Es kommt jetzt zu einem weiteren show down. Thomas von Aquin betritt die Bühne; wir dürfen also davon ausgehen, dass aus dem Paradies nun endgültig ein Höllenritt wird. Das scheint auch Dante klar gewesen zu sein, denn er lässt ihn tanzen, also so einen Ringelreihetanz. Dieser Reigentanz soll dann auch noch anmutig sein. Wir gehen ja noch mit( bzw. eigentlich ja nicht), dass man über ein paradiesisches Nirvana schreibt, also über etwas schreibt, von dem man schon sagt, dass man keine Ahnung davon hat. Das macht ja Dante. Aber Thomas von Aquin tanzen zu lassen, anmutig (!), das ist die Steigerung einer Dichtung über das Nichts. Denn betrachtet man die Bilder, die von Thomas von Aquin überliefert sind, dann ist die Vorstellung, dass er anmutig einen Reigen tanzt, eine echte Herausforderung.

Wir vermuten eher, dass er nach ein paar Bierchen (Erdinger Weißbier oder so) zum Tanzbär mutiert. Wir werden das aber später noch studieren, die tänzerischen Fähigkeiten des Thomas von Aquin. Erfreulich ist auf jeden Fall, dass er erstmal schweigt, was aber, das ist die Befürchtung, im Umkehrschluss bedeutet, dass er in den nächsten 22 Gesängen gnadenlos zuschlägt, er uns seine gesamte Summa Theologiae vorträgt und das auch noch in Terzinenform. Zuerst kommt aber noch ein bisschen Ptolemäus oder wo immer Dante seine Kenntnisse her hat.

Die namenlose Urkraft, die in Liebe
Zum Sohne schaut, die beide Liebe hauchen
In Ewigkeit – sie schuf das Weltgetriebe,

Wie es vor Blick und Geist pflegt aufzutauchen,
So ordnungsreich, dass dank – und lusterhoben
Sich fühlt, wer nur sein Auge will gebrauchen.

Im Original

Guardando nel suo Figlio con l'Amore
che l'uno e l'altro etternalmente spira,
lo primo e ineffabile Valore

quanto per mente e per loco si gira
con tant'ordine fé, ch'esser non puote
sanza gustar di lui chi ciò rimira.

Die erste und unbeschreibliche Macht,
schaute auf ihren Sohn mit der Liebe
die sowohl vom einen wie vom anderen kommt,

als im Geiste und auf Erden sie die
Ordnung schuf, die jeden der sie schaut
nur kann beglücken

Verstehste wieder nich, ne?! Man, man, man. Da quält sich Gott (unbeschreibliche Macht) ab, sowohl ins Hirn der Leute wie auch in die Materie eine Ordnung reinzubringen, während er mit Liebe (also mit dem Heiligen Geist) seinen Sohn (Jesus Christus) betrachtet und du kapierst nicht mal die Terzine, geschweige denn die göttliche Ordnung. Zum Glück gibt es ja Rudolf Baehr, der erklärt das auch für die langsameren unter uns (Reclam, Divina Commedia, Seite 495).

„Die Welt wurde erschaffen von Gott Vater durch Gott Sohn im Heiligen Geist. Die erste Macht, d.i. Gott Vater, der die Schöpferkraft aus sich selbst besitzt, schaut auf den göttlichen Sohn, der die Weisheit ist, und nimmt von ihm die Prinzipien der Weltordnung und schafft die sichtbare und unsichtbare Welt in Liebe, d.h. im Hl. Geist, der die ewige Beziehung zwischen Gott Vater und Gott Sohn ist, als ewiger Hauch von beiden ausströmend.“

??? Häh. Wir finden, dass die Divina Commedia ein starkes Stück ist, da haben wohl auch die Lektoren beim Reclam Verlag die Segel gestrichen, die haben glatt kapituliert und alles durchgehen lassen. Gewünscht hätten wir uns, dass irgendjemand mal so einen kleinen Hinweis gibt, wo steht, dass der heilige Geist alles mit Liebe verbindet. Bekannt sind ja eigentlich nur „Gaben des heiligen Geistes“, die hatten wir schon, das kann man aus Jesaja 11, 2/3 herauslesen: Weisheit, Verstand / Einsicht, Rat, Stärke, Erkenntnis, Frömmigkeit, Gottesfurcht. (Die Details hatten wir schon, eigentlich stehen da nur sechs, aber die Sieben ist ja magisch, da hat man das mit der Anbetung Gottes halt gedoppelt, Frömmigkeit und Gottesfurcht, und schwups waren es sieben.) Aber egal wie lange man sucht, dass der Heilige Geist Liebe versprüht steht nirgends. Unklar ist auch, wieso Jesus auf einmal für Weisheit steht und völlig skurril ist, dass Gott die Weisheit seines Sohnes braucht, um die Erde zu erschaffen. Erstens mal war der zu diesem Zeitpunkt ja gar nicht auf der Welt oder im Himmel und zweitens hat das Papa, so zumindest beschreibt es die Bibel (und die hat immer Recht) doch auch ohne Sohnemann hinbekommen. Wo steht, dass Gott die Prinzipien der Weltordnung von seinem Sohn bekommen hat? Also ich glaube man muss die Terzine eher so verstehen: Alle drei lieben und verströmen Licht, bis die Sonne schmilzt und die Weisheit des Ensembles ist so gigantisch, da weiß man schon gar nicht mehr, wer eigentlich der Weiseste ist. Zur Geburt Jesu hätte es Maria wahrscheinlich eh nicht gebraucht, hat ja auch keinen Papa gebraucht, von daher war der so potentiell ja irgendwie immer da, Gott hätte sich ja seinen Sohn auch aus Lehm backen können, wie den Adam. Da werden die Theologen dann einwenden, dass er ja dann nicht zur Hälfte menschlich und zur Hälfte göttlich gewesen wäre, der menschliche Anteil kam wahrscheinlich von Maria, aber dann wäre ja Adam ganz göttlich gewesen, jemand wie Maria war ja unbeteiligt bei Adam, da war nur Gott zuständig. So gesehen sind alle Fragen - wer da liebt, weise ist, gnädig, ordentlich etc. - ziemlich zweitrangig.

Erhebe, Leser, denn den Blick nach droben
Zur heilgen Wölbung, wo du mittenhin
Durch einen Punkt zwei Kreise siehst geschoben.

Im Original

Leva dunque, lettore, a l'alte rote
meco la vista, dritto a quella parte
dove l'un moto e l'altro si percuote;

Erhebe nun Leser den Blick zum hohe Rad
Mit mir, genau an jenen Punkt
wo ein Rad mit dem anderen sich kreuzt

Humor hat er ja, der Dante. Der steht kurz vor der paradiesischen Sonne und wir auf der Erde und da sollen wir nach oben schauen und das Gleiche sehen wie er. Also wie er sich das vorstellt, das würde mich ja schon mal interessieren. Wenn ich nach oben schaue, sehe ich die Zimmerdecke, die hat zwar einen hübschen Stuck (Berliner Altbau, huh), aber von Kreisen ist da gar nichts. Er meint wohl so in der Phantasie. Wenn ich ehrlich sein soll, wie das ist, wenn man kurz vor der Sonne steht, kann ich mir sogar vorstellen: das ist so ähnlich wie in der Mikrowelle, also das will ich mir gar nicht vorstellen. Das ist übrigens verblüffend. Dante beschreibt zwar immer, dass er als Lebender, im Gegenzug zu den Seelen, einen Schatten wirft und auch den Gesetzen der Gravitation unterliegt, aber warum er auf der Sonne nicht gebraten wird, das verrät er uns nicht. Nicht, dass man das als Fiktion nicht durchgehen lassen könnte, aber dann dürfte er auch keinen Versuch starten, die anderen Wirkungen seines Körpers zu erläutern, er müsste dann sein Prinzip durchhalten. Man kann naturalistische Romane à la Zola schreiben, also Romane, bei der alle Personen von der genetischen Veranlagung getrieben unweigerlich ins Verderben rennen, das ist dann glaubhaft. Wenn dann aber in einem solchen Roman Friedrich Schiller auftritt (Wenn der Menschheit Leiden euch umfangen / Wenn Laokon der Schlangen / Sich erwehrt in namenlosen Schmerz / da empöre sich der Mensch / er poche an das Himmels Wölbung seine Klage / und empöre euer fühlend Herz) also der Idealismus in Reinkultur, dann wird die Sache unglaubhaft. Also er müsste sein Prinzip schon durchhalten. Völlig Panne als ästhetisches Prinzip ist ok, aber ein bisschen Panne, das geht nicht. Erheben wir also von Berlin aus durch die Zimmerdecke, die Wolkendecke, durch die Sphäre des Mondes, des Merkurs und der Venus hindurch unseren Blick zu jenen zwei Rädern, die sich da irgendwo kreuzen. Wir werden dann sehen, dass es im Grunde völlig wurscht ist, wo man sich aufhält, weil man die Kreise eh nie sieht. Das Nichtssehen ist an jedem Standpunkt völlig identisch.

