Wie bereits geschildert, ist ein geistiger / seelischer Zusammenbruch Dantes wahrscheinlich. Wir erwarten nicht, dass er wirklich bis zum Ende durchhält. Die Sprache wird immer wirrer, die Emotionen immer weniger aus dem Kontext verständlich, bzw. immer affektierter. Tun können wir nichts. Wir können dem Schauspiel nur hilflos zuschauen. Das erschüttert uns, erschüttert uns wie der Bericht des Serenus Zeitblom über den geistigen Zusammenbruch seines unnahbaren Freundes Adrian Leverkühn im Doktor Faustus von Thomas Mann. Wir können irgendwie sogar noch verstehen, wie die komplette Abwesenheit eines utopischen Horizontes auf Erden, tiefe Hoffnungslosigkeit in Bezug auf die eigene Person und in Bezug auf die Gesellschaft, zu diesem salto mortale ins himmlisch / göttliche Megaloch hat führen können. Wir können sogar verstehen, wie dieser Leidensdruck zu diesen Abstraktionen hat führen können, denn der utopische Horizont kann nur irdische Tendenzen verlängern. Ohne die Vorstellung und Erfahrung eines irdischen Glücks, gibt es keinen utopischen Horizont. Das ist das, was auch dem Ratzinger, Joseph nicht in die Birne zu kriegen ist. Insofern ist Dante sogar interessant. Hier hat jemand, der an den ganzen christlichen Hokuspokus glaubt mal versucht, den utopischen Horizont der Christen zu beschreiben. Herausgekommen ist ein Wortkonstrukt, das im Grunde ähnlich tönt, wie die Geträller der heutigen christlichen Minnesinger.

Auf meiner Herrin Antlitz hingebannt
Schon wieder Augen mir und Sinne ruhten,
Dass alles andere Denken mir entschwand

Im Original

Già eran li occhi miei rifissi al volto
de la mia donna, e l'animo con essi,
e da ogne altro intento s'era tolto.

Schon waren meine Augen wieder gebannt
Vom Gesichte meiner Herrin, und mit diesen der Geist,
und jede andere Gedanken war entflohen

Das ist wiederholt er ziemlich oft, dass sein Herz einen Aussetzer hat, wenn er seine Beatrice betrachtet, bis dahin nehmen wir ihm das sogar noch ab, erkennen ein empirisches Substrat. Das tauch ja so ähnlich auch schon dreißig Jahre früher in der Vita Nuova auf.

Die Liebe wohnt in meiner Herrin Blicken,
Die, was sie anschaun, wunderbar verklären;
Wem einen Gruß sie gnadenvoll gewähren,
Dem bebt durchs Herz unsagbar ein Entzücken.
Der muss die Stirn betroffen abwärts kehren,
Ob seiner Mängel seufzend, die ihn drücken;
Selbst Hass und Hochmut muss vor ihr sich bücken

Was man ihm nicht mehr abnimmt, ist die Verbindung zum Himmel. Allein eine Nonne, kann ins himmlisch / göttliche Megaloch führen.

Kein Lächeln schmückte das Gesicht der Guten:
„Mein Lächeln“, sprach sie, „lies dich branderfasst
Gleich Semele vergehn zu Aschengluten,

Die Geschichte der Semele handelt wieder von dem womanizer Zeus. Der hatte sich in Semele verliebt. Hera, die ewige Spaßbremse, war jetzt natürlich wieder eifersüchtig und redete Semele ein, dass ihr Geliebter Zeus gar nicht Zeus ist. Da Frauen aber nun mal mächtige Männer wollen, war Semele natürlich verunsichert, mit irgend so einem dahergelaufenen Halbgott wollte sie nichts zu tun haben. Sie überredete also Zeus, ihn betrachten zu dürfen, also ohne Thora uns so, was dieser ihr dann gewährte. Vom dem göttlichen Glanz getroffen, verstarb sie dann. Das Problem der Frau war im Grunde das. Sie wollte einen Mann mit Macht und Kies der obendrein noch gut aussieht. Das gibt es nicht. Entweder sind die Typen reich aber fett oder arm und knackig. Beides zusammen geht nicht. Wir wundern uns aber schon darüber, was Beatrice so liest und was ihre Phantasie beschäftigt.

Denn meine Schönheit – die sich im Palast
Der Ewigkeit erhöht, je mehr wir steigen,
Wie du es stufenweis erfahren hast -

Geböt ich ihrem Glanz nicht Glanz nicht etwas schweigen,
Sie hätte deine Kraft alsbald erdrückt
Gleich schwachem Laub an blitzversengten Zweigen

Das ist jetzt die x-Variante zum immergleichen Thema. Entweder stehen ihm die Musen nicht bei, um das zu erzählen, was er gehört, gesehen, empfunden, das Gedächtnis versagt, das Gehörte wird vom irdischen Stumpfsinn sowieso nicht verstanden oder es fehlen ihm die Worte. Dante will uns um jeden Preis klar machen, dass er Ungeheuerliches gehört, gesehen, erfahren hat. Der Trick hier ist jetzt neu. Hier entsteht das Ungeheuerliche nicht, weil er es nicht ertragen würde, was ja suggeriert, dass es da sein könnte.

Wir sind zum siebenten Gestirn entrückt,
Das – von des Löwensternbild Brust umgeben -
Sein Licht durch ihn gestärkt, herniederzieht

Sie sind jetzt auf dem Saturn gelandet, der im Frühling im Sternbild des Löwen steht.

Den Augen nach lass deinen Geist sich heben
Und mache sie zu spiegeln der Gestalten,
Die jetzt durch diesen Spiegel werden schweben

Im Original

Ficca di retro a li occhi tuoi la mente,
e fa di quelli specchi a la figura
che 'n questo specchio ti sarà parvente».

Möge der Geist deinen Augen folgen,
und deine Augen mögen Spiegel sein des Gebildes
Dass dir erscheinen wird in diesem Spiegel

Das Gebilde, das sich in seinen Augen spiegelt, ist eine goldene Leiter, die nach oben führt, die kommt vier Terzinen weiter unten.

Wer‘ s wüsste, wie ihr Anblick zu entfalten
Mir stets die höchste Augenlust verstand,
Und ich mich seiner sollte nun enthalten,

Der säh die Freude auch, die ich empfand,
Gehorsam mich der Herrin zu erweisen,
Wie der der Waage Gleichgewicht erkannt.

Im Original

Qual savesse qual era la pastura
del viso mio ne l'aspetto beato
quand'io mi trasmutai ad altra cura,

conoscerebbe quanto m'era a grato
ubidire a la mia celeste scorta,
contrapesando l'un con l'altro lato

Wer wüsste welche Speise meine
Augen fanden im gesegneten Antlitz
also ich mich dieser Pflicht hingab

der wird die Dankbarkeit verstehen mit
Der ich gehorchte meiner himmlischen Führerin,
weil so das eine auf derselben Höh des anderen

Keine Sau weiß allerdings, welche Speise seine Augen fanden auf dem Antlitz seiner Herrin, nicht mal er selber und folglich weiß auch niemand, mit welcher Dankbarkeit er ihrem Befehl, also dem Befehl die Leiter anzuglotzen, gehorchte. Einzig das letzte Bild mach Sinn. Da weder die Wonnen bekannt sind, die er verspürte beim Betrachten seiner Beatrice, noch die Wonnen, die es ihm bereitete ihr zu gehorchen, können wir auch nicht ausschließen, dass die Wonnen ihr zu gehorchen genau so groß waren wie die Wonnen sie anzuglotzen. Das mit „auf derselben Höh“ des anderen können wir also nachvollziehen.

