So, nun fährt Dante zur Höchstform auf. Was uns noch fehlte über die Geschichte des mittelalterlichen Europas kommt jetzt. Was schon mal da war, werden wir wiederholen, denn Dante lesen, ist vor allem eines: Üben, üben, üben. Man muss das immer wieder wiederholen. Aus welchen Quellen Dante schöpfte, wissen wir nicht, die Fehler sind zahlreich, eine ausgewogene Darstellung der Verhältnisse erwarten wir ja schon gar nicht mehr, denn die scheint Dante auch nicht besonders zu interessieren, also die ausgewogenen Darstellung; ihm geht es um die Darstellung eines Systems.

Schlecht kämpft der Wille gegen stärkeren Willen
Und mir gefiel es schlecht, ihm zu Gefallen
Den Quell zu fliehn und nicht den Durst zu stillen

Soll heißen, dass er Hadrian jetzt alleine lässt, damit dieser wieder Buße tun kann. Das italienische Orginal sieht dann so aus.

Contra miglior voler voler mal pugna;
onde contra 'l piacer mio, per piacerli,
trassi de l'acqua non sazia la spugna.

Gegen stärkeren Willen kann der Wille nicht ringen
so dass ganz gegen mein Begehren, ihm zu Gefallen
ich den Schwamm, der ungesättigt, aus dem Wasser zog

Wie soll man mit einem Text umgehen, der extrem schwer zu übersetzen ist? Zoozmann übersetzt reimend und versucht, den Rhythmus wiederzugeben. Das Ergebnis ist dann ein Text, der sich zwar reimt, aber noch schwerer zu verstehen ist, teilweise sich auch vom Original entfernt.

Wir gingen hart entlang den Felsenhallen
Wo frei der Weg, als wäre dies Gestade
Ein Festungsweg, den Mauern hoch umwallen

Wir haben bereits ein Bild des Läuterungsberges gesehen. Im Aufbau ähnelt er dem Turm von Babylon, mit dem Unterschied, dass dieser, in den meisten Zeichnungen zumindest, von einem Vorbau umwunden wird, der sich spiralförmig nach oben zieht. Der Läuterungsberg ist umgeben von Terrassen, die nicht miteinander verbunden sind, deswegen müssen Dante und Vergil ja auch immer die Treppen suchen. Felsenhallen allerdings haben wir gar nicht, und die sind auch im italienischen Original nicht vorhanden.

Mossimi; e 'l duca mio si mosse per li
luoghi spediti pur lungo la roccia,
come si va per muro stretto a' merli;

Ich bewegte mich, wie auch mein Führer
entlang der freien Fläche entlang des Felses
wie auf engen Mauern, entlang der Zinnen

Das kann man sich irgendwie vorstellen, eine mit Zinnen bewehrte Burg hatte im Inneren noch einen Fläche, wo man die Zinnen ablaufen konnte. Der Autor kennt sich da aus, denn er hat lange auf solchen Burgen die Jungfrauen vor den angreifenden Feinden beschützt. Heute allerdings, seit es auch Soldatinnen gibt, zieht er es natürlich vor, im Bett zu bleiben und sich vor welchen Feinden auch immer beschützen zu lassen.

Wir sind ja jetzt auf der fünften Terrasse angelangt, da büßen die Geizigen. Bei Dante geht Geiz aber irgendwie über in Habgier, wobei wir ja schon aus der Hölle wissen, dass Geiz und Verschwendungssucht irgendwie die gleiche Liga sind, denn die Geizigen und die Verschwender sind im selben Höllenkreis. Richtig volkswirtschaftlich sieht Dante das jetzt im Übrigen auch nicht, für den neoklassischen Volkswirt ist sparen = investieren. Wenn niemand spart, kann auch niemand investieren. Wo bei Dante der Geiz aufhört und das sinnvolle Sparen anfängt, wissen wir nicht. Zwar gehen auch dem Autor die „sparsamen“ Schwaben etwas auf den Sender, die sind ja manchmal mehr als sparsam, geradezu knickerig, aber die Grenze zwischen sinnvollem Sparen einerseits und Geiz / Knickerigkeit andererseits ist wohl fließend. Aber so genau will Dante das wohl gar nicht wissen.

