So, nun fährt Dante zur Höchstform auf. Was uns noch fehlte über
die Geschichte des mittelalterlichen Europas kommt jetzt. Was schon mal da war,
werden wir wiederholen, denn Dante lesen, ist vor allem eines: Üben, üben,
üben. Man muss das immer wieder wiederholen. Aus welchen Quellen Dante
schöpfte, wissen wir nicht, die Fehler sind zahlreich, eine ausgewogene
Darstellung der Verhältnisse erwarten wir ja schon gar nicht mehr, denn
die scheint Dante auch nicht besonders zu interessieren, also die ausgewogenen
Darstellung; ihm geht es um die Darstellung eines Systems.
Schlecht kämpft der Wille gegen stärkeren Willen
Und mir gefiel es schlecht, ihm zu Gefallen
Den Quell zu fliehn und nicht den Durst zu stillen
Soll heißen, dass er Hadrian jetzt alleine lässt, damit dieser
wieder Buße tun kann. Das italienische Orginal sieht dann so aus.
Contra miglior voler voler mal pugna;
onde contra 'l piacer mio, per piacerli,
trassi de l'acqua non sazia la spugna.
Gegen stärkeren Willen kann der Wille nicht
ringen
so dass ganz gegen mein Begehren, ihm zu Gefallen
ich den Schwamm, der ungesättigt, aus dem Wasser zog
Wie soll man mit einem Text umgehen, der extrem schwer zu übersetzen
ist? Zoozmann übersetzt reimend und versucht, den Rhythmus wiederzugeben.
Das Ergebnis ist dann ein Text, der sich zwar reimt, aber noch schwerer zu verstehen
ist, teilweise sich auch vom Original entfernt.
Wir gingen hart entlang den Felsenhallen
Wo frei der Weg, als wäre dies Gestade
Ein Festungsweg, den Mauern hoch umwallen
Wir haben bereits ein Bild des Läuterungsberges gesehen. Im Aufbau
ähnelt er dem Turm von Babylon, mit dem Unterschied, dass dieser, in den
meisten Zeichnungen zumindest, von einem Vorbau umwunden wird, der sich spiralförmig
nach oben zieht. Der Läuterungsberg ist umgeben von Terrassen, die nicht
miteinander verbunden sind, deswegen müssen Dante und Vergil ja auch immer
die Treppen suchen. Felsenhallen allerdings haben wir gar nicht, und die sind
auch im italienischen Original nicht vorhanden.
Mossimi; e 'l duca mio si mosse per li
luoghi spediti pur lungo la roccia,
come si va per muro stretto a' merli;
Ich bewegte mich, wie auch mein Führer
entlang der freien Fläche entlang des Felses
wie auf engen Mauern, entlang der Zinnen
Das kann man sich irgendwie vorstellen, eine mit Zinnen bewehrte Burg
hatte im Inneren noch einen Fläche, wo man die Zinnen ablaufen konnte.
Der Autor kennt sich da aus, denn er hat lange auf solchen Burgen die Jungfrauen
vor den angreifenden Feinden beschützt. Heute allerdings, seit es auch
Soldatinnen gibt, zieht er es natürlich vor, im Bett zu bleiben und sich
vor welchen Feinden auch immer beschützen zu lassen.
Wir sind ja jetzt auf der fünften Terrasse angelangt, da büßen
die Geizigen. Bei Dante geht Geiz aber irgendwie über in Habgier, wobei
wir ja schon aus der Hölle wissen, dass Geiz und Verschwendungssucht irgendwie
die gleiche Liga sind, denn die Geizigen und die Verschwender sind im selben
Höllenkreis. Richtig volkswirtschaftlich sieht Dante das jetzt im Übrigen
auch nicht, für den neoklassischen Volkswirt ist sparen = investieren.
Wenn niemand spart, kann auch niemand investieren. Wo bei Dante der Geiz aufhört
und das sinnvolle Sparen anfängt, wissen wir nicht. Zwar gehen auch dem
Autor die „sparsamen“ Schwaben etwas auf den Sender, die sind ja
manchmal mehr als sparsam, geradezu knickerig, aber die Grenze zwischen sinnvollem
Sparen einerseits und Geiz / Knickerigkeit andererseits ist wohl fließend.
Aber so genau will Dante das wohl gar nicht wissen.
Verflucht, uralte Wölfin, sollst du werden
Die mehr in ungestillter Freßgier raubt
Als sonst ein Raubtier Schaden bringt den Herden
Mit Wölfin übersetzen alle, allerdings steht das nicht im Orginal.
Maladetta sie tu, antica ,
che più che tutte l'altre bestie hai preda
per la tua fame sanza fine cupa!
Verfluchst seist du, antica
die mehr als jede andere Bestie Nahrung findest
für deinen Hunger ohne Ende
Die Wölfin kennen wir aber schon aus dem ersten Gesang der Hölle,
zusammen mit dem Löwen (Stolz), dem Pardellfuchs (Wollust) steht die Wölfin
für Geiz und Habsucht. Da hier der Geiz gesühnt wird, kann das schon
passen.
O Himmel, dessen Kreislauf, wie man glaubt,
Wandlung bewirkt an allen Erdendingen,
Wann kommt, der niedertritt dein trotzig Haupt?
Die Antwort fällt natürlich aus heutiger Sicht leicht, sie
lautet nie. Es wird noch 600 Jahr dauern, bis sich die Erkenntnis durchsetzt,
dass nur austarierte Gesellschaftssysteme zu einem vernünftigen Ausgleich
kommen können und dass nur Demokratien Systeme schaffen können, die
das Gewinnstreben des Menschen so kanalisieren, dass es der Gesamtheit der Gesellschaft
nützt. Tut es das nämlich nicht mehr, wird sich die Bevölkerung
eine andere Regierung suchen, die andere ordnungspolitische Rahmenbedingungen
schafft. Auf die Ideologie Dantes werden noch viele andere Ideologien folgen,
eine so schrecklich wie die andere. Es dauert nun eine Weile, bis Dante einen
der Büßenden anspricht. Vorher hört er nur, wie sie im Gesang
Beispiele von Uneigenützigkeit preisen.
Der Zufall ließ mich einiges verstehen
„Süße Maria“ – seufzte da ein Wesen
So schmerzlich wie ein Weib in Kindeswehen
Maria ist also das Tugendbild, das die büßenden Habgierigen
sich vor das geistige Auge halten. Sie gebar in einem Stall die heilige Last.
