Ich gehe mal davon aus, dass Sie nach 33 höllischen Gesängen und
32 reinigendem Geträller von allem Erdenqualm befreit sind und leicht
wie eine Feder nach oben schweben, in Richtung Paradies. Zwei Geträller
fehlen also noch, dann betreten Sie das Paradies.
Den Durst von zehen langen bangen Jahren
Zu löschen, hin mein Blick so fest an ihr,
Dass taub mir alle andern Sinne waren.
Die zehn Jahre lassen sich nicht genau bestimmen, die Angaben unterscheiden
sich. Beatrice starb ungefähr im Alter von 25 Jahren, mit etwa 30 Jahren
begann Dante mit der Divina Commedia, dann wird er noch 5 Jahre gebraucht haben,
bis er im Läuterungsberg war, dann kommt das etwa hin. Das Problem ist
das alte. Die ganze Divina Commedia ist über sehr, sehr weite Strecken
ein Wortgeklingel, selbst wer großzügig konzediert, dass ein Kunstwerk
Gefühle nur andeuten muss und es dem Leser überlassen bleibt, sich
was vorzustellen, wird hier Probleme haben, denn man kann sich schlichtweg
gar nichts vorstellen, es ist völlig unklar, welcher Durst (la decenne
sete = den zehnjährigen Durst) hier gelöscht wird. Dante widerlegt
also Aristoteles. Dieser Schwachmatiker behauptet doch allen Ernstes, dass
Wörter für etwas stehen (aliquid stat pro aliquo = etwas steht für
etwas). Diesen Grundirrtum der Linguistik hat schon Goethe widerlegt.
Gewöhnlich glaubt der Mensch,
wenn er nur Worte hört,
es müsse sich dabei doch auch was denken
lassen.
Die Sache ist die: (der Autor hat das schon in einem wissenschaftlichen Essay
schlagend bewiesen) Sprache ist ein sinnfreier Energieträger. Offensichtlich
ist das bei so Begriffen wie Vaterland, das ist wie Whisky, da werden die Leute
besoffen von Energie und machen dann die verrücktesten Dinge, die sie ein
paar Tage später gar nicht mehr nachvollziehen können. Dante auf jeden
Fall reiht Wörter aneinander, denken lässt sich dabei wenig. Wahrscheinlich
dürstet es ihn ganz im christlichen Glauben aufzugehen, diesen also nicht
nur als Wahrheit zu akzeptieren, sondern via Beatrice diesen auch zu lieben.
Wir vermuten eher, Dante ist hier einer Autosuggestion unterlegen. Ob es so
Phänomene wie das von Dante beschriebene, dass man über eine Frau
zum Christentum kommt, überhaupt gibt, ließe sich durch eine Analyse
der Marienverehrung gewinnen, ob sich da irgendwo erotische Elemente finden
lassen. Dante auf jeden Fall startet bei der Liebe zu einer Frau, wir gehen
einfach mal davon aus, dass er die Beatrice aus der „Vita Nuova“
geliebt hat, und landet irgendwo im christlichen Himmel. Als universelles Modell
ist das ohnehin problematisch, denn da die andere Hälfte der Menschheit
ja weiblich ist, hätte er noch irgendwie einen süßen Latin Lover
dazudichten müssen. Der Autor selbst wäre zwar, wenn er eine Frau
wäre, lesbisch, das ist klar, denn bei Typen kann man ja wirklich nicht
von ästhetischer Verdichtung sprechen, aber rein statistisch ist es so,
dass manche Frauen auf Typen stehen, aus welchen Gründen auch immer. Da
das also fehlt, werden wir in die Divina Commedia diese Verse einfügen,
dies scheint sachlich geboten.
Links neben Beatrice stand, in Öl getränkt die samtene Haut
Und schwarzen
Augen deren Feuer ungezähmt von seinen Wimpern
nicht wie ein Mann doch wie ein Engel zart, umwallt von süßen Locken
der, den sie bewundern, wenn sein Rosenmund die Perlenschnur
Enthüllt,
ein Leuchten schimmernd, als ob der Mond erwacht
er gab mit seiner zarten Hand ein Winken, so wie wenn er den Weg uns wiese
Das könnte man jetzt natürlich ausbauen, aber dann wollen die Mädels
vielleicht ja doch nur in die Kiste mit ihm, dann wird das auch nix mit dem
Paradies. Sinnvoll wäre überhaupt ein Umstellen des Personals. Also
für Romantik sind ja auch bei Dante immer Frauen zuständig, die Denker
sind ja alles gesetzte ältere Herren mit Bart. Das ist aber ganz offensichtlich
falsch. Wenn ich so an meine Lateinlehrerin denke, dann kann ich nur sagen,
verglichen mit der, sind die älteren Herren, die da vor dem Wagen herschreiten,
geradezu Don Giovanni und Julio Iglesias in Personalunion, verglichen mit ihr
war lateinische Grammatik der reinste Porno. Das Problem oben haben wir aber
noch nicht vollständig gelöst. Im Moment haben wir ja nur einen Typ
neben Beatrice platziert, ein Sensibelchen, einen Romantiker. Viele Frauen wollen
aber auch einen richtigen Kerl, an dem auch was dran ist (hab ich mir sagen
lassen, huh). Damit die Sache komplett ist, muss also so ein Typ auch noch im
Angebot sein, wir machen das ja nicht wie Dante, der über das konkrete
Aussehen von Beatrice im Grunde kein Wort verliert, also sich jeder was vorstellen
muss (womit die Typen doch immer überfordert sind, das hätte der Dante
doch wissen müssen). Also rechts von Beatrice steht dann der.
Rechts neben ihr, sein Körper dem Achilleus gleich
Mit Armen, die schon
den Agammenon zierten
von ihrem Lichte so bestrahlt, das seine Muskeln Schatten warfen
stand er, als ob gerade hergesendet
Aus siegreicher Schlacht, ganz wie wenn
vor kurzem erst
Das Schwert er im Triumph gen Himmel streckte
Dann hätte wir beide Typen, also so einen süßen Engel und einen
richtigen Kerl, an dem auch was zum Anfassen ist. Das ist übrigens nicht
Dantes Fehler , dass er zwei Bengels da vergessen hat, nach 600 Jahren braucht
alles mal ein Update. Das Update für Männer machen wir dann noch.
Ich dachte da so an Julia Roberts, Juliette Binoche und für die anderen
halt Pamela Andersen, die ist auch so ganz nett.
Und ringsum schloss sie ab wie ein Spalier
Versunkenheit - und ach! die alten Schlingen
Des heiligen Lächelns streckten sich nach mir
So ungefähr. Das Problem ist, dass Zoozmann die erste Terzine umgestellt
hat, dann kann er es drehen wie er will, die zweite passt dann nicht mehr.
Tant'eran li occhi miei fissi e attenti
a disbramarsi la decenne sete,
che li altri sensi m'eran tutti spenti.
