Wir sind jetzt im 16. Gesang und zunehmend ist Dante auf Entzug, nähert sich dem Delirium Tremens. War er in den vorigen Gesängen von allen möglichen Lichtern weitgehend grundlos entzückt, das ist die Wirkung von Alkaloiden, weitgehend grundloses Entzücken, so ist er jetzt auf Entzug, es betrübt ihn alles Mögliche weitgehend grundlos. Die Vorträge über die Schlechtigkeit der Welt, in diesem Fall von Florenz und über Auf- und Verblühen von irgendwelchen Familien sind so konfus, wie die Beglückung in den Gesängen vorher. Weiter haben wir einen neuen Typ von Osterei. Wir haben jetzt lauter Ostereier, nämlich mehr oder weniger die Namen aller Familien von Florenz, über die außer dem bloßen Namen nichts bekannt ist. Über diese teilt uns dann Dante irgendetwas mit, was in schlichter Prosa in etwa genauso interessant gewesen wäre, wie in Terzinenform. Obwohl wir schon öfter erfahren haben, dass Dante ab und an ahnt, was Dichtung ist, geht er hier wieder davon aus, dass eine triviale Sachaussage zur Dichtung wird, wenn sie in eine Terzine gegossen wird. Das Problem bei Dante, oder eines seiner vielen, ist seine Froschperspektive. Er meint aus der Beurteilung einzelner Leute ein Urteil über den Gang der Weltgeschichte ableiten zu können. Die Weltgeschichte wird aber nicht von einzelnen Menschen gesteuert, sondern von wirtschaftlich / technischen Prozessen und aus der daraus resultierenden gesellschaftlichen Organisationsform, wobei letztere wiederum durch Ideen beeinflusst wird. Man kann im übrigen die Wirkung eines jeweiligen gesellschaftlichen Entwicklungsstandes auf das Individuum beschreiben, die extremste Form dieser Richtung ist der Naturalismus (hier wiederum mit Zola als extremsten Vertreter). Man kann aber nicht durch die Aufzählung des Schicksals einer langen Reihe von Individuen gesellschaftliche Prozesse beschreiben. Das ist zwar ein schwer ausrottbarer Irrtum, der auch heute noch von vielen Leute gemacht wird (so nach dem Motto „ich kenne jemand, der bekommt Hartz IV und ist ein Faulpelz, folglich sind alle Hartz IV Empfänger Faulpelze“), aber Unsinn ist es trotzdem. Unsinnig war auch das Argument, mit dem der Umzug von Bonn nach Berlin begründet wurde. Ein Argument war, dass dann die Politiker dichter an den Problemen dran seien, sie können ja sozusagen die Probleme sehen, wenn sie aus dem Fenster schauen. Ein Volkswirt sieht ziemlich wenig, wenn er aus dem Fenster schaut. Erkenntnisse erwachsen nur aus aggregierten Massendaten. Dante hat die skurrile Vorstellung, dass er uns den von ihm konstatierten Niedergang von Florenz durch die Schilderung des Schicksals verschiedener Persönlichkeiten schildern kann, das ist Unsinn. Genauso unsinnig ist im Übrigen die Vorstellung von Bertolt Brecht, dass sich wirtschaftliche Prozesse im Theater darstellen ließen. Wirtschaftliche Prozesse sind Kausalketten, solche stellt man am besten in schlichter Prosa dar. Etwas anderes ist die Wirkung dieser Prozesse auf die Menschen. Diese lassen sich im Theater darstellen. Wer das nicht glaubt, der möge ein Handbuch der Volkswirtschaftslehre in die Hand nehmen. Wenn er anschließend immer noch der Meinung ist, dass der Inhalt desselben sich auch im Rahmen eines Theaterstückes vermitteln lässt, soll er es einfach nochmal lesen.

Du, unsers Blutes allzu dürftger Adel,
Wenn du so ruhmesstolz uns machst auf Erden,
Wo unser Tun und Treiben noch voll Tadel,

Werd ich mich drob nicht mehr erstaunt gebärden,
Seit droben – wo man doch den Irrtum meidet -
Mein Herz auf dich so stolz noch konnte werden!

Im Original

O poca nostra nobiltà di sangue,
se gloriar di te la gente fai
qua giù dove l'affetto nostro langue,

mirabil cosa non mi sarà mai:
ché là dove appetito non si torce,
dico nel cielo, io me ne gloriai

Wie wenig gilt doch unser vererbter Adel,
wenn sich die Leute hier unten dessen
rühmen, wo unsere Neigung noch schwankend

so wird es mich nicht überraschen:
aber auch dort, wo der Appetit nie fehlgesteuert,
im Himmel meine ich, rühmte ich mich seiner

In der Tat, darüber wundern wir uns auch. Dass irgendjemand stolz ist auf die nicht dokumentierten ( und wenn dokumentiert, dann fragwürdigen ) Heldentaten seines Urgroßvaters; das finden wir auch erstaunlich. Man kann ja nachvollziehen, dass kleine Kinder stolz sind auf Mama und Papa, aber irgendwann mal sollte man diese Phase dann auch überwinden. Die Verse sind etwas merkwürdig im italienischen Original. Wir interpretieren das mal so, dass er uns sagen will, dass sich niemand darüber wundern würde, wenn im irdischen Jammertal die Leute noch stolz sind auf ihren ererbten Adel, da gehen ja alle Gelüste noch nicht Richtung Himmelreich. Aber im Himmel selbst sollte das eigentlich nicht mehr passieren, da ist niemand mehr auf etwas erpicht, was nur im irdischen Jammertal mit seinen fehlgeleiteten Gelüsten bedeutsam ist. Was er uns aber damit genau sagen will, ist unklar. Will er uns mitteilen, dass er noch ein paar Runden im Läuterungsberg hätte drehen sollen oder ist ihm selber aufgefallen, dass die ganze Geschichte mit Cacciaguida Murks ist?

Ein Mantel bist du, der an Schrumpfung leidet,
Den – weiß man täglich ihm nichts anzustücken –
Die Zeit mit rascher Schere rings beschneidet.

Im Original

Ben se' tu manto che tosto raccorce:
sì che, se non s'appon di dì in die,
lo tempo va dintorno con le force

Jedoch ist es ein Mantel der schrumpft sogleich,
wenn nicht täglich verlängert,
umkreist ihn die Zeit mit der Schere

Sagen will er uns, dass man den Adel zwar erben, aber dann auch selber was tun muss, sonst schrumpft er, also wenn man sich dieses Adels nicht würdig erweist.

Mit jenem „Ihr“ – womit sich Rom zu schmücken
Zuerst begann, heut ist es außer Sitte -
Trieb mich‘ s, ihm meine Ehrfurcht auszudrücken,

Im Original

Dal "voi" che prima a Roma s'offerie,
in che la sua famiglia men persevra,
ricominciaron le parole mie;

Mit „Sie“, dass in Rom nur selten ward geduldet,
auf welches seine Familien nur wenig achteten,
begannen meine Worte

Dass er ihn siezen will (voi) fällt ihm reichlich spät ein, im 15. Gesang hat er ihn noch geduzt, dort steht:

Ben supplico io a te, vivo topazio
che questa gioia preziosa ingemmi,
perché mi facci del tuo nome sazio

Er sagt also „so bitte ich DICH (a te)…“, duzt ihn also. Was diesen Sinneswandel hervorgebracht hat, wissen wir nicht. Aus irgendeinem Grund findet Dante siezen besser als duzen. Linguistisch ist das im übrigen merkwürdig. Denn „voi“ ist im heutigen Standarditalienisch die zweite Plural, wird aber auch als Höflichkeitsform benutzt, wenn eine Gruppe angesprochen wird. Das ist noch nicht erstaunlich, da hat eben ein Pronomen einen Funktionswandel durchgemacht. Erstaunlich ist, dass in Argentinien, mit einem hohen italienischen Bevölkerungsanteil, vos anstatt tú verwendet wird. Da besteht ein Zusammenhang oder eben auch nicht. Was wir mit dieser Terzine dann anfangen sollen, ist völlig schleierhaft.

Als Beatrice, seitwärts ein paar Schritte,
Mir lächelnd winkte, wie beim ersten Fehle
Ginevras sich geräuspert eine Dritte.

Mit „Ginevras sich geräuspert eine Dritte“ wird auf Malehaut angespielt, die Hofdame Ginevras, die anwesend war (und hüstelte), als Lancelot ihr einen Heiratsantrag machte, was nicht so richtig in Ordnung war, weil Ginevras verheiratet war. Der Vergleich ist allerdings wie bei Dante üblich etwas durch‘ s Knie in die Brust in‘ s Auge, weil Malehaut dem Beginn eines Ehebruchs beiwohnte, was ja moralisch bedenklich sein könnte, wohingegen Dante ja lediglich auf die Sieform umsteigt. Wieso Beatrice da lächelt wie ein Honigkuchenpferd ist dem Autor schleierhaft. Hätte die Trulla noch alle Tassen im Schrank, könnte man annehmen, dass sie das Verhalten Dantes etwas affektiert findet und folglich in sich hinein grinst, aber so wie die Trulla drauf ist, findet sie das rührend.

„Ihr seid mein Vater“, sprach ich, „Meine Seele
Hebt hoch Ihr über mich empor, und Mut
Flößt Ihr mir ein, dass ich euch nichts verhehle.“

Im Original

Io cominciai: «Voi siete il padre mio;
voi mi date a parlar tutta baldezza;
voi mi levate sì, ch'i' son più ch'io

Ich begann: „Ihr seid mein Vater,
Ihr erlaubt mir das Vertrauen zu sprechen;
Ihr erhebt, so dass ich mehr bin als ich“

Das freut uns für Dante, wenn wir auch nicht recht nachvollziehen können, wieso Cacciaguida ihm dieses Vertrauen einflößt und ihn über sich selbst hinauswachsen lässt.

Aufquillt ein Bronnen reicher Wonneflut
In meiner Brust, doch will sie nicht zerspringen,
Was meinen Geist erfüllt mit stolzer Glut.

