Der Autor hat es vorgezogen, ihnen nicht mitzuteilen, dass es eigentlich drei Prüfungen sind, denen Dante sich unterzieht, die in drei verschiedenen Geträllern untergebracht sind. Geprüft wird sein Wissen über die drei theologischen Tugenden Glaube (die hatten wir schon), Hoffen (das kommt jetzt) und Liebe (das ist der nächste Gesang). Dieser Gesang beschreibt das Ziel anfang das Ziel, das er mit der Divina Commedia verfolgte.

Wenn je den Hass mein heilig Lied erweichte,
Dran Erd und Himmel mitschrieb, dass die Bürde
Mich schon seit Jahren magerte und bleichte -

Und ich zum trauten Pferche kehren würde,
Wo ich als Lamm, eh man mich verbannt
Als Feind des Wolfes, der ein Feind der Herde-

Mit anderem Haar und rühmlicher bekannt
Käm ich als Dichter heim, dort zu empfangen
Den Lorbeerkranz an meines Taufsteins Rand,

Dort, wo ich einst zum Glauben eingegangen
Der uns mit Gott vermählt und dessentwegen
Sankt Petres Flammen um mein Haupt sich schwangen!

Im Original

Se mai continga che 'l poema sacro
al quale ha posto mano e cielo e terra,
sì che m'ha fatto per molti anni macro,

vinca la crudeltà che fuor mi serra
del bello ovile ov'io dormi' agnello,
nimico ai lupi che li danno guerra;

con altra voce omai, con altro vello
ritornerò poeta, e in sul fonte
del mio battesmo prenderò 'l cappello;

però che ne la fede, che fa conte
l'anime a Dio, quivi intra' io, e poi
Pietro per lei sì mi girò la fronte

Wenn jemals das heilige Gedicht
an welchem teilnahm Himmel und Erde,
so dass ich abmagerte mit den Jahren,

die Grausamkeit besiegt die mich nach
Hinaustrieb aus dem schönen Pferche wo ich schlief als Schaf,
Feind den Wölfen, die es bekämpfen;

kehre ich jemals zurück, denn mit anderer
Stimme und anderem Haar, um zu empfangen
An meinem Taufbecken, den Lorbeerkranze

wo ich hinein ging in den Glauben an dem
Gott die Seelen erkennt, und dessentwillen
der heilige Petrus um meine Stirn kreiste

Das ist jetzt alles ein bisschen schwer zu interpretieren. Mit „heiligem Gedicht“ ist die Divina Commedia gemeint und ist eine Selbsteinschätzung Dantes. Ob das eine Aussage über die Qualität ist, oder sich lediglich auf das Thema bezieht, ist schwer zu sagen. Der Autor würde sagen, dass es eine Aussage über die Bedeutung ist, schließlich wird der Papst ja den Autor dieses Kommentars auch nicht heilig sprechen. Eine unmittelbare Nähe zur heiligen Schrift ist im italienischen weniger gegeben, die heilige Schrift ist die „Sacra Bibbia“. Auch das mit dem Himmel und Erde ist unklar. Unter Umständen will er uns damit sagen, dass sowohl das irdische Jammertal beschrieben wird, wie auch der Himmel, was wir natürlich bestreiten. Über das Fühlen, Wollen, Hoffen des mittelalterlichen Menschen sagt die Divina Commedia nichts. Zumindest die einfachen Leute, die von dem Thomas von Aquin und ähnlichem Hokuspokus verschont blieben und weit entfernt von der nächsten Kirche wohnten, werden wohl zumindest ansatzweise ein Innenleben gehabt haben. In der zweiten Terzine teilt er uns mit, dass er sich von seinem Opus einen Sinneswandel seiner Zeitgenossen erhofft, allerdings bleibt unklar, welcher Art dieser sein sollte. Wahrscheinlich hätten sie alle Tore für Heinrich VII öffnen und dann zu Kirche rennen sollen. Das vollkommene Glück wäre dann entstanden, wenn das kirchliche Personal gefastet und sich kasteit hätte. Die Ketzer aller Art und die französischen Könige hätten sich erhängen sollen. Irgendwie so. Eine in sich konsistente Vorstellung einer Gesellschaftsordnung ist der Divina Commedia nicht zu entnehmen. Der Pferch (veraltetes Wort für eine umzäunte Weidefläche) ist Florenz. Er selber sieht sich als Schaf. Da aber seine Bewunderung Cäsaren aller Art gilt, die müssen nicht mal christlich sein, es reicht vollkommen, wenn sie den brutalst möglichen Imperialismus betreiben, ist man geneigt, eher von einem Wolf im Schafspelz zu sprechen. Das „mit anderer Stimme“ bezieht sich wahrscheinlich auf den geänderten Focus. Galt sein Frühwerk noch einer konkreten Frau, ist sein Spätwerk, als die Divina Commedia, einem himmlisch / göttlichen Megaloch gewidmet, mit „anderem Haar“ meint er, dass er älter geworden ist. Der Glaube, in den er durch Empfang des Sakramentes der Taufe in Florenz eingegangen ist, ist natürlich der christliche. Weil er diesen Glauben im Geträller vorher richtig beschrieb, ist Petrus in Lichtform um ihn herumgekreist. Diese Art eine Emotion zum Ausdruck zu bringen, können wir zwar nicht nachvollziehen, da es aber im Paradies von irgendwelchen Glanzlichtern wimmelt, die sich um ihre eigene Achse drehen, immer heller werden, auf einen zurasen etc. können wir das Sozialverhalten der nicht humanoiden Lebensformen interpretieren.

Nun kam ein Licht uns aus der Schar entgegen,
Drin jener weilte, den zuerst von allen
Der Herr des Stellvertreteramts ließ pflegen,

Da hörte ich Beatricens Stimme schallen,
Wonnebeseelt: „Sieh, sieh! Das ist der Held,
Um den sie heut noch nach Galizien wallen.“

Im Original

Indi si mosse un lume verso noi
di quella spera ond'uscì la primizia
che lasciò Cristo d'i vicari suoi;

e la mia donna, piena di letizia,
mi disse: «Mira, mira: ecco il barone
per cui là giù si vicita Galizia»
Da kam uns ein Licht entgegen
aus jener Schar, aus der Christus
Wählte einen seiner Stellvertreter

und meine Herrin, von Glückseligkeit erfüllt,
sagte zu mir: „Schau, Schau das ist der Würdenträger,
dessentwegen man nach Galizien pilgert

Beatrice strahlt also wieder wie ein Honigkuchenpferd. Warum das so ist, müssen wir nicht verstehen, Ekstase scheint irgendwie zu den Religionen zu gehören wie das Maß Bier zum Oktoberfest. Wir wissen auch nicht, was die Leute in Ekstase versetzt, wenn der Papst mit seinem Papamobil durch die Gegend fährt oder was die Teenies in die Ohnmacht treibt, wenn Tokyo Hotel irgendwo auftritt. Die Sehnsucht braucht kein Ziel, sie ergießt sich auch in himmlisch / göttliche Megalöcher. Der Autor rätselt ja schon seit Jahren über diesem Gedicht.

Was reif in diesen Zeilen steht,
Was lächelnd winkt und sinnend fleht,
Das soll kein Kind betrüben,
Die Einfalt hat es ausgesäet,
Die Schwermut hat hindurchgeweht,
Die Sehnsucht hat's getrieben;
Und ist das Feld einst abgemäht,
Die Armut durch die Stoppeln geht,
Sucht Ähren, die geblieben,
Sucht Lieb', die für sie untergeht,
Sucht Lieb', die mit ihr aufersteht,
Sucht Lieb', die sie kann lieben,
Und hat sie einsam und verschmäht
Die Nacht durch dankend in Gebet
Die Körner ausgerieben,
Liest sie, als früh der Hahn gekräht,
Was Lieb' erhielt, was Leid verweht,
Ans Feldkreuz angeschrieben,
O Stern und Blume, Geist und Kleid,
Lieb', Leid und Zeit und Ewigkeit!

Clemens Brentano

Wir erfahren also nicht, was die Sehnsucht getrieben hat, denn alles was beschrieben wird, ist ja untergegangen, verwelkt, verblüht, verweht. (…Die Armut durch die Stoppeln geht / Sucht Ähren die geblieben / Sucht Lieb‘, die für sie untergeht, Sucht Lieb‘, die mit ihr aufersteht…). Sie sucht etwas, weiß aber nicht was. Was gesucht wird, bleibt ungenannt (…Und hat sie einsam und verschmäht / Die Nacht dankend in Gebet / Die Körner ausgerieben…). Was war, ist nicht mehr und was sein soll, ist unbekannt. Gesucht wird der Zustand der Fülle, der mal da war. Die Sehnsucht klammert sich in ihrer Verzweiflung an Abstrakta (O Stern und Blume, Geist und Kleid / Lieb‘, Leid und Zeit und Ewigkeit). Immerhin ist dieses Subjekt aber geladen, sucht Authentizität, hält im Unbestimmten an der Authentizität fest. Das ging Goethe ja bekanntlich etwas auf die Nerven, in Sehnsucht zu zerschmelzen war seine Sache nicht.