Und endlich noch – „Fabricius, edler Mann,
Dich zog kein goldbetünchtes Lasterleben
Tugend gepaart mit Anmut zog dich an!“
Gemeint ist Gaius Fabricius Luscinus (gest. 275 v. Chr.). Er spielte
eine Rolle im Konflikt zwischen Tarent und Rom. Tarent ist eine Stadt an der
inneren Seite des Stiefelabsatzes von Italien.
Als er der Stadt Thurioi 282 vor Chr. zu Hilfe eilte, als diese sich von den
Lukaniern und Bruttiern, zwei Völkern auf der Halbinsel, bedroht fühlte,
so dass diese wiederum Pyrrhos I zur Hilfe rief, den König von Epirus,
im heutigen Griechenland. Dieser besiegte die Römer zweimal, das zweite
Mal bei Ausculum 279 v. Chr., ein Sieg, der allerdings auch für ihn so
verlustreich war, dass man heute von einem Pyrrhos Sieg spricht. Versuche des
Pyrrhos ihn zu bestechen lehnte er ab, womit er sich den Ruf der Rechtschaffenheit
erwarb.
Er sprach indem noch den Angebinden
Die Nikolaus gemacht den Mägdelein
Dass ihre Ehrbarkeit nicht möge schwinden
Also gemeint ist tatsächlich jener Nikolaus, der den Kindern am
6.Dezember die Schuhe mit Süßigkeiten voll stopft. Geboren wurde
er ungefähr um 280 vor Christus. Er war Bischof in Myra (heute Demre),
in der heutigen Türkei gelegen. Dante bezieht sich auf eine der Legenden,
die sich um Nikolaus ranken. Ein Vater hatte drei Töchter, die er aber
mangels Mitgift nicht verheiraten konnte, weshalb er beschloss, seine Töchter
der Prostitution zuzuführen. Davon hörte Nikolaus und warf an drei
aufeinanderfolgenden Nächten einen Goldklumpen ins Fenster. Mit diesem
Vermögen konnte der Vater dann seine drei Töchter verheiraten.
Die folgenden Verse sind zwar im italienischen Original einfach zu verstehen,
in der Variante Zoozmann allerdings weitgehend sinnfrei.
Vergelten lass mich‘ s dir durch diese Kunde
Kehr ich zur Heimat, will ich dir‘ s gedenken
Vor meines flüchtgen Lebens letzter Stunde
Soll heißen, Dante wird sich, einmal zur Erde zürückgekehrt,
für eine Antwort erkenntlich zeigen. Das italienische Original sieht so
aus.
Non fia sanza mercé la tua parola,
s'io ritorno a compiér lo camin corto
di quella vita ch'al termine vola.
Deine Wort soll nicht mir zum Nutzen reichen
wenn ich zurück bin wieder aufzunehmen, das kurze Stück
von jenem Leben, das hinläuft seinem Ende entgegen
Die Version von Zoozmann weicht jetzt wieder vom Original ab, irgendwie
hat Zoozmann vermutet, es gehe wieder um was Theologisches,
Nicht das Versprechen von irdischen Geschenken
Sprach er, löst mir den Mund, vielmehr die Gnade,
Die Gott sich ließ auf den Lebendgen senken
also dass die Lebenden für die Toten beten können, damit die
schneller aufwärtssteigen. Das italienische Original tönt aber so.
Ed elli: "Io ti dirò, non per conforto
ch'io attenda di là, ma perché tanta
grazia in te luce prima che sie morto."
Und er: „Ich werde es dir sagen, nicht der
Güter
wegen, die von dort zu erwarten, sondern weil soviel
Gnade in dir leuchtet, noch bevor du gestorben.“
Was jetzt kommt ist heftig. Wir erfahren zwar noch nicht, wer es ist,
aber auf jeden Fall beschreibt er sich selber als ganz üblen Burschen.
Ich bin des Giftbaums Wurzel, der die Pfade
Des Christentums beschattet weit und breit,
Dass ihm erwächst statt guter Frucht nur Schade
Wer es dann ist, erfahren wir zwei Terzinen weiter.
Ich wurde Hugo Capet einst genannt
Die Ludwigs und die Philipps, meine Sprossen
Sind Könige neuerdings im Frankenland
Sie sehen also, griechische Mythologie, Ptolemäus, Thomas von Aquin,
alle deutschen Kaiser, Geschichte Italiens im Mittelalter, Aristoteles etc.
etc. sind wir durch, Geschichte Frankreichs fehlt uns noch, von Russland und
China hatte Dante keine Ahnung, also davon bleiben Sie verschont. Also fangen
wir ganz von vorne an; wer zum Teufel ist Hugo Capet? Hugo Capet oder auf französisch
Hugues Capet gilt als der Stammvater der Könige Frankreichs, da Dante die
aber alle nicht mochte, weder Philipp IV, noch dessen Bruder Karl von Anjou,
noch überhaupt indeinen, fängt das Malheur für Dante bei Hugo
Capet an, der es aber immerhin noch zum Läuterungsberg schafft.
Wir holen jetzt mal ganz weit aus, weil die Frage, die man sich stellen kann
ist, was war eigentlich in Frankreich los, bevor Hugues Capet auf den Plan trat?
Das geht jetzt verdammt schnell, also so siebenhundert Jahre Geschichte machen
wir jetzt in fünf Minuten. Unübertroffen und didaktisch brillant ist
das bei Wikipedia dargestellt, ganz offensichtlich von Leuten, die sich da sehr
gut auskennen und glasklar texten können und ihre Texte auch noch mit didaktisch
sehr sinnvollen Grafiken unterstützen.
Nach dem Zerfall des römischen Reiches entstand ein Machtvakuum. Dieses
Machtvakuum konnten zuerst die Merowinger, dann die Karolinger für sich
nutzen. Unter den Karolingern tritt das Frankenreich, das eine Ausdehnung hatte,
die heute Frankreich und Deutschland entspricht, mit Karl Martell, seinem Sohn
Pipin und dessen Sohn Karl der Große in die Weltgeschichte ein. Nach einem
kurzen Intermezzo Ludwigs des Frommen, dem Sohn Karl des Großen, zerfällt
es wiederum, zuerst in drei Teile und dann völlig. Und in dieses Machtvakuum
stößt dann Hueges Capet, dessen Dynastie mit der französischen
Revolution endet. Das war jetzt ganz schnell, aber fünf Minuten sind auch
noch nicht um. Wir nutzen also die noch die verbleibenden 30 Sekunden, die ziehen
wir aber etwas in die Länge.