Stellen wir mal den ganzen astronomischen Hintergrund dar, das ist voll das Thema des Autors, denn Astronomie hatte er mal als Grundkurs in der Schule. Was ich Ihnen jetzt nicht verrate ist, dass ich die letzten zwei Jahre meiner Schulzeit überwiegend in Cafés verbracht habe, das war vielleicht, so im Nachhinein betrachtet, ein Fehler, aber wer hätte schon ahnen können, dass Dante den halben Ptolemäus verbaut? (Ich bin mir auch nicht so sicher, ob das wesentlich was geändert hätte, also Dante wäre nicht das Argument gewesen, dass mich bewegt hätte, dahin zu gehen.) Auf jeden Fall gibt es zwei Räder. (Die man übrigens von der Sonne aus nicht sieht. Wir müssen also davon ausgehen, dass Dante sich nun auf den Standpunkt stellt, dass er wieder auf der Erde gelandet ist. Dann gäbe auch das oben Beschriebene mehr Sinn, das mit dem Blick, den wir nach oben richten.) Die zwei Räder sind einmal die Ekliptik und zum anderen der Himmelsäquator. Die Erde kreist ja, das ist bekannt, in den unendlichen Weiten des Weltraums (…dies sind die Abenteuer des Raumschiff Enterprise, das sich aufgemacht in die Weiten des Weltraums…) um die Sonne. In dieser Zeit ändern sich aber die Tierkreiszeichen (zwölf an der Zahl), weil man ja auf dieser Rundfahrt immer andere Sterne sieht. Das ist wie in einem Karussell, da huscht die Landschaft ja auch vorbei. Fiktiv können Sie sich jetzt aber auch vorstellen, dass Sie auf dem Tatütata Auto stillsitzen und die Landschaft um sie herum kreist. Die Landschaft, die dann (fiktiv) um sie herum flitzt, heißt Tierkreis, wenn ihr Tatütata Auto Erde heißt. Das Band aus den 12 Tierkreiszeichen, das um sie herumflitzt, ist vergleichbar mit der Landschaft, die sie von ihrem Tatütata Auto sehen. Will man den Unterschied zwischen den Vorstellungen Dantes und den tatsächlichen Verhältnissen beschreiben, muss man sich Gedanken machen über das Tatütata Auto. Bei Dante ruht es in der Mitte und alles (Sonne inklusive) flitzt darum herum. Richtig ist, dass in der Mitte des Karussells die Sonne sitzt, die Tierkreiszeichen unbeweglich sind und die Erde um die Sonne flitzt und die Tierkreiszeichen als unterschiedliche Landschaft vorbeiflitzen. Das läuft aber, was das nächtliche Sternbild angeht, so ziemlich auf das Gleich hinaus, also rein optisch. Das war also Kreis Nummer 1, der Tierkreis. Kommen wir zu Kreis Nr. 2, dieser heißt Ekliptik. Das Tatütata Auto flitzt also an der Landschaft vorbei (bzw. bei Dante die Landschaft am Tatütata Auto) und zwischendrin erscheint immer Mal wieder die Sonne (die Sonne natürlich am Tag und die Landschaft / Tierkreiszeichen in der Nacht). Daraus ergibt sich dann, dass die Sonne immer an einem anderen Tierkreiszeichen steht (also fiktiv, weil ja die Sonne nie vor einem Tierkreiszeichen steht, denn wenn das Tierkreiszeichen da ist, ist ja Nacht und wo Nacht ist, ist keine Sonne). Die Sonne steht im Widder heißt also, dass man nachts das Tierkreiszeichen des Widder sieht. Diese fiktive Bahn der Sonne heißt Ekliptik. Der Begriff wird aus Gründen der Anschaulichkeit auch heute noch verwendet. Der Tierkreis (also das Band, das entsteht, wenn man sich die Tierkreise als ein um die Erde gewickeltes Band vorstellt) breitet sich dann oberhalb und unterhalb der Ekliptik aus. Hinter der Vorstellungswelt Dantes und den tatsächlich vorliegenden Verhältnissen bestehen beträchtliche Unterschiede, rein optisch gesehen läuft das aber auf das Gleiche hinaus. Bei Ptolemäus und Dante haben wir die Erde im Mittelpunkt (wobei bei diesem System der Sonnenauf- und untergang sowohl mit der Erdrotation wie mit einer kompletten Umkreisung der Sonne um die Erde erklärt werden kann, sie muss dann halt einen Affenzacken drauf haben, also einmal am Tag drum rum kreisen. Bei beiden Varianten hat sich dann der Fixsternhimmel weiter gedreht und die Sonne steht vor einem anderen Tierkreiszeichen). Um diese herum kreisen die Planeten. Tatsächlich kreist aber die Erde um die Sonne, die Erde dreht sich um ihre eigene Achse und bekommt dann auf der einen Hälfte Licht ab. Bei dieser Variante muss sich die Erde um ihre eigene Achse drehen. Also noch mal: Wir haben zwei Kreise bis jetzt (und es kommt gleich noch ein dritter). Der Tierkreis, den muss man sich als ein Band aller Tierkreiszeichen vorstellen, das um die Erde gewickelt wird. Die Ekliptik, die den scheinbaren Verlauf der Sonne am Himmel beschreibt (also so ungefähr, weil die Sonne ja tagsüber nicht an einem Punkt stehen bleibt, also eher der Punkt, der sich ergäbe, wenn die Erde nicht rotieren würde und eines Tages bei schönstem Sonnenscheine für immer aufhören würde zu rotieren) und einen dritten Kreis, den wir noch nicht hatten, nämlich den Himmelsäquator, das ist eine in den Weltraum verlängerte Projektion des Äquators. Das Ganze sieht dann so aus - die Zeichnung hatten wir schon, aber das ist jetzt wie bei der griechischen Mythologie, üben, üben, üben -:

Aus: http://de.wikipedia.org

Die Zeichnung hat jetzt alles, was das Herz begehrt, das Einzige was uns fehlt, ist der Tierkreis. Der läuft hinter der Ekliptik, würde man ihn also reinmalen, sähe man jeweils, an welchem Tag die Sonne in welchem Tierkreiszeichen steht (also so richtig ja nicht, weil die Sonne tagsüber zu stark strahlt und wir gar keine Tierkreiszeichen mehr sehen, aber nachts). Die Zeichnung oben ist aus heutiger Sicht lediglich ein didaktisches Hilfsmittel, denn die Erde ist ja bekanntlich nicht im Mittelpunkt des Universums. Für Dante und Ptolemäus allerdings sah es tatsächlich so aus. Die Ekliptik und der Himmelsäquator sind fiktive Kreise, Dante kann nach oben schauen, bis der Arzt kommt, er wird sie nicht sehen. Fiktiv wären sie sogar, wenn das ptolemäische Weltbild stimmen würde, sie haben aber einen didaktischen / illustrativen Nährwert. Die Ekliptik zeigt, dass die Erde faktisch in Schräglage um die Sonne gleitet (deswegen sind alle Globen, die Sie im Laden kaufen können, schräg aufgehängt), die Äquatorialebene beschreibt, rein theoretisch, die Situation, die eintreten würde, wenn die Erde nicht in Schräglage liegen würde. Läge sie nicht in Schräglage, würde die Sonne immer volle Kanne senkrecht über dem Äquator stehen und wir hätten keinen Sommer und keinen Winter. Die Abweichung der Eklipse von der Äquatorialebene beschreibt also a) wie flach / steil die Sonnenstrahlen auf die Erde einfallen und b) wie lange sie am Himmel ist. Weicht die Ekliptik nicht von der Äquatorialebene ab, was am 23.9 und am 21.3 der Fall ist, dann steht die Sonne genau senkrecht über dem Äquator, Tag und Nacht sind dann genau gleich lang und folgerichtig heißen diese Tage Tag- und Nachtgleiche. Bei maximaler Abweichung der Eklipse von der Äquatorialebene (am 21.6 und am 21.12) haben wir den maximalen Unterschied zwischen Tag und Nacht. Am 21.6 ist zum Beispiel der Tag auf der nördlichen Halbkugel am längsten (umgekehrt auf der südlichen am kürzesten) und am 21.12 ist der Tag auf der südlichen Halbkugel am längsten (und auf der nördlichen am kürzesten). Da die Sonne am 21.6 im Sternbild Krebs steht, spricht man folgerichtig vom Wendekreis des Krebses. Wenn Sie das alles nicht verstanden haben, dann lassen Sie sich gesagt sein: es ist völlig wurscht. Halten Sie sich an Chayam, jenen großen persischen Dichter.

Was sorgst Du, Freund, des Lebens Vorhang zu enthüllen,
Was quälst Du Dich, den Kopf mit unnützen Gedanken zu füllen?
Leb glücklich und vergnügt. Was ist, kam zur Erscheinung
Einst ohne Dich, und braucht auch jetzt nicht Deine Meinung.

Omar Khayyam, Rubaiyat
Viertes Buch: Die Grenzen der Erkenntnis

Auch dem Autor ist bewusst, er hat da Erfahrung, dass viele Leute das anders sehen. Man kann aber auch schwerere Geschütze auffahren: Friedrich Schiller

Kennen Sie das?

Ihr stürzt nieder, Millionen?
Ahnest du den Schöpfer, Welt?
Such ihn überm Sternenzelt,
Über Sternen muss er wohnen.

Schiller: Ode an die Freude

Das heißt zu Deutsch, man kann auch ohne Gott ausreichend Randale machen hienieden in diesem Jammertal und ordentlich Spaß haben, einen Gott mag es ja geben, der sitzt da oben irgendwo im Himmel oder auch nicht, relevant ist das aber, auch wenn Dante das ganz wichtig findet, im Grunde überhaupt nicht.

Betrachten wir also die Astronomie des Ptolemäus in Terzinenform. Kehren wir zurück zu dieser Terzine.

Leva dunque, lettore, a l'alte rote
meco la vista, dritto a quella parte
dove l'un moto e l'altro si percuote;

Erhebe nun Leser den Blick zum hohen Rad
Mit mir, genau an jenen Punkt
wo ein Rad mit dem anderen sich kreuzt

Tatsächlich ist die Terzine kaum interpretierbar, sie scheint aber, zumindest wenn man italienischen Kommentatoren folgt, auf die oben beschriebenen Zusammenhänge zu verweisen.

quella parte: alla zona degli equinozi, dove il moto
diurno o equatoriale s'incrocia (" si percuote ") con il moto
annuo o zodiacale; i due movimenti delle sfere superiori
vanno il primo da levante a ponente, e l'altro da ponente a
levante.

Jenen Ort: Zu der Zone der Äquinoktien (Tagundnachtgleiche), wo der Kreis des Tages (damit ist wohl die Äquatorialebene gemeint) sich kreuzt („sich stößt“) mit dem Tierkreis (präziser: Ekliptik, der Tierkreis ist ein ganzes Band, da gibt es keine Kreuzung); die zwei Bewegungen der hohen Sphären gehen
bei der ersten von Osten nach Westen und der zweiten von Westen nach Osten.

Der Nachsatz, nach dem Semikolon, ist zwar kompletter Blödsinn, weil Ost / West nur auf der Erde Sinn macht, aber nicht im Weltraum, aber das ist egal. Die Punkte, auf die man den Blick richten soll, sind die Äquinoktien, also die Tagundnachtgleichen. Allerdings sind diese zwei Kreise theoretische Konstrukte, wo Dante die sehen will, wenn er nach oben schaut, ist völlig unklar. Wir waren aber schon immer der Meinung, dass Dante entweder im Paradies ein irres Kraut gefunden hat oder, wenn er sich gar nicht mehr im Paradies befindet, sondern auf der Erde, einen absoluten Hammerpilz, so dass wir uns über nichts, absolut nichts, mehr wundern.

Dort schwelge an des Meisters Kunst dein Sinn,
Der selbst sie liebt, dass er zu ihrem Preise
Sein Antlitz lächelnd spiegeln lässt darin.

e lì comincia a vagheggiar ne l'arte
di quel maestro che dentro a sé l'ama,
tanto che mai da lei l'occhio non parte.