Und im Kristall, - der durch die Welt im Kreisen
Den Namen seines teuren Führers trägt
Den heute noch die goldenen Zeiten preisen, -

Im Original

Dentro al cristallo che 'l vocabol porta,
cerchiando il mondo, del suo caro duce
sotto cui giacque ogne malizia morta,

Im Innern des Kristalls das, die Erde umkreisend,
den Namen trägt des teuren Führers
unter dem jede Bosheit ausgestorben

Sie sind im siebten Kreis, das ist der Kreis des Saturn. Das „unter dem jede Bosheit ausgestorben“ bezieht sich auf das saturnia regna, das goldene Zeitalter. Der Mythos selbst hat nichts mit dem Planet zu tun. Saturn wird mit Kronos gleichgesetzt, dem Titanen, Vater des Zeus, den dieser enthronte. Jener flüchtete dann nach Italien (wohin auch sonst?) und sorgte dort für eine Epoche des Friedens. Das mit dem „Dentro al cristallo“ (Im Innern des Kristalls) ist jetzt natürlich ein Problem. Der Kristallhimmel kann nicht gemeint sein, das ist die letzte Sphäre, da sind die Fixsterne aufgehängt. Von Kristall spricht weder Aristoteles, noch Ptolemäus, diese Sprechen von Sphären. Damit man die Leiter „im Innern“ aufstellen kann, muss man sie sich als Halbkugeln denken. Da der Saturn aber wiederum am Rand der Halbkugel entlangflitzt, stellt sich natürlich die Frage, auf was die Leiter eigentlich stand. Steht sie auf dem Saturn, dann flitzt sie mit diesem um die Erde. Steht sie in der Mitte der Halbkugel, dann müssen Dante und das Gelichter schon ziemlich gebrüllt haben. Der langen Rede kurzer Sinn. Es ist unklar, ob Dante den Almagest des Ptolemäus im Original kannte, es ist sogar unwahrscheinlich. Er kannte irgendeines Übersetzung aus dem Arabischen, in Frage käme zum Beispiel Abu Ali al-Hasan Ibn Al-Haitham die von J. de Sacrobosco und G. Peurbach ins Lateinische übersetzt worden waren und im Mittelalter bekannt waren. Die oftmals anzutreffende Behauptung, dass Dante ein profunder Kenner des ptolemäischen Systems war, müsste bewiesen werden. Die spezielle Technik Dantes, immer nur anzudeuten aber nicht auszuführen, lassen einen Schluss darüber, wie detailliert seine Kenntnisse waren, nicht zu. Wie dem auch immer sei, die Leiter schwebt etwas wackelig im Weltraum.

Stand eine Leiter, so hoch aufgeschrägt,
Dass meinem Blick ihr Ende blieb verschlossen!
Die glänzte wie aus Sonnengold geprägt

Im Original

di color d'oro in che raggio traluce
vid'io uno scaleo eretto in suso
tanto, che nol seguiva la mia luce

in goldener Farbe die von Strahlen erleuchtet
sah ich eine Leiter, die so weit nach oben reichte,
dass mein Blick unfähig war ihr zu folgen

Da wir nicht wissen, wo sich die verdammte Leiter eigentlich befand, können wir auch nicht sagen, wie weit das Teil in den Himmel reichte. Steht Dante genau unter der Leiter, glotzt nach oben und kann das Ende nicht erkennen, dann ist das Teil verdammt hoch. Steht die Leiter aber ein paar tausend km weiter im Innern der sphärischen Halbkugel, dann müssen die Sichtverhältnisse im Paradies schon verdammt gut gewesen sein, sonst sieht er nicht mal die Leiter, geschweige denn, dass er ihre Höhe abschätzen kann.

Und Lichtgestalten stiegen von den Sprossen
Soviel herab, als ob die Pracht ich sähe
Des ganzen Sternenhimmels ausgegossen

Danach kommt ja der Fixsternhimmel, die zwei Planeten, die eigentlich noch kommen, Jupiter und Neptun, waren zur Dantes Zeit nicht bekannt. Er hat also die Vorstellung, dass alle Sterne, die am Fixsternhimmel, dem Kristallhimmel, aufgehängt sind, jetzt die Leiter runterpurzeln.

Und wie nach angebornem Trieb die Krähe
Beim Morgengrauen umherstreicht scharenweise,
Sich zu erwärmen in der Sonnennähe -

Auf Nimmerwiedersehen geht die Reise
Ein Schwarm, ein andrer kommt zurückgeflogen,
Ein dritter bleibt am Ort und zieht im Kreise-

So ward hier hastig hinundhergezogen,
Bis jeden es auf seinen Platz getrieben
Und Stillstand kam ins feuervolle Wogen.

Im Original

E come, per lo natural costume,
le pole insieme, al cominciar del giorno,
si movono a scaldar le fredde piume;

poi altre vanno via sanza ritorno,
altre rivolgon sé onde son mosse,
e altre roteando fan soggiorno;

tal modo parve me che quivi fosse
in quello sfavillar che 'nsieme venne,
sì come in certo grado si percosse

Und wie ihrer Gewohnheit folgend, die Krähen
sich bei Anbruch des Tages, zusammen sich bewegen
um sich die kalten Federn zu wärmen;

und andere dann gehen ohne zurückzukehren,
andere sich dahin wenden, woher sie hergekommen,
und andere kreisend sich die Zeit vertreiben

so erschienen mir die, die sich befanden
in jenem Treiben das sich dann zusammenballte,
wenn es auf einer Stufe sich befand

Also er vergleicht die Flammen mit einer Vogelschar, die sich zusammenfindet,
auseinanderstiebt, zum Teil wegfliegt und zum Teil wieder dahin zurückfliegt, wo sie hergekommen war. Hinsichtlich der „le pole“ geben die italienischen Interpreten zwei Deutungsversuche, entweder Elstern (piche) oder Krähen (cornacchie). Der Autor tippt jetzt eher auf Krähen, das aber nur aufgrund der Tatsache, dass in Berlin am Potsdamer Platz im Winter tatsächlich riesige Krähenschwärme auftauchen, die mehr oder weniger das in den Terzinen beschriebene Verhalten aufweisen. Bei Elstern hat er noch gesehen, dass sie sich irgendwann zu Scharen zusammenfinden.

Da sprühte, der zunächst mir stehn geblieben,
Hell auf, dass in Gedanken ich begann:
Wohl seh ich, dass du mir bezeugst dein Lieben

Die Flamme, die ihm aufflackernd seine Liebe bezeugt (das ist wie bei Deep Space Nine. Wir haben immer wieder fremde Lebensformen, deren Verhalten wir zwar nicht verstehen, das aber in einer Begrifflichkeit zu interepretieren ist, die uns die Funktionalität vor Augen führt) ist Petrus Damiani (also nicht der Petrus, der als Türsteher an der Himmelspforte steht, sondern ein anderer), wer das ist erklären wir später.

Doch jene schweigt, die mir zum Wie und Wann
Beim Reden winkt und Schweigen, drum wird’s frommen,
Halt ich die Fragenssehnsucht hintenan!

Im Original

Ma quella ond'io aspetto il come e 'l quando
del dire e del tacer, si sta; ond'io,
contra 'l disio, fo ben ch'io non dimando'

Doch jene die mir anzeigt wie und wann ich etwas
Sage und wenn ich schweige, hielt inne; so dass,
ganz gegen mein Begehr, ich es vorzog nicht zu fragen

Das ist die Marotte, die er schon die ganze Zeit hat. Da scheint was in der frühkindlichen Erziehung schief gelaufen zu sein, bzw. irgendwie lag der Kindeserziehung ein merkwürdiges pädagogisches Konzept zugrunde. Der Autor geht ja davon aus, dass die Sesamstraße wissenschaftlich betreut wird. Dort heißt es.

Wer, wie, was
der, die, das
wieso, weshalb, warum
wer nicht fragt bleibt dumm

Also Fragen ist immer gut. Bei Dante muss man was anderes eingebleut haben, daher der Rappel.

Da rief sie – die mein Schweigen wahrgenommen
im Anschein dessen, der da alles sieht -
„Lass nur den heißen Wunsch zu Worte kommen!“

Und ich: Nicht eigenes Verdienst beschied
Das Glück mir, dass du Antwort hier erteilst,
Ihr dank ich‘ s, deren Gunst zum Wort mir riet.

Im Original

Per ch'ella, che vedea il tacer mio
nel veder di colui che tutto vede,
mi disse: «Solvi il tuo caldo disio».