Da sich innerhalb des weströmischen Reiches immer mehr Gebiete von Rom
lösten und Rom selber von allen möglichen Vandalen heimgesucht wurde,
war es nicht mehr in der Lage, seine Gebiete außerhalb Italiens zu halten,
so richtig nicht mal Italien selber. In Nordfrankreich war noch ein Rest des
römischen Reiches vorhanden, welches aber, losgelöst von Rom 486 von
dem Merowinger Chlodwig I (die Merowinger werden uns noch beschäftigen)
zerschlagen wurde. Dieser Chlodwig I gilt somit als Begründer Frankenreichs.
Paris wird unter seiner Herrschaft Hauptstadt. In den Annalen heißt es
dann sinnig, Chlodwig habe die Franken unter seiner Herrschaft vereint, das
heißt wohl ins Deutsche übersetzt, er hat die Mitanwärter auf
den Thron dahingemeuchelt. Sein Übertritt zum Katholizismus erleichterte
die Annäherung zwischen den germanischen Franken (Chlodwig war Franke,
also Germane) und der gallo-romanischen Bevölkerung. Also Gallier sind
die, die vor den Römern da waren, also Asterix und Obelix und die romanische
Bevölkerung sind zum Beispiel eben die Überbleibsel aus römischer
Zeit, also Legionäre und Ähnliches, die in Frankreich hängen
geblieben sind. Gegen andere Germanen, wie die Alemannen und die Westgoten verteidigte
er das Reich. Dieser Chlodwig stirbt dann 511. Das Reich wird dann unter seinen
Nachfolgern immer mal wieder getrennt und vereint, bis Dagobert I, der letzte
bedeutende Merowinger 639 stirbt. Die Macht geht über an seine Witwe und
den Verwalter Aega. Zunehmend übernehmen die Verwalter aus der Familie
der Arnulfinger, einer Seitenlinie der Karolinger, die Macht. Die Merowinger
regieren nur noch auf dem Papier. Besiegelt wird diese Situation mit dem Sieg
über die Merowinger in der Schlacht bei Tetry (687). Die Merowinger bleiben
zwar formal König, faktisch sind sie aber entmachtet. Pippin stirbt 714.
In den sich anschließenden Machtkämpfen setzt sich schließlich
Karl Martell, ein unehelicher Sohn Pippins, durch. Dieser wiederum liefert sich
mit den Arabern eine bedeutende Schlacht. Im Jahre 732 besiegt er die Araber
bei Poitiers (der genaue Ort ist unbekannt, vermutlich in der Nähe des
heutigen Châtellerault, also etwa 250 km südwestlich von Paris).
Ansonsten kämpfte er halt noch gegen alles, was sich irgendwie bewegte,
Friesen, Sachsen, Bayern etc. Als Karl Martell 741 stirbt, folgt ihm sein Sohn
Pippin III (der noch existierende Pseudokönig der Merowinger und der Bruder
wurden ins Kloster geschickt und abserviert.). Als er 768 stirbt, erben seine
Söhne das Reich. Der eine davon stirbt aber gleich, so dass nur Karl der
Große die Bühne der Weltgeschichte betritt. Die unten stehende Grafik,
Wikipedia entnommen, zeigt das Frankenreich nach dem Tod Pipins und die Eroberungen
von Karl dem Großen.
Nach Karl dem Großen wird dann Ludwig der Fromme Kaiser, und von da an gings
bergab. Als ersterer 840 stirbt, teilen seine drei Söhne das Reich auf. Es
enstehen drei Reiche, das Westfrankenreich, Kern des heutigen Frankreich (geht
an Karl den Kahlen), das Ostfrankenreich (geht an Ludwig den Deutschen) und ein
Bereich zwischen diesen beiden mit einem Großteil Italiens, der an Lothar
I geht. Das Reich Lothars löste sich dann vereinfacht gesagt in Wohlgefallen
auf und wird, vereinfacht gesagt, dem Ostränkischen Reich zugeschlagen. Es
ist der Kern des Heiligen Römischen Reiches und wird mit Otto dem Großen,
der nichts mehr mit den Karolingern zu tun hat, mit dessen Thronbesteigung 962
neu erblühen, das heißt, viele, viele Kriege führen. Das Westreich
und das Ostreich entwickeln sich nun endgültig auseinander. Doch zurück
zum Westfrankenreich. Nach der Teilung wird das Westfrankenreich von Karl dem
Kahlen regiert, von 843 bis 877. Auf Karl den Kahlen folgt dessen Sohn Ludwig
II, verstirbt allerdings schon 879. Der Machtverlust des Königs setzt sich
auch mit seinem Sohn Karl III fort. Es entsteht eine Machtbalance zwischen Adel
und König. Auch wenn der Anführer des Adels Robert I in der Schlacht
bei Soisson 922 fällt, bleibt die Position Karl III, des Einfältigen,
geschwächt. Er wird 923 gefangen genommen und stirbt in Gefangenschaft 929.
König wird Rudolf. Dieser wiederum stirbt kinderlos, so dass der Sohn des
deaktivierten Karls III reaktiviert wird. Der war nach England geflüchtet
und wird jetzt als Ludwig IV 936 zum König gewählt. Obwohl mit der Unterstützung
Hugos des Großen an die Macht gekommen, dieser ist der Sohn des hingemeuchelten
Robert I, kommt es zum Clinch mit eben diesem, und Hugo der Große lässt
ihn gefangennehmen, lässt ihn aber wieder frei, als er macht, was Hugo will.
Auf Ludwig IV folgt nun Lothar I. Der wiederum gerät in Clinch mit seinem
Bruder, weil dieser Ansprüche auf Niederlothringen erhebt. In diesem Konflikt
erhält er Unterstützung vom Sohn Hugos des Großen, dem von Dante
erwähnten Hugo Capet. Diese Unterstützung hält aber nicht lange.
Er macht Lothar I platt und wird selber König. Und seine Kinder und Kindeskinder
blieben dann auch tatsächlich sehr, sehr lange die Könige von Frankreich.
Und weil dem so ist und weil Dante nun mal die französischen Könige
nicht mag, ist er „des Giftbaumes Wurzel“. Warum er aber im Läuterungsberg
landet und so eine harmlose Gestalt wie Francesca da Rimini in der Hölle,
das versteht kein Mensch.