Und dort betrachte das Werk des Meisters
der diese Kunst von ganzem Herzen liebt
so dass sein Auge immer acht gibt auf sein Werk

Also man soll die nicht sichtbaren Äquinoktien betrachten und dann vor Begeisterung ob der Schöpferkraft des Herrn in die Knie gehen. Also nicht, dass der Autor was gegen Hasch hätte, aber ihn hat schon immer gewundert, an welchem Mist sich Zugedröhnte erfreuen können. Das ist ihm zum ersten Mal in Granada aufgefallen, unterhalb der Alhambra, da saß er mal mit einem Haufen Leuten, die um die Welt zogen und die hatten sehr viele Joints. Irgendwann mal waren die alle glücklich und haben sich schlicht über alles gefreut. So ähnlich muss das jetzt bei Dante sein. Er sieht von der Sonne aus zwei fiktive Kreise, die man von da aus aber nicht sehen kann, die man aber auch von der Erde aus nicht sehen könnte und deshalb freut er sich über das Werk Gottes. Lucy in the sky with diamonds. Es liegt dem Autor ja wirklich fern, hier irgendwie moralinsauer rüberzukommen, aber so Leuten wie Dante sollte schon mal jemand sagen, dass man auch ohne Drogen Glück empfinden kann, zum Beispiel wenn man mal ein richtiges Buch in die Hand nimmt. Dass Dante nur noch Glück empfinden kann, wenn Alkaloide durch das Hirn rauschen, denn dass dies der Fall ist, ist ja offensichtlich, kann auch an seiner auf das Latein fixierten Schulbildung liegen, da wird einem wohl alles ausgetrieben, was man braucht, um glücklich zu sein, z.B. ein unverquaster Zugang zur Welt. Insofern kann uns Dante tatsächlich etwas lehren für die heutige Zeit, nämlich dass man Latein als Schulfach abschaffen und durch Russisch, Chinesisch, Arabisch oder Spanisch ersetzen muss. Diese Sprachen natürlich so darstellen, dass der Bär steppt, mit Musik, Video, Literatur, also so wie auf der www.spanisch-lehrbuch.de. Dann lernen die Kiddies, dass man auch ohne Drogen glücklich sein kann und dass es eine Menge zu entdecken gibt auf diesem Globus.

Sieh! Wie von diesem Punkt sich, schräg im Gleise
Ein Kreis abzweigt, der die Planeten trägt
Und wirksam dient der Welt nach seiner Weise.

Also: Der Kreis, der da abzweigt, ist der Tierkreis (genau genommen eigentlich die Ekliptik, aber der Tierkreis ist das Band, das sich hinter der Ekliptik aufspannt). Der Tierkreis steht tatsächlich schräg zur Äquatorialebene. Aber Dante schreibt tatsächlich „Sieh!“ (Vedi…). Also er SIEHT bzw. man soll SEHEN, dass der Tierkreis schräg auf der Äquatorialebene steht. Wir vermuten, dass Dante ein Borg Bewußtsein hat. Borg? Kennen Sie nicht? Dass sind die großen Gegenspieler der Föderation bei Deep Space Nine. Die haben ein Borg Bewußtsein, das Borg Bewußtsein speist sich aus dem Kollektiv, das Individuum ist nichts, das Kollektiv alles. Die Föderation ist da ganz Griechentum und Aufklärung, das Individuum ist alles, das Kollektiv nichts (So sieht das natürlich auch der Autor, eine Ansammlung von Nullen ist eben Null). Wenn Dante aber sieht, dass der Tierkreis bzw. die Ekliptik zur Äquatorialebene einen Winkel von 23,5 Grad hat, dann muss er einfach an das Kollektiv angeschlossen sein, also das scholastische.

Wär den Gestirnen nicht die Bahn geschrägt,
So wäre viele Himmelskraft verschwendet
Und tot, was eure Welt an Keimen prägt.

Bei Ptolemäus sind also offensichtlich die Kreise, in denen die Planeten schweben schräg aufgehängt. Tatsächlich ist natürlich die Erdachse geneigt. Immerhin ist das mal scharfsinnig beobachtet, von Ptolemäus. Das mit dem „…tot, was eure Welt im Keime prägt“ hat ein bisschen Wahrheit. Das Klima wäre anders. Da Dante ja offensichtlich auch ein Experte für langfristige Klimaanalysen ist, die Jungs vom Max Planck Institut sind im Vergleich dazu fertige Laien, kann der Autor ja mal sagen, was er sich dazu denkt. Verliefe die Ekliptik nicht schräg zur Äquatorialebene, wäre also die Erdachse nicht geneigt, dann hätte man kurzfristig betrachtet wohl ständig ein Klima wie an den Äquinoktien, also an den Stellen, wo die Ekliptik und die Äquatorialebene sich schneiden, man hätte also ein Klima wie am 23.9 bzw. 21.3. Das ist natürlich nicht gerade das, was sich der Autor vorstellt, a bisserl wärmer darf es schon sein. Bedauerlich ist natürlich, dass sich dann insgesamt die Meere stärker abkühlen würden, weil sie ja im Sommer nicht beheizt werden, es würde also langfristig wahrscheinlich ziemlich kalt, aber am Äquator würde sich wohl eine angenehme Durchschnittstemperatur einstellen. Wenn es interessiert: Um im ptolemäischen System die Jahreszeiten erklären zu können, braucht man einen komplett anderen Ansatz als im heliozentrischen System, da sich ja die Erde nicht dreht. Im ptolemäischen System dreht sich die Sonne TÄGLICH einmal um die Erde. Die Jahreszeiten entstehen dann dadurch, dass sich der Kreis der Sonne täglich nach oben verschiebt, bis er dann an den Wendekreisen, also am 21.6 und am 21.12 wieder nach unten wandert, bis er bei den Äquinoktien angekommen ist. Die Zeile „…wäre den Gestirnen nicht die Bahn geschrägt…“ hat also mit der geneigten Erdachse gar nichts zu tun, denn bei dem Modell von Ptolemäus ergibt sich die unterschiedliche Stärke der Sonneneinstrahlung und der unterschiedliche Einfallswinkel dadurch, dass die Sonne nach oben bzw. unten steigt in ihrer täglichen Umkreisung der Erde, also nachts, wenn sie keiner sieht, geht sie schwups ein Stück nach oben. Die Sache ist also etwas tricky, weil die Begrifflichkeiten des ptolemäischen Weltbildes und des heliozentrischen Weltbildes zwar gleich sind, die dahinter stehenden Zusammenhänge jedoch völlig unterschiedlich.

Wär minder oder mehr sie abgewendet
Vom graden Weg, nicht hieße Himmelsgang
Noch Erdenlauf des Weltenplans vollendet.

Im Original

e se dal dritto più o men lontano
fosse 'l partire, assai sarebbe manco
e giù e sù de l'ordine mondano.

und wenn von der rechten Bahn sie
abwich, sei es mehr oder weniger, so
wäre mangelhaft die Ordnung unten wie oben

hm. Das ist jetzt natürlich richtig. Wenn der Mond in den Weltraum entwischt oder auf die Erde knallt, ein Meteorit auf die Erde einschlägt, die Sonne verglüht oder sonst irgendwas passiert, dann ist das nicht mehr ordentlich, das ist dann unter Umständen schwer unordentlich; immerhin hat es ja auch die Dinosaurier ins Jenseits befördert (so eine der vielen Theorien über deren Verschwinden). Das ist nun aber eine Aussage, die hätten wir ohne Ptolemäus, Tycho Brahe, Galilei, Kopernikus etc. etc. sofort verstanden. Dante teilt uns mit, dass es mächtig unordentlich wird, wenn die Erde auseinanderfliegt. Das stimmt, auf jeden Fall.

Jetzt bleibe, Leser, still auf deiner Bank,
Und was nur Vorkost war, mit Fleiß betrachte,
Und Lust gewinnst du, eh die Kraft dir sank.

Ich sitze zwar auf einem Schreibtischstuhl (Ikea!) und auf keiner Bank, aber ich bleib mal sitzen, obwohl das Wort Vorkost irgendwie nach Drohung klingt. Nach soviel Ptolemäus hab ich eine derartige Lust, da könnt ich glatt 250 Kilo heben und anschließend 10 km schwimmen.

Ich trug dir auf, isst selbst nun das Gebrachte!
Denn all mein Sorgen dreht sich jetzt und nur
Um jenen Stoff, der mich zum Schreiber machte.-

Wir sind immer wieder verblüfft, was Dante uns zu tun auffordert. Zuerst sollen wir nicht existierende Ringe sehen, dann auf einer Bank sitzen bleiben (woher weiß er, dass wir sein magistrales Werk nicht am Strand lesen?) und jetzt fordert er uns auf, selber zu essen, was er gereicht. Dass man Bücher / Gedanken / Terzinen essen kann, glauben wir ihm, denn schließlich bekommt man auch mit Äpfeln Erkenntnis. Was wir nicht verstehen ist die Anmerkung, dass wir das selber essen sollen. Wenn wir die einzigen sind, die das Buch vor der Nase haben, wer soll es denn sonst essen? Verblüffen würde uns so was:

Ich trug dir auf, gib nun dem Nachbarn das Gebrachte!
Denn all mein Sorgen dreht sich jetzt und nur
Um jenen Stoff, der mich zum Schreiber machte

Weiter verstehen wir auch den Zusammenhang nicht, zwischen der Nahrungsaufnahme einerseits und der Tatsache, dass er sich jetzt anderen Dingen widmet. Das ist zwar zugegebenermaßen etwas unhöflich, man lädt jemand zum Verspeisen von Terzinen ein und dann lässt man ihn stehen und geht in die Disko oder sonstwas.

Der Dienerinnen größte der Natur,
Die Himmelskraft aufprägt dem Erdenrunde
Und deren Licht uns dient als Zeitenuhr,

Bewegte mit erwähntem Punkt im Bunde
Sich rastlos – drehend im Spiralenzug,
Drin früher sie erscheint zu jeder Stunde.

Im Original

Lo ministro maggior de la natura,
che del valor del ciel lo mondo imprenta
e col suo lume il tempo ne misura,

con quella parte che sù si rammenta
congiunto, si girava per le spire
in che più tosto ognora s'appresenta;

Die höchste Dienerin der Natur
Die mit der Macht des Himmels die Erde prägt
und mit deren Licht die Zeit man misst

verbunden mit jenem Ort, an den wir oben
Schon erinnerten, drehte sich auf den Kreisen
auf welchen sie jeden Tag früher erscheint

Also die höchste Dienerin der Natur ist die Sonne. Ob man die Zeit mit ihrem Licht misst, stimmt nur, wenn man von Sonnenuhren ausgeht. Die ersten mechanischen Uhren wurden im 13. Jahrhundert entwickelt, kann also sein, dass Dante so ein Teil noch nie gesehen hatte. Zu der Geschichte der Uhr gibt es übrigens eine richtig gut gemachte Seite:

http://www.geschichte-der-uhren.de/html/uhren1.html

Der Ort „…an den wir oben schon erinnerten…“ ist das Äquinoktium. Dante meint aber wohl das Äquinoktium, es gibt ja zwei davon, wo die Sonne im Widder steht. Mit den Kreisen, die die Sonne immer früher erscheinen lassen, ist der Kreis gemeint, in dem sich bei Ptolemäus die Sonne dreht. Der steigt ja, siehe oben, jeden Tag ein bisschen (bis er dann nach dem Wendekreis sich wieder zurückbewegt).