E io incominciai: «La mia mercede
non mi fa degno de la tua risposta;
ma per colei che 'l chieder mi concede,

Das sagte sie, die mein Schweigen deutete
durch die Kraft dessen, der alles sieht:
„Stille dein heißes Begehren“

Und ich begann: „Mein Verdienst macht
mich nicht würdig deiner Antwort;
doch um ihretwegen, die mich mir erlaubt zu fragen,

Da ab einem bestimmten Punkt im Paradies Gedanken lesen Mode geworden ist, kann Beatrice das Schweigen Dantes interpretieren, sie weiß also, dass er sich nicht traut zu fragen. Darauf hin erlaubt sie ihm, sein heißes Begehren vorzutragen. Also rein vordergründig haben die im Paradies ziemlich einen an der Waffel. Man kann auch nicht sagen, dass das Sozialverhalten von dem Sozialverhalten auf der Erde abweicht, aber ansonsten irgendwie normal ist. Dante fragt irgendeinen völlig belanglosen, abstrusen Quark, nachdem Beatrice ihm implizit oder explizit die Erlaubnis dazu gegeben hat, der Angesprochene fängt daraufhin an zu leuchten wie ein Honigkuchenpferd, freut sich, „liebesglutdurchdrungen“, dass er antworten darf und gibt dann auf die abstruse Frage eine noch abstrusere Antwort, worauf dann wiederum Dante hocherfreut ist. Man könnte jetzt einwenden, dass es im Paradies so ähnlich zugeht wie bei Deep Space Nine, das Sozialverhalten der nicht humanoiden Lebensformen also abstrakt in seiner Funktionalität zu interpretieren ist, wobei auch das Funktionsgefüge insgesamt vom Funktionsgefüge der humanoiden Lebensformen abweicht. Zu Deutsch, bestimmte Affekte, die das menschliche Zusammenleben regeln wie Liebe / Hass / Zuneigung / Ehrgeiz sind durch andere, wie Ruhe Bedürfnis / Verschmelzen mit dem Kollektiv / Aufrechterhaltung des Regelsystems ersetzt. Der Formwandler Odo funktioniert zum Beispiel völlig anders als die humanoiden Lebensformen. Haben wir es also bei den Gestalten im Paradies nicht mehr mit einer humanoiden Lebensform zu tun, dann ließe sich das abartige Verhalten sogar erklären. Da der Mensch nun aber mal ein Mensch ist, werden wir es dann mit Science Fiction zu tun haben. In dieser Gattung (oder in Fantasy Romanen) kann unter Umständen eine Sprache und eine Welt geschaffen werden, die ohne empirisches Substrat auskommt, bzw. dieses bewusst negiert. In dieser Art von Text, wird das Spannungsfeld durch Elemente aufgebaut, die der Text selber erschafft. Auf dem Weg in die Welt der Science Fiction und in den Fantasy Roman ist übrigens die gesamte Romanistik. Dort sind Begriffe wie Textproduktion, Intertextualität Mode geworden, wird dann auch folgerichtig von der Dekonstruktion des Subjekts schwadroniert. Das Subjekt und dessen empirischer Input wird trivialisiert. Die Krankheit findet im französischen Nouveau Roman ihre Klimax. Die Trottel dieses Schlags, die hier durch die deutschen Unis schlurfen und dort zukünftige Lehrer ausbilden, bedrohen das Subjekt weit mehr, als die Kulturindustrie. Die vernichtende Kritik Adornos bezieht sich auf die unmittelbare Nachkriegszeit. Inzwischen hat sich aber der Film gewaltig gemausert, bringt eine ganze Menge ziemlich genialer Filme hervor. Der ganze Science Fiction-, Fantasy-, Rap-, Theologie- und Romanistenquark hat eine gemeinsame Ursache. Es rennen wohl ziemlich viele Leute durch die Gegend, die schlicht Erfahrungsunfähigkeit sind, die Welt ist dann stumm, der salto mortale ins Nichts attraktiv. Unklar ist aber, wieso man Steuergelder einsetzen soll, um den salto mortale ins Nichts zu finanzieren. Die Geisteswissenschaften sind dann nicht mehr der Raum der authentischen Erfahrung, der der durch die Kulturindustrie vermittelten Gleichförmigkeit widersteht, sie ist Teil derselben. Zwischen der Textproduktion und der Produktion von Artefakten, deren technischer Aufwand umgekehrt proportional zum ästhetischen Input ist, besteht dann gar kein Unterschied. Man könnte die geisteswissenschaftlichen Fakultäten auch schließen, das würde kein Mensch merken. Wenn in Seminaren etwas in der Art stattfindet, wird man schon fragen dürfen, ob man dafür Steuergelder einsetzen soll.

„Von den Bildern zur Einbildungskraft. Dante und die Imagination”. Als mentale Fähigkeit zu Vorstellungen gehöre die "vis imaginativa" zu den vier inneren Sinnen des Menschen (Convivio III) und stelle eine notwendige Brücke dar zwischen der sinnlich erfahrbaren Welt und dem Intellekt. Dies sei besonders im Purgatorio wichtig, in dem sich ein Übergang von der sinnlichen Wahrnehmung zur übersinnlichen bzw. inneren Erkenntnis vollziehe. Aus diesem Grund gewinne in dieser Cantica die Einbildungskraft kontinuierlich an Bedeutung.“
Aus: http://web.uni-marburg.de/hosting/ddg/aktuelles.html#tagung2008

Freiheit der Wissenschaft kann nicht bedeuten, Steuergelder zum Fenster rauszuwerfen und wenn die Geisteswissenschaften nicht verstehen, dass derjenige, der von der Gesellschaft finanziert wird, für diese Gesellschaft auch was zu leisten hat, dann ist es die Aufgabe der Politik, auf diesen Zusammenhang hinzuweisen. Unabhängig davon, stellt sich natürlich die Frage nach der Erfahrungsfähigkeit des Personals. Den Begriff als solchen wird dieser Club der Pseudowissenschaftler natürlich als irrational weit von sich weisen. Der Autor sieht das dann ultrarational. Er ist sich absolut sicher, dass die Erfahrungsfähigkeit wohl bei den Leuten nicht besonders ausgeprägt ist, die ihr ganzes Leben in der Schule oder der Uni verbracht haben oder richtig schön konservativ, mit Goethe.
Der Mensch, der nicht geschunden wird,
wird nicht gebildet

Wir haben es ja überwiegend mit einem konservativ geprägten Menschentyp zu tun, da darf man dann auch mal richtig konservativ argumentieren. Die Geisteswissenschaften sind höchst artifizielle Gebilde, die via Steuergelder künstlich alimentiert werden. Und wie es oft passiert, wenn ein Bezug zur Realität nicht mehr gegeben ist, führt dieses freie Schweben zu höchst eigenartigem Verhalten. Da gibt es Gestalten, die ihre würdevolle Gedankenschwere durch die Flure tragen, wie Moses seinen Bart, da gibt es Leute, die subjektiv der Meinung sind, dass ihre Schriften so bedeutsam sind, dass selbst die Blitze des Zeus eine solche Wirkung nicht entfalten könnten, da werden Frankreich Zentren (mit Steuergeldern) gebildet in der tiefen Überzeugung, dass allein von ihnen die deutsch-französische Verständigung abhängt, da bilden Leute, die noch nie ein einziges Produkt an einen real existierenden Markt verkauft haben, think tanks, wo sie sich über die letzten Fragen der Menschheit Gedanken machen. Einsam wie Don Quijote sitzen sie auf ihren Büchern, schwingen sich auf das Ross ihres Wahns und begeben sich in die Welt.
Drum seliger Geist, der du verborgen weilest
Im Flammenkleid der Freude, gib mir Kunde,
Weshalb du so in meine Nähe eilest?

Und weshalb sind verbannt aus eurem Bunde
Die frommen Paradiesesymphonien,
Die mich erfreut im untern Sternenrunde?