Ed essi quinci e quindi avien parete
di non caler - così lo santo riso
a sé traéli con l'antica rete! -;
So fixiert waren meine Augen und so darauf
bedacht zu sättigen den Hunger aus Zehn Jahren
dass alle anderen Sinne mir geschwunden
wie von einem Vorhang waren sie umhüllt,
der nicht viel – so zog mich an das heilige
Lachen mit dem wohl bekannten Netz
Er war also von dem Lächeln so hin und weg, dass die Welt verschwand, so
was kann schon passieren, dass einen ein Lächeln weghaut. Was allerdings
das alte Netz ist, das wüssten wir dann schon gerne, aber genau das wird
uns Dante aus systematischen Gründen nie verraten.
Bis mit Gewalt das Haupt zurückzubringen
Den Götterfrauen gelang an meiner Linken
Denn „Mass gehalten!“ hört ich mahnend klingen
Die Götterfrauen (im Original quelle dee) sind die drei Frauen,
die für die drei theologischen Tugenden Liebe, Glaube, Hoffnung stehen.
Sollen wir Dante tatsächlich zutrauen, dass er die Problematik seines Konstruktes
- Liebe zu Beatrice führt zur göttlichen Liebe - tatsächlich durchschaut
hat? Können wir die Verse so interpretieren, dass er beim Anblick von Beatrice
wieder die Liebe empfand, die er empfand, als er die „Vita Nuova“ schrieb?
Ist das der Grund, warum die Götterfrauen ihn bremsen?
Was Dante übrigens den Rest geben würde, sind die Möglichkeiten
der modernen Computeranimation. Selbst wunderhübsche Frauen können
lediglich das Produkt von C++ sein.
youtube
Das würde ihm den Schock für‘ s Leben versetzen, Beatrice als C++ Algorithmus. Zugegebenermaßen gibt das auch dem Autor zu denken. Also man stellt dann ein paar Parameter anders ein und schwups wird aus Beatrice ein Glingonen Zombie Monster. Das kann einem aber auch in der Realität passieren. Also man stelle sich das mal vor. Da sieht man eine wunderhübsche Frau, und dann macht die den Mund auf und schwups ist es eine Beamtin im gehobenen nichttechnischen Dienst. Also dann lieber irgendein lustiges Mädel, das im Leben steht, das irgendwas Vernünftiges macht und tatsächlich arbeitet, Kellnerin, Fahrradkurier, Taxifahrerin, Backwarenverkäuferin oder von mir aus auch Zahnärztin oder Informatikerin oder so was. Lieber mit denen in der Hölle als mit Beatrice im Himmel. Kennen Sie übrigens die Geschichte von E.T.A. Hoffmann von dem Typen, der sich in eine Holzputte verliebt, der Sandmann. Das ist auch so ein Ding. Der projiziert da alles mögliche in diese Frau, aber es ist eine Holzpuppe. Huh. Das ist tiefsinnig. Also Jungs, rebus sic stantibus geb ich euch jetzt mal einen Rat. Ab und an mal das Hirn einschalten, Beatrice hin Beatrice her. Der Grundirrtum von Dante wird übrigens oft reflektiert in der Literatur, auch bei Gustavo Adolfo Bécquer, El rayo de luna, das ist hier: . Da verliebt sich jemand in einen Mondstrahl und sucht den sein ganzes Leben lang, bis ihm dann alle Lichter ausgehen und er in der Klapse landet.
Doch als dem Blick ward mattrer Glanz gespendet,
(Ich sage matter: im Vergleiche zum Lichte,
Von dem ich mich gewaltsam abgewendet)
So ungefähr.
Ma poi ch‘ al poco il viso riformossi
(e dico `al poco' per rispetto al molto
sensibile onde a forza mi rimossi),
Doch als die Augen wieder Kraft gewannen
(um das zu schauen
was im Vergleich zu dieser Pracht gering erschien)
Dante reißt also seine Augen weg vom Antlitz seiner Beatrice, die jetzt
offensichtlich im Himmel zuständig ist für Organisation und Planung
und richtet sie wieder auf den Wagen, der irgendwie all das vertritt, was irgendwie
die Kirche ausmacht. Dieser Wagen leuchtet aber weniger, die Pracht ist also
im Vergleich zur Pracht Beatrices gering.
Sah ich, dass sich rechtsschwenkend rückwärts
richte
Das ruhmgekrönte Heer, der Sonne Strahl
Und den Septentrio im Angesichte
So ähnlich, aber nicht wirklich.
vidi 'n sul braccio destro esser rivolto
lo glorioso essercito, e tornarsi
col sole e con le sette fiamme al volto.
ich sah nach rechts sich wenden
den Zug des Ruhms, das Gesicht bestrahlt
von der Sonne und den sieben Flammen
Manchmal ist der Dante ja ein echter Komiker. Was sollen wir mit einer Angabe,
dass sich der Zug nach rechts bewegt eigentlich anfangen? Wenn ich Ihnen jetzt
mitteile, dass die Cola Dose rechts vom Autor steht, steht sie dann im Westen,
Süden, Osten oder Norden? Rechts ist zwar da, wo der Daumen links ist,
aber das ist relativ, ohne dass ein Bezugspunkt genannt wird, hätte er
uns auch erzählen können, dass sich der Zug Richtung Wirtshaus wendet,
wo sich die Heiligen dann vollaufen lassen oder so ähnlich, irgendwann
müssen die ja auch mal ihren Spaß haben.
So schob die himmlische Miliz desgleichen
Die Tete voran, eh sich die Deichsel legte
Und eh sich drehten eines Rades Speichen.
Die Frauen rechts und links: also bewegte
Der Greis anbetungswert den heiligen Wagen,
Dass ihm kein Federlein dabei sich regte.
Auch nicht wirklich.
quella milizia del celeste regno
che procedeva, tutta trapassone
pria che piegasse il carro il primo legno.
dieses Heer des himmlischen Reiches
welches voran schritt, schwenkte ein
noch bevor die Deichsel des ersten Wagens drehte
Also vor dem Wagen gehen ja immer noch die 24 Greise, die alle Bücher des
Alten Testamentes darstellen und die biegen zuerst rechts ab, und dann folgt
der Wagen. Was uns Dante damit aber sagen will, ist völlig unklar. Wenn
ein Zug, ein Karnevalszug oder was auch immer, durch eine Straße läuft
und diese einen Bogen macht, dann müssen zwangsläufig die Leute, die
vor dem Wagen tanzen, vor dem Wagen selbst abbiegen. Wir fragen ganz ernsthaft,
welche Alternativen noch zur Verfügung stehen. Natürlich kann jeder
in irgendeine Richtung latschen, aber dann ist es kein Zug mehr. Im Grunde ist
das aber eine Bereicherung für den Alltag, die Polizeimeldungen sind ja
immer etwas dröge: Auf der A8 zwischen Flensburg und Bremen 12 km Stau.
Umfahren Sie diesen Bereich weiträumig. Das ist blöd. Besser wäre
so.