Im Original

Per tanti rivi s'empie d'allegrezza
la mente mia, che di sé fa letizia
perché può sostener che non si spezza

Aus soviel Strömen fühlt mit Freude sich
Mein Geist, dass es ihm schon zur Freud gereicht,
dass er ohne zu zerspringen aushält diese Freude

Bei Dante ist das mehr, als die Unfähigkeit, halbwegs vernünftige Bilder zusammenzubasteln, bei ihm liegt irgendwie eine besondere geistige Disposition vor. Er freut sich so sehr, dass er sich wiederum freut, dass er nicht platzt vor Freude ????!!

Sagt mir, mein teurer Ahne, denn von Dingen
Aus eurer Kindheit, Euern Knabenjahren,
Nennt mir die Vordern, die voran euch gingen.

Das hätte er besser nicht getan, denn ältere Leute erzählen verdammt gerne von der Vergangenheit, das hört dann gar nicht mehr auf und genau das ist es, was jetzt passiert. Abgesehen davon fehlt ihm die Ausbildung, um tatsächlich irgendetwas Interessantes zu erzählen. Man hätte das Erstarken des Bürgertums beschreiben können, die Gründe für den Handel, für den Zustrom aus den ländlichen Gegenden etc. etc. Stattdessen präsentiert er uns eine endlose, nichtssagende Namenliste.

Lasst von Johannis Hürde mich erfahren,
Wie groß sie war, und welche Bürger dort
Der obern Sitze wert und teilhaft waren?“

Im Original

ditemi de l'ovil di San Giovanni
quanto era allora, e chi eran le genti
tra esso degne di più alti scanni

Erzähl mir von der Herde des heiligen Johannes,
wie sie damals war und wer die Leute waren
die würdig waren der höchsten Ämter

Die Herde des heiligen Johannes ist Florenz, der war Patron der Stadt.

So heben zur lebendgen Glut sofort
Glimmende Kohlen sich beim Windeshauche,
Wie hier den Ahn verschönt mein Liebeswort,

Im Orignal

Come s'avviva a lo spirar d'i venti
carbone in fiamma, così vid'io quella
luce risplendere a' miei blandimenti

Wie sich belebt, wenn die Winde blasen
die Kohle in den Flammen, so sah ich
Aufleuchten jene Flamme bei meinen schmeichelnden Worten

Das manche Leute dahinschmelzen wie Butter in der Sonne, wenn ihnen jemand Honig um den Bart schmiert, können wir noch nachvollziehen.

Und dass nicht nur mein Blick in Schönheit tauche,
Jetzt auch die Stimme hold ans Ohr mir drang
In Lauten, wie sie heut nicht mehr im Brauche.

Im Original

e come a li occhi miei si fé più bella,
così con voce più dolce e soave,
ma non con questa moderna favella

und damit er nicht nur schöner strahle meinen Augen,
sprach er mit süßer und sanfter Stimme,
nicht mit jener die heut ist Sitte

Das mag ja sein, dass Dante da irgendwelche Kriterien hatte, anhand derer er bestimmte Akzente als anderen Akzenten überlegen beschreibt, damit setzt er sich ja in seiner Schrift „De vulgare Eloquentia“ auseinander. Vordergründig klingt es aber nach dem ewigen Gejammere der Zurückgebliebenen, die mit der Gegenwart hadern und das Ideal in der Vergangenheit suchen, weil sie die Zukunft erst recht nicht verstehen, das nennt man typischerweise konservativ. Akzente ästhetisch zu bewerten ist allerdings ganz prinzipiell ein hoffnungsloses Unterfangen und von Sprache zu Sprache unterschiedlich. Im Spanischen zum Beispiel, das sich auf einer immensen geografischen Fläche ausgebreitet hat, gehören die Akzente zu eigenständigen Ländern. Dies kann ein Grund dafür sein, dass die Farbe eines spanischen Akzentes nicht so stark ist, dass er alle Schattierungen verdeckt, anders ausgedrückt, man kann ein Gedicht mit einem peruanischen, chilenischen oder kolumbianischen Akzent vortragen, ohne dass es zusammenbricht. Im Deutschen ist das nicht möglich, wie sie sofort erkennen, wenn Sie sich diese http://www.curso-de-aleman.de/grammatik/kapitel_3/3_1_los_dialectos_del_aleman.htm Seite anschauen. Es ist immer das gleiche Gedicht von Matthias Claudius, der Mond ist aufgegangen, aber wir werden uns sofort einig, dass es nur auf Hochdeutsch funktioniert. Das ist im Spanischen nicht so. Ein Gedicht von z.B. Gustavo Adolfo Becquer funktioniert mit jedem Akzent. Die Beurteilung von Akzenten oder Dialekten kann also nicht global erfolgen. Es hängt von der jeweiligen Sprache und vom Zweck ab. Soll zum Beispiel Bodenständigkeit ausgedrückt werden, ist Schwäbisch ideal. Es drückt zwar außer Bodenständigkeit nichts aus, aber dieses wird perfekt ausgedrückt. Nochmal eine andere Geschichte sind aber dann die Akzente innerhalb eines Landes. Jedes südamerikanische Land hat einen Standard und Abweichungen von diesem Standard gelten nicht als hübsch. Wie allerdings der Akzent eines Landes in einem anderen Land aufgefasst wird, ist dann nochmal ein Sonderthema. Für das Spanische gilt im Allgemeinen, dass die Südamerikaner zwischen den Akzenten der einzelnen Länder nicht diskriminieren und alle als gleichwertig ansehen. In Spanien ist das etwas anders. Hier gibt es tendenziell einen höheren Anteil an Menschen, die die Akzente Südamerikas als inferior ansehen. Ähnlich verwickelte Diskussionen lassen sich jetzt auch bezüglich des Englischen treffen, wobei es wohl im Englischen noch einen Takt verrückter ist. Da Englisch die lingua franca der Welt ist, scheint sich der Nexus „entfernt von der Norm = geringes Bildungsniveau“ aufgelöst zu haben. Man hat sich daran gewöhnt, dass auch hochkarätige Wissenschaftler auf Kongressen ein von der Norm deutlich abweichendes Englisch sprechen. Das heutige Italienisch ist im übrigen nochmal ein skurriler Sonderfall. Obwohl Italienisch ja überwiegend nur in einem Land gesprochen wird (als einzig relevantes Land wäre noch die Schweiz zu nennen, wo Italienisch in manchen Gegenden offizielle Landessprache ist), streiten sich die Italiener bis auf den heutigen Tag über die Frage, welches Italienisch eigentlich das korrektere, schönere, elegantere ist. Da der Autor zwangläufig mit solchen Fragen befasst ist, im Zusammenhang mit den Sprachportalen, würde er den Minidantes dieser Welt, die der Meinung sind, sie müssten ein Urteil über Akzente und Dialekte abgeben, mal folgenden Ratschlag geben. Sinnvoller als allürenhaftes Gehabe, Dünkel und subjektiver Geschmack ist die objektive Beschreibung dessen, was ist, das heißt die genaue Beschreibung eines Akzentes und Dialektes. Man wird dann sehr schnell feststellen, dass Akzente / Dialekte ziemlich kompliziert sein können und sich in diesen eine Menge Kultur ablagert. Objektiv kann man auch noch die Wahrnehmung eines Akzentes / Dialektes einer Region in einer anderen beschreiben. Man kann auch versuchen, zu erklären, wieso ein Akzent diese oder jene Wirkung hervorruft. Was man nicht tun sollte, ist einen Akzent / Dialekt à la Dante zu beurteilen, subjektiv und aus dem Bauch heraus. Es gibt Leute, die meinen, dass das der letzte kulturelle Kick und das Zeichen von Überlegenheit ist. Es ist das Gegenteil. Wer es tut, offenbart, dass er über das Thema noch nie nachgedacht hat, offenbart sich als Volltrottel. Auch wenn sich bei Adorno ähnliche Urteile finden lassen, hier irrt er, was auch damit zusammenhängen kann, dass er zwar ein begnadeter Musiker war, aber keiner einzigen Fremdsprache mächtig. Hier hätte er besser geschwiegen. Wir würden also erstmal bezweifeln, dass Dante hier mehr geleistet hat, als eine subjektive Bewertung. Er hätte die Kriterien offenlegen müssen, anhand derer er einen Akzent oder eine Stufe der Sprachentwicklung beurteilt. So wie es dasteht, klingt es wie eine der täglich zu hörenden Aussagen von Lieschen Müller oder einem verbeamteten Geistlichen.

Er sprach: „Vom Tage, wo das Auge klang,
Bis zu der Zeit, wo mich gebar in Qual
Die Mutter, die sich zu den Heilgen schwang,

Zog dieser Stern fünfhundertachtzigmal
Zum Löwensternbild heim, um zu entbrennen
Ihm unterm Fuße im verjüngten Strahl.