Im Original

vita beata che ti stai nascosta
dentro a la tua letizia, fammi nota
la cagion che sì presso mi t'ha posta;

e di' perché si tace in questa rota
la dolce sinfonia di paradiso,
che giù per l'altre suona sì divota

Gesegneter Geist, der versteckt inmitten
Seiner Freude, nenne mir den Grund
warum in meine Nähe du geeilst

Und warum in dieser Sphäre die süße
Melodie nicht erklingt
die dort unten so fromm erklang

Dante stellt also zwei Fragen. 1) warum der Geist sich ihm genähert hat und 2) warum die Musik nicht mehr erklingt. Beantwortet wird, nach dem üblichen Schema, wie wir gleich sehen werden, zuerst die zweite Frage,dann die erste.

„Dir ist nur irdisch Aug und Ohr verliehen“,
Sprach er, „und darum schweigen dir die Lieder,
Wo sie ihr Lächeln musste dir entziehen!“

Im Original

«Tu hai l'udir mortal sì come il viso»,
rispuose a me; «onde qui non si canta
per quel che Beatrice non ha riso.”

“Eines Sterblichen ist dein Gehör und deine Sehkraft”,
antwortet er mir; „so schweigen hier die
Lieder, aus demselben Grund wie Beatrice ihr Lächeln minderte.“

Dante will uns also wieder suggerieren, dass im Paradies ganz Unglaubliches geschieht. Bestand sein Bericht bis jetzt darin, uns zu berichten, dass das im Paradies Geschaute, Gehörte, Gefühlte, Erfahrene eben im irdischen Jammertal mit den Möglichkeiten der Erdenwürmer nicht berichtet werden könne, so berichtet er uns jetzt, dass das im Paradies Geschaute, Gehörte, Gefühlte, Erfahrene so ungeheuerlich ist, dass man als Erdenwurm es nicht mal schauen, hören oder fühlen kann, geschweige denn, dass man darüber berichten können. Tatsächlich ist es schlicht so, dass Dante hinter seiner fuseligen Öllampe saß und sowenig einen Plan hatte, was im Paradies vor sich geht, wie wir ihn haben. Er hat im Grunde gar nichts zu berichten. Die Dante Gesellschaft interessiert uns ja naheliegenderweise nur insofern, als sie symptomatisch ist. Diese hatten mal einen Vortrag.

„Wie über das Paradies reden?”. Ausgehend von Fragestellungen der Zeichentheorie, zeigte Wetzel am Beispiel des Paradiso auf, mit welchen sprachlichen Mitteln Dante nie Gesehenes und Unsagbares darstellt – nämlich im wesentlichen mit Bildern und Vergleichen sowie mit Spielarten der Lautmalerei.“

aus: http://web.uni-marburg.de
Die Antwort, wie man über das Paradies redet, kann kurz und knapp ausfallen: Gar nicht und zwar aus dem schlichten Grund, weil es über ein himmlisches / göttliches Megaloch nichts zu berichten gibt. Dante berichtet darüber auch nicht „im wesentlichen mit Bildern und Vergleichen oder Lautmalereien“. Er berichtet darüber, indem er uns mitteilt, dass es nichts zu berichten gibt. Über das Paradies in Bildern und Vergleichen zu berichten, wäre theoretisch möglich, würde aber einen Dichter voraussetzen, was Dante aber nun mal nicht ist. Bilder und Vergleiche kann es ohne einen utopischen Horizont, der sein Substrat aus der real existierenden Welt zieht, nicht geben. Das Paradies mit Bildern und Vergleichen zu beschreiben würde bedeuten, den irdischen Horizont ins Jenseits zu verlagern und damit der Welt Transzendenz zu verleihen. Woher sollen denn die Bilder und Vergleiche stammen? Damit hat der große Grimmige aus der Toskana aber gar nichts am Hut. Die Welt ist ein einziges Jammertal. Das große Geblubbere beginnt schon an der Stelle, wo „nie Gesehenes“ und „Unsagbares“ zusammen genannt wird. Etwas, was noch nicht gesehen wurde, wurde eben noch nicht gesehen. Punkt. Sehen bezieht sich auf eine Sinneswahrnehmung. Dies lag vor, oder lag eben nicht vor. Das Unsagbare ist eine ganz andere Kategorie, hat mit einer Sinneswahrnehmung gar nichts zu tun. Hierbei geht es nicht um die Frage, ob das Unsagbare vorliegt oder nicht vorliegt, es geht höchstens um die Frage, ob ein Sachverhalt darstellbar ist oder nicht. Die komplexe Dynamik zwischen einem Subjekt, das ist das, was die Romanisten gerne abschaffen wollen, und der Welt ist tatsächlich, so denn diese Beziehung nicht durch das das Subjekt entbehrende Clichés beschrieben wird, unsagbar, entzieht sich der Sprache und ist damit das Reich der Dichtung, die die Sprache zu ihrem Ursprung zurückführt und sie damit vom Cliché befreit. Ganz en passant sei noch erwähnt, dass die Abschaffung des Subjektes nicht nur gnadenlos langweilig ist, sondern dem Fach an sich damit die Geschäftsgrundlage entzogen wird. Der Autor würde also eher dafür plädieren, die Dinge nicht anhand der Fragestellungen der Zeichentheorie zu betrachten, sondern anhand des gesunden Menschenverstandes, der durchaus und ohne viel Aufwand, Wörtern eine eindeutige Bedeutung zuweisen kann. Als Zugangsvoraussetzung für eine Professur im Fach Romanistik sollte auch nicht Latein dienen, das kann man ruhig abschaffen. Allerdings wäre die Kenntnis einer Programmsprache (Perl, Java, C, C++, PHP, Python whatever) sinnvoll. Das schult den analytischen Verstand ungemein, daran mangelt es ja manchmal. Der Autor kann zuversichtlich versichern, dass man teilweise ziemlich verblüfft ist, wenn eine Maschine genau das macht, was man ihr eingibt, aber das Resultat dann absolut nicht das ist, was man erwartet hat. Man lernt dann auch, was für ein schwammiges Konstrukt Sprache ist, lernt, sich jedes einzelne Wort mal genau anzuschauen. Extra für Romanistik Professoren haben wir also eine Seite zur Programmierung eingerichtet, www.infos24.de. Am besten mit Perl anfangen, damit lassen sich auch subtile sprachliche Analysen durchführen. Beklagt man die Macht der Kulturindustrie, die kulturelle Eintönigkeit, das ist bei Sonntagsreden das Thema der Geisteswissenschaftler, dann kann man konstatieren, dass diese Teil des Problems, aber nicht Teil der Lösung nicht. Wird die „Hochkultur“ vor allem als sinnfreies, pseudointellektuelles und pseudowissenschaftliches Gebrabbel wahrgenommen und lässt man das entsprechende „ausgebildete“ Personal dann auf Schüler los, wird zunehmend unklar, wozu sie gut sein soll. Die Geisteswissenschaften schaffen erst die Öde, auf der der Schwachsinn dann blühen kann.

Die heiligen Leitersprossen stieg ich nieder
Bis her zu dir, damit dich mein Bericht
nicht minder freue, als mein Glanzgefieder

Der Trieb dazu war größre Liebe nicht –
Denn Liebe gleich und größer glüht nach oben,
Wie dir es offenbart dies Funkenlicht

Im Original

Giù per li gradi de la scala santa
discesi tanto sol per farti festa
col dire e con la luce che mi ammanta;

né più amor mi fece esser più presta;
ché più e tanto amor quinci sù ferve,
sì come il fiammeggiar ti manifesta

Hinab stieg ich die heilige Leiter um dir
eine Freude zu machen sowohl mit meiner
Rede, wie mit dem Licht, das mich kleidet

nicht größere Liebe trieb mich herbei,
denn größere und gleiche Liebe brennt da oben,
wie dir offenbar wird durch das Leuchten

Also im Paradies, durch die Bilder und Vergleiche wird es uns ungemein anschaulich beschrieben, gibt es irgendwelche Flammen, die irgendwelche Vorträge halten, über das, was wir alles nicht verstehen. Diese Vorträge zusammen mit der Lichtstärke vom Ausmaß eines Baustrahlers erzeugt eine paradiesische Freude. Die Frage, „wie vom Paradies reden“, lässt sich also mit Wittgenstein einfach beantworten: Warum man nicht reden kann, darüber soll man schweigen“. Das Problem hierbei ist, wir betonen es immer wieder, nicht Dante. Dieser hat halt mal einen Versuch gestartet, das ist, vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass das Niveau noch nicht hoch war, verständlich und legitim. Wenn aber Leute, die dafür bezahlt werden es zu wissen und andere Leute an Dichtung heranführen sollen, es offensichtlich nicht auffällt, dass wir es hier nicht mit Dichtung zu tun haben, dann wird es an der Zeit über den Zustand der Geisteswissenschaften ganz ernsthaft nachzudenken. Privat darf jeder tun und lassen was er will, die Beschäftigung der verbeamteten Geistlichen ist aber nicht deren Privatvergnügen. Sie werden bezahlt, und zwar aus Steuermitteln. Dafür haben sie eine Leistung zu erbringen. Diese besteht ganz konkret darin, Studenten auf ihren Job vorzubereiten und für pseudointellektuelles Geschwafel gibt es keine Jobs. Es gibt aber Jobs für Menschen, die Kultur interessant darstellen können, unter Umständen wächst hier sogar mit dem Angebot die Nachfrage.