Ich war in ihr! Und spürte nichts vom Flug
Nach oben: - kann man den Gedanken spüren,
Eh er sich dem Bewußtsein übertrug?

Er war also in der Sonne. Damit ist dann eindeutig klar, dass der Autor nicht ins Paradies will, auf keinen Fall, denn freiwillig setzt er sich nicht in eine Mikrowelle. Dass der Thomas von Aquin da freiwillig hingegangen ist, mag ja sein, dem ist alles zuzutrauen, wahrscheinlich hat er auch irgendwo geschrieben, dass auf der Sonne Hopfen, Gerste und Malz für das Erdinger Weißbier gedeiht, aber egal was er geschrieben hat, der Autor will da nicht hin. Was aber noch viel mehr verwundert, ist der Vergleich mit der Entstehung der Gedanken. Um die Tatsache plausibel erscheinen zu lassen, dass er nicht gemerkt hat, wie es ein Stockwerk höher ging, führt er an, dass man ja auch die Entstehung eines Gedankens nicht verfolgen könne. Das klingt ja geradezu so, also ob er von seiner vorigen Theorie, dass im Himmel die Schwerkraft nicht gilt und die Seelen eben nach oben streben, selbst nicht überzeugt ist. Die Feststellung, dass man den Gedanken nicht spürt, bevor er ins Bewußtsein dringt, ist natürlich, so ganz grob, richtig. Eine Introspektion, also ein Nachdenken über sich selbst zeigt aber, dass es komplizierter ist, teilweise kann man ja auch Gedanken abfangen, und Gefühle, die unterhalb der Schwelle des Bewusstseins liegen, man kann zum Beispiel durchaus unbewusst verärgert reagieren und sich hinterher klar machen, warum man verärgert reagiert hat. Insgesamt zielt er aber auf die Funktionsweise des Gehirns und da gibt es natürlich sehr viele ähnliche Fragestellungen. Man könnte sich auch fragen, was Dante überhaupt mit Gedanken meint. Als Gedanken bezeichnet er wahrscheinlich etwas, was sprachlich vorliegt, wobei natürlich dass, was sprachlich ausgedrückt wird, erstmal unsprachlich entstanden sein muss. Die Bemerkung ist nicht trivial, viele Leute meinen ja, dass sprechen (Lateinlehrer verstehen darunter grammatikalisch korrekt sprechen, mit komplexer Syntax und reichhaltigem Wortschatz) eine Bedingung für das Denken ist. So lesen wir auf der Seite des Bundesministerium für Bildung und Forschung tatsächlich diesen Schwachsinn:

Die Sprache ist die stärkste Klammer, die die Geisteswissenschaften zusammen hält. Sprache ist die unverzichtbare Basis jeder Art von Denken.

http://www.abc-der-menschheit.de

Dieser Schwachsinn ist nicht auszurotten. Weil das, was Menschen denken sich irgendwann in Sprache ausdrückt, meinen alle, dass Sprache und Denken eng verknüpft sind. Da kann Rilke Gedichte schreiben bis der Arzt kommt, diesen Schwachsinn bringt keiner aus der Welt. Wir können den Versuch aber nochmal starten. Hier also das Gedicht Rilkes.

Wir sind nur Mund. Wer singt das ferne Herz,
das heil inmitten aller Dinge weilt?
Sein großer Schlag ist in uns eingeteilt
in kleine Schläge. Aber auf einmal bricht
der große Herzschlag heimlich in uns ein,
so daß wir schrein -,
und sind dann Wesen, Wandlung und Gesicht.

Wir sind nur Mund. Das ist unser Problem. Vor dem was einschlägt, sind wir sprachlos. Oder abstrakter formuliert, die Sprache ist das Identische, bestenfalls, oft sind Wörter aber auch nur noch Münzen, deren einziger Wert der Tauschwert ist. Das wäre die eine Dimension, in der man die weitgehende Bedeutungslosigkeit von Sprache diskutieren könnte. Die andere Dimension wäre die tatsächliche Verarbeitung der Realität durch das Gehirn. Es sieht wohl eher so aus, dass das Gehirn in gewaltigen Assoziationsräumen denkt, völlig unsprachlich. Es kann höchst heterogene Dinge miteinander verbinden und aus gegebenen Assoziationsräumen neue schaffen und das auch noch in einer wahnsinnigen Geschwindigkeit. Die Stärke des Gehirns besteht hierbei offensichtlich nicht im Abarbeiten von Algorithmen, das kann jeder Computer ein paar hunderttausend Mal schneller, sondern in der Fähigkeit, Beziehungen zwischen völlig heterogenen Dingen herzustellen. Das, was also Intelligenztests üblicherweise messen, das logisch abstrakte Denken, ist eine Trivialität. Die Leistungsfähigkeit des menschlichen Gehirns besteht in seiner enormen Kreativität. Dass die Menschheit seit Jahrtausenden in die Sterne guckt und sich dafür mehr interessiert als für das menschliche Gehirn, überrascht und ist erklärungsbedürftig. Immerhin erkennen wir aber an, dass Dante sich ganz ausnahmsweise mal über etwas wirklich Bedeutendes Gedanken gemacht hat, wir freuen uns ja schon, wenn immerhin mal die Richtung stimmt.

So kann vom Guten Beatrice führen
Zum Bessern hin wie mit Gedankenschnelle,
Dass sich kein Zeiger mag inzwischen rühren.

Das wäre jetzt erstmal zu beweisen, dass sie „…vom Guten zum Bessern führt…“. Bis jetzt wissen wir ja nur, dass alle Seelen sich eigentlich im Empyreum aufhalten, also ganz oben, sie erscheinen aber als Spiegelbilder in den niederen Sphären. Da sie alle eigentlich gleich glücklich sind (warum auch immer), kann man bis jetzt nicht sagen, dass es unten schlechter ist als oben. Weiter sind sie alle irgendwie von Licht durchflossen, strahlen wie Honigkuchenpferde und lieben wahnsinnig (was auch immer). Das einzige Argument, dass wir bis jetzt dafür hatten, warum der Aufenthaltsort auf Mond, Merkur, Venus nicht so schick ist wie weiter oben, war, dass auf diese Planeten noch der Schatten der Erde fällt, sie also noch nicht ganz von allem Erdendunst befreit sind. Dieses Argument erscheint also reichlich abstrakt.

Was war‘ s, was leuchtete mit solcher Helle
Durch‘ s eigne Licht und nicht durch Farbenprangen
Als ich betrat der Sonne Feuerschwelle?

Im Original

Quant'esser convenia da sé lucente
quel ch'era dentro al sol dov'io entra'mi,
non per color, ma per lume parvente!

Wie stark muss leuchten aus sich selber
das, was im Innern der Sonne sich befand, als ich eintrat
nicht durch die Farbe, sondern durch des Lichtes Stärke

Sagen will er uns, dass sich im Innern der Sonne etwas abhob vom Hintergrund, aber nicht dadurch, dass es eine andere Farbe hatte, das wäre ja einfach, sondern dadurch, dass es in der gleichen Farbe heller strahlte. Wir vermeinen uns dunkel zu erinnern, dass Dante uns irgendwann erzählt hat, dass man nicht in die Sonne schauen kann, nicht mal aus der Entfernung, das fanden wir so richtig nicht zutreffend, denn man kann mit den zwei Daumen und dem Zeigefinger eine Öffnung herstellen, die winzig ist und durch die man dann auch die Sonne betrachten kann. Das hat der Autor als Kind immer gemacht, wenn er am Strand lag. Derselbe Dante, der uns aber ein paar Seiten vorher erzählt hat, dass man nicht in die Sonne schauen kann, erzählt uns jetzt, dass er ein Licht erblickte, dass noch viel heller strahlte als die Sonne (und diese ist schon verdammt hell), was uns bestätigt, was wir schon immer wussten: Dante hat einen absolut irren Pilz ausgegraben. So ähnliche Geschichten hab ich mir schon von jemandem erzählen lassen, der eine LSD Tablette eingeworfen hatte. Das Problem ist, dass solche Erfahrungen nicht vermittelbar sind, es sei denn, man würde selber so eine Pille einwerfen, worauf der Autor jetzt natürlich gar keine Lust hat. Unabhängig davon aber, mit was Dante gedopt hat und unabhängig von der Frage, wie man solche Erfahrungen vermitteln will (dem Autor vermittelt sich hier nämlich schlicht gar nichts, er kann die Erfahrung nicht mal ansatzweise nachvollziehen) bleibt noch eine dritte Frage: Wieso ist es ein Zeichen besonderer Glückseligkeit, wenn man leuchtet wie eine 500 Watt Birne ?

Nicht Kunst, Geist, Übung könnte so verfangen,
Dass hier greifbare Schilderung gelänge;
Nur glauben kann man‘ s und zu schaun verlangen.

Das wiederum glauben wir ihm auf‘ s Wort. Die Wirkungen dieses Pilzes kann man absolut nicht beschreiben, das muss der Hammer gewesen sein, eine greifbare / nachvollziehbare / suggestive Schilderung kann da absolut nicht gelingen und ist ihm auch nicht gelungen. Glauben kann man es ihm, der Autor hat in seiner studentischen Taxifahrer Karriere schon so viele durchgeknallte Spinner gesehen, dass er so mehr oder weniger jeden Bewusstseinszustand für möglich hält. Probleme gibt es mit dem „…zu schaun verlangen…“. Warum soll man etwas zu schaun verlangen, bei dem völlig unklar ist, ob es angenehm ist? Neugierig ist man wohl auf etwas, von dem man aus irgendwelchen Gründen erwartet, dass es angenehm ist oder zumindest abwechslungsreich. Man geht zum Beispiel ins Kino, obwohl man nicht weiß, welche Emotionen einen da durchrieseln werden, aber aufgrund einer Vorerfahrung geht man davon aus, dass es möglich ist und bestenfalls sogar irgendwie positiv, also Mut macht oder irgendwas zeigt, was eine neue Sicht auf die Dinge eröffnet, den Alltag transzendiert. Bis jetzt soll man sich aber lediglich grillen lassen wie in der Mikrowelle und sich dabei auch noch von einer 5000 Watt Birne die Augen ruinieren lassen. Das ist eine Erfahrung, die zu schaun der Autor tatsächlich nicht verlangt und wenn es jemand tut, dann sollte für die Schäden keine Versicherung mehr aufkommen, das ist einfach zu dämlich.

Umsonst, dass Fantasie so hoch sich schwänge,
Da ihrem Flügel keine Tragkraft eigen:
Wo ist ein Auge, dass die Sonne zwänge?