Es seien die Horen recht chaotisch
Exotisch, patriotisch,
wild, galant, despotisch
alles sei’s nur nicht narkotisch

Seine Stellung zur Romantik war reichlich apodiktisch. Wenn aber die Sehnsucht an der Authentizität festhält, ist das immer noch besser, wie wenn die Sehnsucht, wie bei Dante, an einem Knochen nagt. Der Held, der die Leute veranlasst nach Galizien (also noch Spanien) zu pilgern, ist Jakobus. Jakobus ist, zusammen mit seinem Bruder Johannes, einer der erstberufenen Jünger Christi. Er wird, nach der Apostelgeschichte 12, 1 ff von Herodes Agrippa I (nicht zu verwechseln mit Herodes Antipas) hingerichtet.

Um diese Zeit legte der König Herodes die Hände an etliche von der Gemeinde, sie zu peinigen. Er tötete aber Jakobus, den Bruder des Johannes, mit dem Schwert. Und da er sah, daß es den Juden gefiel, fuhr er fort und fing Petrus auch. Es waren aber eben die Tage der süßen Brote.

Dass er in Spanien gewesen sein soll, ist reine Legende. Die Legende ist aber business, denn auf ihr gründet die Bedeutung der Pilgerreise nach Santiago de Compostela (Jakobsweg). Der Leichnam des Jakobus soll, so die Legende, nach seiner Enthauptung auf ein Schiff ohne Besatzung gelegt worden sein, welches dann alleine nach Galizien segelte. Dort soll der Leichnam ins Landesinnere gebracht und begraben worden sein. Über seinem Grab wurde eine kleine Kapelle errichtet aus der dann später eine Kathedrale wurde um die herum sich wiederum Santiago de Compostela gründete. Über Santiago de Compostela haben wir mal einen virtuellen Spaziergang gemacht, der findet sich hier.

http://www.spanisch-lehrbuch.de

In Spanien soll Jakobus auch missionarisch tätig gewesen sein, allerdings reichlich erfolglos. Die Tristesse mit dem spanischen Katholizismus kam erst später.

Wie ein verliebter Täubrich sich gesellt
Der Taube, beide gurrend sich umkreisen
Die Liebe zeigend, die ihr Inneres schwelt;

Sah ich einander Liebesgruß erweisen
Die beiden Himmelsfürsten, und das Brot
Des Himmels hört ich sie rühmend preisen.

Im Original

Sì come quando il colombo si pone
presso al compagno, l'uno a l'altro pande,
girando e mormorando, l'affezione;

così vid'io l'un da l'altro grande
principe glorioso essere accolto,
laudando il cibo che là sù li prande.

Ganz wie eine Taube sich der anderen
nähert, der eine sich dem andern sein
Neigung zeigt, indem er gurrende ihn umkreist;

so sah ich wie der eine große Fürst vom
Anderen ward empfangen, die Speise preisend
Die sie dort oben nährt

Die zwei, die da turtelnd auf ihn zuschreitend sind Jakobus und sein Bruder Johannes. Es ist bezeichnend für Dante, dass er Emotionen und Gefühle überwiegend durch die Art, wie sie sich nach außen zu erkennen geben, beschreibt, wobei ihm aber jeder innere Kompass fehlt, der ihn zumindest vor allzu groben Schnitzern bewahren würde. Die Zuneigung zweier Menschen zueinander mit sich angurrenden Tauben zu vergleichen, ist in etwa so, wie wenn man die Liebe ganz allgemein mit der Brunft eines Bockes vergleicht. Er hätte auch sowas machen können.

Wie der Hirsch zur Brunftzeit,
seine Nüstern geil erzittern lässt,
und röhrend um die Hirschkuh buhlt

die ganz erregt von seiner Donnerkrone
Machtgeweih, nicht mehr nur schmachtet,
sondern mehr als das bereit sich zeigt

Vermutlich würde selbst Julio Iglesias zu dem Thema mehr einfallen. Das gleiche Problem haben wir dann mit dem zweiten Bild. Die Wirkung, die die im Paradies gewonnen Erkenntnis hervorruft, vergleicht er mit der Wirkung, die die Nahrungsaufnahme hervorruft. Das Bild wird zwar oft verwendet (geistige Nahrung), dies allein bedeutet aber noch nicht, dass es lyrisch wirksam ist. Lustiger wäre es natürlich, wenn man nicht von Nahrung allgemein spricht, sondern von konkreten Speisen.

Wie beim Genuss von Rindsroulade
der Bauch sich sättigt und auch dehnt
so dass man träge wird und faul

so belasten auch Terzine das
Gehirn, und im Übermaß genossen
wird das Gehirn dann löchrig wie ein Käse

Möglicherweise bezieht sich das mit dem Brot des Himmels auch auf das Sakrament des Abendmahls. Die Frage, die die Menschheit beschäftigt, ist nun die. Wie hat Dante es auf die zwei Euro Münze geschafft ?

Das ging wohl so ähnlich wie bei Che Guevara. Der hat es weniger durch die Präzision der Analyse der wirtschaftlichen Verhältnisse auf alle T-Shirts, Mützen, Poster geschafft, also durch das Bild selbst. Das macht was her. So rein optisch hat er ja was, der große Grimmige aus der Toskana. Dem Thema Che Guevara und dessen Wirkung auf das weibliche Geschlecht haben wir natürlich auch mal ein Video gewidmet.

http://www.spanisch-lehrbuch.de/

Wenn Sie also in ein Land reisen, dessen Sprache Sie nicht beherrschen, dann setzen Sie sich einfach eine Che Guevara Mütze auf. Der Mythos lebt! Als Mensch gibt Dante Rätsel auf. Noch das einfachste zeitgenössische Gemüt hat wohl ein ausdifferenzierteres Innenleben als der große Grimmige und würde für elementare Empfindungen, so sie denn nur so richtig elementar vorliegen, treffendere Vergleiche finden als turtelnde Tauben. Bekanntlich gibt es ja gewaltige philosophische Strömungen, die Frankfurter Schule eben, die die Abschaffung des Subjektes durch vergesellschaftete Welt beklagen. Daran entzündet sich dann auch die bekannte Auseinandersetzung zwischen Popper und Adorno. Während Popper die messbaren Fakten gelten lässt, sind für Adorno die Fakten selbst schon produziert. Die ganze Diskussion um die vergesellschaftete Welt wirkt aber geradezu lächerlich wenn man Dante liest. Im Vergleich zu einem ungehemmt sich austobenden Katholizismus wie im Mittelalter, das dürfte wohl einer der Hauptgründe für Dantes schlichtes Gemüt sein, ist die Kulturindustrie geradezu eine aufklärerische Kraft. Problematischer als die Kulturindustrie, die ja pro Jahr eine ganze Reihe ziemlich genialer Filme hervorbringt, erscheint dem Autor im Übrigen die Journaille in Fernsehen, Radio, Print. Für die Jungs und Mädels sind die Verhältnisse zu kompliziert geworden. Das ist aber allein deren Problem, denen mit ihren Trashtexten steuern sie mangels Nachfrage in den Konkurs. Wir werden also in den nächsten Jahren einen Haufen arbeitslose Journalisten, Redakteure etc. haben und der Autor weiß nicht mal, ob er ihnen einen Praktikumsplatz anbieten würde.

Nachdem Willkommen so ein jeder bot,
Hielt schweigend vor mir an das Paar im Schweben,
Von augenblendendem Geblitz umloht

Das ist so bei den nicht humanoiden Lebensformen. Die Art, wie ihr innerer Gemütszustand sich ausdrückt ist zwar auf wenige Phänomene beschränkt, genau genommen eigentlich nur durch das Dimmen des Lichtes, aber damit scheinen sie irgendwie alles auszudrücken. Sie sind also von augenblendendem Geblitz (ignito sì che vincea 'l mio volto) umloht.