Nein! Jene Liebe, die uns hat erhoben
Zu willigen Knechten für den Herrn der Welt,
Sie lost uns aus, im Amt uns zu erproben.

Im Original

Ma l'alta carità, che ci fa serve
pronte al consiglio che 'l mondo governa,
sorteggia qui sì come tu osserve»

Tatsächlich ist so, dass jene Gnade, die
Die dem Ratschluss dient der die Welt regiert,
diejenigen bestimmt, die du betrachtest

Er ist also noch die Leiter runtergekraxelt, um noch mehr von der Droge Liebe abzubekommen, davon hatte er oben genau soviel, sondern weil die Gnade (also indirekt Gott höchstpersönlich) ihn dazu auserkoren hat, vor Dante zu erscheinen. Woraus wir wiederum schließen, dass es Dante an Selbstbewusstsein nicht gemangelt hat. Gott persönlich kümmert sich um ihn.

„Dein Wort, o heiliges Licht, hat mir erhellt“,
Sprach ich, „wie freie Liebe die Befehle
Der ewgen Vorsicht hier zufriedenstellt

Auf die Frage, wieso er herabgestiegen ist, eine Frage von wahrlich metaphysischen Dimensionen, die so eng verknüpft ist mit den existentiellen Fragen des Menschseins, dass sie den gleichen Rang hat wie die Frage, warum es Leute gibt, die sich verwählen oder auf den falschen Klingelknopf drücken, erhält er als Antwort, dass Gott das so bestimmt hat. Wir lernen auf jeden Fall, dass sich Gott wirklich um jede Kleinigkeit kümmert. Weiter lernen wir, dass er die Aufforderung, die Leiter runterzukraxeln nicht etwa eine lästige Pflicht war, sondern Liebe, die jede Pflicht zu einem Wunsch werden lässt. Wir sehen vollkommen ein, dass die Divina Commedia, will sie uns die eherne, von Gott geschaffene Ordnung vergegenwärtigen, dies an bedeutenden, schicksalsschwangeren Handlungen illustrieren muss. Nur in Ereignissen, die eine Zeitenwende einleiten, kann Gott in seiner Pracht und Herrlichkeit erscheinen. Genauso bedeutungsschwanger wie der Abstieg von einer Leiter, wäre der Aufstieg über eine solche auf einen Obstbaum.

Doch quält mich eines, was ich dir nicht hehle:
Dass aus dem glanzbevölkerten Asyle
Just du zum Dienst bist die erwählte Seele!

Im Original

ma questo è quel ch'a cerner mi par forte,
perché predestinata fosti sola
a questo officio tra le tue consorte

aber was mir schwer fällt zu begreifen ist,
warum nur du erwählt wurdest
zu diesem Dienst aus deiner Schar

Dong. Dong. Dong. Dong. Wie banal erscheinen uns doch die Fragen eines Immanuel Kant, 1) Was können wir wissen, 2) Was sollen wir tun, 3) Was können wir hoffen, gegen diese Frage, die unser Innerstes aufrührt, die uns hinstellt auf die Marmorklippen unserer bedrohten Existenz. Warum kam jener Postbote und nicht ein anderer, warum kann man bei Lidl keinen Appenzeller kaufen, warum gibt es keine Chiquita Banane mehr, wer zum Teufel braucht die Euro Banane. Dong. Dong. Dong. Dong. Hier offenbaren sich uns die Grenzen menschlicher Erkenntnis, acht Terzinen wird es brauchen, um die Frage, warum er erwählt wurde zu beantworten. Und was wird die Antwort sein? Ja. Ja. Ja. Die Wege des Herrn sind unergründlich. Damit sind auch die drei Fragen Kants beantwortet, wofür letzterer ein paar 100 Seiten braucht, braucht Dante acht Terzinen.

1) Was können wir wissen?
Antwort: Nichts
2) Was sollen wir tun?
Antwort: Hoffen
3) Was können wir hoffen?
Antwort: Nichts

Erglühen wir als, liebesglutdurchglommen oder wie auch immer, kyrie eleison, Gott erbarme dich und lass Licht fallen, Abglanz deines Glanzes.

Noch eh ich mir entschlüpft das Schlusswort fühle,
Da sieh! Macht sich zum Mittelpunkt das Licht
Und dreht sich, wie ein Rad kreist in der Mühle,

Indem, die es durchglüht, die Liebe spricht:
„Ein göttlich Licht ist in mich eingedrungen
Zur Seele tief, die dieser Glanz umflicht

Auf die Frage, warum ausgerechnet er sich Dante nähert, wird er also von einem göttlichen Licht durchdrungen, bis zur Seele, die in der Flamme haust. So ein Ereignis kann seine Wirkung nicht verfehlen.

Das stärkt mein Schauen, dass mich‘ s aufgeschwungen
Hoch über mich, bis ich das höchste Sein
Erschauen darf, dem jenes Licht entsprungen

Und darum sprüh ich so im Feuerschein
Denn wie mir die Erleuchtung wächst im Klaren,
Stimmt mit der klarern Glut sie überein

Also die Funsel hat Licht von Gott bekommen und das stärkt ihre Sehkraft, so dass sie jetzt auch besser nach oben gucken kann. Seine Sehkraft ist jetzt so hell, wie die Funsel selber. Das verstehen Sie im Detail nicht? Ich erklär Ihnen das mal. Das Paradies bei Dante wird erläutert durch Vergleiche, Bilder und Lautmalereien, nur so kann man über das Paradies schreiben. Wenn Sie es noch nicht verstehen, dann müssen Sie die Fragestellungen der Zeichentheorie berücksichtigen. Wenn das immer noch nicht hilft, können Sie Mitglied der Dante Alighieri Gesellschaft werden. Da müssen Sie dann nur Ihren Mitgliedsbeitrag entrichten, dann geht das frei nach Luther:

Der Beitrag in Kasse springt,
die Divina Commedia in die Birne dringt

Oder so ähnlich. Jetzt kommt‘s. Gottes Wege sind unergründlich, niemand weiß, warum der Obstbauer auf die Leiter rauf und runter klettert.

Doch selbst der hellst Stern der Engelscharen
Der Seraph nicht, der Gott am reinsten sieht
Vermöchte deinem Wunsche zu willfahren

Also der Seraph weiß auch nicht, warum der Funsel die Leiter runter- und der Obstbauer selbige hochkraxelt. (Letzteres weiß übrigens der Autor: Die süßesten Früchte fressen nur die großen Tiere, weil diese Früchte hoch sind und diese Bäume groß sind, lalilala, lalilala...). Bei der Funsel allerdings ist es uns auch ein Rätsel, da sind unergründliche die Wege des Herrn.

Denn was der Eifer dir zu fragen riet,
Ist in den Abgrund ewgen Rats versenkt,
Dass es erschaffnen Augen sich entzieht

Wenn Sie sich also mal in ihrem jugendlichen Leichtsinn fragen, warum der Obstbauer auf die Leiter klettert, dann kriegt man das noch raus, aber warum die Funsel, runterkraxelt, das ist im Abgrund göttlichen Rats versenkt.