Im Original

dissemi: «Da quel dì che fu detto "*Ave*"
al parto in che mia madre, ch'è or santa,
s'alleviò di me ond'era grave,

al suo Leon cinquecento cinquanta
e trenta fiate venne questo foco
a rinfiammarsi sotto la sua pianta

er sagte: “Seit jenem Tag als “Ave” erklungen
und sich meine Mutter, die jetzt heilig,
sich von mir, der sie beschwerte, befreite

erschien unter dem Löwen
zum 580 Mal neu dieses Feuer
um dort sich unter seiner Sohle zu entzünden

Die 580 ist ein bisschen merkwürdig zusammengebaut, aus 550 und 30 anstatt 580 (cinquecentoottanta), das geht als wrong or right meine Terzine (frei nach wrong or right my country) durch. Mit der etwas komplexen Angabe des Geburtsdatums hat uns Dante wieder bewiesen, dass irgendwas aus dem Almagest des Ptolemäus bei ihm angekommen ist, wenn wir auch bezweifeln, dass er das Original kannte. Der Tag, an dem „Ave“ erklang, ist der 25. März, das ist der Tag, an dem der Engel Gabriel Maria verkündete, dass sie mit Jesus niederkommen wird. Die Florentiner legten nun den Beginn der Zeitrechnung auf den 25. März des Jahres O. Nach dem Almagest braucht der Mars 687 Tage, um wieder unter demselben Sternbild zu erscheinen. Der Autor gibt zu, dass er mit dieser Stelle ein paar Probleme hat, die er mal nicht weiter diskutieren will, das geht etwas zu sehr in die Astronomie, von der er keine Ahnung hat, übernimmt also die Kommentare aus der Literatur, die das im Detail auch nicht verstehen. Wenn die Umlaufzeit des Mars um die Sonne 687 Tage beträgt und das 580 mal passiert, haben wir 398460 Tage. Dividiert man das durch 365 Tage, dann haben wir 1091,67 Jahre. Cacciaguida wäre also, wenn der Beginn der Zeitrechnung der 25. März des Jahres 0 ist, am 25. März 1091 geboren. Nimmt man die 0,67 Jahre dazu, etwa 8 Monate später, dann hätte sich Dante auch sein „Ave“ sparen können. Es ging ihm aber offensichtlich nicht um die Angabe des Geburtsdatums dieses Kollegen, das er ohnehin nicht kannte, sondern um den Beweis, dass er irgendwas aus dem Almagest oder einer Zusammenfassung desselben gelesen hat.

Gleich meinen Vätern muss ich Stammort nennen
Das letzte Sechsteil, das zuerst berührt
Der Florentiner jährlich Pferderennen.

Zunehmend verstehen wir auch, warum die Florentiner Dante ins Exil geschickt haben. Da sitzt jemand, der sich einbildet, dass es die Nachwelt interessiert, wo sein weitgehend irrelevanter Uropa geboren wurde und diesen Geburtsort teilt er uns auch noch verklausuliert mit. Mit dem "l' ultimo sesto" dem letzten Sechstel ist die Porta San Pietro gemeint, da in der Nähe hat er gewohnt, der Uropa Dantes. Sie fragen sich, wie man mit dieser Info konkret Asche machen kann ? Kann ich ihnen sagen. Sie sind Professor an einem deutschen Institut für Romanistik und beantragen ein Forschungssemester, bei dem Sie sich noch von der Studienstiftung des deutschen Volkes eine Forschungsreise nach Florenz bezahlen lassen. Titel des Antrags: Topographische Angaben als Zeichen des Mysteriums in der Divina Commedia. Sollten Sie Probleme haben mit der Ausformulierung des Antrages, schicken Sie das Teil mir, ich bin da gut.

Dies sei dir als genügend angeführt,
Woher die Ahnen und als was entsprossen -
Bescheidnes Schweigen sich darob gebührt.

Im Original

Basti d'i miei maggiori udirne questo:
chi ei si fosser e onde venner quivi,
più è tacer che ragionare onesto

Dies genüge dir als Schilderung meiner Ahnen:
Wer sie waren und woher sie kamen
zu schweigen ziemt nun mehr als reden

Wie wahr, wie wahr. Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube. Er hat uns jetzt die höchst relevante Information geliefert, dass sein Urgroßvater irgendwo auf die Welt kam, wo Gäule über die Prärie gejagt worden sind und zu einem Zeitpunkt, als der Mars nach Christi Geburt ein paar Hundert Mal um die Sonne gekreist war. Nachdem er uns das mitgeteilt hat, ziemt es sich zu schweigen. Da würden wir glatt sagen, das hätte sich von vorneherein geziemt. Wir machen aber jede Wette, wenn Dante über diesen Uropa noch irgendetwas gewusst hätte, dann hätte er es uns erzielt, da ist er gnadenlos. Wir vermuten zunehmend, dass die Florentiner Dante gar nicht wegen politischen Gründen aus Florenz hinausgeworfen haben, sondern dass er ihnen schlicht gewaltig auf den Sender ging.

Die zwischen Mars und Täufer eingeschlossen,
Die waffenfähge Bürgschaft war klein,
Ein Fünftel kaum der heutgen Heergenossen,

Im Original

Tutti color ch'a quel tempo eran ivi
da poter arme tra Marte e 'l Batista,
erano il quinto di quei ch'or son vivi

Alle jene, die fähig waren Waffen zu tragen
zwischen Mars und dem Baptisterium
Waren ein Fünftel von denen, die heute leben

Mit Mars ist die Marsstatue auf dem Ponte Vecchio gemeint. Diese existiert heute nicht mehr, sie wurde 1333 zerstört, als der Arno Hochwasser führte. Das Baptisterium, die Taufkirche. Gemeint ist tatsächlich das Gebäude, das dem Dom
Santa Maria del Fiore gegenüberliegt, also das mit den beeindruckenden Portalen. Allerdings nicht in seiner heutigen Form, es wurde seitdem ständig baulich erweitert.

Doch machte sie sich nicht wie ihr gemein
Mit Campi, mit Certalo und Fighinen
Ihr Blut blieb bis zum letzten Werkmann rein

Das Interessante an der Divina Commedia ist ja bekanntlich nicht der Text selber. Der ist eine Ansammlung von schiefen Metaphern, Vergleichen und Bildern, die in Terzinen und ziemlich verquaster Form, garniert durch alle möglichen hohlen, nichtssagenden Phrasen, das Weltbild des Mittelalters darstellen, wie es sich einem fleißigen mittelalterlichen Studiosus darstellte. Erstaunlich ist, dass dieses Machwerk aus der Giftküche Europas, das so mehr oder weniger alle Strömungen versammelt, die zwangläufig in die Katastrophe führen, Antisemitismus, extreme Intoleranz, völlige Unfähigkeit, über gesellschaftliche Prozesse zu reflektieren, Ruf nach der starken Hand, Hoffnungslosigkeit etc.etc. kanonischen Charakter hat gewinnen können. Ein Grund mag sein, dass es das Weltbild des Katholizismus beschreibt, der ja bis zum heutigen Tag all‘ diese Elemente in sich trägt, aber durch eine aufgeklärte, rationale Gesellschaftsordnung domestiziert wird. Irgendwann schwappte dieses Opus Magnus dann in den offiziellen Kulturbetrieb, also den von Beamten veranstalteten. Und was da drin ist, bleibt da auch bis zum jüngsten Gericht und wenn es ganz dick kommt, erfolgt dann sogar noch die Auferstehung. Was uns Dante mit seiner Terzine oben sagen will, ist weitgehend unklar. Irgendwie sind die Leute aus Campi, Certalo und Fighini nicht rein wie das Blut des Werkmann, aus welchen Gründen auch immer. Campi Bisenzio (heute 39 000 Einwohner) ist eine Stadt in der Nähe von Florenz. Dass Dante sie unrühmlich erwähnt, tragen die heutigen Bewohner von Campi offensichtlich mit Fassung. Auf der Wikipedia Seite (http://it.wikipedia.org/wiki/Campi_Bisenzio) weisen sie selbst auf die Stelle hin. Certaldo ist eine kleine Gemeinde (16000 Einwohner) in der Provinz Florenz. Figline Valdesa liegt 25 km von Florenz entfernt und hat heute etwa 25000 Einwohner. Die Einwohner dieser - zum damaligen Zeitpunkt - Dörfer mochte Dante nicht. Aus welchen Gründen auch immer.

Und besser wär‘ s: Ihr wäret Nachbarn ihnen
Geblieben, und Trespiano und Galuzz
Könnt euerm Weichbild noch als Markstein dienen.

Im Original

Oh quanto fora meglio esser vicine
quelle genti ch'io dico, e al Galluzzo
e a Trespiano aver vostro confine,

Oh wieviel besser wäre es doch sie wären noch Nachbarn,
diese Leute die ich nannte, und Galluzzo
und Trespiano wären noch die Grenze

Galluzzo und Trespiano waren zwei Ortschaften in der Nähe von Florenz, heute sind es zwei Stadtbezirke. Dante erweist sich hier als echter Schwabe. Jeder der fremd ist und fremd ist schon, wer vom 10 km entfernten Dorf kommt, ist ein Reingeschmeckter, bleibt also ewig Fremdling und wir mit Argusaugen begutachtet.

Als dass ihr jetzt den Muff und Bauernschmutz
Von Aguglion und Signa müsst ertragen,
Die euch betrügen schnöd aus Eigennutz!

Im Original

che averle dentro e sostener lo puzzo
del villan d'Aguglion, di quel da Signa,
che già per barattare ha l'occhio aguzzo!

Als sie im Inneren zu haben und den Gestank zu ertragen
der Schurken von Aguglion und den von Signa
der schon die Gelegenheit erspäht euch zu betrügen

Bei dem villan gibt es ein Problem, das heißt Bauer wie auch Schurke. Würde man mit Bauer übersetzen, bezöge sich das puzzo auf den Gestank, den landwirtschaftliche Produktionsbetriebe nun mal hervorrufen, diese waren aber Kern der mittelalterlichen Wirtschaft und würde Dante das meinen, wären ihm, was wir nicht mal für unmöglich halten, auch noch die letzten Sicherungen durchgebrannt. Er meint aber Schurke, denn wir lesen in einem italienischen Kommentar:

del villan d'Aguglion: è Baldo d'Aguglione, autorevole
giureconsulto, autore dei falsi operati nei registri pubblici,
per cui cfr. Purg. c. XII, n. 100. L'altro è Fazio Morubaldini
da Signa, più volte priore e sospetto di baratteria. Aguglione
(o Aquilone) è un castello in Val di Pesa, Signa è un paese
presso Firenze.

der Schurke von d’ Aguglion: Es handelt sich um Baldo d’ Aguglione, ein
bekannter Rechtsgelehrter, Autor einiger gefälschter Dokumente in öffentlichen Registern, näheres cfr. Purg. C. XII, n. 100. Der andere ist Fazio Morubaldini
da Signa, mehrmals zum Prior gewählt und des Betrugs / der Korruption verdächtigt. Aguglione (oder Aquilone) ist ein Schloss im Val di Pesa, Signa ein Dorf in der Nähe von Florenz.

Mit villan ist also ein Schurke gemeint und nicht ein Bauer.