Von einem Fleischer aus Paris entsprossen
Sah ich Könige alten Stammhaus enden
Den letzten hielt ein Mönchsgewand umfangen
Das ist natürlich historisch gesehen totaler Mumpitz. Es gibt ein
Chanson de geste "Hugues Capet", das ist 1360 entstanden, als die französischen
Könige Probleme mit dem Bürgertum hatten. Es musste bewiesen werden,
dass die französischen Könige dem Bürgertum entstammten und Frankreich
gegen eine Armee Ottos I tapfer verteidigten, was sogar einen wahren Kern hat,
denn tatsächlich stand Hugo der Große im Konflikt zwischen Lothar I
auf Seiten Lothars. Davon abgesehen, ist das aber natürlich Quark. Da Dante
aber einem solchen Märchen aufsitzt, kann man schließen, dass es zu
dieser Zeit noch kein Wikipedia gab und er nicht die Möglichkeit hatte, sich
etwas umfassender zu informieren. Das verzeihen wir ihm. Aber wieso findet Dante
es eigentlich plausibel, dass ein Fleischer König wird?
Der hat in der Tat einige Könige kommen und gehen sehen, bevor er sich selber
auf den Thron setzte (Manchmal wird in der Literatur behauptet, dass Dante sich
irrte, er den Vater mit dem Sohn verwechselte, aber dafür finden wir keinen
Anhaltspunkt, er kann genauso gut den Sohn meinen). Wen er allerdings mit Mönchsgewand
meint, ist unklar. Ins Kloster geschickt wurden einige. Er könnte auch auf
die Brüder von Pippin III anspielen, die wurden auch ins Kloster geschickt.
Da griff ich nach dem Zaun mit festen Händen!
Durch Freundschaft stark, erfolgreich im Erwerben,
Kam ich impor und wusste es so zu wenden
Dass die verwaiste Krone meinen Erben
und aus diesem Samen sprossen
All die Gesalbten – mag sie Gott verderben
Das diese Verse historisch betrachtet kritisch sind, ist klar. Es war weniger
Freundschaft, was ihm die Möglichkeit bot, sich auf den Thron zu setzen,
als ein massiver Interessenskonflikt zwischen Adel und König. Der Thron war
auch nicht verwaist. Verwaist war er erst, als er den König umbrachte. Das
mit den Gesalbten ist natürlich ironisch gemeint.
Dann kommt eine Aufzählung des Sündenregisters dieser Könige. Das
mag zwar alles richtig sein, was er da schreibt, allerdings waren die wohl damals
alle nicht besonders helle, das war ein Hauen und Stechen ohne Ende, überall.
Wieso er sich da jetzt gerade die französischen Könige rauspickt, ist
vollkommen schleierhaft. Es sollte nochmal gut 700 Jahre dauern, genau genommen
bis nach dem zweiten Weltkrieg, bis in dem ganzen Gewusel im Ansatz irgendein
Sinn zu erkennen ist. Die Situation besserte sich, als sich die Erkenntnis durchsetzte,
dass so wie es läuft, die Geschichte eine Höllenmaschine ist und die
theoretische Durchdringung politischer, sozialer und wirtschaftlicher Verhältnisse
dramatisch zunahm.
Seit sie die Mitglied der Provence genossen
Schwand den Bedeutungslosen bald die Scham
Biss dass ihr Übermut ins Kraut geschossen
Jetzt kommt ein kleiner Satz von ein paar hundert Jahren, also die Etablierung
der Karpetinger (mit Hugo Capet) zur königlichen Dynastie Frankreichs spielte
sich vor 1000 ab, aber diese Geschichte spielt um 1234. Angespielt wird auf die
Heirat von Ludwig IX mit Margarete von Provence. Nicht alle teilen die Ansichten
Dantes, denn Ludwig IV, trägt den Beinamen der Heilige. Aus heutiger Sicht
war er eben einer der vielen spinntisierenden Könige, die es so gab. Judenverfolgung,
Bücherverbrennung, Kreuzzüge etc. also volles Programm. Er war der älteste
Bruder von Karl von Anjou. Dieser wiederum heiratete 1245 die Schwester von Margarete,
Beatrix. Der Vater der Töchter, Raimund Berengar V, hatte Beatrix als Erbin
der Provence eingesetzt. Das führte dann zu einem Streit zwischen Margarete
und ihrem Schwager Karl von Anjou.
Nun hielt sich das Geschlecht nicht länger zahm
Log, trog und raubte dreist bis es – zur Buße!
Ponthieu, Gascogne und Normandie sich nahm
Gemeint ist Phillip IV, der regierte von 1285 bis 1314. Dieser war tatsächlich
ein Raffzahn, er veranlasste die Zerschlagung des Templerordens, um so an deren
Vermögen zu kommen und die Entführung des Papstes Bonifatius, welcher
kurz darauf starb. Der folgende Papst, Clemens V, wurde freundlich dazu überredet,
nach Avignon umzuziehen. Ihn hat Dante natürlich ganz besonders auf dem Kicker,
weil er der Gegenspieler des von Dante verehrten Kaisers des Heiligen Römischen
Reiches war, Heinrich VII. Die Anspielung auf die Gascogne (gelegen an der spanischen
Grenze, Golf von Biskaya) ist grenzwertig. Es handelt sich um Gebiete, auf die
sowohl Eduard I von England wie auch Phillip IV Anspruch erhoben. Das war damals
so üblich, Pack schlug sich, Pack vertrug sich. Wieso die Gascogne und Aquitanien
genuin zu England gehören sollten und Frankreich ein Usurpator war, ergibt
sich nach einem Blick auf die Landkarte nicht unbedingt.
Herabkam Karl nach Welschland und – zur Buße!
Ließ Konradin er sterben, schickte dann
Ins Paradies Sankt Thomas – auch zur Buße
Ersteres ist richtig, zweiteres wohl Dünnsinn. Tatsächlich starben
die letzten Staufer in Italien, Manfred von Sizilien und Konradin, in Kämpfen
mit Karl von Anjou. Über die moralische Über- bzw. Unterlegenheit der
beiden könnte man jetzt natürlich streiten. Was den Tod von Thomas von
Aquin angeht, kolportiert Dante ein Gerücht. Ein Arzt von Karl von Anjou
soll Thomas von Aquin mit vergiftetem Konfekt getötet haben.