Verflucht, uralte Wölfin, sollst du werden
Die mehr in ungestillter Freßgier raubt
Als sonst ein Raubtier Schaden bringt den Herden

Mit Wölfin übersetzen alle, allerdings steht das nicht im Orginal.

Maladetta sie tu, antica ,
che più che tutte l'altre bestie hai preda
per la tua fame sanza fine cupa!

Verfluchst seist du, antica
die mehr als jede andere Bestie Nahrung findest
für deinen Hunger ohne Ende

Die Wölfin kennen wir aber schon aus dem ersten Gesang der Hölle, zusammen mit dem Löwen (Stolz), dem Pardellfuchs (Wollust) steht die Wölfin für Geiz und Habsucht. Da hier der Geiz gesühnt wird, kann das schon passen.

O Himmel, dessen Kreislauf, wie man glaubt,
Wandlung bewirkt an allen Erdendingen,
Wann kommt, der niedertritt dein trotzig Haupt?

Die Antwort fällt natürlich aus heutiger Sicht leicht, sie lautet nie. Es wird noch 600 Jahr dauern, bis sich die Erkenntnis durchsetzt, dass nur austarierte Gesellschaftssysteme zu einem vernünftigen Ausgleich kommen können und dass nur Demokratien Systeme schaffen können, die das Gewinnstreben des Menschen so kanalisieren, dass es der Gesamtheit der Gesellschaft nützt. Tut es das nämlich nicht mehr, wird sich die Bevölkerung eine andere Regierung suchen, die andere ordnungspolitische Rahmenbedingungen schafft. Auf die Ideologie Dantes werden noch viele andere Ideologien folgen, eine so schrecklich wie die andere. Es dauert nun eine Weile, bis Dante einen der Büßenden anspricht. Vorher hört er nur, wie sie im Gesang Beispiele von Uneigenützigkeit preisen.

Der Zufall ließ mich einiges verstehen
„Süße Maria“ – seufzte da ein Wesen
So schmerzlich wie ein Weib in Kindeswehen

Maria ist also das Tugendbild, das die büßenden Habgierigen sich vor das geistige Auge halten. Sie gebar in einem Stall die heilige Last.

Und endlich noch – „Fabricius, edler Mann,
Dich zog kein goldbetünchtes Lasterleben
Tugend gepaart mit Anmut zog dich an!“

Gemeint ist Gaius Fabricius Luscinus (gest. 275 v. Chr.). Er spielte eine Rolle im Konflikt zwischen Tarent und Rom. Tarent ist eine Stadt an der inneren Seite des Stiefelabsatzes von Italien.



Als er der Stadt Thurioi 282 vor Chr. zu Hilfe eilte, als diese sich von den Lukaniern und Bruttiern, zwei Völkern auf der Halbinsel, bedroht fühlte, so dass diese wiederum Pyrrhos I zur Hilfe rief, den König von Epirus, im heutigen Griechenland. Dieser besiegte die Römer zweimal, das zweite Mal bei Ausculum 279 v. Chr., ein Sieg, der allerdings auch für ihn so verlustreich war, dass man heute von einem Pyrrhos Sieg spricht. Versuche des Pyrrhos ihn zu bestechen lehnte er ab, womit er sich den Ruf der Rechtschaffenheit erwarb.

Er sprach indem noch den Angebinden
Die Nikolaus gemacht den Mägdelein
Dass ihre Ehrbarkeit nicht möge schwinden

Also gemeint ist tatsächlich jener Nikolaus, der den Kindern am 6.Dezember die Schuhe mit Süßigkeiten voll stopft. Geboren wurde er ungefähr um 280 vor Christus. Er war Bischof in Myra (heute Demre), in der heutigen Türkei gelegen. Dante bezieht sich auf eine der Legenden, die sich um Nikolaus ranken. Ein Vater hatte drei Töchter, die er aber mangels Mitgift nicht verheiraten konnte, weshalb er beschloss, seine Töchter der Prostitution zuzuführen. Davon hörte Nikolaus und warf an drei aufeinanderfolgenden Nächten einen Goldklumpen ins Fenster. Mit diesem Vermögen konnte der Vater dann seine drei Töchter verheiraten.

Die folgenden Verse sind zwar im italienischen Original einfach zu verstehen, in der Variante Zoozmann allerdings weitgehend sinnfrei.