Weil unsanft gezügelt die Kraft des ersten Wagens
der donnergleich entgegenrollt den Winden kalt aus Nordsees Brisen
steht auch die Kraft die diesem folgte, und alle Kräfte fanden sich gezügelt
So meide denn das Zwischenreich, aus Sündenregister und Kaffebohnen
lenke deinen Wagen unerschrocken
auf neuen Pfaden, Neues zu entdecken
Das wäre eindeutig überlegen. Das Problem besteht darin, dass es die
Beamten auf jeden Fall überfordern würde. Der Autor hat ja mal, nachdem
sie zum x-ten Mal dasselbe Formular angefordert hatten, dem Finanzamt diesen
schönen Satz geschrieben.
„Sie kennen doch sicher die Rede von Roman Herzog, in der dieser dazu
aufforderte, Verwaltungsvorgänge zu beschleunigen. Da kann man nur sagen
Viele Säulen beschien die Sonne Doch nur die Säule Memnons
klang“
Irgendwie war den Beamten schon klar, dass das nicht nett gemeint war, das haben
sie mir am Telefon mitgeteilt (Frechheit!). Allerdings war denen unklar, was
Memnons Säulen sind. Die Säulen Memnons sind aber im Vergleich zu
den Ostereiern Dantes ein relativ leicht findbares Ei. Die Erfahrung des Autors
mit Beamten lässt ihn also vermuten, dass die himmlische Beatrice, die
ja jetzt sozusagen Beamtin im Himmel ist, auf Lebenszeit mit gesichertem Einkommen
und ohne Stress, das Werk ihres Schützlings nicht verstehen würde.
Die Frauen rechts und links: Also bewegte
Der Greif anbetungswert den heiligen Wagen
Dass ihm kein Federlein dabei sich regte
So ungefähr.
Indi a le rote si tornar le donne,
e 'l grifon mosse il benedetto carco
sì che però nulla penna crollonne.
La bella donna che mi trasse al varco
e Stazio e io seguitavam la rota
che fé l'orbita sua con minore arco.
Die Frauen schritten längs der Räder
und der Greif zog den geweihten Wagen
ohne dass jedoch eine Feder sich dabei bewegte
Die schöne Frau, die durch den Fluss mich hat gezogen
Statius und ich wir folgtem jenem Rade
das nur für die Drehung nur einen kleineren Kreis benötigt
Das ist was für die Scharfsinnigen unter uns. Also die Karre ist nach rechts
gebogen, folglich war das die Innenseite und folglich ging Dante rechts. Diese
Information ist bares Geld wert. Bei der nächsten Sendung von „Wer
hat einen an der Waffel“ von Günther Dingsbums wird das die 1 Million
Euro Frage: „Auf welcher Seite ging Dante, als der Wagen nach rechts abbog?“
Etwas Entschweidendes erfahren wir aber trotzdem. Der Statius ist immer noch
da, der hat ja das heilige Sakramente der Taufe erschwindelt, hat Gott also
glatt auf‘ s Kreuz gelegt und kommt auch ins Paradies, obwohl er bei Vergil
im ersten Kreis der Hölle bei den ganzen Dichtern und Denkern glücklicher
wäre. Da könnte er auch ein bisschen Schweinkram dichten, hä,
hä, so wie Ovid, das kann er im Paradies nicht mehr, da geht‘ s zu
wie in der Jugendherberge, Kiddies nach Geschlecht getrennt und um 10 Uhr Nachtruhe.
Durch einen Forst – der bitter litt
Durch jene, die vom Wurm sich ließ besiegen-
Und Engelshymnen regelten den Tritt
Gemeint ist der Wald, der öde ist, seit Eva (jene) sich von der Schlange
hat überreden lassen, vom Baum der Erkenntnis zu essen und während
sie durch den Wald schritten, erklangen Engelhymnen, welche genau sind nicht
bekannt, wir vermuten es war sowas in der Art.
Im Frühtau zu Berge, wir ziehn fallera
Vergleicht man Eva mit Beatrice, sieht man sofort ein, dass dieser Spruch richtig
ist.
Liebe Mädchen kommen in den Himmel
Böse Mädchen kommen überall hin
Jetzt kommt wieder eine genau geographische Angabe. Da wir ja über die
Georgraphie des Paradieses bereits perfekt informiert sind, (google maps verlegt
übrigens das Paradiso in die Schweiz. Paradiso liegt im Kanton Tessin,
in der Nähe von Lugano.) sind diese Details für uns sehr wertvoll.
Und als so weit, wie dreimal mag durchfliegen
Den Raum ein schneller Pfeil, der Wagen fuhr
Sah ich, dass Beatrice ihm entstiegen
Yo. Das wollen sie jetzt wissen, wie weit ein Pfeil flog, abgefeuert von einem
Durchschnittschützen auf einem Durchschnittsbogen im Mittelalter. Und Sie
meinen das findet man nicht raus? Aber hallo. Kurz gegoogelt und jetzt weiß
ich, dass ein Pfeil auf einem handelsüblichen Sportbogen etwa 150 m fliegt.
Da nehmen wir jetzt ein paar Meter weg, weil die ja nicht so kräftig waren
wie wir, und in blindem Vertrauen darauf, dass es hier einen technischen Fortschritt
gab, nehmen wir mal 120 m, das ergibt dann, dass Dante 360 m gelaufen ist. Ja,
ich weiß, Sie wollen das ganz genau wissen, deswegen erzähl ich Ihnen
das ja alles. Sie können jetzt auch noch berechnen, wie lange die neben
der Karre hergelaufen sind. Wenn Sie in der Stunde 5 km laufen, waren sie 4,32
Minuten unterwegs. Das ist nicht gerade viel, das ist sozusagen nichts.
Da seufzten alle „Adam“ – leise nur
Indem sie einen Riesenbaum umstanden
Der wies von Blatt und Blüte keine Spur
Also das mit dem Adam ist klar, das war der statistisch sehr seltene Fall, dass
eine Frau einen Mann anbaggert, das war für Adam so überraschend,
dass er darauf natürlich einging und den Apfel gefressen hat. Darauf haben
sie erkannt, dass sie nackt sind, das war so im wesentlichen die Erkenntnis,
die das Verspeisen des Apfels zeitigte, und weil sie das erkannt hatten, also
dass sie nackt sind, hat Gott sie aus dem Paradies geworfen. Das ist alles in
allem ein höchst plausibler Plott und ein gewaltiges Malheur, das kann
man dann schon in trauriger Erinnerung an dieses einschneidende Ereignis Adam
seufzen, das sehen wir vollkommen ein.
Gesträubten Haares stand er – und es fanden
Sich aufwärts immer breiter Zweig und Ast
Fremd wär solch Gigant selbst in Indiens Landen!
So ähnlich.
La coma sua, che tanto si dilata
più quanto più è sù, for a da l’ Indi
ne' boschi lor per altezza ammirata.
Sein Wipfel, dessen Umfang zunahm
je mehr an Höhe er gewannt, erregte selbst in Indiens
Wäldern, bekannt für ihre großen Bäume, noch Erstaunen
Also der Baum der Erkenntnis war erstens falschrum angeordnet, die großen
Äste waren oben und die kleinen unten und zweitens war er hoch. Was das
zu bedeuten hat? Na ist doch klar, dass Dante den Trick mit der Photosynthese
noch nicht kannte. Bei seiner Konstruktion stünden nämlich die unteren
Äste im Schatten und würden absterben. Nein, nein, nur ein Scherz.
