beiden vorletzten Tänzen
siehst Prinzipati und Erzengel sich drehen
im letzten dann die Engel des Spiels
Wie Dante darauf kommt, dass die letzten Engel sich dem Spiel widmen, ist ein Rätsel. Im Allgemeinen sind es die einfachen Engel, die direkt mit den Menschen in Kontakt treten.
Nach oben sehn, die hier in Andacht leben,
Nach unten wirken sie, bis sie zum Frieden
Sich selbst aufringend alle mit sich heben.
Im Original
Questi ordini di sù tutti s'ammirano,
e di giù vincon sì, che verso Dio
tutti tirati sono e tutti tirano
Diese Kreise bewundernd schauen sie nach oben,
und nach unten wirken sie, nach Gott
Streben sie und zu Gott ziehen sie
Schon Dionys, der brünstig rang hienieden,
Dass er der Engel Hierarchie betrachte,
Hat sie wie ich genannt und unterschieden.
Na so ein Zufall aber auch. Da war der Dionysius doch glatt so gewitzt, dass er zum selben Ergebnis gekommen ist wie Beatrice. Beatrice weiß es aber von Dante und Dante von Dionysius.
Gregor als Mensch darüber anders dachte,
Bis er, als ihm sein Auge aufgeschlossen
Hier oben ward, den Irrtum selbst belachte.
Gemeint ist Gregor der Große (geb. 540, gest.604). Der hatte, wie oben beschrieben, die Engel anders einsortiert. Nicht dass der Autor ein Interesse daran hätte zu erfahren, wieso Gregor anders einteilt. Allerdings ist dem Autor nicht ganz klar, was Dante damit bezwecken will. Er teilt uns mit, dass es einen Unterschied gibt, aber nicht, worin dieser eigentlich besteht. Was sollen wir mit einer solchen Aussage anfangen? Aussagen dieser Art machen das Werk zwar für verbeamtete Geistliche interessant, sie haben dann eine dunkle Stelle, an der sie „forschen“ können, aber so mal ganz mit dem gesunden Menschenverstand betrachtet ist das behämmert.
Dass sich aus einem Menschenmund ergossen
Solch ein Geheimnis, wundere dich nicht:
Aus dem, der hier es sah, ist ihm erflossen
Die und noch mancher andern Wahrheit Licht!“
Im Original
E se tanto secreto ver proferse
mortale in terra, non voglio ch'ammiri;
ché chi 'l vide qua sù gliel discoperse
con altro assai del ver di questi giri
Und dass ein solches Geheimnis kündet ein
Sterblicher auf der Erde, muss dich nicht
wundern; denn jemand der hier gesehen, hat es dir verkündet
Mit vielem anderen noch was gesehen ward in diesen Kreisen
Gemeint ist der Apostel Paulus. Dionysius behauptet, dass er seine Kenntnisse direkt von ihm hat.