Wär nicht der Klerus aus der Art geschlagen,
Hätt er versüßt den Kaisern den Geschmack
Am Herrschen, statt gehässig sie zu plagen,

Im Original

Se la gente ch'al mondo più traligna
non fosse stata a Cesare noverca,
ma come madre a suo figlio benigna,

Wenn die Leute, die in der Welt am meisten
degeneriert, nicht Cäsar wie eine Stiefmutter behandelt hätten,
sondern eine Mutter, die das Kind behütet

Das ist wieder der Quark mit der zwei Schwerter Theorie. Der Kaiser soll sich darum kümmern, dass auf Erden Ordnung herrscht, also alles plattmachen, was sich ihm widersetzt und der Papst ist für das Himmelreich zuständig. Klerus steht im Original zwar nicht da, da steht gente (Leute), aber die Übersetzung von Zoozmann ist wohl ganz passend.

Längst wär das Krämervolk und Wucherpack
Verduftet aus Florenz nach Simifonti,
Wo schon ihr Ahnherr trug den Bettelsack.

Im Original

tal fatto è fiorentino e cambia e merca,
che si sarebbe vòlto a Simifonti,
là dove andava l'avolo a la cerca

so wurden die zu Florentiner und wechseln und handeln,
die zurück nach Simifonti gegangen wären,
wo ihre Ahnen noch um Almosen baten

Simifonti war eine kleine Ortschaft in der Nähe von Florenz, die 1202 von den Florentinern vollkommen zerstört wurde, da sie Florenz an der weiteren Expansion hinderte. Die Aussagen Dantes sind also immer wirr, behauptet er mal was Vernünftiges, ist es reiner Zufall.

Noch wäre Montemurli Sitz der Conti,
Die Cerchi säßen im Aconer Sprengel,
Und wohl im Grievetal die Buondelmonti.

Montemurlo ist eine Burg zwischen Pistoia und Prato, die gehörte den Guidi. Da diese Grafen (Conti) waren, macht Dante eben Conti draus. Das ist, rhetorisch gesehen, eine Antonomasie. Bei dieser wird eine bezeichnende Eigenschaft zur Bezeichnung genommen (der Staatsphilosoph für Hegel). Bei den Cerchi handelt es sich vermutlich um eine reiche florentinische Familie. Wir wissen nun, dass unter bestimmten Umständen, wobei nicht ganz klar ist welchen, irgendwelche Familien heute noch im Besitz irgendwelcher Reichtümer sind und weiter wissen wir, dass noch kein Dichter es geschafft hat, einen solchen Schrott zur Weltliteratur zu machen. Das ist eine Leistung, vor der wir uns in der Tat verneigen.

Richtig bunt wird es jetzt, für Multikulti war er gar nicht, der gute Dante.

Stets war des Unheils Grund solch Volkgemenge!
Wie für den Körper Übermaß und Gier,
Ist das für jede Stadt ihr böser Engel

Im Original

Sempre la confusion de le persone
principio fu del mal de la cittade,
come del vostro il cibo che s'appone

Immer war die Vermengung der Personen
der Anfang des Bösen in der Stadt,
wie für uns die Vielfalt der Nahrung

Wir halten den verbeamteten Geistlichen der Dante Gesellschaft und allen, die Loblieder auf die Divina Commedia singen, zu Gute, dass sie den Dreck gar nicht gelesen haben, denn so allmählich sind wir auf dem Niveau der NPD. Allerdings würden wir schon sagen, dass die verbeamteten Geistlichen der Dante Gesellschaft, die via Beamtenstatus der freiheitlich demokratischen, pluralistischen Gesellschaftsordnung verpflichtet sind und auf diese auch einen Eid leisten, mal lesen sollten, was sie da propagieren und klar machen, dass hier Aussagen gemacht werden, die vom Spektrum der in einer Demokratie möglichen Aussagen nicht mehr gedeckt werden. Man kann das mal vergleichen mit NPD Orginalsound.

„Die Aufnahmefähigkeit für Ausländer aus fremden Kulturkreisen ist nicht nur erschöpft, sondern bereits überschritten. Statt unsinniger Integrationspolitik muß eine konsequente Rückführung der hier lebenden Ausländer in ihre Heimat betrieben werden.“

Aus: http://www.npd.de/index.php?

Bei Dante allerdings ist das noch eine Spur krasser. Nicht „Ausländer“ sind sein Problem, sondern die Bewohner des Nachbardorfes, schon da konstatiert er eine „Vermengung der Personen“ die „der Anfang des Bösen“ ist. Dante ist hier nicht das Problem, er ist hier halt ein Spinner unter vielen. Die unkritische Hymne auf ihn durch den offiziellen, mit Steuergeldern geförderten Kulturbetrie ist aber ein Problem, wirft ernsthaft die Frage auf, ob das Personal zur Ausbildung von Studenten geeignet ist.

Zu Fall bringt leichter man den blinden Stier
Als ein erblindet Lamm, und besser schneiden
Kann eine Klinge oft als ihrer vier!

Im Original

e cieco toro più avaccio cade
che cieco agnello; e molte volte taglia
più e meglio una che le cinque spade

und ein blinder Stier eher fällt
als ein blindes Lamm; und oft schneidet
ein Schwert mehr und besser als viele Schwerter

Welche Beziehung herrscht zwischen einem Stier und einer Bevölkerung, die sich aus unterschiedlichen ethnischen Gruppen zusammensetzt (wobei der Begriff „unterschiedliche ethnische Gruppen“ hier ziemlich strapaziert wird, es handelt sich um die Bewohner der Nachbardörfer) ist unklar. Genau so unklar ist, wieso wir es mit einem Lamm zu tun haben, wenn alle aus demselben Dorf kommen. Rein medizinisch gesehen würden die Vorstellungen Dantes im Übrigen in der Inzucht enden, weil eine Dorfgemeinschaft viel zu klein ist. Man kann das an den Mennoniten in Bolivien beobachten, die werden mit jeder Generation eine Schattierung blasser. Sagen will er irgendwie, dass eine homogene und kleine Gruppe (Lamm) eher geeignet ist Gefahren jedweder Art abzuwehren, als eine große Gruppe, die sich nicht einig ist. Der Zusammenhang zu rassistischen Ideologien ist offensichtlich und wird auch so interpretiert; wir lesen zum Beispiel bei von Falkenhausen:

Aber die Einwohnerschaft war noch reinblütig, nicht vermischt mit der benachbarter Ortschaften, deren Eingemeindung seither, ebenso wie die Einbürgerung fremder Schloßherren, Einheitlichkeit und Eintracht gestört, das Emporkommen übler Glücksritter gefördert hatte.

Dante, Die Göttliche Komödie, Insel Taschenbuch, 1997, Seite 623

Der gute Falkenhausen meint also, dass wenn zwei Dörfer zusammenwachsen, das Blut nicht mehr reinblütig ist. Dem Autor ist kein Werk bekannt, das ein derartiges Aussetzen der Hirnleistung hervorgebracht hat, das ist das tatsächliche Mysterium der Divina Commedia. Es gibt zweifelsohne in jedem Sprachraum Schund ohne Ende, Literatur die nicht mehr Dichtung, sondern Ideologie in ihrer reinsten Form ist. Es gibt kommunistischen, faschistischen, christlichen, kapitalistischen und allen möglichen Schund. Die versinken aber normalerweise in der Versenkung, wenn die Ideologie dahinter verschwindet. Man kann sie dann als Gruselromane in irgendwelchen Antiquariaten erwerben für 50 Cent. Dante nicht. Hier hat Schund den Sprung in die Kultusbürokratie geschafft, offensichtlich weil die dahinter stehende Ideologie, der Katholizismus, nach wie vor existiert.

Die Bemerkungen bekannter verbeamteter Geistlicher geben zu denken und sollten auch die Politik, die die Steuergelder in diesen Bereich umlenken, veranlassen, darüber zu sinnen, ob wir hier nicht einen Sumpf haben, den man mal trocken legen sollte. Karl Vossler schreibt, wenn wir dem Insel Verlag trauen dürfen, so was:

„Nur kraft seines großen Gedichtes kann Dante Alighieri als der Vater der italienischen Schriftsprache gelten. Aus einer literarisch noch unerzogenen Sprache, fast ohne Vorbereitung, ist dieses Riesenwerk wie ein granitener Bergstock senkrecht aus sandiger Ebene emporgetrieben. Es überragt schlechthin alles, was vorher oder nachher aus derselben italienischen Sprache ans Licht gebracht wurde.“

Keine einzige kritische Anmerkung, Hymne pur. Im Namen dieses Karl Vossler, der im Manifest der 93 im September 1914 in einer breit angelegten Medienkampagne die Bevölkerung dazu aufrief, die deutsche Kriegsführung zu unterstützen, vergab das Land Bayern bis zum Jahre 2002 einen Preis, den Karl - Vossler Preis, für „besondere wissenschaftliche Leistungen“ aus dem Bereich der Geisteswissenschaften. Die faktische Bedeutungslosigkeit der Geisteswissenschaften kann auch damit zu tun haben, dass dort eine Menge Sumpfstilblüten gezüchtet werden, deren Wurzeln tief im Morast stecken. Sterile Blüten, die einsam vor sich hin sumpfen und deren einzige Freude darin besteht, sich auf irgendwelchen dubiosen Kongressen sich gegenseitig zu feiern, vor Ehrgeiz brennend. Dieser Ehrgeiz ist allerdings die einzige Flamme, die im Busen dieser Briefmarkensammler leuchtet, die aber umso heller. Dante ist insofern interessant, als er zeigt, welches Personal sich um eine Ideologie und um hohle Phrasen herum versammelt. Dieser Misch aus Ehrgeiz, Desinteresse für gesellschaftliche Verhältnisse, Hybris (Karl Vossler argumentiert nicht, er postuliert: …Es überragt schlechthin alles, was…), Dummheit und Faulheit wird nicht in der Lage sein, die Geisteswissenschaften zu einer spannenden Sache zu machen und mit diesem Personal lassen sich die Geisteswissenschaften auch nicht erneuern, da die Sumpfstilblüten immer wieder Sumpfstilblüten züchten werden.