Oh doch, dafür hat der Autor absolut genug Fantasie, im Zweifelsfalle kann man auch die Hand auf eine Kochplatte legen und gleichzeitig in eine 500 Watt Birne starren. Also dafür braucht man keine Phantasie. Die Frage „…Wo ist ein Auge, dass die Sonne zwänge…“ ist natürlich berechtigt, allerdings leicht zu beantworten. So ein Auge gibt es nicht, Fantasie hin oder her. Also wenn Dante an seiner Divina Commedia noch eine Weile weitergedichtet hätte, hätte er mal so eine Terzine geschrieben:

So segelt der Körper, der vom göttlichen Geist durchdrungen
Nach oben und nicht nach unten wie der, der undurchdrungen,
ich aber stellte mich auf den höchsten Turm und flog

mit den Armen flatternd ihm entgegen
mit sanften Sprung, ganz wie ein Vogel
mich anmutsvoll und unbeschwert, von dieser Erde mich zu lösen

Er hätte sich also auf irgendeinen Wehrturm in Florenz gestellt und hätte graziös wie ein Vogel sich vom Mauerwerk abgestoßen, um dann im Sturzflug dem Straßenpflaster zuzusteuern.

So war ich denn im vierten Dienerreigen
Des hohen Vaters, der ihn sättigt droben,
Um Lebenshauch und Werdelust zu zeigen.

Der vierte Dienerreigen ist jetzt die Sonne. Die wird natürlich auch von oben gesteuert, angestrahlt, beleuchtet, was auch immer.

Die Herrin sprach: „Nun heißt es danken, loben,
Dass dich der Engel Sonne voller Güte
Zu dieser sichtbarn Sonne aufgehoben.“

Im Original

E Beatrice cominciò: «Ringrazia,
ringrazia il Sol de li angeli, ch'a questo
sensibil t'ha levato per sua grazia»

Und Beatrice begann: “Bedanke dich,
Bedanke dich bei der Sonne der Engel, die dich
So erhoben durch ihre Gnade, dass deine Sinne es fassen

Das soll heißen, dass die Sonne der Engel, also Gott, ihn so erhoben hat, dass ihm, also Dante, seine ganze Herrlichkeit, also die Gottes, sichtbar wird. Wir können immer noch nicht erkennen, wieso man die Herrlichkeit Gottes erkennt, wenn man in einer Mikrowelle gegrillt und gleichzeitig von einer 5000 Watt Lampe angestrahlt wird.

Wenn jemals Andachtsbrunst ein Herz durchglühte,
Das sich dem Herrn, mit tiefster Dankbarkeit
Zu allen Fasern, hinzugeben mühte,

So war dazu das meine vollbereit,
Das jetzt in Liebe heiß zu Gott entbrannte,
(Selbst Bice kam mir in Vergessenheit).

Im Original
Cor di mortal non fu mai sì digesto
a divozione e a rendersi a Dio
con tutto 'l suo gradir cotanto presto

come a quelle parole mi fec'io;
e sì tutto 'l mio amore in lui si mise,
che Beatrice eclissò ne l'oblio.

Noch nie war ein sterblich Herz
So geneigt zur Hingabe, bereit
Sich Gott zu weihen mit aller seiner Kraft

wie ich, als ich diese Worte hörte;
und da alle meine Liebe ihm nur galt,
geriet Beatrice in Vergessenheit

Was Zoozmann sich da mit seinem „Bice“ ausgedacht hat, ist unklar, im Orginal steht schlicht „che Beatrice eclissò ne l'oblio“, „so dass Beatrice geriet in Vergessenheit“. Richtig gut finden wir aber das Wort Andachtsbrunst für digesto a devozione. In Andachtsbrunst steckt ja Brunst, also die Hirsche im Frühling und so. Das ist also definitiv kein, sagen wir mal, „geistiges“ Erlebnis, da geht es dann schon richtig zur Sache, das ist eher dann so, wenn die Ratio eher zuschaut als aktiv in das Geschehen einzugreifen. Wir vermuten mal, dass Zoozmann das nicht so komplett hat, aber intuitiv scheint er den Zusammenhang zu erfassen, im Paradies, das ist zwar über alle sehr hell, aber die Lichter scheinen vollkommen ausgegangen zu sein. Wenn man jetzt noch Hormone durch Alkaloide ersetzt, dann kommt das in etwa hin. Man muss sich das klar machen, Beatrice sagt „Bedanke dich, / Bedanke dich bei der Sonne der Engel, die dich / So erhoben durch ihre Gnade, dass deine Sinne es fassen“ und das bewirkt, dass ihn Andachtsbrunst durchströmt. Lucy in the sky with diamonds..... Dass er Beatrice inzwischen vergessen hat, glauben wir ihm. Ich vermute, es war schon Schicht im Schacht, als sie das erste Mal aufgetreten ist.

Doch ihr mißfiel es nicht: ihr Auge sandte
Ein Lächeln mir, so dass mein Geist sich nicht
In sich verlor, nein: auf die Umwelt wandte.

??? Warum sollte ihr das missfallen, die will ja eh nix von ihm und er von ihr auch nicht. Irgendwo in den Weiten des Internets gibt es eine Liste von Vorträgen, die die Dante Alighieri Gesellschaft organisiert. Darunter ist einer mit dem Titel „Wie über das Paradies schreiben?“. Man hätte ihn anders betiteln sollen: Wie über das nichts schreiben? Das Problem bei Dante ist, dass er keine individuelle Verarbeitung der Realität leistet und ihm jede Fähigkeit zur Introspektion fehlt. Weiter fehlt ihm ein übergeordnetes ästhetisches Prinzip. Der ganze Zahlenhokuspokus, die Ostereier und das Abrollen von irgendwelchem angelesenen Wissen in Terzinenform hat keine künstlerische Konsequenz. Man kann eine Gestalt aus der Geschichte nehmen, das machen Dichter öfters, z.B. Schiller mit seinem Wallenstein. Die hohe Kunst besteht dann darin, dieser Figur Leben einzuhauchen. Niemand wird auf die Idee kommen, so was nachdichten zu können.

Wallenstein:…Mit schnell verlöschten Zügen schreiben sich
Des Lebens Bilder sich auf die glatte Stirne,
Nichts fällt in eines Busens stillen Grund,
Ein muntrer Sinn bewegt die leichten Säfte,
Doch keine Seele wärmt das Eingeweide.
Terzky: Doch möchte’ ich mich den glatten Stirnen lieber,
Als jenen tiefegefurchten anvertrauen.

Da wird eine Figur in ihrer Komplexität entwickelt, teilweise scheint es wohl auf Introspektion zu beruhen. Ein Handbuch der Astronomie in die Hand zu nehmen und das zu Terzinen zu verwurschteln, ist im Vergleich dazu eine eher handwerkliche Tätigkeit, dazu wären viele Leute in der Lage.

Und siehe: Aus lebendgen Flammen flicht
Um uns ein Kranz sich leuchtender Gestalten,
Süßer von Sang, als glänzend dem Gesicht,

Wie um Latonas Tochter sich entfalten
Zum Kranz die feuchten Dünste dann und wann,
Solang die Fäden diesen Gürtel halten.

Wir wissen bereits und werden es immer wieder erfahren, dass die im Paradies seelig lächeln wie die Honigkuchenpferde. Die Bilder, die Dante benutzt, sind immer dieselben und werden durch Wiederholung nicht suggestiver. Dass dem so ist, ist logisch, denn Dante hat vom Paradies so eine unklare Vorstellung, wie wir selbst. Seine Beschreibung des Paradieses ist eine Wortdrechslerei, ohne jede innere Notwendigkeit. Sein künstlerisches Unvermögen kaschiert er mit Andeutungen auf angelesenes Wissen. Das fasziniert all die Leute, also zum Beispiel Philologen und andere verbeamtete Geistliche, über die ja schon Nietzsche treffend sagte, dass 99 von ihnen besser keine wären, ihr Schicksal ist tragisch, das Verdikt Goethes eindeutig.

Wenn ihr`s nicht fühlt,
ihr werdet`s nicht erjagen.

Harmlos ist das, wie bereits öfter erwähnt, keineswegs. Denn in den Wortgebilden kristallisiert sich Ideologie. Im harmlosen Fall ist es lediglich Kitsch, das sind dann die Deutschlehrer, die weitgehend sinnfrei vor sich hin glühen, solange sie dafür bezahlt werden. Adorno spricht von einem neutralisierten Bewußtsein, dem es egal ist, woran es sich begeistert.
Die leuchtenden Gestalten, die da einen Tanz aufführen und singen sind dann irgendwelche Theologen. Da Dante wie üblich nichts wirklich Suggestives einfällt, legt er wieder ein Osterei. Latonas Tochter ist Diana. Latona war die Geliebte des Zeus (Tochter der Titanen Phoebus und Koios), was wiederum Hera erzürnte. Diese wiederum wies die Erde an, ihre Kinder (also Diana und Apollo) auf keinem Platz der Erde zur Welt bringen zu können. Daraufhin ließ Zeus Delos entstehen, eine Insel also, die noch nicht existierte, als Hera die Anordnung erlassen hatte. Dort kommen dann Diana und Apollon auf die Welt. Das mit „den Fäden, die den Gürtel halten“, geht auch im Original so ähnlich. Gemeint ist schlicht, dass der Mond einen Lichtschein um sich herum hat, wenn er im Nebel erscheint.

So kostbare Kleinodien findet man
Im Hof des Himmels, draus ich wiederkehre,
Dass man dem Reich sie nicht entwenden kann.

Im Original

Ne la corte del cielo, ond'io rivegno,
si trovan molte gioie care e belle
tanto che non si posson trar del regno;

Im Hof des Himmels, von dem ich komme,
sind viele teure und schöne Edelsteine,
so viele, dass man sie dem Reich nicht kann entreißen

mit „trar del regno“ („dem Reich entreißen“) meint er, dass man sie nicht beschreiben kann.

So scholl der Sang auch, der unsagbar-hehre;
Wer eignen Flügels nicht hinauf sich schwang,
Der harre eines Stummen, der ihn lehre!