Er will uns damit sagen, dass jetzt die Leute nicht mehr vom Baum der Erkenntnis
essen können, weil die Früchte ja ganz oben wachsen. Da hat also der
Herrgott sozusagen eine verkehrsberuhigendes Hindernis eingebaut, das macht
man so in Verwaltung, wenn man nichts zu tun hat, baut man irgendwo Hindernisse
auf.
„Selig, o Greif, dass du beraubt nicht hast
Den Baum der Früchte, die Geschmack verleihen
Indes den Bauch ein Grimmen fasst!“
Na ja, so ähnlich.
«Beato se', grifon, che non discindi
col becco d'esto legno dolce al gusto,
poscia che mal si torce il ventre quindi».
Gepriesen seist du Greif, der du nicht kostest
mit dem Schnabel von diesen süßen Früchten
da durch der Magen durch diese wird verdorben
Also der Greif steht jetzt vor dem Baum der Erkenntnis und frisst nicht von
dessen Früchten. Wenn der Autor richtig informiert ist, fressen Vögel
aber ohnehin nie Früchte und dieser sowieso nicht, denn der hat den Unterkörper
eines Löwen und die wollen was Herzhaftes zwischen die Beißer. Weiter
steht der Greif für den himmlischen Teil von Jesus Christus, das wäre
also ziemlich würdelos, wenn der jetzt auf einmal anfingeÄpfel zu
mampfen. Inhaltlich gesehen ist das also totaler Mumpitz, aber bei Dante ist
das alles ganz bedeutungsschwer und diese Symbolik müssen wir jetzt verstehen,
denn das erleuchtet uns wie Sau. Das geht also so: Der Greif ist ja Jesus und
der sagt, (dramatischer: Und es ward geschrieben): Da ging Pilatus wieder hinein
ins Richthaus und rief Jesus und sprach zu ihm: Bist du der Juden König?
Jesus antwortete: Redest du das von dir selbst, oder haben's dir andere von
mir gesagt? Pilatus antwortete: Bin ich ein Jude? Dein Volk und die Hohenpriester
haben dich mir überantwortet. Was hast du getan? Jesus antwortete (Johannes
18): Mein Reich ist nicht von dieser Welt. Wäre mein Reich von dieser Welt,
meine Diener würden kämpfen, daß ich den Juden nicht überantwortet
würde; aber nun ist mein Reich nicht von dannen.
Aus irgendwelchen Gründen steht jetzt also der erkenntnisschwangere Apfelbaum
für das irdische Reich und von diesem isst Jesus nicht. Diese Information
hätte sie bei einer 0190 Nummer glatt 2,50 Euro gekostet, sie sehen also,
bei Dante gibt es echt die knallharten Infos zu Aldi Preisen.
So klang es um den Baum gescharrt in Reihen
„Wird so verwahrt“, rief jetzt das Doppeltier,
Der Same jedes Rechts: Er muss gedeihen“
Das ist jetzt ganz verquast ausgedrückt, aber sagen will er, dass der Papst
für den Himmel zuständig ist, der Kaiser für das Weltliche und
solange, dies der Fall ist, also der Papst sich nicht in weltliche Dinge mischt
sondern sich nur um das Seelenheil kümmert, ist alles gut. Klingeling:
Wieder 2,50 gespart. (Wie jetzt, die Infos sind Ihnen keine 2,50 Euro wert.
Na Sie schick ich doch glatt in den dritten Kreis der Hölle.)
Die Deichsel zog der Greif zum Baum – und hier
Band er sie fest an dem verwaisten Stamme,
Draus sie geschnitzt: Gab neue Heimat ihr!
Klingeling: 2,50 Euro. Sie verstehen jetzt natürlich nur Bahnhof, und ohne
die 0190 Nummer kommen Sie keinen Millimeter weiter, stimmt‘ s? Aber Dante
hat ein Herz groß wie der Ozean, obwohl Sie ziemlich undankbar sind, dürfen
Sie weiterhin an seinen Lippen hängen, die Weisheit saugen. Auf Italienisch
geht das so.
E vòlto al temo ch'elli avea tirato,
trasselo al piè de la vedova frasca,
e quel di lei a lei lasciò legato.
Und die Deichsel, die er gezogen
band er fest an der belaubten Witwe
und so waren sie erneut verbunden
Also die belaubte Witwe ist der Baum (siehe oben: Der wies von Blatt und Blüte
keine Spur). Witwe weil sie eben keine Blätter hat. Dieser Apfelbaum alias
Baum der Erkenntnis steht ja für das irdische Jammertal und da dockt jetzt
die Kirche an, dann ist das irdische Jammertal wieder mit der Kirche verbunden.
Ja, ja, ja. Ich weiß schon was Sie denken. Das ist ja wie bei der Hotline
hier, teuer und nur schwachsinnige Antworten. Sie können das auch positiv
sehen, das Niveau der Telekom hatte Dante schon vor 600 Jahren, das ist ja schon
mal was. Also weil der Greif die Kirche an den Apfelbaum hängt, ist jetzt
weltliche Macht und geistliche Macht verbunden, also symbolisch, irgendwie.
Das grundlegende Problem ist also immer das gleiche. Wir sind zwar alle mit
dem berühmten „Was will uns der Dichter mit seinem Werk sagen“
vertraut, aber es sind zwei Fälle zu unterscheiden. Hätte der Dichter,
das, was er uns sagen will, auch in einem schlichten Aussagesatz mitteilen können,
bzw. in einer theoretischen, didaktisch geschickt aufbereiteten Abhandlung,
dann hätte er das besser so gemacht, denn das ist die hohe Kunst, komplizierte
Zusammenhänge plastisch, anschaulich und einfach erklären. Einfach
Zusammenhänge zu verkomplizieren, indem man eine paar Ostereier versteckt,
kann jeder Trottel. Die zweite Dimension des oben zitierten und berühmten
Satzes zielt in eine ganz andere Dimension. Bedauerlicherweise ist es die erste
Dimension, die jedes Jahr Tausende und Abertausende von Schülern, Studenten,
Professoren beschäftigt. Die Ostereiersuche führt aber nicht zu einem
Verständnis von Dichtung. Diese zweite Dimension zielt auf das Nichtidentische,
auf das, was sich nicht sagen lässt. Die Tatsache, dass sich alle möglichen
Dante Gesellschaften, Professoren etc. mit Ostereiersuche beschäftigen,
lässt tief blicken. Diese zweite Dimension scheint diesem Professorengesocks
gar nicht bekannt zu sein. Für die zweite Dimension braucht man Persönlichkeit,
Authentizität, Erfahrungsfähigkeit, Eigenschaften, die man nicht erhält,
wenn der Ehrgeiz allein darauf gerichtet war, den Namen zu verlängern,
Literatur also lediglich eine Ware ist, mit der etwas anderes erkauft wird.
Banal ist das nicht. Wer andere Leute für Literatur begeistern will, muss
mehr sein als ein Ostereiersucher. Die Bedeutung Dantes dürfte auch darauf
zurückzuführen sein, dass er die Ostereiersucher dieser Welt magisch
anzieht, was ihn wiederum innerhalb des universitären Systems zum Kanon
werden lässt.