An Luni denk, an Urbisaglia! Beiden
Ging‘ s schlimm, auch Chiusi wird es kaum verwinden,
Und Sinigaglia liegt schon im Verscheiden!

Wir haben wieder eine Aufzählung von irgendwelchen Gemeinden, die aus irgendwelchen Gründen untergegangen sind, allerdings ohne dass sich irgendwie erschließen ließe, inwiefern der Untergang dieser Städte irgendetwas mit den in den vorherigen Terzinen ausgebreiteten Thesen zu tun hat. Wir finden es nicht verwunderlich, dass sich für abstruse Thesen keine Beispiele finden lassen, das liegt in der Natur der Dinge, wir finden es auch nicht verwunderlich, dass Dante suggerieren will, dass er seine abstrusen Thesen belegen kann, wir finden es aber erstaunlich, dass zu so einem Quark niemand kritisch Stellung nimmt. Luni ist eine von den Römern 177 vor Christus gegründete Stadt. Sie wurde schon lange vor Dantes Zeit zerstört. Der Name Luni lebt aber fort in der immer noch existierenden Gemeinde Lunigiana. Urbisaglia existiert heute noch (2776 Einwohner). Der Name leitet sich ab von Urbs Salvia. Sie wurde von Alarich (geb. 370, gest. 410), dem ersten bekannten König der Westgoten im fünften Jahrhundert vor Christus zerstört. Chiusi ist eine Stadt in der Toskana, heute 8700 Einwohner. Gegründet wurde sie von den Etruskern. Vollständig zerstört wurde Chiusi nie, gehörte aber im Mittelalter zu Siena. Senigallia liegt an der Adria, heute 44.000 Einwohner. Gelegentlich wird erwähnt, dass dort zu Zeiten Dantes die Malaria wütete, was zu einer schrumpfenden Bevölkerung führte. Wieso Dante dieses Beispiel anführt, um die oben ausgebreitete These von der Vermischung der Völker zu untermauern, ist schleierhaft. Malaria wird durch eine Fliege übertragen, die fliegt auch in "reinblütige" Gemeinden.

Drum wirst du‘ s weder neu noch seltsam finden,
Dass ein Geschlecht zuweilen untergeht,
Wo ganze Städte nach und nach verschwinden.

Man mag es ja etwas extrem finden, dass die Florentiner Dante ins Exil geschickt haben, sie hätten ihm ja auch einfach, immer wenn er anfängt zu singen, das Maul stopfen können, das machen die Gallier in Asterix und Obelix mit Troubadix. Heute würde man das Problem anders lösen, man würde so einen Spinner schlicht totschweigen. Nein, wir finden es nicht merkwürdig, dass aus irgendwelchen Gründen, Seuchen, wirtschaftliche Umstrukturierungsprozesse, kriegerische Auseinandersetzungen manche auf und manche absteigen. Und wir finden es in der Tat nicht erstaunlich, dass wenn viele Einzelne sterben, aus welchen Gründen auch immer, unter Umständen auch eine Stadt stirbt. Wenn uns allerdings jemand in einer Tonlage, mit der man die höchsten Erkenntnisse erzählt uns vollkommen trivialen Mist erzählt, dann würden wir sagen, da geht jemand mit seiner Dummheit hausieren.

Es stirbt der Mensch und was durch ihn entsteht!
Und zögert oft der Tod, zu überraschen,
Spät dünkt‘ s euch, weil ihr selbst so schnell verweht.

Im Original

Le vostre cose tutte hanno lor morte,
sì come voi; ma celasi in alcuna
che dura molto, e le vite son corte

Alle eure Dinge sind dem Tod geweiht,
so wie auch ihr, doch wird dies verdeckt,
wenn etwas lange dauert, weil euer Leben kurz

Soll heißen, dass wir alle sterben (eine erst mal bahnbrechende Erkenntnis) und das auch alles, was wir schaffen stirbt. Dieser Tatbestand wird uns aber nicht bewusst, weil von Menschen auch Dinge erschaffen werden, die weit länger dauern, als er selbst, so dass er subjektiv den Eindruck hat, sie dauern ewig. Auch dies ist natürlich vollkommener Blödsinn. Wissen akkumuliert sich. Nicht nur, dass es nicht stirbt, es kriegt sogar Kinder und es wird immer mehr. Da aber die drei Produktionsfaktoren der klassischen Nationalökonomie, Arbeit, Kapital und Boden durch die Faktoren Wissen, Wissen, Wissen ersetzt wurden, ist das ein ganz entscheidender Punkt. Wissen stirbt nicht. Was tatsächlich stirbt ist Pseudowissen, also Thomas von Aquin und ähnlicher Quark. Auch die Kultur und die Kreativität stirbt nicht, ganz im Gegenteil, sie scheint unverwüstlich, wo immer auf der Welt man ihr eine Chance gibt, ist sie sofort da. Beschäftigen sich zum Beispiel Profis wie die infos24 GmbH mit Kultur, dann versuchen diese der Kreativität einen Raum zu schaffen, während für die verbeamteten Geistlichen Kultur vor allem instrumentellen Charakter hat. Dieser fehlt es dann aber an Authentizität, so dass sie keiner mehr zur Kenntnis geschweige denn ernst nimmt. Der schwülstige Pathos, der mit einer Beamtensprache alterniert, verrät die Hohlheit.

Und wie der Mond durch Flutung überwaschen,
Durch Ebbe wieder trocken lässt die Küste,
Spielt mit Florenz das Glück Versteck und Haschen.

Im Original

E come 'l volger del ciel de la luna
cuopre e discuopre i liti sanza posa,
così fa di Fiorenza la Fortuna:

Und wie das Erscheinen des Mondes am Himmel
ohne Unterlass das Land flutet und entwässert
so macht Fortuna es mit Florenz

Ptolemäus vermutete schon zutreffend, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Mond und den Gezeiten gibt. Weniger zutreffend ist, dass das Auf und Ab des Weltenlaufs allein von Fortuna bestimmt ist. Diese Ansicht ist genauso falsch, wie die Ansicht, dass die Geschichte Gesetzen folge, wie dies etwa der Marxismus tut. Sehr wohl möglich ist es aber, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass die Wahrscheinlichkeit steigt, zu einem gewünschten Ergebnis zu kommen. Ist die Gesellschaft offen, handelt es sich also um ein demokratisches System, können diese Rahmenbedingungen, so sie sich denn als nicht effizient erwiesen haben, geändert werden. Im Rahmen dieses Prozesses der Nachjustierung wird wiederum das Wissen zunehmen, so dass Fehler der Vergangenheit vermieden werden können. Bedingung für diesen Prozess ist Transparenz und eine gut ausgebildete Bevölkerung, die die Effizienz staatlichen Handelns tatsächlich kontrollieren kann und will. Allgemeines Gebrabbel über Fortuna hilft da wenig. Wir sehen durchaus ein, dass Dante als ein Mensch des Mittelalters vollkommen unfähig war, gesellschaftlich / wirtschaftliche Prozesse zu beurteilen. Wir sehen zur Not sogar noch ein, dass solche Prozesse nicht mal in sein Blickfeld geraten sind und er gleich ins Jenseits gestolpert ist. Wenn aber die oben genannten Herren von der Aktualität Dantes sprechen, werden sie sich schon die Frage gefallen lassen müssen, ob sie wissen, in welcher Gesellschaft sie leben. Und weiter werden sie sich fragen lassen müssen, ob sie für die Ausbildung von Studenten geeignet sind. Weiter wird sich die Gesellschaft fragen müssen, ob man bei diesem Personal tatsächlich Steuergelder für die Geisteswissenschaften aufwenden will und insbesondere wird man sich fragen müssen, ob man diesen Wust auch noch durch die Gründung von allen möglichen Zentren (z.B. Frankreich Zentren, Iberoamerikanisches Institut etc.) noch alimentieren soll. Diese bieten dann Weiterbildungen an mit Vertiefung in Wirtschaft, Jura, Literatur etc., wobei aber unklar ist, ob sie nicht selber eine Weiterbildung brauchen. Es wäre für die Geisteswissenschaften sinnvoll, sie würden erst mal das ansatzweise vernünftig betreiben, für das sie bezahlt werden.

Drum staune nicht, dass ich zu klagen wüsste
Ob längst vergessner edler Florentiner,
Von deren Ruhm man heut noch singen müsste.

Anzunehmen, dass diese edlen Florentiner sich heute die Radieschen von unten anschauen, es würde den Autor nach 600 Jahren auch tatsächlich wundern, wenn sie dies nicht täten.

Ich hab Ormannen, Ugher, Catelliner,
Filliper, Greker, Alberichs gesehen,
Im Sturze noch der Stadt ruhmvolle Diener.

Haben Sie eigentlich von Anfang an mitgelesen? Hat der Autor nicht bereits prognostiziert, dass es irgendwann mal eine Terzine geben wird, die nur noch aus Namen besteht, also so was:

Ich habe Maier, Müller, Schulze,
Schmidt, Gisbert, Berendt und auch Kich
Schon besoffen schwanken sehen in der Kneipe.

Wir haben also jetzt, neuer Rekord, fünf Namen in einer Terzine. Das ist noch nicht das maximale Glück und höchster Kunstgenuss, der ist erst erreicht, wenn eine Terzine wirklich nur noch aus Namen besteht. Was der Autor richtig gut findet, ist nun der Kommentar zu dieser Terzine auf einer italienischen Seite.

li Ughi: questi e i seguenti sono nomi di illustri
contemporanei di Cacciaguida.

Die Ughi: diese und die Folgenden waren bekannte Persönlichkeiten
zur Zeit Cacciaguidas.

hm. Die Aussage kann einfach nicht falsch sein, weil es typische italienische Nachnamen sind. Ughi zum Beispiel bringt es bei google auf 170 000 Treffer. Irgendein ein halbwegs berühmter Ughi lebt also immer. Sie sehen also, dass auch eine wahre Aussage völliger Schwachsinn sein kann.