Im Original

e 'l canto di quei lumi era di quelle;
chi non s'impenna sì che là sù voli,
dal muto aspetti quindi le novella

und der Gesang der Schar war von jener Sorte,
dass wer nicht dort auf eigenen Schwingen,
vom Stummen verlange Bericht zu hören

Wäre Dante nicht so zerknittert, dann würden wir das glatt als Selbstironie verstehen. Die Fähigkeit des Stummen, sich mündlich mitzuteilen sind, zumindest wenn er sich mit jemandem unterhält, der die Taubstummensprache nicht beherrscht, eingeschränkt (was übrigens immer gilt, wenn zwei Leute sich unterhalten, die keine gemeinsame Sprache haben). So kompliziert scheint es Dante aber nicht zu sehen, der Stumme steht schlicht für jemanden, der Probleme hat, sich mitzuteilen und da er selber ja offensichtlich dieses Problem hat, scheint er der Stumme zu sein. Bei Dante allerdings liegen gleich zwei Probleme vor. Er hat erstens Probleme, sich mitzuteilen und b) hat er nichts, was er überhaupt mitteilen könnte. Das Einzige, das er uns beharrlich und immer wieder mitteilt, mit x Anrufen an die Musen etc., ist eben dies: Er kann uns seine paradiesischen Erlebnisse nicht mitteilen. Dies hätten wir aber sogar bemerkt, ohne dass er es uns mitgeteilt hätte. Wir bestreiten aber glatt, dass es am Unvermögen liegt, sich mitzuteilen. Wir würden schlicht behaupten, Dante hat nicht den Schimmer einer Ahnung, wie er sich das Paradies eigentlich vorstellt, bzw. irgendwas stellt er sich wohl vor, aber dass er hier durch die bloße Vorstellung erschüttert gewesen wäre, und um eine bloße Vorstellung handelt es sich ja, nehmen wir ihm nicht ab. Denkbar ist letztlich nur, das kann der Autor nicht beantworten, denn er hat im Grunde keinerlei Erfahrung mit Drogen, dass er irgendeine Wahnsinnspille eingeworfen hat oder bei einem indischen Guru meditiert hat. Das Plausibelste allerdings ist es, schlicht davon auszugehen, dass Dante lediglich weitgehend nichtssagende Terzinen geschmiedet hat.

Nachdem die Glutensonnen mit Gesang
Dreimal um uns gekreist wie Nebensterne,
Die um den Pol sich drehn aus innerm Zwang,

Hielten sie still gleich Frauen, die nicht ferne
Vom Tanze lauschend stehen, dass ihr Ohr
Den neuen Klang zum nächsten Tanz erst lerne.

Im Original

Poi, sì cantando, quelli ardenti soli
si fuor girati intorno a noi tre volte,
come stelle vicine a' fermi poli,

donne mi parver, non da ballo sciolte,
ma che s'arrestin tacite, ascoltando
fin che le nove note hanno ricolte.

Dann, als ob sie sängen, drehten sich um uns
Die glühenden Sonnen drei Mal,
wie Sterne, die nah dem Pole

Frauen erschienen sie mir, nicht weit entfernt vom Tanze,
die jedoch in Schweigen harren, der Musik lauschend
bis sie den neuen Ton ergriffen haben

Schwierigkeiten bereitet nur der Halbsatz „wie Sterne, die nah dem Pole“ oder anders formuliert, die Aussage ist schlicht Unsinn und zwar sowohl nach ptolemäischen wie auch nach dem heliozentrischen Weltbild. Ob sich der Stern nah oder weniger nah am Pol befindet, ist reichlich wurscht, entscheidend ist jedoch, auf welchem Breitenkreis sich der Beobachter befindet. Bedingt durch die Erddrehung und die Schräglage der Erde sehen Beobachter auf den unteren bzw. oberen Breitenkreisen, je nachdem ob man von Süden oder Norden ausgeht, immer nur einen Teil des Sternbildes und dieses ändert sich auch im Laufe des Jahres. An den Polen jedoch spielt eben diese Drehung keine Rolle, steht man an einem der zwei Pole, dreht man sich um die eigene Achse, also wenn man 24 Stunden stillsteht, was ja keiner tut. Die Himmelsobjekte scheinen sich für einen Beobachter an den Polen kreisförmig zu bewegen. Sie sind dort immer sichtbar, sind aber als Kreis erkennbar. Das müssen Sie dem Autor jetzt einfach glauben, er hat jahrelang am Nordpol in einem Iglu gelebt und kann Ihnen die dortigen Verhältnisse so genau schildern wie Dante das Paradies schildert, also eigentlich gar nicht. Aber es gibt ein gutes Buch zu dem Thema: Das Universum, Die Bild – Enzyklopädie, Hrsg. Martin Rees. Der Autor sagt Ihnen das ungern, denn keine Internetagentur ist begeistert, wenn es zu einem Thema noch ein Buch gibt, welche das Niveau einer Website überschreitet. Hier ist also noch Arbeit zu leisten. Wie dem auch immer sei, was Dante da erzählt ist Quark, denn selbst im ptolemäischen Weltbild ergibt sich die Kreisform der Himmelsobjekte aufgrund der Position in der Nähe eines Poles. Irgendwas läuft hier bei Dante völlig quer. Wir gehen ja noch mit, dass er den Nordpol nach Jerusalem verlegt auf die paar tausend Kilometer kommt es nun wirklich nicht an. Wenn er aber irgendwo gelesen hat, dass die Sterne in der Nähe des Poles sich auf einer Kreisbahn bewegen, dann hätte er, unabhängig davon, dass es Quark ist, diese Situation in Jerusalem doch hätte vermuten müssen. Über Jerusalem lagen aber Berichte vor. Wir haben irgendwie den Eindruck, dass Dante hinsichtlich der Pole sich noch kein abschließendes Urteil gebildet hatte.

Und aus der einen Sonne klang‘ s hervor:
„Wenn sich der Gnadenstrahl in dich ergossen
Der Liebe, die durch Liebe wächst empor,

Und sich im Glanz vervielfacht dir erschlossen,
Dass jene Leiter erst dein Fuß gewänne,
Wo Abstieg neu zum Aufstieg lockt der Sprossen,

Wer dann dich nicht zu laben gleich begänne
Mit seinem Wein: unfrei wär der zu nennen,
Unfrei wie Wasser, das ins Meer nicht ränne.

Im Orginal

E dentro a l'un senti' cominciar: «Quando
lo raggio de la grazia, onde s'accende
verace amore e che poi cresce amando,

multiplicato in te tanto resplende,
che ti conduce su per quella scala
u' sanza risalir nessun discende;

qual ti negasse il vin de la sua fiala
per la tua sete, in libertà non fora
se non com'acqua ch'al mar non si cala.

Und im Innern hörte ich einen beginnen: “Wenn
die Strahlen seiner Gnade, wo sich wahre Liebe
Entzündet um dann in Liebe anzuwachsen,

und in dir so oft immer wieder erstrahlt,
dass sie dich emporführt auf jener Leiter
wo ohne aufzusteigen niemand hinabsteigt;

Wer dir den Wein verweigert aus seiner Schale
für deinen Durst, wäre sowenig in der Freiheit
wie ein Tropfen es nicht wäre, der zum Meere drängt

Das ist das, was wir schon kennen, im Paradies wird vertikal geliebt bis sich die Balken biegen, wobei irgendwie nur eine Liebe die richtige ist, alle anderen gehen irgendwie in der einen auf, wie genau, interessiert dort niemanden. Diese Liebe ist so gewaltig, dass jeder, der sie einmal erfahren hat, da wieder hin will („…wo ohne aufzusteigen niemand hinabsteigt…“). Und von dieser unendlichen Liebe zu künden, sind sie nun alle bestrebt, wären geradezu unfrei, wenn sie es nicht täten („…wer dir den Wein verweigert aus seiner Schale…der zum Meere drängt…). Der Vergleich ist natürlich jetzt wieder subtil. Ist ein Stausee, der kontrolliert zur Energieerzeugung ins Tal fließt unfrei? Das müsste man jetzt mal erörtern, die Frage ist, ob die deutsche Forschungsgemeinschaft oder die Volkswagenstiftung das fördert. In Frage käme natürlich noch das Goethe Institut (als Förderer). Thema der Habilitationsschrift: „Gesetz und Freiheit – Die Relevanz des ontologischen Freiheitsbegriffs des Existenzialismus für den Schluchsee: Ein Beitrag zur Heidegger Forschung“.

Du möchtest gern des Kranzes Blumen kennen,
Die sie bestaunen, die dich von der Erde
Aufhob und für die Sternwelt ließ entbrennen?

Im Original

Tu vuo' saper di quai piante s'infiora
questa ghirlanda che 'ntorno vagheggia
la bella donna ch'al ciel t'avvalora.

Du möchtest gern wissen mit welchen Pflanzen
Sich die Ghirlande schmückt die um die schöne
Frau kreist, die dich zum Himmel hat getragen

Nach wie vor tanzen die verliebten, lichtdurchfluteten, erleuchteten Theologen um sie herum, das ist die Ghirlande und eine schmückende Blume ist halt Thomas von Aquin, wie wir gleich erfahren. Die „bella donna“ ist natürlich Beatrice, die hat ihn empor zum Himmel getragen.

Ich war der Lämmer eins, die in der Herde,
Mit Sankt Dominikus zur Weide ziehn,
Wo fett wird, wem kein Tand mehr macht Beschwerde.

Der mir zum rechten Nachbar hier verliehn,
Mein Freund und Meister, ist von Köln der weise
Albertus – ich bin Thomas von Aquin.

Derjenige, der spricht ist Thomas von Aquin. Da der Name ja direkt genannt wird, haben wir es mit einem Osterei der Kategorie B zu tun. Dieser war Dominikaner und diese entsagten allen weltlichen Gütern („…wo fett wird, wem kein Tand mehr macht Beschwerde…“). Ob man dadurch, dass man arm bleibt und ist, klüger wird, weiß der Autor nicht, man kann das ja vertiefen, das ist im Detail natürlich kompliziert, für Erstsemester der VWL gilt erstmal Y = C + I und I = S. Sinkt also der Konsum, sinkt das Volkseinkommen. Ab jetzt wird die Sache also wirklich ernst. Beatrice war nur das Vorgeplänkel, jetzt wird es gnadenlos. Albertus Magnus (geb. um 1200, gest. 1280 in Köln) gilt als Wegbereiter der Scholastik, Thomas von Aquin sein Schüler.

Drängt dich‘ s auch nach der andern Ruhm und Preise,
So folge mit dem Auge meinen Worten,
Dass prüfend es den heilgen Kranz durchkreise.

Im Original

Se sì di tutti li altri esser vuo' certo,
di retro al mio parlar ten vien col viso
girando su per lo beato serto

Begehrst du mehr zu erfahren über jene
so folge meinen Worten und lass den Blick
Gleiten über diesen glückseligen Reigen

Machen wir, kein Problem. Wir folgen mit den Augen dem glückseligen Reigen.

Des Gratians Lächeln nährt die Flammen dorten,
Der so sich weihte doppeltem Gerichte,
Dass ihm der Himmel auftat seine Pforten.