Wie unsere Bäume – wenn die Sonnenflamme
Das Licht dem anderen mischt, das sich ergossen
Im Bild der Fische – ihre wundersame
Verjüngskraft bewähren, blühn und sprossen,
Sich färben bis ins kleinste Blätterteilchen,
Eh Sol dem Stier einholt mit seinen Rossen
So blühte auf der Baum nach einem Weilchen,
Der saftlos schien und tot: Die Rose lieh
Ihr Rot ihm, dann sein kräftig Blau das Veilchen
Also das ist jetzt so verwurschelt, dass wir das einfach mal eindeutschen. Sagen
will er schlussendlich, dass im April die Bäume wieder grün werden
und so wie die Bäume eben im April grün werden, wird auch der Apfelbaum
des irdischen Jammetales grün. Wie man da drauf kommt? Also: Er spricht
vom Tierkreiszeichen der Fische (Wenn also die Sonne in den Fischen steht).
Das ist der Zeitraum vom 18./19. Februar–20./21. März. Er meint aber
das Tierkreiszeichen, das danach kommt („…mit dem anderen mischt…“,
schief übersetzt, jetzt aber egal). Das nächste Tierkreiszeichen ist
also der Widder und das ist der Zeitraum vom 20./21. März–19./20.
April. Werden Sie jetzt mal nicht kleinlich, das in Deutschland im März
noch nicht allzuviel blüht, ist dem Autor auch klar, aber hier geht es
um bella Italia, das Land wo im grünen Laub die Goldorangen blühn,
mi faccio capire, eh?! Danach kommt dann der Stier (Eh Sol dem Stier einholt
mit seinen Rossen). Das ist der Zeitraum vom 19./20. April–20./21. Mai.
Ich weiß, dass ihr Gemüt erschüttert ist von den Versen oben,
ihr Busen jugendlich erschüttert ist, die Erinnerungen an den Frühling
bei Ihnen wachgerufen hätte, man diese Erschütterung mit einem schlichten
„Der Baum wurde wieder grün, so wie halt Bäume im Frühling
grün werden“ diese Ergriffenheit nie in Ihnen hervorgerufen hätte.
So blühte auf der Baum nach einem Weilchen,
Der saftlos schien und tot: die Rose lieh
Ihr Rot ihm, dann sein kräftig Blau das Veilchen
Wir, die gewitzten Ostereiersucher, vermuten hier natürlich irgendein verstecktes
Osterei. Wahrscheinlich rot wie Liebe und das Veilchen stiftet die Reinheit.
Aber ein rot / blauer Apfelbaum, das hat auf jeden Fall mal was.
Verständlich war sie nicht, auch hab ich nie
Vorher gehört die Hymne, die sie sangen,
Und ich entschlief vorm Schluss der Melodie.
Also ich geh mal davon aus, dass in der Hymne die da geträllert wurde ein
paar Ostereier versteckt waren und Dante nur die Ostereier findet, die er selber
versteck hat. Soll er mal welche suchen, die andere versteckt haben, dann wird
er müde.
Könnt ich beschreiben, wie den Argus zwangen,
Den mitleidlosen, in des Schlafes Bann
Der Syrinx Töne, die bezaubernd klangen
Ne, auch nicht wirklich.
S'io potessi ritrar come assonnaro
Li occhi spietati udendo di Siringa,
li occhi a cui pur vegghiar costò sì caro;
Oh hätt ich nur die Kraft zu schildern
wie die erbarmungslosen Augen sich schlossen als er von Syrinx sang
die Augen, die ihr Wachen so teuer bezahlten
Also der Plott der dahinter steht, ist der: Zeus hatte mal wieder ein Techtelmechtel,
in diesem Fall mit Io, Tochter irgendeines Flussgottes. Also dem Zeus, dem hätte
man nicht Beatrice kommen können, soviel steht schon mal fest. Das setzt
jetzt das in Gang, was wir schon kennen. Hera, seine Schwestergattin ist natürlich
sauer, was wir wiederum komisch finden. In Anbetracht der Tatsache, dass Götter
ewig leben, ist doch klar, dass jede Götterehe mal in die Brüche geht,
was erwartet denn die Trulla. Also in ihrem gekränkten Selbstwertgefühl
verwandelt sie Io in eine Kuh und lässt diese von Argus, einem Ungeheuer
mit 100 Augen, die in alle Richtungen schauten, bewachen. Darauf hin schickt
Zeus seinen Sohn Hermes los, um das Viech einzuschläfern. Der tut das,
indem ein Lied singt, dass von der Syrinx handelt. Das ist eine andere Nymphe.
In die hat sich Pan verguckt, mit dem will sie natürlich nichts zu tun
haben, der hat ja Beine eines Bockes. Also flieht sie und wird von ihren Mitnymphen
in ein Schilfrohr verwandelt, auf dem Pan dann spielt. Dabei schläft Argus
dann ein und Hermes haut ihm die Rübe ab. Io ist also frei. Zeus treibt
es dann übrigens anschließend mit der in eine Kuh verwandelten Io,
als Stier. Also wählerisch war er nicht, soviel steht fest.
Wie ich hier einschlief, leicht beschrieb ich‘ s
dann,
Indem ich‘ s wie ein Musterzeichner machte
Doch wie der Schlaf kommt, male er da kann
Wenn er also beschreiben könnte, wie den Argus der Schlaf übermächtigte,
dann könnte er auch beschreiben, wie ihn der Schlaf überwältigte.
Das ist natürlich grenzwertig. Wenn ich mein Auto zur Werkstatt bringe
und dort sagen die mir, dass sie meinen Golf reparieren könnten, wenn
sie den Opel Corsa reparieren könnten, dann würde ich mich schon
ziemlich verarscht fühlen. Erstaunlich ist übrigens, dass Dante nicht
beschreiben kann, wie man einschläft. Er kann zwar beschreiben wie der
menschliche Samen vom Ding, das nicht näher bezeichnet wird zum Blut der
Frau tropft, aber nicht wieso man einschläft, was ja eigentlich viel trivialer
ist. Wahrscheinlich steht dazu aber nix bei Thomas von Aquin.
Drum sag ich lieber, wie ich jäh erwachte,
Wir mir ein Glanz durchriss das Band des Traumes
Und mich der Ruf „Steh auf!“ ins Leben brachte
Das ist ein bisschen frei übersetzt.
Però trascorro a quando mi svegliai,
e dico ch'un splendor mi squarciò 'l velo
del sonno e un chiamar: «Surgi: che fai?».
Aber ich erzählte wie ich erwachte,
berichte von dem Glanz, der mir zerriss
das Band des Traumes und es rief: „Steh auf: Was tust du?“
Entscheidens ist das „…ins Leben brachte“. Das wäre
schon deutlich mehr. Auf jeden Fall erzählt er, weil er nicht erzählen
kann, warum er eingeschlafen ist, wie er aufgewacht ist. Nun gut.