Schon seh ich einen anderen Karl heran
Aus Frankreich ziehn, ach! Und wie der beschaffen
Und seine Schar, man bald erkennen kann
Gemeint ist Karl von Valois, ein Bruder Phillips IV. Den hat Dante nun
natürlich ganz besonders auf dem Kicker, denn er ist dafür verantwortlich,
dass Dante aus Florenz verbannt wurde. 1301 schickt Papst Bonifaz Karl von Valois
nach Florenz, um dort zwischen Guelfen und Ghibellinen zu vermitteln. Tatsächlich
öffnet er aber die Tore für die vertriebenen schwarzen Guelfen, die
daraufhin wieder die Oberhand erlangen. Dies führt nun, da Dante die Vertreter
beider Parteien, sowohl der Guelfen wie auch der Ghibellinen vorher aus Florenz
vertrieben hatte, zu seiner eigenen Verbannung. Darauf beziehen sich dann diese
Verse. Er kommt eigentlich ohne Armee, als Friedenstifter, öffnet aber tatsächlich
die Tore für die Guelfen.
Wehrlos kommt er und führt sonst keine Waffen
Ischariots Lanze nur schwingt seine Hand
Doch so, dass dir Florenz die Flanken klaffen
Ischariot ist ein anderer Name für Judas (nach dem Ort Isch Qerijot).
Die Lanze des Judas ist eben der Verrat.
Er erntet Schuld und Schande, doch kein Land
Das drückt ihn einst mit um so größerer Schwere
Je mehr er heut den Schaden hält für Tand
Mit "er erntete Schuld und Schande, doch kein Land" kann alles
Mögliche gemeint sein. Karl Valois war zuerst mit Margarete von Sizilien
verheiratet, wodurch er, erfolglos, versuchte, König von Sizilien zu werden,
später, nach deren Tod, mit Katharina von Courtenay, der Anwärterin
auf den Thron von Konstantinopel, aber auch das führte zu nichts. Auch sein
dritter Versuch gekrönt zu werden, schlug fehl. Er bewarb sich, unterstützt
von seinem Bruder um den Titel des Kaisers des Heiligen Römischen Reiches.
Gewählt wurde allerdings Heinrich VII von Luxemburg.
Der dritte Karl, gefangen jüngst am Meere
Verkauft sein Kind – so schachern die Korsaren
Um Sklavenmädchen – ohne Scham und Ehre!
Also: Karl von Anjou ist der erste Karl, Karl von Valois der zweite und
der dritte ist der Sohn von Karl von Anjou, Karl II von Anjou. Das mit dem Karl
II ist jetzt eine Geschichte, die wir schon kennen, bzw. den Anfang davon. Karl
II ist der Sohn von Karl von Anjou und damit ein Vetter von Karl von Valois. Nach
Manfreds Tod flüchtete dessen Gattin mit ihrer Tochter Constantia nach Spanien.
Da Manfred von Sizilien Ansprüche auf die Krone in Sizilien erhoben hat,
die der Papst ja Karl von Anjou zugesprochen hatte, erbt seine Tochter diesen
Anspruch und damit auch Peter III von Aragonien. Peter III unterstützt die
Aufständischen in der bereits öfters erwähnten sizilianischen Vesper
1282. 1284 kommt es zur Seeschlacht zwischen Aragonien und Frankreich, bei der
Karl II gefangen genommen wird. Im von Eduard I vermittelten Frieden wird Karl
II gegen ein Lösegeld von 30 000 Pfund Silber freigelassen. Weiter muss er
seinen Vetter, Karl von Valois (Bruder Phillips IV) dazu bringen, seine Gebietsansprüche
auf Aragon aufzugeben. Zusätzlich zu den 30 000 Pfund Silber muss er noch
drei seiner Söhne als Geiseln in Aragon zurücklassen. Darauf bezieht
sich die Aussage "dass es mit Kindern handelt wie mit Waren".
Ich seh die Lilien in Alagna prangen
Und, künftige Übeltaten auszustechen
Im Stellvertreter Jesuschrift gefangen
In Alagna (in Piemont, Grenze zur Schweiz) wurde Papst Bonifaz geboren,
den bringt Phillip IV unter seine Kontrolle, so dass in Alagna die Lilien prangen.
Lilien sind das Wappen der französischen Könige. Etwas unverständlich
bleibt der Vers trotzdem, betrachten wir das italienische Orginal.
Perché men paia il mal futuro e 'l fatto,
veggio in Alagna intrar lo fiordaliso,
e nel vicario suo Cristo esser catto.
Damit zukünftige Schuld geringer scheine, als
jene die bereits vollendet
das Zeichen der Lilie in Anagni wird erscheinen
Christus in dem Priester ist gefangen
Angespielt wird auf das Attentat auf Bonifaz VIII. Eigentlich war dieser
mit Phillip IV gegen die Staufer verbündet. Allerdings endet die Harmonie,
als Phillip IV den Zehnten, also die Kirchensteuer, für sich beansprucht.
Daraufhin erlässt Bonifaz die päpstliche Bulle Unam Sanctam, die den
Vorrang der geistlichen Macht über die weltliche Macht postuliert. Phillip
IV hat ein Interesse, die Macht des Papstes zu brechen, um so seine eigenen Interessen
besser durchsetzen zu können. Nach dem Tode Bonifaz VIII wird auch der Amtsitz
des Papstes nach Avignon verlegt, der Nachfolger Bonifaz, der aus Frankreich stammende
Clemens V, residiert in Avignon.
Von Spöttern seh ich ihn umringt, von Frechen
Und Essig kosten wiederum und Galle
Seh zwischen Schächern dann sein Auge brechen
Die Verse sind dunkel. Höchstwahrscheinlich ist immer noch von Bonifaz
VIII die Rede und vom Attentat in Aganani. Am 7. September 1303 wurde der Palast
des Papstes in Agnani überfallen, der Papst festgesetzt. Erst am 9. September
befreiten Einwohner von Agnani den Papst und vertrieben die Eindringliche. Allerdings
war Bonifaz danach so mitgenommen, dass er wenig später starb.
Seh auch des neueren Pilatus Kralle
Nach Kirchengut sich strecken, seh ihn tragen
Der Habgier Banner in die Tempelhalle
Hier lohnt es sich auch, das italienische Original anzuschauen.
Veggio il novo Pilato sì crudele,
che ciò nol sazia, ma sanza decreto
portar nel Tempio le cupide vele.