Gemeint ist der "Vater" des Kirchenrechts Gratian (gest. 1160 in Bologna). Von ihm stammt das Concordia discordatium canonum, der bekanntesten Sammlung des Kirchenrechts. Angespielt wird auf eine Bemerkung, die man oft findet, nämlich dass Gratian das Kirchenrecht mit dem Zivilrecht vereinbarte. Der Autor kann sich aber gar nicht vorstellen, was hier in Übereinstimmung zu bringen gewesen wäre, denn das Kirchenrecht regelt völlig andere Rechtsgebiete und liest man den Wikipedia Artikel dazu durch

http://de.wikipedia.org/wiki/Corpus_Iuris_Canonici

dann hat man eher den Eindruck, dass Gratian den Versuch gestartet hat, das in sich widersprüchliche Kirchenrecht zu einem schlüssigen System auszubauen. Schon der Name Concordia discordatium canonum (frei übersetzt das Werk, das die widersprüchlichen Kirchenrechtsquellen in Übereinstimmung bringt) legt nahe, dass es weniger um einen Abgleich zwischen Zivilrecht und Kirchenrecht ging als um eine widerspruchsfreie Darstellung des Kirchenrechts. Jener bereits öfter erwähnte Rudolf Baehr, der die Reclam Ausgabe der Divina Commedia mit Anmerkungen versehen hat, schreibt:

Francesco Graziano aus Chiusi (Toskana), camalduenser Benediktiner, berühmter Kirchenrechtler des 12 Jahrhunderts. Sein Hauptwerk ist die Concordia discordantium canonum, kurz unter dem Namen Dekretum Gratiani bekannt, in dem er kirchliches und ziviles Recht in Einklang zu bringen sucht.
(Divina Commedia, Reclam Verlag, Seite 496)

Der Autor würde sagen, dass dies falsch ist und könnte natürlich jetzt noch einiges zu dem Thema sagen, dass das Internet eine unzuverlässige Informationsquelle ist. Das ist ja das Gerücht, dass von vielen verbeamteten Geistlichen immer wieder kolportiert wird. Der Autor hat eher den Eindruck, dass das Internet wesentlich zuverlässiger ist , insbesondere dann, wenn die User den Inhalt kommentieren und diskutieren können.

Zunächst ihm schmückt den Chor mit hellem Lichte
Der, dem es gleich der Witwe wurde leicht,
Dass er für Gott auf seinen Schatz verzichte.

Im Original

L'altro ch'appresso addorna il nostro coro,
quel Pietro fu che con la poverella
offerse a Santa Chiesa suo tesoro.

Der ihm zur Seite unseren Chor schmückt
Ist jener Pietro der wie die arme Frau
der heiligen Kirche seinen Schatz anbot

Fällt Ihnen was auf? Die Terzine ist absolut spektakulär. Wir hatten schon Ostereier, die Zoozmann für uns entdeckt hat, die also von der Kategorie A zur Kategorie B abgeglitten sind. Aber hier passiert genau das Gegenteil, der Fall ist neu und absolut spektakulär. Bei Dante ist es ein Osterei der Klasse B, bei Zoozmann (den Namen Pietro hat er ja schlicht eliminiert) ist ein Osterei der Klasse A daraus geworden. Wir sehen also, dass Zoozmann Dante als Dichter allmählich überlegen ist. Er baut Ostereier ein, wo bei Dante gar keine sind, bzw. nur welche minderer Qualität. Allerdings schafft Zoozmann ein Osterei, das,- bedingt durch die Tatsache, dass die Hintergrundinformationen, die es erlauben würden, es wieder zu finden, fehlen, - nicht auffindbar ist. So ganz beherrscht er also das Prinzip Osterei noch nicht. Muss er also noch üben. Wer war also dieser Pietro?

Er sah aber auf und schaute die Reichen, wie sie ihre Opfer einlegten in den Gotteskasten. Er sah aber auch eine arme Witwe, die legte zwei Scherflein ein. Und er sprach: Wahrlich ich sage euch: Diese arme Witwe hat mehr denn sie alle eingelegt. Denn diese alle haben aus ihrem Überfluß eingelegt zu dem Opfer Gottes; sie aber hat von ihrer Armut alle ihre Nahrung, die sie hatte, eingelegt.

Das fünfte Licht, dem keins an Schönheit gleicht,
Haucht solche Liebe, dass man eifrig Kunde
Von ihm begehrt, so weit die Erde reicht;

Es birgt den hohen Geist, aus dessen Munde
Die Weisheit quoll: Ihm gleicht kein zweiter -
Wenn Wahrheit wahr ist – auf dem Erdenrunde.

Im Original

La quinta luce, ch'è tra noi più bella,
spira di tal amor, che tutto 'l mondo
là giù ne gola di saper novella:

entro v'è l'alta mente u' sì profondo
saver fu messo, che, se 'l vero è vero
a veder tanto non surse il secondo.

Dem fünften Licht, das hinter uns noch schöner strahlt,
entströmt eine solche Liebe, dass die ganze Welt
da unten wünscht noch mehr zu erfahren

dort drinnen ist ein hoher Geist, begabt mit
einem so tiefen Wissen, dass wenn das Wahre wahr ist,
es keinen zweiten gibt

hm. Ein geniales Osterei. Das ist ein Licht, das strahlt noch schöner als alle anderen, ihm entströmt Liebe wie der Honig aus der Langnese Flasche und die ganze Welt wünscht zu erfahren, wer es ist, weil ein so hoher Geist darin wohnt, dass, wenn das Wahre wahr ist, es keinen zweiten gibt. In den zwei Terzinen ist also eigentlich nur eine konkrete Information, nämlich „wenn das Wahre wahr ist“. Wir schließen daraus, dass Dante kein Anhänger von Ton, Steine, Scherben ist, denn die sangen ja immer „und die Lüge ist wahrer als die Wahrheit / wenn die Wahrheit so verlogen ist“. Dante geht also davon aus, dass das Wahre wahr und das Falsche dann eben auch falsch ist. Was den Rest angeht, also Licht, die Liebe, das tiefe Wissen etc. ist es eindeutig. Es handelt sich um die Oma des Autors, auf diese trifft das alles zu. Manche Kommentatoren gehen davon aus, dass Salomon gemeint ist, das ist natürlich völlig falsch, es ist die Oma des Autors. Salomon war der Sohn Davids und König von Israel. Nach diesen Kommentatoren wird auf das Hohelied eben jenes Salomons angespielt und Dante scheint davon auszugehen, dass man von diesem Hohelied immer mehr hören will. Das kann schon sein, dass die Leute davon immer mehr hören wollten, denn im Vergleich zur Bibel hat es ein bisschen Pepp, einen leichten bis ziemlich starken erotischen Touch, das ist natürlich interessanter als der Rest der Bibel. Natürlich wurde das dann umgedeutet, zur Vereinigung von Kirche und Christus, aber dem Autor ist völlig unklar, wie man das aus dem konkreten Text rauslesen soll. Das geht zum Beispiel so:

Auf meinem Lager in den Nächten suchte ich, den meine Seele liebt: ich suchte ihn und fand ihn nicht. Ich will doch aufstehen und in der Stadt umhergehen, auf den Straßen und auf den Plätzen, will suchen, den meine Seele liebt. Ich suchte ihn und fand ihn nicht. Es fanden mich die Wächter, die in der Stadt umhergehen: Habt ihr den gesehen, den meine Seele liebt? Kaum war ich an ihnen vorüber, da fand ich, den meine Seele liebt. Ich ergriff ihn und ließ ihn nicht, bis ich ihn gebracht hatte in das Haus meiner Mutter und in das Gemach meiner Gebärerin.

Bei den Theologen geht das irgendwie wie bei Christian Morgenstern:

Und so schließt er messerscharf
Dass nicht sein kann, was nicht sein darf

An der Stelle, wo die Ideologie oder der Begriff derartig eindeutig über das spontane Gefühl triumphiert, erreicht erstere geradezu ihre Klimax. Der Begriff dominiert über das Ich, vernichtet, um mit Adorno zu sprechen das, was er eigentlich retten wollte. Die Ratio schlägt um in Irrationalität. Das Gleiche haben wir auch bei Goya:

El sueño de la razón produce monstrous.
Der Traum von der Vernunft gebiert Monster.

Man kann es nur immer wieder sagen, Ideologien sind ein Problem. Deswegen hat die infos24 GmbH auch eine Hymne.

ich will dass es keine Wahrheiten mehr gibt
Die die Haut nicht spürt.

Die ist auch musikalisch ganz hübsch.

http://www.spanisch-lehrbuch.de

Ideologien sind sicher nicht der einzige Grund für das öfter konstatierte Malheur, aber sie sind ein konstituierender Faktor. Bei manchen Leuten aber, zum Beispiel verbeamteten Geistlichen, ist das aber vielleicht nochmal anders. Die haben von vorneherein gar kein „ich“, das der Begriff unter sich begraben könnte. So gesehen ist Adorno ja noch richtig optimistisch. Er geht immerhin davon aus, dass im Allgemeinen ein „ich“ vorhanden ist, das dann der Begriff oder die verdinglichte Welt unter sich begräbt. Was aber, wenn eben jenes gar nicht vorhanden ist? Huh!

Und jener Kerzenglanz, der sein Begleiter,
Hat Art und Amt der Engel tief durchdacht -
Im Fleische schon ein göttlich Eingeweihter.

Unter Umständen muss die Ostereier Hierarchie neu durchdacht werden, wir deuteten das bereits an. Wir erfahren hier von einem Licht, dass die Art der Engel neu und tief durchdacht hat, der war also schon eingeweiht in die tiefsten Mysterien, als er noch auf Erden wandelte. Andersherum formuliert, über dieses Osterei erfahren wir gar nichts. Offensichtlich scheint es aber einen sehr frühen Kommentator gegeben zu haben, der erahnen konnte, um wen es sich handelte und von diesem wurde dann 600 Jahre lang abgeschrieben. Wenn das bereits seit 600 Jahren zur allgemeinen Zufriedenheit funktioniert, sehen wir keinen Grund, mit dieser Tradition zu brechen. Wir referieren jetzt einfach, was die anderen referieren, verraten Ihnen aber nicht die letzten Geheimnisse, das heißt, wer es zuerst gesagt hat. Wir tun einfach so, als ob wir das wüssten, das machen die anderen auch so und ist folglich in Ordnung. Dante meint also, nach unserer eigenen, durch lange Forschungstätigkeit gewonnenen Überzeugung, Dionysius Areopagita und dessen Werk de Coelesti Hierarchia, wo die Ordnung im Himmel beschrieben ist. Hierzu schreiben nun alle Kommentatoren, dass dieser Dionysius Areopagita von Paulus bekehrt wurde und dann der erste Bischof von Athen wurde. Manche merken dann noch an, dass der im Mittelalter verbreitete Glaube, dass Dionysius Areopagita der Urheber des oben erwähnten Werkes sei, falsch ist. Bei Wikipedia, und wir befürchten, dass da irgendjemand geschrieben hat, der sich damit beschäftigt hat, steht aber, dass über jenen Dionysius Areopagita so richtig gar nichts bekannt ist, und die Werke, die man mit ihm in Verbindung setzte, gar nicht von ihm stammen. Schaut man sich dann noch die Diskussion zu diesem Artikel bei Wikipedia an (http://de.wikipedia.org/wiki/Dionysius_Areopagita), dann kann man zu dem Schluss kommen, dass das Internet die sichere Informationsquelle ist. Die Sache geht aber weiter, da hagelt es jetzt Theologen. Sie können froh sein, dass Dante 1321 gestorben ist, sonst hätte er auch noch den Ratzinger, Joseph in den Reigen eingereiht.