Und wenn ins Todestal du heimgelenkt,
Verkünde dies, dass nach so fernem Ziele
Den Fuß zu heben, keiner mehr gedenkt!

O Fluch des Menschseins, dich dürstet nach dem tiefsten Wissen, die Hybris heißt dich zu Begehren, was ungebührlich deinem Stamme. Die Leiterlogik zu durchdringen, das auf und ab an Leiters Sprossen verlangt zu durchdringen dein begehrlicher Sinn, verlangt zu schauen, wo nur Gott darf schauen. Verfluchst seist du, wenn kein Grenzempfinden die Schamesröte dir in die Wangen treibt, verflucht, wenn der Leiter du willst ihr Mysterium entreißen.

Der Geist, hier Licht dient drunten nur zum Spiele
Dem Dunst – wie ließ es Gott schon dort ihm tagen,
Solang es ihm selbst hier noch nicht gefiele?

Das ist jetzt ein bisschen verquer, auf das Original verzichten wir, aber die Erkenntnis ist brandneu, aus Toscanas Landen frisch auf den Tisch: Die Wege des Herrn sind unergründlich. Das Licht im Himmel ist auf der Erde nur durch eine Dunstglocke zu sehen. Wie soll auf Erden etwas zu sehen sein, was für den Himmel bestimmt ist. Nachdem wir nun an einem Beispiel, dass wir a) nachvollziehen können und b) der Bedeutung des behandelten Gegenstandes angemessen ist, also anhand der Frage, warum der Obstbauer auf die Leiter steigt, gezeigt haben, warum die Wege des Herrn unergründlich sind und gesehen haben, dass sie unergründlich sind, weil sie eben unergründlich sind, können wir uns wieder weniger bedeutenden Fragen zuwenden. Die letzten Fragen der Menschheit wird uns dann Papst Benedikt XVI beantworten oder ein verbeamteter Geistlicher.

So zog er Schranken vor mein forschend Fragen,
Dass ich ihn nur noch bat mit demutvollen
Gebärden, seinen Namen anzusagen

Ja. Soviel Weisheit auf einmal, lehrt einen Demut. Aber wie heißt er den nun, bzw. die Seele, die im Innern so erstrahlt wie ihre Sehkraft, das von oben auf sie niederfließt? Dafür braucht er dann ganze sechs Terzinen. Das Schema ist bereits bekannt. Er beschreibt in reichlich mäanderhaft, verquasten Terzinen den Ort, wo derjenige auf die Welt gekommen, bzw. gelebt hat. Unterschiede gibt es dann noch bei der Frage, ob es sich um ein echtes Osterei handelt, der Name wird nicht genannt, oder um ein Pseudo Osterei, der Name wird genannt. Problematisch ist nicht Dante, wir wiederholen es immer wieder, er konnte es, bedingt durch seine Zeit oder bedingt durch Unvermögen, nicht besser. Beunruhigend ist, dass so ein Quark zum Bestandteil eines Kanon werden kann. Dante wäre auch dann kein Problem, wenn es ein bedauerlicher Einzelfall wäre. Beunruhigend ist, dass den verbeamteten Geistlichen offenbar jedes Gespür dafür fehlt, was trägt und was eben nicht mehr trägt. Man kann sich mit Dante beschäftigen, wenn man ihn als Repräsentanten des Mittelalters sieht. Es könnte versucht werden zu klären, ob die Abwesenheit einer inneren Verarbeitung, die Unfähigkeit, auch nur ansatzweise zu einer kohärenten Einschätzung der sozialen Verhältnisse zu gelangen, das totale Unvermögen, Figuren der Zeitgeschichte einigermaßen differenziert zu sehen, die völlig kruden Ansichten über geschichtliche Epochen, die eklatanten sprachlichen Schwächen etc. durch die Zeit bedingt sind, oder ihre Gründe in der Person Dantes selbst haben. Im Grunde ist jeder heutige Durchschnittsmensch zu einer differenzierteren Sicht der Dinge fähig. Wenn Dante ein herausragender mittelalterlicher Intellektueller war, dann war das Mittelalter von leblosen Steinen bevölkert, die man allerhöchstens zum Bau einer Kirche verwenden konnte. Das könnte man untersuchen. Untersuchen könnte man, welche Kräfte in der Renaissance den Menschen schufen, der dem heutigen ähnelt. Den verbeamteten Geistlichen ist aber gar nicht klar, dass wir es bei Dante mit einem fundamental anderen Menschentyp zu tun haben. Was ihn von einem Neanderthaler unterscheidet, ist nicht das reichere Innenleben, sondern eine Sprache, die ein solches suggerieren will. Aber was ist mit den verbeamteten Geistlichen, die sich in andächtiger Demut als treue Jünger ihres Lichts um den florentinischen Dichter scharren? Was mit jenen, die seit Jahren dieselben Seminare über Racine, Corneille, Lope de Vega, Calderón de la Barca, Sor Juana de la Cruz, el cantar de mio cid, das Rolandslied und die Nibelungensage machen. Die dafür bezahlt werden Bücher zu schreiben, die nur von den Leuten gelesen werden, die dafür bezahlt werden, sie zu lesen? Werden sie die Dinge richtig einsortieren können oder werden sie darüber jammern, das keiner sie verstehen will, dass die Welt ganz böse ist und ganz schrecklich amerikanisiert und sich keiner für ihren Quark interessiert. Macht es wirklich Sinn, Untote mit Steuergeldern künstlich zu ernähren? Nützen diese blasierten Spinner irgendjemandem oder sind sie ganz im Gegenteil schädlich?

Wo um Italiens Brust zwei Meer rollen,
Nah deiner Heimat, reckt Gebirg empor
Sein stolzes Haupt, das Donner nie umgrollen;

Mit „Italiens Brust“ (Tra ' due liti = zwischen zwei Küsten) ist die Adria und das Tyrrhenische Meer gemeint.

Gemeint sind also die Apenninen. Da sich dieses Gebirge wiederum in der Nähe von Florenz befinden soll, sind die nördlichen (ligurischen) Apenninen gemeint.

Dort ragt der Höcker Catria hervor,
Und darunter liegt die Wildnis tief im Grunde,
Die man zum Gottverehrungswerk erkor

Im Original

e fanno un gibbo che si chiama Catria,
di sotto al quale è consecrato un ermo,
che suole esser disposto a sola latria».
Und machen dort eine Buckel der Catria heißt
unterhalb dessen sich ein Kloster findet,
dass nur der Gottverehrung dient

Der Monte Catria ist

ein 1702 m hoher Berg in der Provinz Perugia. An seinem Berghang findet sich das Kloster Monastero di Fonte Avellana, gegründet etwa um 980. Die Funsel, die sich gleich vorstellen wird, ist Petrus Damianus (geb. 1007, gest. 1072), ein Theologe und Bischof, der nach einem Theologiestudium,
das ihm sein älterer Bruder Damian ermöglicht hatte (daher der Beiname Damianus, in Würdigung seines Bruders) 1040 in dieses Kloster eintrat. Bekannt geworden durch seine dortige Unterrichtstätigkeit, fordert ihn Guido Monaco auf, nach Pomposa zu gehen, wo er weitere zwei Jahre unterrichtet.
Von da geht es weiter nach Vincenzo al Furlo, ein weiteres Kloster, wo er sich ebenfalls damit beschäftigt, die Brüder zu sittenreinem Leben zu ermahnen. 1043 wird er Abt von Fonte Avellana. Er gewinnt an Einfluß beim Papst und sorgt auch dafür, dass weniger sittenreine Bischöfe abgesägt werden. Bei Wikipedia hat er es zu einem ziemlich langen Beitrag gebracht (http://it.wikipedia.org/wiki/San_Pier_Damiani). Er scheint voll auf der Linie Dantes zu sein.