Sehe den wiederauferstandenen Pilatus
so gierig noch, dass ohne abzuwarten
er ihn den Tempel drägt die gierigen Begierden
Mit dem „novo Pilato“, dem neuen Pilatus, ist wohl Phillip
IV gemeint. Dante sieht wohl eine Ähnlichkeit zwischen Pilatus, der gegen
Jesu vorgeht (genau genommen dies aber ziemlich wiederwillig tut) und dem König,
der gegen den Papst vorgeht. Italienische Interpreten neigen dazu, in den Versen
eine Andeutung auf die Verfolgung des Templerordens durch Phillip IV zu sehen.
Nach dem Tode Bonifaz VIII wollte Clemens V die Vorwürfe gegen die Templer
(Sodomie, Ketzerei etc.) nochmal prüfen lassen, aber auf diese Untersuchung
legte Phillip keinen Wert. Er verfolgte sie senza decreto, ohne Anordnung, weil
er vor allem am Vermögen des Templerordens interessiert war. Die Übersetzung
mit Tempelhalle ist wohl weniger günstig, weil das eher von Templerorden
wegführt, aber um diesen geht es.
Was du mich an der Braut hast hören loben
Des heiligen Geistes, drauf der Wunsch in dir
Entstand, bei mir Erklärung zu erproben
Das bildet der Gebete Inhalt hier
Bei Tag – doch steigt die Nacht vom Sternenäther
So klagen von den Gegensätzen wir
Soll heißen, im Moment ist es Tag und da preisen sie die Beispiele
der Tugendhaftigkeit, also Maria, Fabricius, Nikolaus. Nachts aber rufen sie sich
die Beispiele der Untugenden in Erinnerung.
Dann wird Pygmalion, der Übeltäter,
Betrachtet, den die Gier nach Gold zum Dieb,
Zum Brudermörder machte und Verräter
Dante bezieht sich offensichtlich auf die Darstellung des Pygmalion bei
Vergil. Dort ist er der Bruder der Dido, der Königin von Karthago. Er ermordet
den Ehemann Didos aus Habgier.
Dann Midas, dem der gleiche schmutzge Trieb
Solch lächerliches Elend eingetragen
Dass er bis heute ein Gespötte blieb
Es gab mehrere griechische Könige dieses Namens. Dante meint aber
offensichtlich die mythologische Gestalt Midas, der, so die Legende, Sohn des
Gordion, des Königs von Phrygien (heutige Türkei) und der Kybele, eine
Fruchtbarkeitsgöttin, die ursprünglich ebenfalls in Phrygien verehrt
wurde, später aber auf dem Berg Ida in Kreta, so die Legende, ihren Wohnsitz
hatte. Um diesen Midas ranken sich nun zahlreiche Legenden, die alle dessen absolute
Blödheit thematisieren. Midas wollte zum Beispiel so klug werden wie Silenos,
der Lehrer von Dionysos. Er glaubte, dass es hierfür reichen würde,
Silenos gefangen zu nehmen. Dies tat er, indem er Wein in einen Bach mischte.
Als Silenos davon trank, schlief er berauscht ein und wurde gefangen genommen.
Dionysos gewährte daraufhin dem Midas eine Bitte, wenn dieser dafür
seinen Lehrer freiließe. Die Bitte des Midas war, dass alles, was er anfasste
zu Gold würde. Der Wunsch wurde ihm erfüllt, der Haken war, dass auch
alle Nahrungsmittel zu Gold wurden, so dass Midas fast verhungerte. Er bat nun
Dionysos, die Gabe zurückzunehmen. Dieser riet ihm daraufhin, sich im Fluss
Paktolos zu baden. Er tat dies, mit dem Ergebnis, dass nun der Fluss goldhaltig
war.
Auch weiß von Achan jeder hier zu sagen
Der frech die Beute stahl, dass Josuas Hand
Noch heut ihm zürnend scheint hier zu erschlagen
Abgestellt wird auf eine Espisode aus Josua 7, 1. ff. Achan hatte nach
der Eroberung Jerichos zwanzig Silberlinge und eine Stange Gold gestohlen und
in seiner Hütte vergraben. Da ist der Herr Israels erzürnt (eigentlich
könnte es ihm ja egal sein, er kriegt es ja eh nicht, aber anyway). Um den
Herrn zu versöhnen lässt Josua, das ist der Nachfolger Moses, Achan
und die Seinen steinigen.
Saphira und ihr Gatte wird genannt
Mit Schimpf, mit Lob der Sturz des Heliodor
Und schmachbedeckt wird rings dem Berg bekannt
Was mit Saphira und ihrem Gatten los ist, steht in Apostelgeschichte 5,1.
Allerdings ist die Geschichte total abenteuerlich. Wir betonen, dass das, was
jetzt folgt, die ganze Geschichte ist: Ein Mann aber, mit Namen Ananias samt seinem
Weibe Saphira verkaufte sein Gut und entwendete etwas vom Gelde mit Wissen seines
Weibes und brachte einen Teil und legte ihn zu der Apostel Füßen. Petrus
aber sprach: Ananias, warum hat der Satan dein Herz erfüllt, dass du dem
heiligen Geist lögest und entwendetest etwas vom Gelde des Ackers? Hättest
du ihn doch wohl mögen behalten, da du ihn hattest; und da er verkauft war,
war es auch in deiner Gewalt. Warum hast du denn solches in deinem Herzen vorgenommen?
Du hast nicht Menschen, sondern Gott gelogen. Da Ananias aber diese Worte hörte,
fiel er nieder und gab den Geist auf. Und es kam eine große Furcht über
alle, die dies hörten. Es standen aber die Jünglinge auf und taten ihn
beiseite und trugen ihn hinaus und begruben ihn. Und es begab sich über eine
Weile, bei drei Stunden, dass sein Weib hineinkam und wusste nicht, was geschehen
war. Aber Petrus antwortete ihr: Sage mir: Habt ihr den Acker so teuer verkauft?
Sie sprach: Ja, so teuer. Petrus aber sprach zu ihr: Warum seid ihr denn eins
geworden, zu versuchen den Geist des HERRN? Siehe, die Füße derer,
die deinen Mann begraben haben, sind vor der Tür und werden dich hinaustragen.
Und alsbald fiel sie zu seinen Füßen und gab den Geist auf. Da kamen
die Jünglinge und fanden sie tot, trugen sie hinaus und begruben sie neben
ihren Mann. Und es kam eine große Furcht über die ganze Gemeinde und
über alle, die solches hörten.