Und jener dort, der selig lächelt
Der kommt aus Bavaria
Wo er auch hätte bleiben können

Aber is nicht, der Ratzinger, Joseph ist nicht in der Divina Commedia. Dafür aber eine Menge andere.

Im nächsten kleinern Strahlenschimmer lacht
Der Anwalt, der für Christenruhm geschrieben,
Was Augustin zunutze sich gemacht.

Da wiederum behaupten alle Interpreten, wir gehen mal davon aus, dass die Dante ins Paradies nachgestiegen sind, dass es sich um Paolo Orosio handelt. Was?! Sie wissen nicht wer Paolo Orosio ist? Man, man, man Ihnen muss man auch wirklich alles erklären, da ist ja gar keine Substanz da. Paolo Orosio wurde zwischen 380 und 390 in Portugal geboren. Er verteidigte in Palestina die Christenheit gegen "Häretiker".

Ist nun von Licht zu Licht im Schritt geblieben
Dein geistger Blick mit meinem Lobeswort,
So fühlst du dich zum achten längst getrieben.

Aber sicher doch. Mein Blick folgte den Worten des Thomas von Aquin und ich brenne schon darauf zu erfahren, er der Achte ist im Bunde.

Im Anschaun alles Guten freut sich dort
Die heilge Seele, die dem Trug hienieden
Für Wahrheitsfreunde riss die Maske fort.

Der Leib, von dem sie mit Gewalt geschieden,
Ruht in Ciel d‘ or – sie selbst ging aus Tortur
Und Kerkerhaft hier ein zum Gottesfrieden.

Simsalabim, dreimal schwarzer Kater. Es gibt also jemanden, der den Trug enttarnte (natürlich nur für jene Freunde der Wahrheit, die willens waren, ihm zu lauschen), dann gewaltsam ins Jenseits befördert wurde, nachdem er vorher noch gefoltert wurde und dessen sterbliche Überreste jetzt in Ciel d‘ Or liegen. Fällt Ihnen auf, was für ein fertiger Müll die üblichen Kreuzworträtsel sind? Nebenfluss der Donau mit drei Buchstaben (Inn), deutscher Schriftsteller mit fünf Buchstaben (Hesse), italienischer Komiker mit fünf Buchstaben (Dante), moralinsaure Pseudointellektuelle mit acht Buchstaben (Beatrice).

Ich sprüh‘ s an jede Wand
Neue Kreuzworträtsel braucht das Land

So bei Bunte oder Frau im Spiegel. Bunte Leser wissen mehr. Höhöhö. Voll der Knaller wär das bei der Bildzeitung. So morgens in der Kneipe um die Ecke.

Schorsch: hamneueskreuzworträtsel.
Egon: echt?!
Schorsch:jo
Egon: un?
Schorsch: mittelalterlicherthethetheologämit6buchstaben
Egon: wat‘ n det?
Schorsch: napfarrerhalt
Egon: ah
Schorsch: gibt aber auch noch bilder
Egon: ah, lass sehen

Also der Ritter der theologischen Tafelrunde war Severino Boezio. Geboren wurde er 480 nach Christus und gestorben ist er 526 nach Christus. Er beschrieb in seinem Buch "De consolatione philosophiae" (Vom Trost der Philosophie), dass alles Irdische nichtig ist. Das findet der Autor auch, aber wenn die Geschirrspülmaschine nicht läuft und man sich darum kümmern muss, dass sie wieder läuft, findet er, dass das Irdische manchmal auf jeden Fall anstrengend ist. Er war ein Berater Theoderichs des Großen, fiel aber in Ungnade und wurde hingerichtet. Begraben wurde er in der Kirche S. Pietro in Ciel d' Oro in Pavia und daselbst hat er natürlich auch ein Denkmal mit Dante Orginalsound.

Also das steht da:

Lo corpo ond' ella fu cacciata giace
giuso in Cieldauro; ed essa da martiro
e da essilio venne a questa pace.

Irre oder? Was hat die Leute, die das dahin gehängt haben, veranlasst, das da hinzuhängen? Aber für die Touris ist das nicht schlecht. Wenn die solche Tafeln in Italien 500 mal sehen und so ein paar Tausend davon gibt es wohl, dann kaufen sie sich auch das Buch. Das ist Marketing. Hut ab!

Wenn Sie bis jetzt der Meinung waren, dass Dante wieder schwächelt, so ein Name pro Terzine ist ja wohl eine schwache Leistung, dann irren Sie sich gewaltig. Auf den letzten Metern dreht er noch mal voll auf. Es kommt jetzt eine Terzine mit drei Namen.

Dort Isidors und Bedas Flammenspur,
Dort: Richards des Betrachters, der aus hehren
Mysterien mehr als je ein Mensch erfuhr.

Isidor, Beda und Richard. Isidor ist Isidor von Sevilla. Isidor von Sevilla wurde 560 in Cartagena (Spanien) geboren und starb 636 in Sevilla. Sein bekanntestes Werk ist die Enzyklopädie Etymologiarum sive originum libri XX, das enzyklopädisch das Wissen seiner Zeit sammelte. Beda Venerabilis (geb. 673 in Wearmouth, gest. in Northumbria 735) war ein angelsächsischer Benediktinermönch. Er verfasste umfassende Werke zur Kirchengeschichte Englands, Zeitrechnung und Kosmographie. Riccardo di San Vittore (geb. um 1100, gest. 1173) war ein Theologe schottischer Herkunft. Er gilt als der bedeutendste Mystiker des Mittelalters, was immer das auch bedeuten mag.

Von dem zu mir nun deine Augen kehren,
Ist jener Denker, der‘ s dem Tod verargte,
Dass er so säumig war, sein zu begehren;

Sigerius ist‘ s, das ewge Licht: er kargte
Mit Schlüssen nicht, scharfsinnig vorzubringen
Missliebge Wahrheit auf dem Garbenmarkte.“

Siger von Brabant (geb. 1235, gest. 1284) war ein Gegenspieler von Thomas von Aquin in der
Pariser Artistenfakultät. Die Bedeutung der Fragen, über die man stritt, sind unmittelbar einsichtig.
Siger von Braband stellt sich auf den Standpunkt, dass der Intellekt überindividuell ist, also nicht jedem
Individuum einzeln zugeordnet ist und folglich es auch keine Seele geben könne, die dann gen Himmel
ziehen kann. (Sie verstehen das nicht? Sie müssen mal Deep Space Nine schauen, dann verstehen Sie das. Da gibt es die Borgs, die hängen alle am Kollektiv, haben also nur ein Kollektivbewußtsein. Wird der
einzelne Borg abgeschaltet, ändert sich gar nichts, der einzelne Borg zerfällt zu Asche und das Kollektiv
lebt weiter. Anders ist das bei der Konföderation. Da hat jeder ein eigenes Bewußtsein und stirbt er,
dann stirbt eben tatsächlich ein Individuum. Fehlt noch, damit wir bei Thomas von Aquin sind, dass
dieses Bewußtsein / Seele / Intelligenz auch nach dem Tod weiterexistiert. Bei Thomas von Aquin pustet Gott jedem Menschen eine individuelle Seele in die Nase, die lebt dann nach dem Tode fort und steigt gen Himmel. Siger von Brabant ist also ein Anhänger des Averroes, dieser hält sich streng an Aristoteles, die Intelligenz ist überindividuell. Das ist übrigens mal etwas (und ich kann Ihnen zuversichtlich versichern, dass der Autor selten mit Thomas von Aquin einer Meinung ist), wo ihm dieser sogar mal sympathisch ist. Der Autor geht tatsächlich davon aus, dass es eine Menge Leute gibt, die glatt mit dem Kollektiv verkabelt sind. Sympathischer ist aber doch, wenn man von Individuen umgeben ist. Was Dante allerdings mit der Zeile "der' s dem Tod verargte / dass er so säumig war, sein zu begehren" ist etwas schleierhaft. Dass Siger von Brabant sich gerne aus der Welt verabschiedet hätte, ist nicht bekannt. Das andere, "er kargte nicht scharfsinnig vorzubringen / Missliebige Wahrheit auf dem Garbenmarkte" ist dann klar. Ob seiner Ansichten wurde er mehrere Male verurteilt. Das mit dem Garbenmarkt hat dann wieder Zoozmann dazugedichtet, im Original heißt es:

essa è la luce etterna di Sigieri,
che, leggendo nel Vico de li Strami,
silogizzò invidiosi veri

die ist Sigers ewiges Licht
der, der in der Straße des Strohs
durch Syllogismen neiderregende Wahrheiten kündete

Was das Vico de li Strami bedeutet ist unklar. Italienische Kommentatoren machen ein
Vico di paglia draus, das wäre dann Straße des Strohs. Straße des Strohs wäre wiederum richtig,
denn die besagte Universität befand sich in Paris und der Name war folglich französisch, nämlich
Rue du Fouarre und fouarre ist ein altfranzösisches Wort für Stroh. Die Rue du Fouarre gibt es übrigens
bis zum heutigen Tag. Zoozmann liegt also mit seinem Garbenmarkte gar nicht schlecht, nur
ein Markt ist nicht zu erkennen. Straße der Garben hätte es ganz gut getroffen, aber eigentlich ist es schlicht Stroh. Und warum heißt die Straße "Strohstraße"? Na, weil an der dort ansässigen Universität die ganzen verbeamteten Geistlichen dozierten und Stroh gedroschen haben. GRÖÖÖÖHHHHLLLL.

Und wie man morgens hört die Uhr erklingen -
Wenn sich die Himmelsbraut pflegt zu erheben,
Dem Bräutgam Liebesmorgengruß zu singen -

Er meint das nervige Kirchengebimmel, die Himmelsbraut ist die Kirche und die macht mit ihrem Gebimmel dem Bräutigam, also Jesus, einen Liebesmorgengruß.

Wie Rad und Zahn dem Triebwerk Anstoß geben,
Bis ein Tingting ertönt mit süßem Klang,
Dass Liebesschauer fromm das Herz durchbeben:

Bei mir ja nicht, ich warte bis das Gebimmel vorübergeht und schlaf dann weiter, aber anyway.

So sah ich, wie der Strahlenkreis sich schwang,
Und hörte süßharmonisch sich verbinden
Die Stimmen, dass vernehmbar solch Gesang

Nur dort, wo nie die Himmelwonnen schwinden.

Also diese Zwölf singen jetzt zusammen und zwar so herrlich, dass nur der, der schon im Paradies war weiß, wie schön das klingt. Das muss ich jetzt Dante einfach glauben, ich war nämlich tatsächlich noch nie da. Damit man sich den Reigentanz besser vorstellen kann, noch ein Bild.