Anche nella De sancta simplicitate Damiani afferma Dio come volontà pura, oltre la logica umana; Dio non è la deduzione di un sillogismo ma anzi fonte di ogni sillogismo e di ogni ragione, così come la via della salvezza non può essere raggiunta per via scientifica ma attraverso il mistero della redenzione: "L’imperatore Giuliano e il martire Donato studiarono insieme, ma quello si attardò negli studi,
e questo seguì le vie della verità; quello scrisse otto libri contro i galilei e questo, disimparando la sapienza, salì al cielo con l’aureola del martirio".

Auch in seiner Schrift De sancta simplicitate betont er, dass Gott reiner Wille ist, jenseits jeder menschlichen Logik; Gott ist nicht die Deduktion eines Syllogismus, sondern die Quelle jeden Syllogismus und jeder Vernunft, so wie auch der Weg der Erlösung nicht über die Wissenschaft erlangt wird, sondern durch das Mysterium der Erlösung: "Flavius Claudius Julianus und der Märtryrer Donatus von Arezzo studierten gemeinsam, aber ersterer verweilte bei seinen Studien und letzterer folgte dem Pfad der Wahrheit, ersterer schrieb acht Bücher gegen die Galiläer und letzterer, stieg geschmückt mit der Aureole des Märtyrers in den Himmel, weil der die Wissenschaft aufgab.

In dem Kloster Fonte Avellana soll Dante einige Zeit gelebt haben.

Was man bei Dante wirklich bewundern kann, ist die Hartknäckigkeit. Er sieht, dass nun schon seit dreihundert Jahren der sittliche Verfall beklagt wird, mit immer den gleichen Nichtargumenten, er sieht also, dass es nichts nützt und trotzdem fügt er der langen Reihe der Klagen noch weitere Klagen hinzu in der Hoffnung, dass es was nützt. Der von ihm beklagte sittliche Verfall kann auch dadurch zustande kommen, dass niemand so recht einsieht, warum man sittlich sein soll. Etwas einleuchtendere Argumente, hätten wahrscheinlich zu besseren Ergebnissen geführt. Was Dante umzutreiben scheint, ist wohl auch weniger der sittliche Fall, als die Angst, was nach dem Tode passiert. Da will er nichts anbrennen lassen.
Da die Kirchen ja so heftig über Mitgliederschwund klagen, scheint das Interesse an religiösen Fragestellungen ja gewaltig abzunehmen. Man braucht wohl keine Statistik, um festzustellen, dass dies tatsächlich zutrifft. Offensichtlich scheint das Jenseits dann besonders interessant, wenn das Diesseits durch und durch trostlos erscheint. In diesem Sinne ist die Theologie geradezu eine self fullfilling prophecy. Beschäftigt sich nämlich sehr viele Leute damit und wird die Welt allein aus diesem Blickwinkel betrachtet, fehlt es an der Zeit, die Probleme im Diesseits zu lösen. Dante hätte, um aus der tiefen Waldesnacht, wo er den Pfad verlor des rechten Strebens, auch an seinem Schreibtisch herausfinden können, wenn er die richtigen Bücher gelesen hätte, die aber, das sei konzediert, damals noch gar nicht vorlagen. Im Grunde ist die Divina Commedia ja lediglich eine ziemlich krautige Analyse des Diesseits, vom Jenseits erfahren wir nur, dass es ein himmlisch / göttliches Megaloch ist, über das es im Grunde nichts zu berichten gibt. Der Aufbau aller drei Bereiche des Jenseits ist im Grunde immer derselbe. Es tauchen irgendwelche Figuren auf, die Dante aus irgendwelchen Gründen in diesen oder jenen Bereich versetzt. Das Ganze wird dann aufgefüllt mit irgendwelchem Theologen Hokuspokus, der in einer reichlich verquasten Sprache vorgetragen wird. Wir erfahren aber wesentlich mehr und Konkreteres über die Vorstellung Dantes bezüglich des Diesseits, als über seine Vorstellungen bezüglich des Jenseits, über dieses kann er in etwa soviel berichten wie wir selbst, nämlich nichts. Über das Diesseits erfahren wir immerhin, dass es ein einziges Jammertal ist, allerdings verliert sich Dante hier im Gestrüpp der Ereignisse, er findet zu keiner umfassenden Theorie oder Systematik, die Divina Commedia liest sich von daher wie eine ziemlich chaotisch vorgetragene Vorlesung zur Geschichte der Antike und des Mittelalters, die punktuell und anhand von zufällig ausgewählten Ereignissen vorgetragen wird. Das andere große Werk, das eine Antwort auf die Bestimmung des Menschen geben will, Goethes Faust, geht hier völlig andere Wege. Zwar hat auch Goethe keinen Plan, anhand welcher Kriterien gesellschaftliche Prozesse zu bewerten sind, zu epochalen Umwälzungen wie der französischen Revolution nimmt er kaum Stellung, Vorläufer der modernen Gesellschafttheorie wie Rousseau oder Montesquieu scheinen ihn kaum zu interessieren, aber er zieht sich auf die reine Subjektivität zurück. Das Thema irdisches Jammertal wird mit wenigen Versen abgehandelt um dann nie wieder aufzutauchen.

Ist es nicht Staub, was diese hohe Wand
Aus hundert Fächern mit verenget?
Der Trödel, der mit tausendfachem Tand
In dieser Mottenwelt mich dränget?
Hier soll ich finden, was mir fehlt?
Soll ich vielleicht in tausend Büchern lesen,
Daß überall die Menschen sich gequält,
Daß hie und da ein Glücklicher gewesen?-

Diese reine Subjektivität jedoch, unbeeinflusst von jeder Theorie, scheint die Zeitlosigkeit und Aktualität zu garantieren. Goethe bewertet aus der Sicherheit seines Empfindens heraus. Er legt nicht dar, warum Wagner ein Hampelmann ist, aber auch über 200 Jahre später können alle nicht Hampelmänner, unmittelbar nachvollziehen, dass der Wagner so weitgehend den Typ des verbeamteten Geistlichen repräsentiert. Der Theaterdirektor ist der Vorläufer von Tom Cruise. Auch der merkt nicht, was für einen gnadenlosen Stuss er brabbelt, wenn er anmerkt, dass es bei dem Film Wallküre eben primär um Unterhaltung und Kasse machen geht.

Besonders aber laßt genug geschehn!
Man kommt zu schaun, man will am liebsten sehn.
Wird vieles vor den Augen abgesponnen,
So daß die Menge staunend gaffen kann,
Da habt Ihr in der Breite gleich gewonnen,
Ihr seid ein vielgeliebter Mann.
Die Masse könnt Ihr nur durch Masse zwingen,
Ein jeder sucht sich endlich selbst was aus.
Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen;
Und jeder geht zufrieden aus dem Haus.
Gebt Ihr ein Stück, so gebt es gleich in Stücken!
Solch ein Ragout, es muß Euch glücken;
Leicht ist es vorgelegt, so leicht als ausgedacht.

Adorno analysiert, macht das Unbehagen begrifflich fassbar („…der Aufwand an Technik ist umgekehrt proportional zu den ästhetischen Materialien..“), aber Goethe bringt es mit der Sicherheit eines Menschen, der unbewusst die Widersprüche sammelt, auf den Punkt. Man kann die sprachgewandte Sprachlosigkeit analysieren, Goethe haut das glatt hin.

Gewoehnlich glaubt der Mensch,
wenn er nur Worte hoert, es muesse
sich dabei doch auch was denken lassen

So geht das durch den ganzen Faust. Eine lange Reihe von Hammerschlägen. Dass diese Verse reinster Subjektivität wahr sind, erfahren wir eigentlich nur durch die Tatsache, dass sie uns auch heute noch einleuchten, sie leuchten uns ein, bevor wir sie analysieren. Um solche Verse am laufenden Meter hinzuhauen, braucht man eine schlafwandlerische Sicherheit, nur ist leider nicht klar in was. Die reinste Subjektivität kann zu den allgemeingültigsten Aussagen führen. Diese schlafwandlerische Sicherheit fehlt bei Dante völlig. Das übergestülpte System entpuppt sich im Jenseits als himmliche / göttliches Megaloch und für die Beschreibung des Diesseits kann er auf keine Erfahrungstiefe zurückgreifen. Die Divina Commedia zerbröselt uns in den Händen wie ein Baguette vom Vorjahr.