Lächelnd sprach Beatrice: „Ruhmreich Leben,
Das uners Tempels Überfluss und Pracht
In so beredten Worten kundgegeben,

Lass tönen hier die Hoffnung, deren Macht
Du uns ja selbst im Bilde ließest schauen,
Als er euch dreien hellres Licht entfacht“

Im Original

Ridendo allora Beatrice disse:
«Inclita vita per cui la larghezza
de la nostra basilica si scrisse,

fa risonar la spene in questa altezza:
tu sai, che tante fiate la figuri,
quante Iesù ai tre fé più carezza»

Lachend sagte Beatrice: „Hochgelobtes
Leben durch das beschrieben ward
die Größe Unserer Kirche

lass wieder erklingen in diesen Höhen der Hoffnung
Stimme: Du weißt, da du es selbst uns hast beschrieben,
wie Jesus diese drei mehr liebte

Das ist nun ein Osterei der Extraklasse, also faktisch kaum auflösbar. Sie spricht aus einer zweier Gruppe einen an, von dem Gesagt wird, dass er die Größe der Kirche beschrieben hat und zusätzlich hat er noch drei Glauben (fé) mehr als alle liebte. Wenn wir jetzt annehmen, dass sie Jakobus anspricht und nicht den Unbekannten, stellt sich natürlich die Frage, wo dieser den kirchlichen Prachtbau beschrieben hat. Dann könnte man an den Jakobusbrief denken, (http://www.bibel-online.net/buch/59.jakobus/1.html), was aber insofern problematisch ist, weil es zwei Jakobus gibt und der Verfasser des Jakobusbriefes wohl der andere ist, also nicht der von Christus erwählte Jünger, der hier auftaucht. Weiter würde sich die Frage stellen, an welcher Stelle dieses Jakobusbriefes denn der kirchliche Prachtbau beschrieben wird, bzw. welche Stelle gemeint ist. Brisant, also nicht gerade für den Autor, aber für die Christgläubigen, ist die Tatsache, dass Jakobus doch tatsächlich gute Werke sehen will, der Glaube allein reicht nicht.

Jakobus 2, 14: Was hilfst, liebe Brüder, so jemand sagt, er habe den Glauben, und hat doch die Werke nicht? Kann auch der Glaube ihn selig machen? So aber ein Bruder oder eine Schwester bloß wäre und Mangel hätte der täglichen Nahrung, 16und jemand unter euch spräche zu ihnen: Gott berate euch, wärmet euch und sättiget euch! ihr gäbet ihnen aber nicht, was des Leibes Notdurft ist: was hülfe ihnen das? Also auch der Glaube, wenn er nicht Werke hat, ist er tot an ihm selber.

Das wiederum findet unser Benedikt gut:

Mit dem Namen des Jakobus wird auch der Brief in Verbindung gebracht der seinen Namen trägt und unter den „katholischen Briefen“ den ersten Platz einnimmt. „Es handelt sich um eine wichtige Schrift“, so der Papst, „die vor allem die Notwendigkeit hervorhebt, dass der eigene Glauben nicht auf eine rein verbale oder abstrakte Erklärung reduziert werden darf, sondern konkret durch gute Werke zum Ausdruck kommen soll.

Aus: http://www.fides.org/

Und Luther natürlich voll daneben, da lebt der Gerechte allein aus dem Glauben. Deswegen hat er in der Bibel den Jakobusbrief irgendwo ganz hinten versteckt. Sehe Sie jetzt wie Recht der Autor hat mit seiner Ursprungsthese? Es reichen ein paar höchst skurrile Fragen, um eine unendliche Anzahl neuer Fragen zu erzeugen. Bei den Jüngern gibt es welche, die hat Jesus zuerst erwählt, Jakobus, Johannes und Petrus und andere später. Die ersterwählten dürfen manchmal bei Sachen dabei sein, wo die anderen weggeschickt werden, bzw. nicht mitgenommen werden. Beschrieben ist sowas zum Beispiel bei Matthäus 17, 3: Und nach sechs Tagen nahm Jesus zu sich Petrus und Jakobus und Johannes, seinen Bruder, und führte sie beiseits auf einen hohen Berg. Und er ward verklärt vor ihnen, und sein Angesicht leuchtete wie die Sonne, und seine Kleider wurden weiß wie ein Licht. Und siehe, da erschienen ihnen Mose und Elia; die redeten mit ihm. Petrus aber antwortete und sprach zu Jesu: HERR, hier ist gut sein! Willst du, so wollen wir hier drei Hütten machen: dir eine, Mose eine und Elia eine. Da er noch also redete, siehe, da überschattete sie eine lichte Wolke. Und siehe, eine Stimme aus der Wolke sprach: Dies ist mein lieber Sohn, an welchem ich Wohlgefallen habe, den sollt ihr hören! Da das die Jünger hörten, fielen sie auf ihr Angesicht und erschraken sehr. Jesus aber trat zu ihnen, rührte sie an und sprach: Stehet auf und fürchtet euch nicht! Da sie aber ihre Augen aufhoben, sahen sie niemand denn Jesum allein.
Und da sie vom Berge herabgingen, gebot ihnen Jesus und sprach: Ihr sollt dies Gesicht niemand sagen, bis das des Menschen Sohn von den Toten auferstanden ist. Und seine Jünger fragten ihn und sprachen: Was sagen denn die Schriftgelehrten, Elia müsse zuvor kommen? Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Elia soll ja zuvor kommen und alles zurechtbringen. Doch ich sage euch: Es ist Elia schon gekommen, und sie haben ihn nicht erkannt, sondern haben an ihm getan, was sie wollten. Also wird auch des Menschen Sohn leiden müssen von ihnen. Da verstanden die Jünger, daß er von Johannes dem Täufer zu ihnen geredet hatte.

Diese drei ersten Jünger stehen auf für die theologischen Tugenden. Jakobus für die Hoffnung, Petrus für den Glauben und Johannes für die Liebe. Warum, wieso, weshalb ergibt sich natürlich nur aus der Bibelexegese, das ist höchst wissenschaftlich. Der Autor ist sich aber sicher, dass er die toppen kann, wenn er es darauf anlegt, er würde mit deren Methoden auch den hegelschen Weltgeist im Telefonbuch finden.

„Erheb dein Haupt und habe nur Vertrauen;
Erst reifen muss in unseren Lichtgloriolen,
Was hier heraufkommt aus des Todes Auen.“

Das heißt zu Deutsch, den Umgang mit den nicht humanoiden Lebensformen muss man erst lernen.

Als so das zweite Licht mir Trost empfohlen,
Sich meine Blicke zu den Bergen fanden,
Vor deren Wucht sie sich gesenkt verstohlen

Im Original

Questo conforto del foco secondo
mi venne; ond'io levai li occhi a' monti
che li 'ncurvaron pria col troppo pondo

Dieser Trost kam mir vom zweiten Feuer,
als ich erhob die Augen zu den Bergen,
zuerst mich blind sein ließen durch das Übermaß an Licht

Mit Bergen meint er die zwei Lichter, die ja eigentlich Jakobus und Johannes darstellen. Dies ist zumindest italienischen Kommentaren zu entnehmen (http://www.mediasoft.it/dante), allerdings ist nicht so richtig klar wieso.

„Weil unsers Kaisers Huld dir zugestanden,
Dass du vor dem Tode schon Verkehr darfst pflegen
Mit dem geheimen Hof der Himmelsgranden,

So dass –trat hier Wahrheit dir entgegen -
Die Hoffnung, die euch drunten immer blüht,
In dir und andern stärkt der Liebe Segen,

Sag: Was ist sie? Wie sie dir im Gemüt
Entsprosste und woher sie dir gekommen?“
So schloss die zweite Flamme glanzumsprüht

Im Original

«Poi che per grazia vuol che tu t'affronti
lo nostro Imperadore, anzi la morte,
ne l'aula più secreta co' suoi conti,

sì che, veduto il ver di questa corte,
la spene, che là giù bene innamora,
in te e in altrui di ciò conforte,

di' quel ch'ell'è, di' come se ne 'nfiora
la mente tua, e dì onde a te venne».
Così seguì 'l secondo lume ancora.

“Weil unser Kaiser will, dass du durch
Gnade noch vor dem Tod, begegnest seinen
Grafen im geheimsten Saale,

so dass, nachdem du sehen gelernt hast
an diesem Hofe die Hoffnung, die dort unten
Liebe erweckt, dir und anderen Stärkung sei

aus was sie besteht, was sie ist und
Wie sich mit ihr schmückt dein Geist, von
woher sie kommt“, fuhr fort das zweit Licht