Wie – um das Blühn zu sehn des Apfelbaumes,
Den Engeln spendet heißersehnte Speise
Zum Brautmahl in der Pracht des Sternenraumes
Nach Jakobs, Petri und Johannis Weise,
Die wieder auferwachten nach dem Wort
Das wohl noch tiefern Schlaf reißt aus dem Gleise
Und vor sich sahn erstaunt am selben Ort
Den Heiland im veränderten Gewande
Doch Moses und Elias waren fort
So stand ich da, zerriss des Schlummers Bande
Und sah auf mich geneigt die Führerin
Die bachhinüber mich gebracht zum Strande
Also das ist jetzt reichlich verquer übersetzt, aber eine korrektere Übersetzung
würde auch nicht viel helfen, denn es ist alles etwas an den Haaren herbeigezogen.
Zusammengefasst ist es so. Die Engel verlangen nach dem christlichen Glauben,
denn Jesus ist ein Apfel (kommt gleich). Und so wie die Engel nach dem fruchtigen
Jesus verlangen, so verlangen Jakob, Petrus und Johannes (kommt gleich) nach
dem Wort Gottes. Das ist die eine Sache. Die andere Sache ist, dass diese drei
auf dem Berg Tabor eingeschlafen sind und wieder aufwachten (kommt gleich).
Bei Erwachen sahen sie dann Jesus. Und so wie die Drei beim Erwachen Jesus schauten,
so erblickte er eben Beatrice. Gehen wir alles nochmal durch, zeigen aber vorher
die Übersetzung derselben Stelle von Gmelin.
Wie einst zum Anblick jener Apfelblüten
Nach deren Früchten selbst die Engel hungern
Und die ein ewiges Fest im Himmel geben
Jakobus, Petrus und Johannes kamen
Und überwältigt bei dem Wort erwachten
Das schon aus tieferem Schlaf erwecken konnte
Und ihr Gefolge so vermindert sahen
Um Moses ebenso wie um Elias
Und sahen ihres Meisters Kleid verwandelt
So wacht ich auf und sah, wie jene Fromme
Dort bei mir stand, die mir auf meinem Wege
Die Führerin gewesen längs des Flusses
Das Problem ist, dass dies aus zwei Bibelstellen zusammengestückelt ist,
die obendrein noch schlecht passen. Das mit den Apfelblüten stammt aus
dem Hohelied (Hohelied Kapitel 2):
Ich bin eine Blume zu Saron und eine Rose im Tal. Wie eine Rose unter den Dornen, so ist meine Freundin unter den Töchtern. Wie ein Apfelbaum unter den wilden Bäumen, so ist mein Freund unter den Söhnen. Ich sitze unter dem Schatten, des ich begehre, und seine Frucht ist meiner Kehle süß. Er führt mich in den Weinkeller, und die Liebe ist sein Panier über mir. Er erquickt mich mit Blumen und labt mich mit Äpfeln; denn ich bin krank vor Liebe.
Die Sache ist natürlich im Prinzip eindeutig, es ist eine erotische Schilderung einer Frau zu einem Mann, bzw. unter Umständen hat da halt irgendein Typ seine Phantasien zusammengedichtet. Da dies aber nun mal nicht sein kann, wurde aus dem Apfelbaum (der ihr Freud ist) Jesus. Von den Engeln steht da nix, aber wir gehen mal davon aus, dass auch die Engel nach den Früchten diese messianischen Apfelbaumes lechzen.
Die andere Geschichte ist die „Verklärung Jesu“ auf dem
Berg Tabor (heutiges Israel, im Norden). Diese wiederum wird dreimal erzählt,
Matthäus 17, Markus 9, Lukas 9. Zu dem was Dante schreibt passt am besten
die Version von Lukas, wenn auch nicht 100 prozentig. Lukas 9:
Die Verklärung Jesu
Und da er betete, ward die Gestalt seines Angesichts anders, und sein Kleid ward weiß und glänzte. Und siehe, zwei Männer redeten mit ihm, welche waren Mose und Elia; die erschienen in Klarheit und redeten von dem Ausgang, welchen er sollte erfüllen zu Jerusalem. Petrus aber, und die mit ihm waren, waren voll Schlafs. Da sie aber aufwachten, sahen sie seine Klarheit und die zwei Männer bei ihm stehen.Und es begab sich, da die von ihm wichen, sprach Petrus zu Jesu: Meister, hier ist gut sein. Lasset uns drei Hütten machen: dir eine, Mose eine und Elia eine. Und er wußte nicht, was er redete.Da er aber solches redete, kam eine Wolke und überschattete sie; und sie erschraken, da sie die Wolke überzog. Und es fiel eine Stimme aus der Wolke, die sprach: Dieser ist mein lieber Sohn; den sollt ihr hören! Und indem solche Stimme geschah, fanden sie Jesum allein. Und sie verschwiegen es und verkündigten niemand in jenen Tagen, was sie gesehen hatten.
Also Jakob, Petrus und Johannes sind auf den Berg Tabor gestiegen (das steht so explizit nicht in dieser Variante, dafür aber in der von Matthäus und Markus). Jesus fing an zu betten und die sind eingepennt (Das steht da zwar auch nicht, aber wenn sie erwachen, müssen sie vorher geschlafen haben).
Dass Moses und Elias weg waren, steht in dieser Variante auch nicht, dafür
aber Mätthäus 17,7:
Jesus aber trat zu ihnen, rührte sie an und sprach: Stehet auf und fürchtet
euch nicht! 8 Da
sie aber ihre Augen aufhoben, sahen sie niemand denn Jesum allein.
Um schlicht zu sagen, dass er eingepennt ist und als er wieder aufgewacht ist,
Beatrice über ihm stand, ist der Aufwand natürlich gewaltig. Den Aufwand
hätten wir verstanden, wenn Beatrice dann im Bikini vor ihm gestanden hätte,
da hätte die Verklausulierung Sinn gemacht. Also sowas hätten wir
noch nachvollziehen können.
Nicht ganz so, doch ähnlich prangend
die Lust noch steigernd die durch‘ s Verhüllen
ganz so wie Boticelli sie gemalt
noch ward gesteigert, so sah ich sie
Und die Ahndung ihrer Blöße war
Jesus nicht
Doch tiefere Wonnen
Also irgendwie so was. Aber wir vermuten mal, die war zugeknöpft wie die
Eskimo Frau in den Tiefen Grönlands.
Bang rief ich: „Wo schwand Beatrice hin?“
„Dort ist ihr“, sprach sie, „wo die Wurzeln breitet
Der Baum, den neuen Lau ward zum Gewinn,
In ihrer Nymphen Schar der Sitz bereitet,
Die andern hat schon, unter süßem Sange,
Von tieferem Sinn, der Greis emporgeleitet
Das mit den Nymphen wäre jetzt eine echte Bereicherung, wenn Beatrice schon
nichts Vernünftiges mit Dante anfängt, könnte sie wenigstens
ihre Gespielinnen vernaschen. Ist aber nicht, das ist eine Phantasie von Zoozmann.
Das Original sieht so aus.
E tutto in dubbio dissi: «Ov'è Beatrice?».