Vergelten lass mich‘ s dir durch diese Kunde
Kehr ich zur Heimat, will ich dir‘ s gedenken
Vor meines flüchtgen Lebens letzter Stunde

Soll heißen, Dante wird sich, einmal zur Erde zürückgekehrt, für eine Antwort erkenntlich zeigen. Das italienische Original sieht so aus.

Non fia sanza mercé la tua parola,
s'io ritorno a compiér lo camin corto
di quella vita ch'al termine vola.

Deine Wort soll nicht mir zum Nutzen reichen
wenn ich zurück bin wieder aufzunehmen, das kurze Stück
von jenem Leben, das hinläuft seinem Ende entgegen

Die Version von Zoozmann weicht jetzt wieder vom Original ab, irgendwie hat Zoozmann vermutet, es gehe wieder um was Theologisches,

Nicht das Versprechen von irdischen Geschenken
Sprach er, löst mir den Mund, vielmehr die Gnade,
Die Gott sich ließ auf den Lebendgen senken

also dass die Lebenden für die Toten beten können, damit die schneller aufwärtssteigen. Das italienische Original tönt aber so.

Ed elli: "Io ti dirò, non per conforto
ch'io attenda di là, ma perché tanta
grazia in te luce prima che sie morto."

Und er: „Ich werde es dir sagen, nicht der Güter
wegen, die von dort zu erwarten, sondern weil soviel
Gnade in dir leuchtet, noch bevor du gestorben.“

Was jetzt kommt ist heftig. Wir erfahren zwar noch nicht, wer es ist, aber auf jeden Fall beschreibt er sich selber als ganz üblen Burschen.

Ich bin des Giftbaums Wurzel, der die Pfade
Des Christentums beschattet weit und breit,
Dass ihm erwächst statt guter Frucht nur Schade

Wer es dann ist, erfahren wir zwei Terzinen weiter.

Ich wurde Hugo Capet einst genannt
Die Ludwigs und die Philipps, meine Sprossen
Sind Könige neuerdings im Frankenland

Sie sehen also, griechische Mythologie, Ptolemäus, Thomas von Aquin, alle deutschen Kaiser, Geschichte Italiens im Mittelalter, Aristoteles etc. etc. sind wir durch, Geschichte Frankreichs fehlt uns noch, von Russland und China hatte Dante keine Ahnung, also davon bleiben Sie verschont. Also fangen wir ganz von vorne an; wer zum Teufel ist Hugo Capet? Hugo Capet oder auf französisch Hugues Capet gilt als der Stammvater der Könige Frankreichs, da Dante die aber alle nicht mochte, weder Philipp IV, noch dessen Bruder Karl von Anjou, noch überhaupt indeinen, fängt das Malheur für Dante bei Hugo Capet an, der es aber immerhin noch zum Läuterungsberg schafft.

Wir holen jetzt mal ganz weit aus, weil die Frage, die man sich stellen kann ist, was war eigentlich in Frankreich los, bevor Hugues Capet auf den Plan trat? Das geht jetzt verdammt schnell, also so siebenhundert Jahre Geschichte machen wir jetzt in fünf Minuten. Unübertroffen und didaktisch brillant ist das bei Wikipedia dargestellt, ganz offensichtlich von Leuten, die sich da sehr gut auskennen und glasklar texten können und ihre Texte auch noch mit didaktisch sehr sinnvollen Grafiken unterstützen.
Nach dem Zerfall des römischen Reiches entstand ein Machtvakuum. Dieses Machtvakuum konnten zuerst die Merowinger, dann die Karolinger für sich nutzen. Unter den Karolingern tritt das Frankenreich, das eine Ausdehnung hatte, die heute Frankreich und Deutschland entspricht, mit Karl Martell, seinem Sohn Pipin und dessen Sohn Karl der Große in die Weltgeschichte ein. Nach einem kurzen Intermezzo Ludwigs des Frommen, dem Sohn Karl des Großen, zerfällt es wiederum, zuerst in drei Teile und dann völlig. Und in dieses Machtvakuum stößt dann Hueges Capet, dessen Dynastie mit der französischen Revolution endet. Das war jetzt ganz schnell, aber fünf Minuten sind auch noch nicht um. Wir nutzen also die noch die verbleibenden 30 Sekunden, die ziehen wir aber etwas in die Länge.