Das sind nun sogar ausnahmsweise mal spannende Fragen, wobei sich die Liste sogar fortsetzen ließe. Was ist Hoffnung? Wie entsteht Hoffnung? Verändert sich der Horizont der Hoffnung? Was können Ziele der Hoffnung sein? Von dem in letzter Zeit allseits gerühmten Helmut Schmidt stammt ja der Ausspruch „wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen“. Das fanden dann alle unheimlich lustig. Der Autor würde ja sagen, wer keine Visionen hat, soll sich erschießen, bzw. hoffnungslos darf man sein, shit happens, wer aber jedes etwas ambitioniertere Projekt als behandlungsbedürftig brandmarkt, erklärt das Reihenhaus und die Ledergarnitur zum Ziel, das ist dann als Gesellschaftsprojekt nicht spannend, da trocknet eine Gesellschaft aus. Auch eine politische Führung darf, wenn der technische Sachverstand vorhanden ist, auch mal richtig hinlangen, ein richtiges ambitioniertes Projekt hinstellen, so dass die Welt mal richtig Wow! sagt. Anstatt in diesen Trümmerhaufen Goethe Institut pro Jahr 200 Millionen Euro zu stecken könnte man z.B. mit dieser Summe mal 2 Millionen von den 100 Dollar Rechnern kaufen (http://de.wikipedia.org/wiki/100-Dollar-Laptop) und sie in Afrika verteilen. Der Autor hat die schon gesehen, die sind putzig, haben Internetanschluss, leiten die Signale weiter, sind energiesparend, robust und kindgerecht. Denkbar wäre auch Energiegewinnung mit low tech, also nicht mit Solarzellen sondern mit Spiegeln. Wo genug Sonne da ist, tut‘ s auch low tech, Hauptsache billig und reproduzierbar. Für konkrete Projekte mit hohem Wow-Effekt kann man auch viele Leute begeistern. Bei Hoffnungszenarien kann man nun zwischen zwei Typen unterscheiden, je nachdem woher die Brise, die das Schiff der Hoffnung treiben soll, herweht. Bei Dante weht diese Brise ja aus dem Jenseits, wobei dieses paradiesische Jenseits aber ein Ort ist, wo nur nicht humanoide Lebensformen wohnen. Dante hat uns nun eindringlich gezeigt, dass aus dem Jenseits keine warme Brise weht. Die Hoffnung besteht bei Dante auch lediglich darin, dass wir dahin kommen können, wobei allerdings völlig unklar ist, was wir da eigentlich sollen. Weiter ist der Zustand im Diesseits und im Jenseits statisch. Das Paradies hängt aufgehängt am Firmament wie das Hirschgeweih in der Dorfkneipe, von Anbeginn bis zum letzten Tag, Amen. Und auch das Diesseits ist statisch. Die Bedeutung des Diesseits ergibt sich allein aus dem Jenseits. Auch wenn Dante und uns Ratzinger, Joseph das anders sehen, aus dem Jenseits weht keine Brise, die das Schiff der Hoffnung in Fahrt bringt. Zweitens kann die Brise aus dem Diesseits wehen, dann ist sie getränkt mit Erfahrung. In diesem Fall ist sie dynamisch, ist verknüpft mit dem technisch Möglichen, der gesellschaftlichen Entwicklung und der individuellen Entwicklung. Aus diesen ergibt sich der utopische Horizont und aus deren Weiterentwicklung die Verschiebung desselben. Zur ersten Kategorie, die Brise weht aus dem Jenseits, gehört die Divina Commedia und zur zweiten Kategorie, die Brise weht aus dem Diesseits, gehört Goethes Faust. Und dieser Unterschied zeigt, was in den 500 Jahren, die zwischen diesen beiden Werken liegt, passiert ist.

Da ward mir von der Führerin, der frommen,
Die sternhinan mein Schwingenpaar geleitet,
Die Antwort aus dem Munde schon genommen:

„Mehr hofft kein Sohn der Kirche, die da streitet,
Als er, wie dieser Sonne Glanz bewährt,
die hier ihr Lichtkleid um uns alle breitet,

Drum war der in Ägypten frei erklärt,
Dass er im Glanz Jerusalems sich weide,
Noch eh des Krieges Dienstzeit sich verjährt

Im Original

E quella pia che guidò le penne
de le mie ali a così alto volo,
a la risposta così mi prevenne:

«La Chiesa militante alcun figliuolo
non ha con più speranza, com'è scritto
nel Sol che raggia tutto nostro stuolo:

però li è conceduto che d'Egitto
vegna in Ierusalemme per vedere,
anzi che 'l militar li sia prescritto

Und jene Fromme die die Federn meiner
Flügel führte zu so hohem Fluge,
kam mir mit meiner Antwort zuvor:

„Die streitbare Kirche hat keinen Sohn, der mehr
Hoffnung in sich trägt, wie geschrieben in der
Sonne steht, die unserer ganzen Gemeinschaft leuchtet

Jene Fromme ist Beatrice. Die macht erstmal gut Wetter für ihren Schützling. Dass ihr Schützling also viel Hoffnung in sich trägt, würden wir natürlich bestreiten. Es mag ja sein, dass er die Hoffnung hat, ins Paradies zu kommen, aber da schwirren lediglich nicht humanoide Lebensformen durch die Galaxis, die irgendwelche Dinge tun, überwiegend halten sie Vorträge über irgendetwas, die man auch im irdischen Jammertal tun könnte. Die Sonne ist dann Gott, der leuchtet der ganzen illustren Gesellschaft. Bei den nicht humanoiden Lebensformen ist leuchten Ausdruck eines nur abstrakt vorgestellten Glückes. Wir haben also im Prinzip keine Ahnung, wie die sich fühlen. Selbst wenn wir konzedieren, dass Vorstellungen, die sich auf die Undendlichkeit beziehen notwendigerweise abstrakt sind, bedeutet dies nicht, dass die Endlichkeit vollkommen entleert wird.

Drum ward er in Ägypten frei erklärt,
Dass er im Glanz Jerusalems sich weide,
Noch eh des Krieges Dienstzeit ihm verjährt.

Im Original

però li è conceduto che d'Egitto
vegna in Ierusalemme per vedere,
anzi che 'l militar li sia prescritto

drum ist ihm zugestanden, dass Ägypten
er verlässt, um Jerusalem zu schauen,
noch bevor der Kriegsdienst ward vollendet

Ägypten ist das irdische Jammertal, das durfte Dante verlassen, noch bevor sein Einsatz für die Kirche vollendet war, damit er das Paradies sieht.

Die andern Punkte – nicht, dass er entscheide
Darüber – soll er zum Beweis nur wählen:
Wie teuer dir die Hoffnung sei. Auf beide

Wird ihn die Antwort nicht mit Sorge quälen,
Noch minder wird sie ihn zur Prahlsucht reizen;
Und möge Gottes Huld dabei ihn stählen

Im Original

Li altri due punti, che non per sapere
son dimandati, ma perch'ei rapporti
quanto questa virtù t'è in piacere,

a lui lasc'io, ché non li saran forti
né di iattanza; ed elli a ciò risponda,
e la grazia di Dio ciò li comporti».

Nach den anderen zwei Punkten wird nicht
Gefragt um Wissen zu erlangen, sondern damit er
Künde, wie wohlgefällig dir diese Tugend

ihm überlass ich es, nicht schwer wird es ihm
Fallen noch wird er sich rühmen; er wird darauf
Antworten und die Gnade Gottes wird ihm helfen

Die anderen zwei Punkt sind die von oben. Gefragt hat er ihn nach der Art der Hoffnung und wo sie herkommt. Die Prüfung an sich wird hierdurch natürlich etwas komisch. Im Himmel können ja alle Gedanken lesen, zumindest können die anderen die Gedanken Dantes lesen, damit hätte sich die Prüfung an sich erübrigt, Jakobus weiß es, was Dante weiß. Deswegen betont Beatrice, dass Dante rein zur Freude der anderen sein Wissen ausbreitet. Dieser wiederum wird seinen Vortag über Scholastik ohne Hochmut aber auch ohne Mühe vorbringen. Um einen solchen Vortrag zu halten, hätte er aber nicht ins Paradies steigen müssen und die Zuhörer hätten ja ein paar Stockwerke weiter unten direkt bei Thomas von Aquin nachfragen können. Dante hat das gleiche Problem, wie die verbeamteten Geistlichen, die an den Unis der Rente entgegenschlurfen. Das Glück besteht im Wiederkäuen, das vage, als Sinnsurrogat, irgendwie mit „Kultur“ und „Geist“ in Verbindung gebracht wird. Sie kreisen um ein Loch und allein die Tatsache, dass der Steuerzahler ihnen eine Struktur schafft, hindert sie daran, in diese gähnende Leere hineinzufallen. Die Anstrengung, die es sie kostet, sich davon zu überzeugen, dass ihr Loch einen Inhalt hat, ist ihnen aber teilweise anzusehen. Die Anzahl an desorientierten Spinnern ist doch erheblich.

Wie Schüler nicht mit dem Lehrer geizen,
Was sie gesammelt aus der Weisheit Bronnen,
Und mit der Kenntnis gern sich harmlos spreizen

Im Original

Come discente ch'a dottor seconda
pronto e libente in quel ch'elli è esperto,
perché la sua bontà si disasconda,

Wie ein Schüler der sich fleißig und bereit
zeigt dem Lehrer, in den Dingen, wo er Kenntnis
Hat erworben, seine Güte offenbart

hm. Keine Ahnung was da im Mittelalter los war und was die da für ein Schüler Lehrer Verhältnis hatten. Heutzutage werden einfach Klausuren geschrieben. Des weiteren gehört der Vergleich, soll er eine innere Befindlichkeit ausdrücken, zu der Kategorie Turteltaube und Ochse zur Brunftzeit. Was ausgedrückt werden soll, irgendwie ein hingebungsvolles Lehrer – Schüler Verhältnis ist schon schwachsinnig und hinzukommt, dass es behämmert ausgedrückt wird.

Begann ich: „Hoffnung ist zukünftiger Wonnen
Erwartung und gewisser Zuversicht,
Wo Gnade und Verdienst ihr Werk begonnen

Im Original

«Spene», diss'io, «è uno attender certo
de la gloria futura, il qual produce
grazia divina e precedente merto.