Also, da verkauft jemand einen Acker, der ihm unstreitig gehört, gibt aber
den Erlös, der ihm unstreitig zusteht, nicht vollkommen an, sondern nur zum
Teil und dafür wird er bestraft und zwar zum Tode. Verglichen damit ist das
Finanzamt ja die reinste Kindergärtnerin. Sitte und Brauch war es, einen
Teil vom Erlös der Gemeinde zu spenden, anzunehmen ist, dass es da so ungefähre
Vorstellungen gab, was angemessen war. Um also dem sozialen Druck etwas auszuweichen,
mindert man am Besten den Gewinn ein bisschen, das haben sie getan. Das aber reicht,
um sie zum Tode zu verurteilen. Wahrlich, wahrlich, der Gott Israels ist ein eifersüchtiger
Gott, also irgendwie so eine Art Rübezahl. Manchmal ganz großzügig,
aber manchmal auch ganz schon harsch.
Des Polymnestors Mord an Polydor
Dann rufen wir am Schlusse: „Krassus, sprich:
Wie schmeckt das Gold? Du weißt es, armer Tor.“
Ist Ihnen was aufgefallen? Normalerweise haben wir pro Terzine eine Gestalt,
jetzt gleich zwei. Also Dante steigert sich noch, wenn wir fertig sind, sind in
jeder Terzine drei, irgendwann haben wir dann nur noch sowas.
Klytämnestra Mord, raffgierige Sphinx, wonnebrünstig Dido
raffende Hand Karl, Raffzahn Peter, Katarina treulos
Gilberto Verrat, Michael gottlos
Das wären 5 in einer Terzine. Gott sei Dank ist Dante 1321 gestorben. Stellen
sie sich mal vor, er hätte nochmal 700 Jahre Geschichte zur Verfüngung
gehabt, allein in Deutschland 630 Parlamentarier, die man irgendwo in der Hölle
oder im Läuterungsberg unterbringen kann oder muss. Da würde Ihnen irgendwann
mal der Schädel wegfliegen.
Also, fangen wir mit Polymnestor und Polydor an. Polydoros war der jüngste
Sohn des Priamos. Um die Schätze Trojas vor den Griechen in Sicherheit zu
bringen, wurde Polydoros mit eben diesen Schätzen zu Polymnestor, dem König
von Thrakien geschickt; er hielt sich also beim Fall von Troja dort auf. Nach
dem Fall von Troja bringt Poymnester Polydoros um, um so an die Schätze zu
gelangen. Den Leichnam wirft er ins Meer. Als er an den Strand gespült wird,
erkennt ihn seine Mutter Hekabe, die inzwischen in griechischer Gefangenschaft
ist. Sie tötet die Kinder des Polymnestors und blendet diesen.
Fehlt uns noch der Krassus. Marcus Licinius Crassus (geb. 115 v. Chr. , gest.
53 v. Chr.) war nun eine richtige Dumpfbacke, Geiz war mit Sicherheit das harmloseste
seiner Verbrechen. Er kam nach der Niederlage der Gegner Sullas zu beträchtlichem
Vermögen, indem er deren Vermögen konfiszierte. Er ließ sich den
Oberbefehl über das Sklavenheer des Spartacus übertragen, nachdem er
dieses 73 v.Chr. besiegt hatte und ließ die Gefangenen an der Via Appia
ans Kreuz schlagen. Im Falle von Crassus gab es sogar mal eine gerechte Strafe
auf der Erde. In der Schlacht bei Carrhae (heute Syrien, Nähe Libanon) wurde
sein Herr von den Parthern vernichtend geschlagen, Crassus selbst wurde geköpft,
sein Kopf öffentlich zur Schau gestellt. Gut gemacht, kann man da nur sagen.
Der zweite Satz „Krassus, sprich: Wie schmeckt das Gold?“ bezieht
sich auf eine Legende. Der König der Parther, Orodes II, soll flüssiges
Gold in den Mund des abgeschlagenen Kopfes geschüttet haben, mit den oben
erwähnten Worten. Orodes wusste wohl, dass ein Grund für den Angriff
von Crassus auf das Partherreich war, an dessen Schätze zu kommen.
Und nicht nur ich war‘ s, der vorhin die Frommen
Beispiele pries, ich tat mit lauterem Klange
Das nur, drum mich allein hast du vernommen
Das ist die Antwort auf die eingangs von Dante gestellte Frage, warum nur
er allein zu hören ist („…und aus welchem Grunde, erneuerst du
altes Lob – und du allein?“)
So heftig schüttelte-nicht Delos sich
Eh, beide Himmelsaugen zu gebären
Latona dort ins sichre Nest entwich
Latona ist der lateinische Name für Leto. Mit Leto sind wir wieder
bei den Griechen. Leto ist die Tochter des Titanen Koios (noch erinnerlich? Die
Titanen sind aus der Verbindung von Gaia, der Mutter Erde mit deren Sohn Uranus
hervorgegangen. Kronos wiederum zeugt mit seiner Titanenschwester Rhea die Götter....)
und der Phoibe (auch eine Titanin). Die Sache wird jetzt allerdings ein bisschen
komisch, weil die olympischen Götter ja die Titanen nach deren Aufstand in
den Tartarus verfrachtet haben. Also rein logisch gesehen, kam Leto dann wohl
im Tartarus zur Welt. Nachdem aber Zeus Papa und Mama in den Tartarus verfrachtet
hatte, fängt er ein Techtelmechel mit deren Tochter an. Man kann also definitiv
sagen, der Typ lässt nichts anbrennen. Wenn Sie also überall lesen,
Leto sei die "Geliebte des Zeus" gewesen, dann ist das ziemlich relativ.
Der hatte soviele Geliebte wie Julio Iglesias, anzunehmen ist, dass er sich da
im Einzelnen gar nicht mehr dran erinnern kann. Auf jeden Fall ist das Ergebnis
dieser wie auch immer gearteten Verbindung zwischen Leto und Zeus, dass Leto schwanger
wird, mit Artemis und Apollon. Das Ergebnis ist, das kennen wir schon, dass seine
göttliche Schwester und Gemahlin Hera stinksauer ist, weil Gaia, also die
Erde, Ihre Großmutter (Großmutter, weil Gaia mit ihrem Sohn Uranus
gibt die Titanen, die Titanen Kronos und Rhea geben die Götter) ihr vorhergesagt
hatte, dass die Kinder der Leto mächtiger werden, als ihre eigenen (was ja
zutrifft, denn wer kennt schon Ares, den furchtbaren Gotte des Krieges, oder Hebe,
die Göttin der Jugend, oder Eileithyia, die Göttin der Geburt). Also
so ein richtiger Donnergott kommt nur raus, wenn eine Titanin involviert ist.