Und sah – die gleich an Ruhm und Alter stehen -
Die von Sanella, Soldanier und Arke,
Adringhi und Bostichi untergehen.

Tja, was soll man dazu sagen, die Sanelli und Adrianghi sind gestorben, der Autor ist erschüttert, ihm fällt nur noch Schiller ein.

Monde wechseln,
und Geschlechter fliehen,
Ihrer Götterjugend Rosen blühen
Wandellos im ewigen Ruin.

Shit happens, wie es Neudeutsch heißt.

Am Tor – drauf heute wuchtend drückt so starke
Verräterei, dass baldigst Schiffbruch spürt
Die ohnedies längst überladne Barke -

Mit Tor (im Original porta) ist der Stadtbezirk Porta San Pietro gemeint, dort wohnten sowohl die Cerchi wie auch die Donati. Die Familie Cerchi und die Familie Donati sind die Anführer der weißen (Cerchi) bzw. schwarzen (Donati) Guelfen. Die Opposition Guelfen (papstreu) bzw. Ghibellinen (kaisertreu) wird durch die Herausbildung dieser Parteien noch unschärfer, als sie ohnehin schon war, weil mit den Vokabeln papstreu bzw. kaisertreu der Konflikt zwischen Guelfen und Ghibellinen nur unscharf umschrieben wird, im Grunde ging es um wirtschaftliche und machtpolitische Interessenskonflikte. Alle Beteiligten, sowohl der Papst und der Kaiser auf der einen Seite, wie auch die verschiedenen Fraktionen in den verschiedenen Regionen, versuchten wechselseitig Bündnisse zu schließen, um so ihre Interessen durchzusetzen. Das nach Unabhängigkeit strebende Bürgertum verbündete sich mit dem Papst, der Adel mit dem Kaiser, der Papst wiederum versuchte durch Bündnisse sich gegen den Kaiser durchzusetzen. Später kommt dann als weiterer Mitspieler noch Frankreich dazu. Als sich jetzt auch noch die Guelfen in schwarze und weiße Guelfen aufspalten, wird es endgültig konfus. Da dieser Konflikt letztlich zum Exil Dantes führte, kann man ihn kurz referieren. Nach der Schlacht bei Campaldino (11. Juni 1289) waren die Ghibellinen erstmal aus allen Machtpositionen in Florenz verdrängt. Es hätte also eine friedliche Zeit werden können, wenn sich nun nicht die Partei der Guelfen selber aufgespalten hätte. Die Gründe dieses Konfliktes liegen in dem Machtstreben dieser beiden Familien. Die Donati waren eine alteingesessene Familie, ihre Macht wurde ihnen aber von den Cerchi, einer aufstrebenden, reicheren Kaufmannsfamilie, die aus dem Umland zugezogen war, streitig gemacht. Diese hatten sich in unmittelbarer Nähe der Donati niedergelassen. Die Entstehung des Konfliktes zwischen diesen beiden Familien (und damit der weißen und schwarzen Guelfen) wird von Dino Compagni und von Giovanni Villani als eine lange Reihe von - isoliert genommen nichtiger - Vorkommnisse geschildert. Eines davon ist der Streit um die Frage, welche Familie den höchsten Wehrturm bauen darf, ein anderes die Weigerung von Corso Donati nach seiner Heirat mit Tessa Ubertini (einer Verwandten der Cerchi), das geforderte Brautgeld zu zahlen. Zum Konflikt trug auch eine Schlägerei des Nachwuchses beider Familie bei, da keiner der Familien bereit war, die wegen der Störung der öffentlichen Ordnung verhängte Strafe zu zahlen. Als alle Parteien im Palazzo del Podestà zur Gerichtsverhandlung erscheinen, wurden vergiftete Speisen gereicht, an denen vier Mitglieder der Familie Cerchi verstarben. Corso Donati wurde beschuldigt, Urheber dieses Anschlages zu sein, allerdings wurde seine Schuld nicht bewiesen. Ab diesem Moment beginnen die Cerchi eine neue Gruppe zu bilden, die schwarzen Guelfen, die, aufgrund der Unbeliebtheit der Donati, viele Anhänger findet. Die nächste immer wieder erzählte Episode ist eine Auseinandersetzung zwischen diesen beiden Familien anlässlich eines Begräbnisses. Beide Familie saßen sich gegenüber. Als einer unvermittelt aufstand, empfand das die Gegenseite als Bedrohung und zückte sofort die Schwerter. Zwar konnte eine Prügelei durch das Eingreifen der Umstehenden noch verhindert werden, aber der Konflikt spitzte sich dadurch zu. Die Cerchi drohen damit, sich mit ghibellinisch Gesinnten Familien in anderen Städten zu verbünden. Das wiederum bewegt nun Papst Bonifaz VIII sich in die Händel einzumischen, auf der Seite der Donati. Der Rat der 100, dem auch Dante angehört, beschließt nun, die Anführer beider Parteien ins Exil zu schicken. Die Cerchi verließen Florenz, die Donati wiederum hatten abgewartet, bis diese aus der Stadt waren, um dann mit Hilfe des päpstlichen Gesandten und einem Heer aus Lucca Florenz einzunehmen, was erstmal mit diplomatischen Mitteln verhindert werden konnte. Die Stellung des päpstlichen Gesandten, der ursprünglich als unparteiischer Schiedsrichter nach Florenz kam, war damit allerdings fragwürdig geworden. Der Konflikt erreichte eine weitere Eskalationsstufe, als es wieder zu einer Schlägerei zwischen Jugendlichen beider Parteien kam und als Corsi Donato den Papst um Hilfe rief. Daraufhin wurde Vieri de' Cerchi nach Rom zitiert um den Konflikt zu lösen, was aber misslang und letztlich lediglich dazu führte, dass auch die Anführer der Cerchi wieder nach Florenz gingen (diese waren ja bislang im Exil). Als nun aber der Plan der schwarzen Guelfen bekannt wurde, die weißen Guelfen zu eliminieren, wurden die schwarzen Guelfen doch aus Florenz verbannt, was dann wiederum den Papst und Frankreich auf den Plan rief, die diese Situation für sich auszunutzen suchten. Karl von Valois, der jüngere Bruder des französischen Königs Phillip der Schöne, betritt die Stadt und ergreift, entgegen seiner Zusicherung sich neutral zu verhalten, die Partei der schwarzen Guelfen. Dante Alighieri wiederum ist zu diesem Zeitpunkt nicht in der Stadt, weil er sich nach Rom begeben hatte, um mit dem Papst Bonifaz VIII eine Lösung für den Konflikt zu suchen.
Mit der militärischen Hilfe von Karl von Valois und dem Papst erobern die schwarzen Guelfen die Stadt. 600 Bürger, darunter auch Dante, werden ins Exil geschickt. Im Folgenden werden die weißen Guelfen zusammen mit den Ghibellinen versuchen, die Stadt zurückzuerobern, was aber nicht gelingen wird. Zum Zeitpunkt, als Dante die oben erwähnten Verse schreibt ( Am Tor – drauf heute wuchtend drückt so starke / Verräterei, dass baldigst Schiffbruch spürt / Die ohnedies längst überladne Barke) war das Schiff also schon untergegangen.

Stand Ravignanis Stammhaus, daraus rührt
Graf Guido her und was der Bellincione
Berühmten alten Namen sonst noch führt.

Die Ravignani waren eine alteingesessene florentinische Familie. Aus dieser Familie stammt auch Graf Guido und Bellincione Berti. Fahren wir also fort im Telefonbuch. Natürlich wäre es sinnvoller gewesen, Dante hätte die Namenliste alphabetisch geordnet, das wäre ein bescheidener Versuch gewesen, eine Gesellschaft mit den Methoden der Soziologie zu untersuchen. Wir sagen nicht, dass das der Knaller gewesen wäre, aber bei Dante freuen wir uns schon über jedes Pflänzchen, aus dem irgendwann Erkenntnis sprießen kann, auch wenn dieses noch so bescheiden ist.

Schon wusste, wie es sich zu herrschen lohne,
Der Pressa, schon war Galigajos Schwert
Daheim verziert mit einer goldnen Krone.

Über die Familie della Pressa lesen wir in vielen Kommentaren, dass diese das guelfische Florenz in der Schlacht von Montaperti (da gewann der Staufener Manfred von Sizilien, wie schon öfter erzählt) verraten habe, dass sie, im Herzen Ghibellinen, in einem entscheidenden Moment gegen ihre guelfischen Mitstreiter gewendet haben sollen. Das Problem dabei ist, dass die Familie della Pressa schon 1258, wie viele andere Ghibellinen, ins Exil geschickt wurde, also zwei Jahre vor dieser
Schlacht. Möglich, dass sie begnadigt wurden, aber Hinweise auf die genauen Umstände des behaupteten Verrats hat der Autor nicht gefunden. Er hat eher den Eindruck, es liegt eine Verwechslung mit Bocca degli Abati vor. Die Galigajos waren zu Rittern geschlagen wurden, durften also den Knauf ihres Schwertes vergolden. Für die letzte Information können Sie sich jetzt einen Bagger kaufen. Selbst wenn wir genug Informationen hätten, um diese Personen einschätzen zu können, wäre dies weitgehend uninteressant. Die simple Auflistung von Vergehen, Heldentaten, Verbrechen, Tapferkeit oder was auch immer, ist sinnlos und weitgehend beliebig. Selbstverständlich kann moralisches Versagen, Großherzigkeit, Niedertracht etc. Gegenstand eines Romans sein. Interessant ist es aber nur dann, wenn der Roman eine tiefere oder andere Bewertung vornimmt, als man dies normalerweise tun würde. In dem Roman Lord Jim von Joseph Conrad zum Beispiel versagt der Protagonist, weil er Leute unterstützt, die im Grunde simple Verbrecher waren. Die Neubewertung dieses Verhaltens kommt dadurch zustande, dass Joseph Conrad die innere Dynamik beschreibt. Dem Protagonisten wurde ebenfalls von der Gesellschaft moralisches Fehlverhalten vorgeworfen, obwohl er eigentlich unschuldig war. Das führt ihn nun dazu, nicht so handeln zu wollen, wie man an ihm selbst gehandelt hatte, was dann die Katastrophe herbeiführt, weil er es mit tatsächlichen Verbrechern zu tun hat. Um mal eines von vielen Beispielen zu nennen. Der Dichter versucht, die Entwicklung und die innere Dynamik eines Menschen nachzuzeichnen. Dante bringt es nicht mal auf das Niveau eines normalen Strafprozesses, in dem ja, soweit sie sich zweifelsfrei dokumentieren lassen, die Gesamtumstände einer Tat Berücksichtigung finden sollen. Dass irgendein verbeamteter Geistlicher der Romanistik die Divina Commedia als Roman bezeichnet, weil sie narrative Elemente habe, ist schon ganz schön shocking, wirft die Frage auf, ob tatsächlich alles Personal, das da an deutschen Universitäten durch die Flure schlurft, tatsächlich geeignet ist.