„Hoffnung“, sagte ich, „ist wenn man sicheres
Erwarten zukünftigen Heiles, welche erzeugt wird
Durch die göttliche Gnade und vorangegagenem Verdienst

Dante schafft es selbst bei der Erklärung einfachster Begriffe auf engstem Raum das Maximum an Schwachsinn zu erzählen. Hoffnung ist eben gerade nicht das SICHERE Erwarten. Hoffnung, wie auch Glaube, ist durch das Moment der Unsicherheit charakterisiert. Wer mit dem sicheren Eintreten eines positiven Ereignisses rechnet, der hofft nicht, der freut sich. Der Unterschied zwischen glauben und hoffen besteht darin, dass glauben keine emotionale Bewertung des Ereignisses ausdrückt. Glauben kann man, dass das Flugzeug abstürzt, oder eben nicht. Hoffen bringt eine emotionale Bewertung zum Ausdruck. Wer hofft, dass ein Flugzeug abstürzt, hat dafür Gründe, die über das technische / menschliche Versagen hinausgehen. Die zweite durch die Terzine ausgedrückte Behauptung ist theologischer Natur, also ohnehin Mumpitz. Allerdings reicht im Protestantismus (zumindest bei Martin Luther) der Glaube aus, um ins Himmelreich zu kommen, Verdienste werden nicht benötigt. Auch wenn das bei Thomas von Aquin oder sonstwo anders steht, die Geschichte mit den theologischen Tugenden (Liebe, Glaube, Hoffnung) ist Mumpitz, da es sich um einen Zirkelschluss handelt. Der Mumpitz wird auch dadurch nicht richtiger, dass er ein paar tausend Mal wiederholt wird.

Hoffnung gibt menschlichem Handeln motivierende Kraft. Sie ist Gegenspielerin von Verzweiflung, Resignation und Furcht. Im Neuen Testament steht sie dadurch im Spannungsverhältnis zwischen Gottvertrauen und menschlichem Zweifel. Vertraut man auf Gott, so gibt die Hoffnung Sicherheit

Aus: http://www.uni-kiel.de

Wenn der Glaube so umgedeutet wird, dass er Sicherheit bedeutet, dann ist Hoffnung nur noch Vorfreude. Die Hoffnung basiert dann auf denselben Grundlagen wie der Glaube, es ist dann das Gleiche.

Das ist aber eigentlich gar nicht das Problem, das ist eben scholastischer Wortwirrwar. Das zentrale Problem ist, dass Hoffnung statisch gesehen wird und sich immer auf das gleiche Ziel bezieht, eben auf das himmlisch / göttliche Megaloch. Problematisch ist das deswegen, weil viele Leute und vor allem verbeamtete Geistliche, das genau so sehen. Hätten diese Volltrottel konkrete Berufserfahrung würden sie schnell kapieren, dass sich nur in den Fluren der Universitäten die Welt sich nach den althergebrachten Grundsätzen des Berufbeamtentums bewegt, außerhalb derselben, und eben insbesondere für Unternehmen, die mit ihren Steuergeldern die Schnarchnasen ernähren, ändern sich die Rahmenbedingungen ständig und mit den Rahmenbedingungen auch die Leute, die in diese Prozesse involviert sind. Ein Ereignis, dessen Eintreten man gestern noch erhoffte, kann heute so spannend sein, wie die Frage, welcher Popstar mit welchem anderen Popstar in die Kiste steigt. Mit den technischen, gesellschaftlichen Veränderungen, verändern sich die Individuen. Gleichzeitig eröffnen diese Veränderungen neue Horizonte, was wiederum Ziele in das Blickfeld rückt, an die heute noch gar niemand denkt. Ein statistisches Weltbild, führt zu einem statischen Ausbildungssystem, zu einem festgelegten Fächerkanon, der mit festgelegten Methoden vermittelt wird und Fähigkeiten mit festgelegten Methoden bewertet. Unrealistisch sind alle drei: Der Fächerkanon, die Methoden und die Bewertung. Was vor 100 Jahren richtig war, muss nicht für die nächsten 5000 Jahre richtig sein. Das Ziel der Hoffnung ist nicht statisch, sondern dynamisch und ganz wesentlich davon abhängig, inwieweit eine Gesellschaft ihre kreativen Potentiale ausschöpfen kann. Kreativität ist der zweite große Begriff, nach Glück, der in Lehrplänen nie auftaucht.

Von vielen Sternen kommt mir dieses Licht,
Doch machte mir zuerst das Herz entbrennen
Des großen Gottessängers Lobgedicht

Im Original

Da molte stelle mi vien questa luce;
ma quei la distillò nel mio cor pria
che fu sommo cantor del sommo duce

Von vielen Sternen kam mir dieses Licht;
doch jener hat es mir zuerst ins Herz
Gegossen, der der Sänger war des höchsten Führers

Mit den vielen Sternen sind die verschiedenen Bücher, Kapitel und Verse der Bibel gemeint. Wer der Sänger ist, läßt sich dieser Terzine erstmal nicht entnehmen. Es handelt sich um David, dem viele Psalmen zugeschrieben werden. Auf einen Psalm wird im folgenden Bezug genommen.

Dein hoffen die, so deinen Namen kennen:
Das war‘ s was er in seinen Psalmen rief -
Wer meines Glaubens weiß ihn nicht zu nennen

Im Original

"Sperino in te", ne la sua teodia
dice, "color che sanno il nome tuo":
e chi nol sa, s'elli ha la fede mia?

„Sie hoffen auf dich“, sag er in seiner Hymne
„die deinen Namen kennen“:
Und wer weiß ihn nicht, der meinen Glauben hat

Das „Sperino in te“ ist dritte Person Plural congiuntivo des Verbes sperare. Dante hat also den Anfang von Psalm 9, 11, der ursprünglich auf lateinisch vorlag, übersetzt. Der ganze Vers lautet.

et sperent in te qui noverunt nomen tuum quoniam non dereliquisti quaerentes te Domine
Darum hoffen auf dich, die deinen Namen kennen; denn du verlässest nicht, die dich, HERR, suchen.

Das „die deinen Namen kennen“ ist wohl weiter gefasst, soll wohl heißen, die an Jesus Christus glauben. Die, die an Jesus Christus glauben (für die der ganze christliche Brimborium also Gewissheit ist), die hoffen dann auch (genau genommen freuen sie sich, weil der Glaube ja Gewissheit ist) ins Paradies zu kommen. Die hoffen also nicht ins Paradies zu kommen, sondern sie glauben es, aber der Glaube ist Gewissheit und folglich freuen sie sich auf‘ s Paradies.

Dann träufelst du selbst in deinen Brief
So reichlich mir ins Herz von deinem Segen,
Dass es von dort in andre Herzen lief

Im Original

Tu mi stillasti, con lo stillar suo,
ne la pistola poi; sì ch'io son pieno,
e in altrui vostra pioggia repluo»

Dann hast du in deinem Brief, mit seinen
Tropfen mich getränkt; so dass ich ganz erfüllt,
auf andere euren Regen gieße

Was für ein Klosterfrau Melissengeist da über Dante gekippt wurde ist zwar unklar, aber mit „Dein Brief“ ist der Jakobusbrief gemeint. Da die Bibelexegese ja eine windelweiche Angelegenheit ist, kann man aus diesem als thematischen Schwerpunkt wahrscheinlich auch Hoffnung herauslesen, aber eigentlich geht es weit mehr um die gottgefällige Lebensführung. Auf Hoffnung verweist vielleicht, wenn man sich anstrengt, diese Stelle.

Jakobusbrief, 5, 7 ff: Habt nun Geduld, Brüder, bis zur Ankunft des Herrn. Siehe, der Ackersmann wartet auf die köstliche Frucht der Erde und hat Geduld ihretwegen, bis sie den Früh- und Spätregen empfange. Habt auch ihr Geduld, befestigt eure Herzen, denn die Ankunft des Herrn ist nahe gekommen. Seufzt nicht widereinander, Brüder, auf dass ihr nicht gerichtet werdet. Siehe, der Richter steht vor der Tür. Nehmt, Brüder, zum Vorbild des Leidens und der Geduld die Propheten, die im Namen des Herrn geredet haben. Siehe, wir preisen die glückselig, welche ausgeharrt haben. Von dem Ausharren Hiobs habt ihr gehört, und das Ende des Herrn habt ihr gesehen, dass der Herr voll innigen Mitgefühls und barmherzig ist.

Ein Bezug zu den Psalmen (mit seinen Tropfen mich getränkt), lässt sich mit viel gutem Willen aus Jakobusbrief, 5, 13 herauslesen: Leidet jemand unter euch Trübsal? er bete. Ist jemand gutes Mutes? er singe Psalmen.

Dann kommen wieder die merkwürdigen Verzückungen der nicht humanoiden Lebensformen.