Sie versucht also die Niederkunft zu verhindern. Erstmal schickt sie den Drachen
Python (das ist ein wahrscheinlich hässliches Vieh, hervorgegangen aus einer
Verbindung von Gaia und dem Schlamm) los, damit dieser Leto verschlinge. Das wiederum
verhindert Zeus (wahrscheinlich weniger, weil er sich für Leto interessierte,
als aufgrund der Tatsache, dass da ein biologisches Programm abläuft, die
Leute wollen sich ja immer fortpflanzen). Hera trägt daraufhin ihrer Großmutter
Gaia auf, dafür zu sorgen, dass Leto auf keinem Land gebären könne,
welches jemals von der Sonne beschienen worden war. Daraufhin lässt Poseidon
die Insel Delos auftauchen, die ist ja dann neu und war zum Zeitpunkt der Zusage
Gaias noch nie von der Sonne beschienen worden. Poseidon hat also mehr für
seinen Bruder Zeus übrig, als für seine Schwester Hera. Zeus wiederum
hat sich inzwischen gegen seine schwesterliche Gattin ein richtiges Hausheer geschaffen,
den Hermes, ein von ihm mit der Pleiade Maia gezeugter Sohn, bringt die schwangere
Titanin dann eben dahin. Hera kann also nur auf ihre eigene selbsterzeugte Hausmacht
zurückgreifen, also auf Eilethyia, die Göttin der Fruchtbarkeit, die
hat aber auch Zeus als Papa. Am Anfang ist Hera aber erfolgreich und Eiletyhia
weigert sich, Letho bei der Geburt beizustehen. Aber die ganzen Mannsbilder im
Himmel sind natürlich für Zeus und gegen die Spaßbremse Hera.
Die legen jetzt zusammen und kaufen dem Himmel den Mond ab, woraus Hephaistos,
(Sohn des Zeus und der Hera) ein so schönes Halsband fertigt, dass Eilethya,
Göttin hin Göttin her, im Grunde ist sie halt eine Frau, sich bestechen
lässt und Letho beisteht. Also der Plott ist natürlich ziemlich jämmerlich.
Adorno wirft ja den Produkten der Kulturindustrie vor, Werke zu schaffen, "die
an den Grenzen der psychologischen Motivierbarkeit" liegen. Bei den Griechen
ist das ein bisschen anders, verglichen damit ist Hollywood geradezu Realismus
pur. Mit „beide Himmelsaugen“ sind dann Artemis uns Apollon gemeint.
Und „gloria in excelsis deo“ schrien
Sie alle, wenn mein Ohr das recht verstanden
Was nur in nächster Nähe deutlich schien
Da sich Dante und Vergil ja zwei Terzinen vorher raschen Schrittes von
der Gruppe der Büßenden entfernt hatten, vernehmen sie das „Gloria
in excelsis deo“ nur noch unscharf. Das „Gloria in excelsis deo“
ist Teil der katholischen Messe, wie genau weiß der Autor aber nicht, denn
er ist ein Heide, hat noch nie eine Kirche von Innen gesehen. Die Anfangszeilen
lauten:
Gloria in excelsis Deo
et in terra pax hominibus bonae voluntatis.
Das gibt dann in der deutschen Übesetzung
Ehre sei Gott in der Höhe
und Friede auf Erden den Menschen seiner Gnade.
Wir standen reglos lauschend wie in Banden
Den Hirten gleich, die dies zuerst vernommen
Bis dass der Erdstoß und die Stimmen schwanden
Bezug genommen wird auf das Evangelium des Lukas, Kapitel 2, 8.
Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde, die hüteten des Nachts
ihre Herde. Und siehe, des HERRN Engel trat zu ihnen, und die Klarheit des HERRN
leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr. Und der Engel sprach zu ihnen:
Fürchtet euch nicht! siehe, ich verkündige euch große Freude,
die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher
ist Christus, der HERR, in der Stadt Davids. Und das habt zum Zeichen: ihr werdet
finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegend. Und alsbald
war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und
sprachen: Und da die Engel von ihnen gen Himmel fuhren, sprachen die Hirten untereinander:
Laßt uns nun gehen gen Bethlehem und die Geschichte sehen, die da geschehen
ist, die uns der HERR kundgetan hat. Und sie kamen eilends und fanden beide, Maria
und Joseph, dazu das Kind in der Krippe liegend. Da sie es aber gesehen hatten,
breiteten sie das Wort aus, welches zu ihnen von diesem Kinde gesagt war. Und
alle, vor die es kam, wunderten sich der Rede, die ihnen die Hirten gesagt hatten.
Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen. Und die Hirten
kehrten wieder um, priesen und lobten Gott um alles, was sie gehört und gesehen
hatten, wie denn zu ihnen gesagt war.
Als auf dem Heilsweg wir zurückgekommen
Sahn wir am Boden mit gewohnten Tränen
Die Schatten wieder leid und furchtbeklommen
Sollen heißen, das Gedonner hört irgendwann auf und sie sind
wieder unter den Büßenden.
Diese Verse hätte man besser anders übersetzt, dann wären sie verständlicher.
Trübt mein Gedächtnis nicht ein irrig Wähnen
So tritt Unwissenheit und Wissbegier
Sich nie in meiner Brust mit schärferen Zähnen
Die italienischen Orginalverse lauten so.
Nulla ignoranza mai con tanta guerra
mi fé desideroso di sapere,
se la memoria mia in ciò non erra,
Das gäbe dann.
Noch nie flößt‘ Unwissenheit mit solcher
Inbrunst
mir ein ein solch Begehren nach Belehrung
wenn mein Gedächtnis mich hier nicht täuscht
Unwissend war er also schon öfter, aber noch nie war sein Wunsch so
groß, diese Unwissenheit zu beseitigen. Und auch bei den folgenden Versen
hätte man geschickter übersetzen können.
Und niemals heftiger war mein Durst als hier
Doch da er eilte, wagte ich keine Fragen
Und wusste dennoch keinen Aufschluss mehr
Hier das italienische Original.
quanta pareami allor, pensando, avere;
né per la fretta dimandare er'oso,
né per me lì potea cosa vedere:
così m'andava timido e pensoso.
so scheint es mir jetzt, wen ich es recht bedenke
doch konnte ich durch eigene Kraft nicht tiefer dringen
und auch wagte nicht zu fragen in der Eile
so ging ich, eingeschüchtert und bedrückt