Hoch ward der Hermelinschild schon geehrt,
Sacchetti, Giuochi, Galli und Barucci,
Und die das Kommaß noch mit Scham verzehrt.

Im Original

Grand'era già la colonna del Vaio,
Sacchetti, Giuochi, Fifanti e Barucci
e Galli e quei ch'arrossan per lo staio

Groß war schon die Säule des Vaio,
und auch Sacchetti, Giuochi, Fifanti und Barucci,
wie auch Galli die erröten, wenn Maß sie nehmen

Mit Säule des Vaio wird auf die Familie Pigli angespielt. Deren Wappen war eine graue Säule und das ganze Wappen war von einem Pelzstreifen dieses Tieres eingerahmt.

Aus irgendeinem Grund heißt das Fell dieses Tieres (eine Art Eichhörnchen) Vaio. Über die anderen Familien ist nichts bekannt, da aber die letzteren wohl mit gefälschten Gewichten zu tun hatten, gehen wir davon aus, dass Dante sie nicht mochte.

Der Stamm, aus dem entsprossen die Calfucci,
War mächtig, und zu den kurulschen Stühlen
Hob man die Sizzi schon und Arigucci.

Mit „Der Stamm, aus dem entsprossen die Calfucci“ sind wohl die Donati und die Calfucci gemeint, die entstammen nämlich demselben Stamm. Als kurulische Stühle bezeichnete man in Rom die Sitze der hohen Regierungsbeamten. Dass die Stühle von Beamten einen speziellen Namen haben ist klar, denn die sind was Besonderes.

Frage: Was ist der Unterschied zwischen einem Beamtenstuhl und einer Matratze?
Antwort: Gar keiner.

Das muss auf jeden Fall immer schon so gewesen sein, dass ein Beamtensessel was besonderes war, sonst hätte das Teil keinen speziellen Namen.

Und jene sah ich keck ihr Mütchen kühlen,
Die bald gestürzt; die goldnen Kugeln ließen
Florenz sich stolz durch manche Großtat fühlen.

Im Original

Oh quali io vidi quei che son disfatti
per lor superbia! e le palle de l'oro
fiorian Fiorenza in tutt'i suoi gran fatti

Wieviele hab ich schon wegen ihres Hochmuts
Scheitern sehen! Und die goldenen Kugeln
Schmückten Florenz bei all seinen großen Taten

In Kommentaren wird das „Oh quali“ als sich auf die Familie Uberti beziehend interpretiert, die haben zur Zeit Cacciaguidas dort regiert. Im Grunde ist es aber reichlich wurscht, auf wen es sich bezieht. Die goldenen Kugeln verweisen auf die Familie Lamberti, die hatten das in ihrem Wappen.

Solch Ruhm will heut der Enkelschar nicht sprießen:
Die mästet sich beim Tode des Prälaten
Und lässt den Wein im Konsistorium fließen!

Im Original

Così facieno i padri di coloro
che, sempre che la vostra chiesa vaca,
si fanno grassi stando a consistoro

So taten auch die Väter derer, die
immer wenn ein Stuhl in eurer Kirche zu besetzen,
dick werden im Konsistorium

Ein Konsistorium ist heute eigentlich ein beratendes Gremium. Dante meint hier aber offensichtlich eine Gruppen von Persönlichkeiten, die die Leitung der Kirche übernimmt, wenn gerade kein Bischof vorhanden war. In dieser Funktion sollen sie sich bereichert haben. In den Kommentaren wird darauf verwiesen, dass auf die Familien Visdomini und Tosinghi abgestellt wird, allerdings ohne Erläuterung, wie man auf diese Idee gekommen ist. Was aber natürlich auch völlig wurscht ist.

Die Sippschaft, die entsprosst aus Drachensaaten
Dem Fliehenden scheint, doch sanft wird gleich dem Lamme,
Zeigt man die Zähne oder die Dukaten

Im Original

L'oltracotata schiatta che s'indraca
dietro a chi fugge, e a chi mostra 'l dente
o ver la borsa, com'agnel si placa,

Unverschämte Brut die dem flieht
Ein Drache, und die dem der die Zähne
Oder den Beutel zeigt, wie ein Engel sich benimmt

Auch dieses Osterei lässt sich nicht auflösen, da es keinerlei Hinweise auf irgendwelche konkreten Ereignisse gibt, die eine Zuordnung erlauben würden. Die Kommentare verweisen auf die Familie Adimari, die hasste Dante, weil sich selbige in seinem Häuslein einnisteten, als er verbannt wurde. Das geht jetzt bis zum Schluss so weiter. Es werden weitgehend sinnfrei irgendwelche Namen von Leuten gelistet, die irgendwas angestellt hatten, oder auf dem absteigenden Ast waren. Sie können also auch gleich zum Geträller 17 hopsen.

Kam schon empor, doch aus ganz niederm Stamme,
Weshalb dem Berti es verargt Donato,
Dass er zu solchem Schwager ihn verdamme!

Im Original

già venìa sù, ma di picciola gente;
sì che non piacque ad Ubertin Donato
che poi il suocero il fé lor parente

schon stieg er auf, wenn auch von niederer Herkunft
so dass es missfiel dem Ubertin Donato
dass der Schwager ihn machte zu seinem Verwandten

Das ist jetzt kompliziert. Ubertino Donato war der Schwiegersohn von Bellincione Berti, er war also mit einer Tochter des Bellincione Berti verheiratet. Eine andere Tochter desselben heiratet jemanden aus der Familie Adimari, so dass also der Mann der Schwester seiner Frau (ist das auch ein Schwager???) mit einem Mitglied einer Familie niedrigen Standes verheiratet war. Das wiederum passt Ubertino Donati nicht.

Herab von Fiesole stieg schon Mercato
Schon Caponsacc; als edles Bürgerpaar
Pries man den Guida schon und Infangato.

Im Original

Già era 'l Caponsacco nel mercato
disceso giù da Fiesole, e già era
buon cittadino Giuda e Infangato

Schon waren die Caponsacco von Fiesole
Auf den Markt gezogen, und schon waren
Gute Bürger Giuda und Infangato

Mit Markt ist der Mercato Vecchio gemeint, da lebten die Caponsacco. Cacciaguida teilt uns also mit, dass es ein paar Neue im Dorf gibt, das ist für Dörfler immer ein gewaltiges Ereignis, wenn jemand zuzieht. Und Guida und Infangato waren gute Bürger, was immer das auch heißen mag. Wir haben da echt Glück gehabt. Hätte der Cacciaguida in Berlin gewohnt, dann wären nur noch echte Männer in der Lage, die Divina Commedia zu lesen. Im Jahre 2004 zum Beispiel zogen 115 000 Menschen nach Berlin und 113 000 zogen weg. Würde man die alle auflisten, hätte man ein epochales Werk, dagegen wäre die Divina Commedia ein Micky Mouse Heftchen.

Nun höre, was unglaublich, aber wahr;
Das Tor zum kleinen Umkreis stellt bis heute
Ein Denkmal für die Della Pera dar.

Eine der Stadttore hatte den Namen "della Pera", nach einer Familie, an die sich heute keiner mehr erinnert. Damit will uns Cacciaguida und Dante darauf hinweisen, wie vergänglich doch alles ist. Wenn Sie also nächstes mal wieder an einem Straßennamen vorbei laufen, bei dem sie nicht wissen, wie er zustande gekommen ist (so in etwa 99 Prozent aller Straßennamen), dann denken Sie daran, wie vergänglich alles ist, an jeder Kreuzung.

Alles Irdische ist vergänglich
Alles Irdische ist vergänglich
Alles Irdische ist vergänglich
Alles Irdische ist vergänglich

Unvergänglich ist offensichtlich nur Dante, warum auch immer.

Wer nur des schönen Wappens sich erfreute
Des großen Freiherrn – dessen Ruhm und Namen
Beim Thomasfest alljährlich sich erneute -

Im Original

Ciascun che de la bella insegna porta
del gran barone il cui nome e 'l cui pregio
la festa di Tommaso riconforta,

Jeder der das schöne Wappen trägt
des großen Barons, dessen Name und Wert
In der Feier des heiligen Thomas wird erinnert

Das ist jetzt verwickelt. Es gibt die Feier des heiligen Thomas, die fand (bis zum Jahre 1969 zumindest) am 21. Dezember statt. Der 21. Dezember ist aber gleichzeitig der Todestag eines gewissen Ugo di Toscana, der alle möglichen Leute (Giandonati, Pulci, Nerli, Gangalandi, Della Bella, Alepri) zu Rittern schlug. Alle jene hatten dann das gleiche Wappen wie eben dieser Ugo di Toscana. (Wenn Sie sich jetzt fragen, warum Dante arm wie eine Kirchenmaus gestorben ist, dann müssen Sie mal in ein Lehrbuch der Betriebswirtschaft schauen. In der BWL wird unterschieden zwischen zweckgerichtetem Wissen, das sind Informationen und Nachrichten, das ist Infomüll. Bei Dante kam vor lauter Infomüll keine einzige Information mehr durch. Dann stirbt man halt arm wie eine Kirchenmaus.)