So ward vom Geiste mir die dritte Kunde,
Der fortfuhr: „ Hier nun hab ich ohne Wanken
Befestigt mich in gottbeflissenem Bunde,

Dass Frost und Glut ich, ohne zu erkranken,
Nur bei olivenölgestärkter Speise
Gelitten, fromm den Himmel in Gedanken

Es war wohl früher in Italien Sitte, normalerweise mit tierischen Fetten zu kochen. Da hat sich ja, wie allseits bekannt, heute geändert. In Italien wird fast ausschließlich Olivenöl benutzt, was aus medizinischer Sicht auch günstiger ist.

Einst pflegt reichlich Himmelsfrucht im Kreise
Des Klosters zu gedeihen, jetzt brach sich Bahn
Die Weltlust – bald bringt dir mein Wort Beweise

Angespielt wird auf die Tatsache, wie oben andeutungsweise beschrieben, dass Peter Damianus an mehreren Klöstern tätig war. Über den Papst hatte er auch Verbindung zum deutschen Kaiser, hielt sich auch länger in „Deutschland“ auf.

Dort hauste ich als Petrus Damian-
Und Sünder Petrus, hab zu Sanktmarien
Am Adriastrande frommes Werk getan

Das Sünder Petrus bezieht sich auf seine Unterschrift. Er firmierte oft mit Pietro Peccatore. Da kann man mal sehen, was für merkwürdige Blüten die Eitelkeit hervorbringt. Der eine kauft sich einen Porsche und der nächste nennt sich Peter der Sünder. Das Kloster Sanktmarien (im Original La Casa di nostra Donna = Haus unserer Frau) ist nicht bestimmbar.

Zu Ende war mein Leben fast gediehen,
Als man mich kor und zwang zu jenem Hut,
Der heute immer Schlimmern wird verliehen

Im Jahre 1057, also 15 Jahre vor seinem Tod, ernennt ihn Papst Stephan IX zum Bischof von Ostia. Die Ernennung machte ihm wenig Freude, er wäre lieber in Fonte Avellan geblieben um sich dort zu kasteien, zu hungern, theologische Traktate zu verfassen, Holzlöffel zu schnitzen und anderen sinnreichen Tätigkeiten dieser Art nachzugehen. 1062 wurde er dann von diesem Posten, auf sein Bitten hin, wieder entbunden, so dass er sich noch ganze 10 Jahre kasteien konnte, das reichte dann, um ihn die siebte Sphäre des Paradieses zu kommen.

Kephas ging darbend, arm und unbeschuht,
So ging auch das Gefäß vom heiligen Geiste,
Und jede Herbergskost schien ihnen gut

Mit Kephas ist Petrus gemeint (also jetzt tatsächlich der, der Türsteher vor dem Paradies spielt und der Stellvertreter Gottes im Jammertal ist), Kephas ist der hebräische Name für Petrus. Das mit dem „So ging auch das Gefäß vom heiligen Geiste“ hat was mit der speziellen Auffassung des heiligen Geistes bei Paulus zu tun. Der heilige Geist wohnt bei Paulus höchst individuell in jedem Menschen. So was kann man mit viel Mühe aus Römer, 8, 6 auslesen.

Ihr aber seid nicht fleischlich, sondern geistlich, so anders Gottes Geist in euch wohnt. Wer aber Christi Geist nicht hat, der ist nicht sein. So nun aber Christus in euch ist, so ist der Leib zwar tot um der Sünde willen, der Geist aber ist Leben um der Gerechtigkeit willen. So nun der Geist des, der Jesum von den Toten auferweckt hat, in euch wohnt, so wird auch derselbe, der Christum von den Toten auferweckt hat, eure sterblichen Leiber lebendig machen um deswillen, daß sein Geist in euch wohnt. So sind wir nun, liebe Brüder, Schuldner nicht dem Fleisch, daß wir nach dem Fleisch leben. Denn wo ihr nach dem Fleisch lebet, so werdet ihr sterben müssen; wo ihr aber durch den Geist des Fleisches Geschäfte tötet, so werdet ihr leben.

Sie sehen also, das Malheur mit der Sprache, das heißt das Malheur mit der von jedem empirischen Substrat gereinigte Sprache, setzt relativ früh ein. Dante ist, das konzedieren wir, eher Opfer als Täter. Wo wir nach dem Fleisch leben, werden wir sterben, wo wir aber durch den Geist die Geschäfte des Fleisches töten, da werden wir leben. Puh! Wie heißt das Werk bei Nietzsche ? Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik. Ich glaub ich schreib auch mal ein Buch: Die Geburt der sinnfreien Sprache aus dem Geiste der Religion. Denn eigentlich ist das logisch. Weht die Sprache aus dem Jenseits herüber, ist sie zwangsläufig von jedem empirischen Substrat gereinigt, denn im Jenseits gibt es ein solches nicht. Das ist auch meine Interpretation des babylonischen Sprachgewirrs. Da kam der heilige Geist und brachte das Jenseits, von da an hatten Wörter keine Bedeutung mehr, die Verwirrung war komplett und hält bis heute an. Fleisch ist irgendwie alles was Spaß macht. Et no nos inducas in tentationem; und führe uns nicht in Versuchung. Der heilige Geist ist die fertige Spaßbremse.

 

Heut will der Hirt, dass man ihm Hilfe leiste,
Von rechts und links, selbst rückwärts soll man halten
Und stützen ihn – so reitet stolz der Feste

Im Original

Or voglion quinci e quindi chi rincalzi
li moderni pastori e chi li meni,
tanto son gravi, e chi di rietro li alzi.

Die heutigen Hirten wollen, dass man sie stütze,
und dass man sie leite,
so fett sind sie, und dass man sie von hinten stütze

Na ja. Adipositas halt. Die sind so fett, dass sie sich von alleine nicht bewegen können. Wie fett die Päpste allerdings tatsächlich waren, ist nicht zu ermitteln, zumindest hat der Autor über Gregor VI und Bonifaz VIII keine aussagekräftigen Bilder gefunden.

Den Gaul selbst hüllend mit des Mantels Falten
Dass unter einem Tuch zwei Bestien gehen-
Wie lang, o Langmut, lässt du sie noch walten

Im Original

Cuopron d'i manti loro i palafreni,
sì che due bestie van sott'una pelle:
oh pazienza che tanto sostieni!

Mit ihren Mänteln bedecken sie die Pferde
so dass zwei Tiere unter einer Haut stecken:
Wie lang wird das noch geduldet

??? Sagen will er uns wohl, dass die Päpste so schwer waren, dass zwei Pferde nötig waren, um sie zu tragen. Das wiederum vertuschten sie, indem sie über beide Tiere ihre Mäntel ausbreiteten. Dem Autor ist jetzt nicht klar, wie man auf zwei Pferden sitzen soll. Wenn sie das geschafft haben, waren sie vielleicht wahnsinnig fett, aber äußerst gelenkig.

In schnellem Kreiseln, als dies Wort geschehen,
Stieg eine Flammenschar herab die Speichen
Und wuchs an Farbenpracht bei jedem Drehen,

Bis sie um Damia hielt im Kranzeszeichen
Sodann erhoben lauten Wehruf alle,
Dem hier hier an Donnerkraft nichts zu vergleichen,

Und ich ihn nicht verstand, betäubt vom Schalle

Wir haben das eingangs erwähnte nicht angepasste Sozialverhalten im Paradies, bzw. ein Verhalten, dass, würde man es im irdischen Jammertal sehen, also überspannt, affektiert, durchgeknallt empfunden würde. Wir kennen zwar den tobenden Applaus, wenn einer Rede zugestimmt wird, aber dass sich die Zuhörer dann noch im Kreis drehen, sich in Wehklagen ergehen und farbenprächtig leuchten, haben wir nicht mal auf einem Parteitag der CSU zu seeligen Stoibers Zeiten und wenn man die alle versammelt sieht, mit Lederhosen, Schnauzbart und Filzhut, haben wir schon eine breite Palette an nicht angepasstem Sozialverhalten, aber so doll haben es nicht mal die getrieben.