Indem ich also sprach, sah ich sich‘ s regen
Im Licht, als ob im Wetterleuchtgesprühe
Sich Blitze zuckend durch die Nacht bewegen

Im Original

Mentr' io diceva, dentro al vivo seno
di quello incendio tremolava un lampo
sùbito e spesso a guisa di baleno

Während ich sprach, war im inneren
Des lebendigen Schoßes dieser Flamme ein Flackern
plötzlich und oft, ganz wie ein Blitz

Inwischen sind wir aber richtig gewitzt. Wenn es also zuckt, flackert, leuchtet und sich dreht, dann wird geliebt und sich gefreut. Das Sozialverhalten können wir jetzt zwar im Detail nicht nachvollziehen, im Grunde hat Dante Jakobus nur mitgeteilt, dass er seinen Brief gelesen hat (der im übrigen nicht von ihm stammt, also nicht von Jakobus dem Älteren, der in Galizien begraben liegt, sondern Jakobus der Gerechte), aber darüber freut er sich derartig, dass er völlig entzückt ist.

Dann klang‘ s: „Die Liebe, drin ich hier noch glühe
Für jene Tugend, der ich mich befleißt,
Bis psalmgekrönt ich schied vom Feld der Mühe,

Sie fragt dich abermals, damit dein Geist
An diesem Himmelsglute sich erfreue:
Sprich denn: Was solche Hoffnung dir verheißt?“

Im Original

Indi spirò: «L'amore ond'io avvampo
ancor ver' la virtù che mi seguette
infin la palma e a l'uscir del campo,

vuol ch'io respiri a te che ti dilette
di lei; ed emmi a grato che tu diche
quello che la speranza ti 'mpromette»

Dann quoll es heraus: “Die Liebe die mich
Jetzt noch lässt glühen für die Schau jener Tugend
die mir folgte bis zu der Palme und zum Tod

will dass ich dir mitteile, das was dich erfreut
an ihr; und deshalb ist es mir genehm, von dir
Zu erfahren, was die Hoffnung dir verspricht

Jene Tugend, die Jakobus folgte, ist eben die Hoffnung und zwar bis zur Palme und zum Tod. Palme steht in der christlichen Mythologie für Martyrium, es gibt eine ganze Menge von Legenden, die die Palme mit dem Martyrium in Verbindung bringen (einfach bei google Martyrium und Palme eingeben). Problematisch könnte noch das „uscir del campo“ sein, das Land verlassen. Das steht für Tod, neudeutsch also für out of consumption. Die Frage allerdings, „was Hoffnung dir verspricht“ ist schwachsinnig, weil sie auf ein statisches Ziel abstellt. Hoffnung kann zwar höchst abstrakt sein, jemand mit breiter Brust, Mut, Kreativität und ausgreifendem Denken neigt eher dazu, auch Ziele zu intendieren, die nur schwach mit der Realität vermittelt sind. Hoffnung kann höchst abstrakt auf maximales Gelingen gerichtet sein.

O greife weiter, weiter Sturm
und nimm auf deine starken Schwingen
Den höchsten Stern, den kleinsten Wurm
Uns endlich alle heimzubringen

Lenau

Hoffnung ist hier abstrakt als maximales Gelingen formuliert. Ihre Konkretisierung besteht allein in der Negation. Sie duldet nichts, was unterhalb des maximalen Gelingens liegt. Vermittelt ist sie nur durch das ausgreifende Denken, das die persönlichen, sozialen und technischen Möglichkeiten daraufhin überprüft, ob sie einen neuen utopischen Horizont öffnen. Die Hoffnung stirbt auch nicht zuletzt, wie viele Leute meinen. Es ist eher umgekehrt. Stirbt die Hoffnung, stirbt die ganze Gesellschaft. Die Hoffnung ist hochgradig irrational, das unterscheidet sie vom Glauben, der letztlich eine Aussage über eine Wahrscheinlichkeit trifft. Hoffnung ist ein Denken in Möglichkeiten, richtet sich auf die Zukunft. Glauben leitet sich aus Erfahrungswerten ab, speist sich aus der Vergangenheit. Die Hoffnung ist nur in der Dante Version etwas für die schmalbrüstigen Professorchen. Deren Hoffen bezieht sich auf den Renteneintritt und den Lebensabend, das Summum Bonum ist eine Professorenstelle. Von der Hoffnung Dantes unterscheiden sie sich nur insofern, als bei Dante das Summum Bonum nur die Toten erreichen, bei den Professorchen sogar die Untoten.

Drauf ich: „Die Schriften, alte wie neue,
Bezeichnen mir das Ziel, das Gott bescheidet
Den Seelen, die mit ihm verknüpft die Treue!

Aus den Schriften liest er also das gesamte Tralala mit dem Paradies. Wo genau ist allerdings schleierhaft, denn das Paradies wird in der Bibel, im Gegensatz zum Koran, nicht beschrieben.

Jesaja spricht, dass jede wird bekleidet
Mit doppeltem Gewand in ihrem Lande:
Dies Land ist hier, wo ewge Lust euch weidet

Im Original

Dice Isaia che ciascuna vestita
ne la sua terra fia di doppia vesta:
e la sua terra è questa dolce vita;

Jesaja sagt, dass jeder in seinem Lande
mit zwei Gewändern bekleidet sein wird:
und seine Erde ist dieses süße Leben

Die Stelle bezieht sich auf Jesaja 61,7: Fremde werden stehen und eure Herde weiden, und Ausländer werden eure Ackerleute und Weingärtner sein. Ihr aber sollt Priester des HERRN heißen, und man wird euch Diener unsers Gottes nennen, und ihr werdet der Heiden Güter essen und in ihrer Herrlichkeit euch rühmen. Für eure Schmach soll Zwiefältiges kommen, und für die Schande sollen sie fröhlich sein auf ihren Äckern; denn sie sollen Zwiefältiges besitzen in ihrem Lande, sie sollen ewige Freude haben.
Denn ich bin der HERR, der das Rechte liebt, und hasse räuberische Brandopfer; und will schaffen, daß ihr Lohn soll gewiß sein, und einen ewigen Bund will ich mit ihnen machen.

Bei Jesaja geht es konkret um das Wiedererstarken und Erblühen des Volkes Zion (der Israeliten, benannt nach dem Berg Zion, dem Tempelberg, in dessen Tempel die Bundelade aufbewahrt wurde). Dante deutet das wohl offensichtlich um (… und seine Erde ist DIESES süße Leben…), dieses süße Leben ist jetzt das Paradies. Das mit den „zwei Gewändern“ ist jetzt gar nicht mehr zu deuten. In Text von Jesaja ist wohl gemeint, dass das Volk Zions zwiefältig (doppelt) ausgestatten sein wird, mit ihrem eigenen Besitz und der Völker, die ihnen dann dienen werden. Italienische Kommentare schreiben folgendes.

ne la sua terra: nella sua vera patria, in cielo, la " doppia
vesta " sarà la luminosità dell'anima e, dopo la Resurrezione,
anche del corpo

in seinem Lande: In seinem wirklichen Lande, im Himmel, mit „la doppia vesta” (doppeltes Gewand) ist wohl die Helligkeit der Seele und, nach der Wiederauferstehung, auch die des Körpers genannt.

Auch wenn man konzediert, das Bibelexeges eine ungemein strapazierfähige Kunst ist, strapaziert sie Dante hier ziemlich.

Dein Bruder lässt noch klarer dem Verstande
Das Licht der Offenbarung leuchten dort,
Wo er vom Schneeweiß redet der Gewande

Im Original

e 'l tuo fratello assai vie più digesta,
là dove tratta de le bianche stole,
questa revelazion ci manifesta».

und auch dein Bruder durch verständlichere Weise,
hat diese Wahrheit uns erschlossen,
wo er von den weißen Kleidern spricht

Dante geht, irrtümlich, davon aus, das der Apostel Johannes, also der Bruder des Jakobus, der Verfasser des Johannesevangeliums, auch der Verfasser der Offenbarung des Johannes ist. Diese Meinung wird heute nicht mehr vertreten. Zweifel an der Authentizität dieser Schrift setzten früh ein, schon im 4. nachchristlichen Jahrhundert. Die Stelle bezieht sich auf die Offenbarung des Johannes, 7, 9: Darnach sah ich, und siehe, eine große Schar, welche niemand zählen konnte, aus allen Heiden und Völkern und Sprachen, vor dem Stuhl stehend und vor dem Lamm, angetan mit weißen Kleidern und Palmen in ihren Händen, schrieen mit großer Stimme und sprachen: Heil sei dem, der auf dem Stuhl sitzt, unserm Gott, und dem Lamm! Und alle Engel standen um den Stuhl und um die Ältesten und um die vier Tiere und fielen vor dem Stuhl auf ihr Angesicht und beteten Gott an und sprachen: Amen, Lob und Ehre und Weisheit und Dank und Preis und Kraft und Stärke sei unserm Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen. Und es antwortete der Ältesten einer und sprach zu mir: Wer sind diese, mit den weißen Kleidern angetan, und woher sind sie gekommen? Und ich sprach zu ihm: HERR, du weißt es. Und er sprach zu mir: Diese sind's, die gekommen sind aus großer Trübsal und haben ihre Kleider gewaschen und haben ihre Kleider hell gemacht im Blut des Lammes.