Von ihm sie alle Ritterschlag bekamen
Und Adelsbrief; doch stieg zum Pöbel nun,
Der um sein Wappen zog den goldnen Rahmen.

Im Original

da esso ebbe milizia e privilegio;
avvegna che con popol si rauni
oggi colui che la fascia col fregio

von ihm erhielten sie das Recht der Ritter und Privilegien;
doch es geschieht, dass heute mit dem Volk sich verbindet
der, der es umrahmt mit einem Fries

Angespielt wird auf Giano Della Bella und das macht die Sache ziemlich kompliziert. Übersetzt man mit Pöbel, was meistens gemacht wird, dann hat sich selber eben mit dem Pöbel gemein gemacht, war also kein Gentleman mehr. Allerdings wird die historische Figur Giano Della Bella völlig anders gesehen, er half dem Volk gegen die Willkür der Herrschenden. Da aber Dante nicht mehr alle Tassen im Schrank hatte, trauen wir ihm durchaus zu, dass er Pöbel meint. Wer sich nicht klaglos schikanieren lässt, der ist Pöbel. Giano Della Bella (geb. 1311, gest. 1314) wurde in eine ghibellinische, also adlige und kaisertreue Familie hineingeboren, trat
aber über zur Partei der Guelfen, die ihre Anhänger eher aus dem aufstrebenden Bürgertum rekrutierte. Er setzte durch, dass nur noch der in Regierungsämter gewählt werden konnte, der in einer Zunft eingetragen war, also nicht von Landbesitz lebte (wie die Adeligen). Damit waren die unteren Schichten der Gesellschaften zwar immer noch von der Macht ausgeschlossen, aber immerhin entstand ein Gegengewicht. Schlussendlich scheiterte er zwar mit seinem Reformprojekt, auch weil Papst Bonifaz VIII gegen ihn intrigierte, aber wenn Dante tatsächlich Pöbel meint, ist das schon eine ziemlich absurde Bewertung.

Die Gualterotti und die Importun
Erblühten – und blieb fern von Borgos Mauern
Der neue Nachbar, würd er sichrer ruhn.

Im Original

Già eran Gualterotti e Importuni;
e ancor saria Borgo più quieto,
se di novi vicin fosser digiuni.

Dort lebten die Gualerotti und die Importuni;
und Borgo wäre heute noch ruhiger,
wenn sie keine neuen Nachbarn hätten

Die Gualterotti und die Importuni sind zwei Familien, die im Stadteil Borgo Santo Apostolo gewohnt haben, wo alles viel besser wäre, wenn nicht ein paar Leute aus den Nachbardörfern dazugezogen wären. Wir würden mal sagen, dass der gute Cacciaguida, der friedlich im Bett entschlummert ist, sich nur deswegen so gerne als Kreuzritter gesehen hätte, weil er sich in seinem Dorf mächtig gelangweilt hat. Auch dem Don Quijote hätte es wohl nicht so endgültig die Birne weggeballert, wenn in seinem Kuhdorf in La Mancha ein bisschen Randale gewesen wäre. Was wir aber bei Dante lernen ist etwas, was auch heute noch zutrifft. Die Xenophobie ist immer da am größten, wo gar keine „Ausländer“ sind, aktuell zum Beispiel in Ostdeutschland. Da wo es viele davon gibt, zum Beispiel in Berlin, existiert auch das Problem nicht.

Das Haus, das Ursprung ward von euerm Trauern
Ob des gerechten Zorns, der euch erschlagen,
Das euer heitres Leben nicht ließ dauern, -

Es stand im Ruhmesglanz in jenen Tagen!
O Buondelmonte, nicht zu deinem Frommen
Ließ falscher Rat der Heirat dich entsagen!

Im Original

La casa di che nacque il vostro fleto,
per lo giusto disdegno che v'ha morti,
e puose fine al vostro viver lieto,

era onorata, essa e suoi consorti:
o Buondelmonte, quanto mal fuggisti
le nozze sue per li altrui conforti!

Das Haus aus dem herstammt eure Trauer,
durch den gerechten Zorn, der dort ermordet
und beendet euer heitres Leben,

war geehrt, wie auch die ganze Sippschaft:
O Buondelmonte, wie schlecht hast du gehandelt
als die Hochzeit du flohst, durch falschen Rat verleitet

Die Geschichte ist die, zumindest erzählt sie so Villani, an dem sich Dante offensichtlich orientierte. Buondelmonte dei Buondelmonti beleidigte auf einer Feier einen Angehörigen der Familie Amidei,
und diese schworen, Rache zu nehmen. Um diese abzuwenden, wurde vereinbart, dass Buondelmonte sich mit einer Frau der Familie Amidei verheiratet, was dieser erstmal versprach. Dann aber überredete ihn eine Frau aus der Familie der Donati, eine andere Frau zu heiraten, eine Donati eben, die reicher und hübscher war, was er dann tat, und zwar genau an dem Tag, als er eigentlich die Frau aus dem Hause Amidei hätte heiraten sollen, was die Familie Amidei dann natürlich gewaltig auf die Palme brachte. Sie ermordeten ihn 1216 auf der Ponte Vecchio. Diese wird als Beginn des Konfliktes und als Ursache der zwei Parteien (schwarze und weiße Guelfen) gesehen, einer Ansicht, der sich Dante hier anschließt. Wahrscheinlicher ist, dass es sich hier lediglich um ein weiteres Vorkommnis unter vielen handelt. Unklar ist auch, wieso so eine Episode als Beispiel für den Niedergang von Florenz herangezogen wird. Der Fehler, den Dante immer macht, was wir ihm sogar verzeihen können, er ist eben tiefes Mittelalter, ist, dass er nicht nach einem Ansatz sucht, der solche Probleme allgemein regelt, das heißt, nach einer Wirtschafts- und Sozialordnung, die den Wettbewerb austariert und in geordnete Bahnen lenkt. Last not least, wird die Geschichte als solche nicht hübscher, wenn sie in Terzinenform vorgetragen wird und verständlicher erst recht nicht.

Wie viele wären froh, die jetzt beklommen,
Ließ Gott dich einst vom Emafluss verschlingen,
Als du zum erstenmal zur Stadt gekommen.

Im Original

Molti sarebber lieti, che son tristi,
se Dio t'avesse conceduto ad Ema
la prima volta ch'a città venisti

Viele wären glücklich, die jetzt traurig sind,
wenn Gott dich im Ema hätte ertränkt,
als du zum erstenmal zur Stadt gekommen

Ema ist ein kleiner, 27 km langer Fluss in der Toskana. Da hätte Gott ihn, nach Meinung Dantes, gleich ertränkt. Anzunehmen ist aber, dass das am Verlauf der Geschichte wenig geändert hätte.

Jedoch als Glück und Ruh zu Ende gingen,
Da musste wohl dem alten Trümmersteine
Am Brückenrand Florenz ein Opfer bringen.

Im Original

Ma conveniesi a quella pietra scema
che guarda 'l ponte, che Fiorenza fesse
vittima ne la sua pace postrema

Doch es war nötig für diesen blöden Stein,
der auf die Brücke blickt, dass Florenz
ihm ein Opfer bringt, für den vorausgegangenen Frieden

Gemeint ist die oben erwähnte Statue des Mars. Nach einer langen Periode des Friedens (behauptet Dante, eigentlich haben sich ja vorher schon die Guelfen und die Ghibellinen bekriegt) musste dem Gott des Krieges ein Opfer gebracht werden. Das ist wohl in doppeltem Sinn zu verstehen. Zum einen weil Buondelmonte dort ermordert wurde, das ist Opfer Nummer eins und weil zweitens die nun aufbrechenden Konflikte zwischen weißen und schwarzen Guelfen noch mehr Opfer fordern werden. Letztlich forderte aber der Tod des Buondelmonte keine Opfer, weil der Konflikt Papst / Kaiser, aufstrebendes Bürgertum / Adel, konkurrierende Städte auch so ausgebrochen wäre.

Mit solchen Stadtgenossen im Vereine
Florenz so süßes Friedensglück umhegte,
Dass nie ihm Ursach ward, darob es weine,

Im Original

Con queste genti, e con altre con esse,
vid'io Fiorenza in sì fatto riposo,
che non avea cagione onde piangesse:

Mit diesen Leuten und andere mit ihnen,
sah ich wie Florenz in sich ruhte,
so dass es nie gab Grund zur Trauer

Das ist jetzt ein bisschen merkwürdig, weil er ja eine Menge Leute beschrieben hat, die nach seiner Meinung Florenz nicht haben ruhen lassen, das Malheur begann ja schon mit dem Zuzug von irgendwelchen Leuten aus irgendwelchen benachbarten Dörfern. Vielleicht meint er das aber auch ironisch.

Dass es den Grund zum schönsten Ruhme legte,
Gerecht und stark, dass mit der Lilienblüte
Die Lanze nie zum Hohn den Boden fegte,

Noch, dass sie rot durch Bürgerblut erglühte!“

Im Original

con queste genti vid'io glorioso
e giusto il popol suo, tanto che 'l giglio
non era ad asta mai posto a ritroso,

né per division fatto vermiglio

Im Original

mit diesen Leuten war es ein ruhmreiches
Und gerechtes Volk, so dass die Lilie nie
Umgekehrt an der Fahnenstange hing

und der Zwist sie rot färbte

Auf welche Zeit er genau anspielt ist unklar, unter Umständen auf die Zeit vor 1251, also vor der Vertreibung der Ghibellinen. Denn danach änderten die Guelfen das Wappen der Stadt, aus einer weißen Lilie auf rotem Grund wurde eine rote Lilie auf weißem Grund. So sieht das Wappen von Florenz noch heute aus.



Mit „umgekehrt an der Fahnenstange hing“ ist gemeint, dass Florenz keine Schlachten verlor zur damaligen Zeit. Denn geht eine Schlacht verloren, ist der Banner ja nicht oben und zeigt gen Himmel, sondern unten.