Ond'ella: «Vedi lei sotto la fronda
nova sedere in su la sua radice.
Vedi la compagnia che la circonda:
li altri dopo 'l grifon sen vanno suso
con più dolce canzone e più profonda».
Und zweifelnd fragte ich: „Wo ist Beatrice?“
Worauf sie sprach: „Du siehst unter jenem
neuen Laub sie sitzen auf seiner Wurzel.
Du siehst sie in Gesellschaft: Die
Anderen folgen dem Greif nach oben
Uns süßer sind die Melodien die sie begleiten
Also die Gesellschaft, in der sich Beatrice befindet, sind natürlich die
sieben Frauen, die die Tugenden darstellen, die drei theologischen Tugenden
und die vier Kardinaltugenden, also die Anstandswauwaus.
Es hütete allein auf heiligem Land
Den Wagen Beatrice unterm Stamme
Woran das Zwittertier die Deichsel band
So ähnlich.
Sola sedeasi in su la terra vera,
come guardia lasciata lì del plaustro
che legar vidi a la biforma fera.
Allein saß sie auf der kahlen Erde
wie als ob dort gelassen um den Wagen zu bewachen
der vom Greif an den Baum gebunden ward
Es ist davon auszugehen, dass Dante da was ganz Tiefsinniges versteckt hat,
das Problem ist aber, dass sich dieser Tiefsinn niemandem erschließt,
die Interpretationen sind zahlreich. Sie sitzt auf der kahlen Erde, wie die
Päpste sitzen sollten, das heißt ohne Luxus, nur umgeben von den
Anstandswauwaus, also den sieben Tugenden. So soll sie den Wagen bewachen, der
ja die Kirche darstellt.
Und sie umgab gleich einem glühnden Damme
Das Siebenleuchtersternbild; nie vermisst
Sich irdischer Wind, zu löschen seine Flamme
So ähnlich, aber eigentlich gar nicht so.
In cerchio le facean di sé claustro
le sette ninfe, con quei lumi in mano
che non sicuri d'Aquilone e d'Austro.
Wie eine Krone angeordnet um sie herum
die sieben Nymphen, die jene Lichter hielten
Die sicher sind von den Stüren des Ostens und des Westens
Nach einhelliger Meinung aller italienischen Interpreten und aller Übersetzungen
ist Aquilone e d‘ Austro mit Osten und Westen zu übersetzen, leider
klärt niemand, woher diese Begriffe kommen. Beatrice ist also umgeben von
den sieben Anstandswauwaus, die wiederum einen Leuchter tragen, der von keinem
Wind ausgeblasen wird.
Hier bist du Fremdling nur für kurze Frist
Um ewig Bürger dann mit mir zu bleiben
In jenem Reich, drin Christus Römer ist
Das ist auch etwas frei übersetzt, aber das ist jetzt egal. Das mit dem
„drin Christus Römer ist“ ist wohl so zu verstehen, dass es
ein Reich gibt, wo Christus wohnt, das Himmelreich eben.
Blick auf den Wagen! Denn du sollst beschreiben,
Was du jetzt wahrnimmst (aber nichts verhehle)
Zum Heil der Welt, wo sie es böslich treiben
Was jetzt kommt ist eine Schilderung, der Gefahren / Verwahrlosung der Kirche.
Wie das zu bewerten ist, vermag wohl niemand zu sagen. Ist das eine Show, die
immer abgezogen wird, wenn sich irgendjemand dahin verirrt, was ja offensichtlich
selten geschieht, denn Dante scheint der einzige Ankömmling. Das Beatrice
das nun folgende Schauspiel aber offensichtlich kennt, scheint das Programm
schon öfter gelaufen zu sein.
Nie raste je der Blitz mit solcher Schnelle
Herab aus Wolken, wenn sie rauschend gossen
Aus höchster Luft des Regens wilde Wille
Als Jovis Adler kam zum Baum geschossen
Sich in die Rinde, sie zersplitternd, krallte
Und wild zerhackte Blatt und Blütensprossen
Worauf er heftig auf den Wagen prallte
Dass er sich bog, wie im empörten Meer
Ein Fahrzeug schwankend sucht nach seinem Halte
Der Adler Jupiters (Jovis) wird unterschiedlich interpretiert, letztlich kann
aber jeder darin sehen, worauf er Lust hat. Die einen sehen darin das römische
Reich in der Zeit von Nero bis Deokletian, wo die schlimmsten Christenverfolgungen
stattgefunden haben. Die anderen bringen ihn mit Babylon und der Diaspora in
Verbindung. Ich würde sagen, dass der Adler der Ratzinger, Joseph ist,
Künstlername Benedikt XVI, genannt der Untote. Wenn der eine Rede hält
über den Islam, dann stehen wir kurz vor Krieg der Völker.
Drauf schlich ein Füchslein sohlenleis daher,
Sich einzunisten in den Siegeswagen-
Am Fett trug der Verhungerte nicht schwer!
Doch wusste ihn die Herrin zu verjagen
Mit seines Unrechts Vorwurf eiligst wieder
Soweit, als das Geripp ihn mochte tragen
Der Fuchs (volpa) steht für die Häresie. Um was es sich dabei genau
handelt, erfahren wir nicht, die Details scheinen für Dante auch egal zu
sein, da er ja im Besitz des wahren Glaubens ist, können Abweichungen hiervon
nur Ketzerei sein. Es erstaunt, dass es eine kritische Bewertung Dantes nicht
zu geben scheint. Er dürfte wohl einer der Dichter mit der größten
Angriffsfläche sein. Den Fuchs kann Beatrice vertreiben, die ist ja inzwischen
zur Theologin mutiert, im Zweifelsfalle eben auf dem Scheiterhaufen.
Jetzt stieß noch einmal auf den Wagen nieder
Der Adler und als er nach oben kehrte
Blieb ganz bedeckt der Wagen vom Gefieder
Und wie die Seele stöhnt, die gramverzehrte
Klagend vom Himmel eine Stimme sprach:
„Welche böse Last, mein Schifflein, dich beschwert“
Es gibt Interpreten, die diese zwei Terzinen mit der Konstantinischen Schenkung
in Verbindung bringen.Mit der konstantinischen Schenkung übergab Konstantin
I (geb. 272, gest. 285) die Macht an Papst Silvester I, bzw. dessen Nachfolger.
Damit war die weltliche und die geistliche Macht in einer Hand, was für
Dante eine Fehlentwicklung darstellte. Wie man allerdings aus diesen Versen
das herauslesen kann, ist ein Rätsel. Interpretationen sollten noch irgendwie
durch den Text belegbar sein, bzw. der Text sollte eine bestimmte Interpretation
nahelegen, sonst kann man auch im Telefonbuch den kategorischen Imperativ von
Immanuel Kant finden.
Und siehe, zwischen beiden Rädern brach
Die Erde, draus ein Drache kam gekrochen
Der durch den Wagen mit dem Schwanze stach
Und ihn, wie eine Wespe, die gestochen
Zurückbog; taumelnd zog er dann vom Flecke
Mitschleppend, was er vom Gestell zerbrochen
Der Drache wird im Allgemeinen als der Teufel gedeutet, verwiesen wird hierbei
auf die Offenbarung des Johannes Kapitel 12: Und es erschien ein großes
Zeichen im Himmel: ein Weib, mit der Sonne bekleidet, und der Mond unter ihren
Füßen und auf ihrem Haupt eine Krone mit zwölf goldenen Sternen.