Sie haben also ihre Kleider mit dem Blut Jesu reingewaschen. Das Problem mit den nicht suggestiven Bilder / Metaphern / Vergleichen fängt also nicht bei Dante an, so mancher Griff ins Klo findet sich schon in der Bibel. Warum man geläutert sein soll, wenn man seine Klamotten mit dem Blut Christi wäscht, ist dem Autor völlig schleierhaft. Abgestellt wird wohl auf das innere Einstellung. Diese kann in der Art sich zu kleiden zum Ausdruck kommen. Umgekehrt wird aber kein Schuh draus. Nur weil man ein sauberes Hemd anzieht, ändert sich noch lange nicht die innere Einstellung. Mit einer irgendwie sinnhaften Beleuchtung des Begriffs Hoffnung hat die Offenbarung des Johannes aber im Grunde nichts, rein gar nichts zu tun. Sie beschreibt lediglich eine apokalytische Endzeit. Wenn Dante über den Begriff Hoffnung beim Autor einen Aufsatz hätte schreiben müssen, hätte er ihm glatt eine fünf verpasst. Es wäre nicht mal ein schlechtes Abitursthema, man könnte im Unterricht die Faust Interpretation von Ernst Bloch durchnehmen und das zum Thema einer Prüfung machen. Allerdings wird man dann mit so windelweichem Gewäsch nicht mehr durchkommen.

Da rief‘ s – kaum dass erklang mein letztes Wort -
Sperent in te! Herab auch lichter Fähre,
Und Antwort sang der heilge Chor sofort

Im Original

E prima, appresso al fin d'este parole,
*Sperent in te*" di sopr'a noi s'udì;
a che rispuoser tutte le carole

Und sofort, gleich nach dem Ende dieser Worte,
konnte man *Sperent in te* über uns hören;
worauf der Reigen Antwort gab

Das ist so bei den nicht humanoiden Lebensformen. Da stellt irgend jemand eine reichlich wirre, unpräzise Frage, auf die irgendwas geantwortet wird, was mit der ursprünglichen Frage nur wenig zu tun hat, worauf dann alle in merkwürdiger Art und Weise irgendwelchen nicht näher definierten Emotionen auf merkwürdige Art und Weise Ausdruck verleihen. Wie man das jetzt beurteilt, liegt im Auge des Betrachters und der adäquaten Würdigung der Gesamtumstände. Entweder sagt man, dass man es mit einer nicht humanoiden Lebensform zu tun hat, dann ist das Verhalten zwar bizarr, aber eben für diese nicht humanoide Lebensform typisch, oder man sagt, dass das Paradies das fertige Irrenhaus ist. Das „Sperent in te* hatten wir schon oben, jetzt bringt es auch Dante im lateinischen Original.

Worauf ich sah, wie sich ein Licht verklärte,
Dass – wenn dem Krebs solch heller Glanz zu eigen -
Der Wintermond nur Tageslicht gewährte

Im Original

Poscia tra esse un lume si schiarì
sì che, se 'l Cancro avesse un tal cristallo,
l'inverno avrebbe un mese d'un sol dì

Dann glänzte auf zwischen jenen ein Licht
So klar, dass, hätte der Krebs ein solch
Kristall, hätte der Winter einen Monat Sonne

Schauen wir mal, was die verschiedenen Kommentatoren zu dieser Terzine zu sagen haben.

Baehr (Dante Alighieri, Reclam, Seite 521):
Wenn das Sternbild des Krebses, das in den Nächten um die Wintersonnenwende kultminiert, einen einzigen Stern von der Leuchtkraft des hier erscheinenden Lichtes hätte, so würde es zwischen dem 21. Dezember und 21 Januar niemals Nacht werden.

Die italienischen Kommentatoren schreiben (http://www.mediasoft.it/dante/)

se 'l Cancro...: dal 21 dicembre al 21 gennaio la costellazione del Cancro sorge quando il sole tramonta e tramonta quando il sole sorge. Dunque, se il Cancro avesse una luminosità pari a quella di quel " lume ", cioè di San Giovanni, dal 21 dicembre al 21 gennaio si avrebbe un mese
di continua luce (" d'un sol dì ").

wenn der Krebs…: Vom 21. Dezember bis zum 21 Januar erscheint das Sternbild des Krebses, wenn die Sonne untergeht und geht unter, wenn die Sonne aufgeht. Wenn also der Krebs eine Leuchtkraft hätte, die der dieses Lichtes entpricht, also der de Heiligen Johannes(das Licht ist der Heilige Johannes), wäre es zwischen dem 21. Dezember und dem 21. Januar ununterbrochen hell.

Der erste Fehler besteht darin, dass der Wendekreis des Krebses am 21. Juni ist und nicht am 21 Dezember. Das Datum 21. Dezember kann nur, auch wenn beide das nicht sagen, mit einem Wendekreis in Verbindung gebracht werden. Am 21. Dezember ist der Wendekreis des Steinbocks. Der Wendekreis des Krebses ist der Breitengrad, an dem die Sonne EINMAL im Jahr, am 21 Juni eben, auf der NÖRDLICHEN Welthalkugel im Zenit steht. Oberhalb (nördlich) dieses Breitenkreises steht sie nie im Zenit. Der Wendekreis des Steinbocks ist der Breitengrad, an dem die Sonne EINMAL im Jahr, am 21. Dezember eben, auf der SÜDLICHEN Welthalbkugel im Zenit steht. Südlich dieses Breitengrades steht sie nie im Zenit. Der Wendekreis des Krebses und der Wendekreis des Steinbocks verlaufen etwa 2600 km nördlich bzw. südlich des Äquators. Bis zum 21 Juni bzw. 21 Dezenmber werden die Tage auf der nördlichen bzw. südlichen Halbkugel länger, danach wieder kürzer. Wendekreist des Krebses, bzw. Steinbock heißen sie, weil die Sonne dann im Krebs bzw. Steinbock steht, rein theoretisch natürlich, denn wenn die Sonne da ist, ist das Sternbild nicht da und wenn das Sternbild da ist, ist die Sonne nicht da. Die Sonne hält sich vom 20. Juli bis zum 10. August im Sternbild Krebs auf. Was Dante in etwa gemeint habe könnte ist dies. Das Sternbild Krebs erreicht im Februar / März seinen höchsten Stand (das kann aufgrund der Präzession -„Torkeln der Erde um ihre Achse“ - zu Dantes Zeiten auch früher gewesen sein), das heißt, es ist dann am längsten am Sternenhimmel sichtbar. Gleichzeitig ist aber auch die Sonne ungefähr, genau genommen sehr ungefähr, in diesem Zeitraum am kürzesten sichtbar. Würde also der in diesem Zeitraum lange sichtbare Krebs mit einer ordentlichen Leuchtröhre ausgestattet, könnte er die kurze Verweildauer der Sonne zumindest teilwese kompensieren. Dante verwechselt seine Leser mit seinen Lehrern. Es mag schon sein, dass diese hochentzückt waren, wie oben beschrieben, wenn er bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit irgendwelche halbverdauten Wissensbruchstücke anbrachte, der Leser ist davon aber weit weniger entzückt, weil im Grunde völlig unklar ist, wieso er einen so weit, weit, weit hergeholtes Bild wählt, um uns mitzuteilen, das die Heilige-Johannes-Flamme leuchtete wie ein 2000 Watt Baustrahler. Da sie inhaltlich, also wenn man es ganz genau nimmt (genau genommen sagt er ja 1 Monat wäre dann Tag) auch noch falsch ist, stellt sich natürlich die Frage, was Dante eigentlich wirklich über Astronomie wusste und ob er die Originalwerke, also zum Beispiel den Almagest, tatsächlich gelesen hat und wenn nicht, welche Zusammenfassung bzw. welche Zusammenfassung einer Zusammenfassung er gelesen hatte und ob diese Zusammenfassung tatsächlich dem damaligen Wissenstand entsprach.

Und wie ein Mägdlein fröhlich tritt zum Reigen,
Um Ehre anzutun der Neuvermählten,
Und nicht, um eitel ihre Kunst zu zeigen

Im Original

E come surge e va ed entra in ballo
vergine lieta, sol per fare onore
a la novizia, non per alcun fallo,

Und wie eine fröhliche Jungfrau aufsteht
und sich zum Tanz gesellt, nur um die Braut
Zu ehren und nicht aus Eitelkeit

Na ja, das ist ein bisschen besser wie die Turteltauben, aber immer noch ganz schön abwegig. Unter Umständen denkt Dante dabei an die Jungfrauen, die die Schleppe des Brautkleides tragen oder um das Brautpaar einen Reigen tanzen oder was auch immer. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, der Autor kennt das von Hochzeitsfeiern orientalischer Prägung, es fällt ihm allerdings schwer, die genauen Motive der dort tanzenden, Jungfrau oder nicht, nachzuvollziehen.