Und sie war schwanger und schrie in Kindesnöten und hatte große Qual
zur Geburt.Und es erschien ein anderes Zeichen im Himmel, und siehe, ein großer,
roter Drache, der hatte sieben Häupter und zehn Hörner und auf seinen
Häuptern sieben Kronen; und sein Schwanz zog den dritten Teil der Sterne
des Himmels hinweg und warf sie auf die Erde.
Daraus lässt sich eigentlich nichts ableiten, was diese Deutung stützen
würde. Das ist aber letztlich egal. Irgendein Vieh ist auf die Kirche gestürtzt
und hat sie zertrümmert, wer will kann auch die Hure Babylon darin sehen,
Offenbarung des Johannes Kapitel 12.
Worauf – vielleicht zu gutem, reinen Zwecke-
Des Wagens Rest mit Federn sich bespann,
Wie saftgem Erdreich wächst die Rasendecke
Es ist also wieder Ostereier Zeit. Federn sieht die Federn von dem Adler, mit
dem „zu gutem, reinen Zwecke“ ist gemeint, dass die konstantinische
Schenkung zwar in der Wirkung, aus Sicht Dantes, fatal war, aber eigentlich
gut gemeint. Konstantin wollte die Kirche stärken, tatsächlich bewirkte
aber die Vermengung von Weltlichem und Geistlichem das genau Gegenteil.
Nach dem Angriff des Teufels macht der Wagen eine Verwandlung durch, jetzt kommen
wieder Symbole und theologischer Firlefanz ohne Ende. Wir verzichten darauf,
die Übersetzung im Detail zu prüfen, so mehr oder weniger stimmt es.
Und schneller als vom Mund ein Seufzer rann
Vom Rad zum Deichselbaum des Wagens Breite
Und Länge solch ein Federkleid gewann
Um zu beschreiben, wie schnell der Wagen von den Federn bedeckt wurde, benutzt
er den Vergleich „schneller als vom Mund ein Seufzer rann“ (più
tiene un sospir la bocca aperta). Wie schnell das ist, ist zwar unklar, aber
egal.
Verwandelt stand das Fahrzeug, das geweihte
Da wuchsen Häupter ihm – seltsame Zier!
Drei auf der Deichsel, ein an jeder Seite
Doppelgehörnt die ersten gleich vom Stier,
Eins wuchs den andern vieren auf der Stirne-
Nie fand man solch ein scheußlich Wundertier!
Es wird weitgehend davon ausgegangen, dass es sich bei den sieben Häuptern
um die sie sieben Todsünden handelt, Suberbia (Übermut, Eitelkeit),
Geiz (Habgier, Habsucht), Luxuria (Wollust), Ira (Wut, Rachsucht), Gula (Völlerei,
Maßlosigkeit), Invidia (Neid, Missgunst), Acedia (Faulheit, Feigheit).
Sieben müsse es sein, weil sieben eine magische Zahle ist, sonst würden
einem ja noch eine Menge mehr einfallen. Bei dieser Interpretation müsste
man dann aber noch klären, wieso manche Sünden 1 Horn haben, andere
2. Der öfter schon erwähnte Rudolf Baehr schreibt dazu in Reclam Ausgabe
(Dante Alighieri, Die Göttliche Komödie, Stuttgart, 2001, Seite 477):
Also sieben Köpfe und zehn Hörner (vgl.dazu Inf. XIX). Der Wagen nimmt
also die Form des Tieres aus der Geheimen Offenbarung an (17, 1-18). Die sieben
Köpfe sind die sieben Hauplaster Hochmut, Zorn, Geiz, Neid, Wollust, Trägheit
und Gaumenlust. Da sich die ersten drei Laster gegen Gott und den Nächsten
richten, tragen sie zwei Hörner, die anderen je eines.“
Das klingt zumindest plausibel. Hochmut, Zorn und Geiz richten sich an andere,
diese spüren unmittelbar die Auswirkungen. Man ist ja hochmütig jemandem
gegenüber, zornig auf jemanden und geizig gegen jemanden. Dies drei Sünden
kann man also nicht alleine in seinem stillen Kämmerlein verbringen. Neidisch
kann man auch alleine sein, und wollüstig, träge und verfressen sowieso.
Von daher haben die ersten drei Sünden zwei Hörner, weil sie sich
sowohl gegen Gott wie auch gegen andere richten. Die anderen nur eines, weil
sie sich nur gegen Gott richten.
Und sieh! Gleich einer Burg auf hoher Firne
Thront oben stolz ein Weib! Die Augen wendet
Schamlos nach rechts und links die Dirne
Das könnte wieder eine Referenzierung auf die Offenbarung des Johannes
sein (Offenbarung des Johannes 17): Und ich sah die Frau berauscht vom Blut
der Heiligen und vom Blut der Zeugen Jesu; und ich verwunderte mich sehr, als
ich sie sah. Und der Engel sprach zu mir: Warum verwunderst du dich?
Ich will dir das Geheimnis der Frau sagen und des Tieres, das sie trägt,
das die sieben Köpfe und die zehn Hörner hat.
Also das mit dem Tier und der Frau ist von da, die in der Offenbarung des Johannes
auch ebenfalls verwendeten Hörner und Köpfe bedeuten wohl bei Johannes
was anderes. Die Frau wird dann weiter unten ziemlich eindeutig mit Rom gleichgesetzt
(Offenbarung des Johannes 17, 18):
Und die Frau, die du gesehen hast, ist die große Stadt, die Herrschaft
ausübt über die Könige der Erde.
Allgemeiner ist die Hure Babylon, aber auch die Kirche, irgendwo muss Martin
Luther das ja her haben.
Und gleichsam ihr zu zum Schutz und Schirm entsendet
Seh neben ihr ich einen Riesen stehen
Der sie umbuhlt, die Kuss auf Kuss ihm spendet
Wenn man jetzt die Frau, die auf dem Wagen sitzt, mit der Kirche gleichsetzt,
dann ist der Gigant Phillip der Schöne von Frankreich.
Doch als auf mich sich ihre Augen drehen
Lüstern und dreist, lässt grausam der Gigant
Ihr übern Rücken Geißelhiebe gehen
Worauf er, lösend ihrer Fessel Band,
mit eifersüchtigem Zorn die Schmerzerdrückte
Tief in den Wald trieb, dessen grüne Wand
Die zwei Unholde gnädig mir entrückte
Angespielt wird wohl auf die versuchte Entführung des Papstes Bonifaz
VIII in Agnani, die Verlegung des Sitz des Papstes nach Avignon und auf die
Beziehung zwischen Papstums und Frankreich allgemein, gekennzeichnet von beiden
Seiten durch Lockung und Verführung (z.B. Übereignung von Sizilien
an Karl von Anjou) und brutaler Durchsetzung von Machtinteressen.