So trat das Licht jetzt zu den auserwählten
Aposteln – die durch Tanz und Harmonie
In gegenseitiger Liebesglut sich stählten

Im Original

così vid'io lo schiarato splendore
venire a' due che si volgieno a nota
qual conveniesi al loro ardente amore.

so sah ich den helle Glanz sich nähern
zu jenen beiden die sich zur Musik
wie es sich ziemte ihrer glühenden Liebe

Auch das ist etwas unklar. Erstens weiß der Autor nicht wie diese älteren Herren tanzten, wahrscheinlich so ähnlich wie Thomas von Aquin, Franziskus und Dominikus ein paar Geträller weiter vorne und zweitens weiß er auch nicht, was es bedeutet, wenn man in glühender Liebe tanzt. Vermutlich haben sie nicht Salsa getanzt, soviel scheint sicher, der Rest ist unklar.

Und schloss sich an in Tanz und Melodie;
Doch Beatrice, ohne sich zu regen,
Sah sittsamstumm wie eine Braut auf sie:

Im Original

Misesi lì nel canto e ne la rota;
e la mia donna in lor tenea l'aspetto,
pur come sposa tacita e immota.

Er reihte sich ein in den Gesang und Tanz;
und meine Herrin verharrte wie sie war,
wie eine schweigsame und regunglose Braut

Das ist jetzt natürlich wahnsinnig tiefsinnig und theologisch. Beatrice repräsentiert die Wahrheit, die ist ewig und unvergänglich und offenbart sich durch die drei theologischen Tugenden Liebe, Glaube, Hoffnung. Das ist so im Paradies, der Glaube ist Gewissheit und offenbart die Wahrheit, die Hoffnung ist eine Vorfreude, weil ja eigentlich nichts erhofft wird, sondern das freudige Ereignis lediglich erwartet wird und geliebt wird die Wahrheit sowieso.

„Er ist‘ s, der liebend an der Brust gelegen
Dem heiligen Pelikan; er ward ernannt
Vom Kreuz herab, das hohe Amt zu tragen

Im Original

«Questi è c sopra 'l petto
del nostro pellicano, e questi fue
di su la croce al grande officio eletto»

Dieser ist auf der Brust
Unseres Pelikans, und dieser ward
An seinem Kreuz zu großem Dienst erwählt

??? Da liegt jemand an der BRUST eines Pelikans ? Ähem. Der Pelikan ist ein VOGEL. Wie liegt man auf der Brust eines Vogels. Natürlich ist der Pelikan ein Symbol, er versteht für Jesus Christus. Das kann man Psalm 107 bzw. 102, 7 entnehmen.

Ich gleiche einem Pelikan in der Wüste, bin wie ein Käuzchen in den Ruinen;

Das ist natürlich da schon etwas hergeholt, irgendwie scheint irgendjemand die Idee gehabt zu haben, dass die Pelikan Küken auf ihre Eltern losgehen, wie das Volk Israel auf den Herrn, ihrem Schöpfer also undankbar ist. Da sich bei Dante aber die Intertextualität austobt, also der Signifikant sich vom Signifikat verabschiedet hat, scheint Dante den Vogel etwas aus den Augen verloren zu haben. Sie sollten solchen poststrukturalistischen Analysen nicht folgen und das mit dem gesunden Menschenverstand sehen. Wörter haben eine Bedeutung, Sprache zielt auf einen Inhalt und an der Brust des Pelikans wird niemand gesäugt, der hat nämlich keine. Allerdings fragt sich der gesunde Menschenverstand dann manchmal schon, ob der christliche Glaube nicht doch eine Megaverarsche ist. Also wenn es einen Gott gibt, dann hat er sich offensichtlich einen gewaltigen Scherz erlaubt. Der da erwählt wurde ist Johannes. Bezug genommen wird auf das Evangelium des Johannes 19, 25 ff

Es stand aber bei dem Kreuze Jesu seine Mutter und seiner Mutter Schwester, Maria, des Kleophas Weib, und Maria Magdalena. Da nun Jesus seine Mutter sah und den Jünger dabeistehen, den er liebhatte, spricht er zu seiner Mutter: Weib, siehe, das ist dein Sohn! Darnach spricht er zu dem Jünger: Siehe, das ist deine Mutter! Und von der Stunde an nahm sie der Jünger zu sich.

Johannes ist der Lieblingsjünger. Dieser soll also der Sohn der Maria werden.

So meine Herrin; und wie unverwandt
Zuvor ihr Auge hing an diesen beiden,
Hing‘ s auch noch jetzt an ihnen wie gebannt

Im Original

La donna mia così; né però piùe
la vista sua di stare attenta
poscia che prima le parole sue

So sprach meine Herrin; doch weder
Wandte sie vorher ab den aufmerksamen
Blick, noch nach ihren Worten

Sie hat also das Gelichter die ganze Zeit angeschaut, während sie redete.

Wie bei der Sonnenfinsternis entscheiden
Zu können glaubt, wann sie beginnt und endet,
Dem doch beim Spähen nur die Augen leiden,

So stand ich, starr zum neuen Licht gewendet,
Da rief‘ s: „Was suchst du Dinge mit Beschwerde,
Die hier nicht sind? Und stehst nun glanzgeblendet?

Im Original

Qual è colui ch'adocchia e s'argomenta
di vedere eclissar lo sole un poco,
che, per veder, non vedente diventa;

tal mi fec'io a quell'ultimo foco
mentre che detto fu: «Perché t'abbagli
per veder cosa che qui non ha loco?


Ganz wie jener der ausspäht und sich müht
ein wenig von der Sonnenfinsternis zu sehen,
und dadurch das sie sieht, eben nichts mehr sieht

so erging es mir mit jenem letzten Feuer
als ich vernahm: „Warum müst du dich etwas zu
sehen, was hier nicht existiert“

Dante versucht den Körper des Johannes zu sehen, dieser weilt aber noch im irdischen Jammertal.

Auf Erden weilt mein Leib und bleibt dort Erde
Mit allen andern, bis dass unre Zahl
Vervollständigt vom ewgen Ratschlusss werde

Also erst beim Jüngsten Gericht.

Es durften hier zum heiligen Klostersaal
Im Doppelkleid nur diese beiden steigen,
Dies magst du melden einst im Erdental

Im Original

Con le due stole nel beato chiostro
son le due luci sole che saliro;
e questo apporterai nel mondo vostro

Mit beiden Gewändern stiegen nur die beiden
Lichter empor ins hochgepriesene Kloster;
Und diese trage in eure Welt

Mit beiden Gewändern, also mit Seele und Körper, sind nur Maria und Christus in himmlische Reich entschwebt. Dies ist offensichtlich eine wichtige Information, deshalb wird Dante von Johannes darauf hingewiesen, dass er dies der Welt verkünden solle und der Autor hat es hiermit Ihnen verkündet.

So sprach die Stimme, und es stand der Reigen
Auch der Gesang, drin ineinandergriff
Dreifachbeseelter Hauch, erstarb im Schweigen

Im Original

A questa voce l'infiammato giro
si quietò con esso il dolce mischio
che si facea nel suon del trino spiro,

Nach dem Verstummen dieser Stimme
blieb stumm der süße Reigen
der aus des Dreiklangs Stimme sich erhoben

Das Problem ist immer das Gleiche. Wörter lassen sich irgendwie immer miteinander verbinden. Wir wissen nicht, ob Dante tatsächlich versucht hat, sich selbst einzureden, dass es besonders süß und lieblich schallt im Paradies, wenn die drei personifizierten theologischen Tugenden gemeinsam trällern. Die Terzine folgt wohl eher der Logik der poststrukturalistischen Textproduktion.

Als ob wir plötzlich auf des Führers Pfiff
Die fleißigen Ruder starrgefesselt schauen,
Heißt‘ s rasten oder droht Gefahr dem Schiff

Doch mir durchliefs das Herz ein tiefes Grauen,
Als ich umsonst nach Beatricen spähe
Und sie nicht seh, obgleich ich in den Augen

Der Seligen bin in ihrer nächsten Nähe

Im Original

sì come, per cessar fatica o rischio,
li remi, pria ne l'acqua ripercossi,
tutti si posano al sonar d'un fischio

Ahi quanto ne la mente mi commossi,
quando mi volsi per veder Beatrice,
per non poter veder, benché io fossi
presso di lei, e nel mondo felice!

ganz so, als ob man der Ermüdung oder
der Gefahr weichend die Ruder senkt,
nachdem das Wasser ward durchpflügt,

so ward auch mein Geist erschüttert,
als ich mich drehte Beatrice zu schauen
und ich sie nicht konnte sehe, obgleich ich
in ihrer Nähe und glücklich in der Welt

Er war immer noch geblendet von dem Versuch, innerhalb des blendenden Lichtgeflackers den heiligen Johannes zu sehen.