Da sich innerhalb des weströmischen Reiches immer mehr Gebiete von Rom lösten und Rom selber von allen möglichen Vandalen heimgesucht wurde, war es nicht mehr in der Lage, seine Gebiete außerhalb Italiens zu halten, so richtig nicht mal Italien selber. In Nordfrankreich war noch ein Rest des römischen Reiches vorhanden, welches aber, losgelöst von Rom 486 von dem Merowinger Chlodwig I (die Merowinger werden uns noch beschäftigen) zerschlagen wurde. Dieser Chlodwig I gilt somit als Begründer Frankenreichs. Paris wird unter seiner Herrschaft Hauptstadt. In den Annalen heißt es dann sinnig, Chlodwig habe die Franken unter seiner Herrschaft vereint, das heißt wohl ins Deutsche übersetzt, er hat die Mitanwärter auf den Thron dahingemeuchelt. Sein Übertritt zum Katholizismus erleichterte die Annäherung zwischen den germanischen Franken (Chlodwig war Franke, also Germane) und der gallo-romanischen Bevölkerung. Also Gallier sind die, die vor den Römern da waren, also Asterix und Obelix und die romanische Bevölkerung sind zum Beispiel eben die Überbleibsel aus römischer Zeit, also Legionäre und Ähnliches, die in Frankreich hängen geblieben sind. Gegen andere Germanen, wie die Alemannen und die Westgoten verteidigte er das Reich. Dieser Chlodwig stirbt dann 511. Das Reich wird dann unter seinen Nachfolgern immer mal wieder getrennt und vereint, bis Dagobert I, der letzte bedeutende Merowinger 639 stirbt. Die Macht geht über an seine Witwe und den Verwalter Aega. Zunehmend übernehmen die Verwalter aus der Familie der Arnulfinger, einer Seitenlinie der Karolinger, die Macht. Die Merowinger regieren nur noch auf dem Papier. Besiegelt wird diese Situation mit dem Sieg über die Merowinger in der Schlacht bei Tetry (687). Die Merowinger bleiben zwar formal König, faktisch sind sie aber entmachtet. Pippin stirbt 714. In den sich anschließenden Machtkämpfen setzt sich schließlich Karl Martell, ein unehelicher Sohn Pippins, durch. Dieser wiederum liefert sich mit den Arabern eine bedeutende Schlacht. Im Jahre 732 besiegt er die Araber bei Poitiers (der genaue Ort ist unbekannt, vermutlich in der Nähe des heutigen Châtellerault, also etwa 250 km südwestlich von Paris). Ansonsten kämpfte er halt noch gegen alles, was sich irgendwie bewegte, Friesen, Sachsen, Bayern etc. Als Karl Martell 741 stirbt, folgt ihm sein Sohn Pippin III (der noch existierende Pseudokönig der Merowinger und der Bruder wurden ins Kloster geschickt und abserviert.). Als er 768 stirbt, erben seine Söhne das Reich. Der eine davon stirbt aber gleich, so dass nur Karl der Große die Bühne der Weltgeschichte betritt. Die unten stehende Grafik, Wikipedia entnommen, zeigt das Frankenreich nach dem Tod Pipins und die Eroberungen von Karl dem Großen.




Nach Karl dem Großen wird dann Ludwig der Fromme Kaiser, und von da an gings bergab. Als ersterer 840 stirbt, teilen seine drei Söhne das Reich auf. Es enstehen drei Reiche, das Westfrankenreich, Kern des heutigen Frankreich (geht an Karl den Kahlen), das Ostfrankenreich (geht an Ludwig den Deutschen) und ein Bereich zwischen diesen beiden mit einem Großteil Italiens, der an Lothar I geht. Das Reich Lothars löste sich dann vereinfacht gesagt in Wohlgefallen auf und wird, vereinfacht gesagt, dem Ostränkischen Reich zugeschlagen. Es ist der Kern des Heiligen Römischen Reiches und wird mit Otto dem Großen, der nichts mehr mit den Karolingern zu tun hat, mit dessen Thronbesteigung 962 neu erblühen, das heißt, viele, viele Kriege führen. Das Westreich und das Ostreich entwickeln sich nun endgültig auseinander. Doch zurück zum Westfrankenreich. Nach der Teilung wird das Westfrankenreich von Karl dem Kahlen regiert, von 843 bis 877. Auf Karl den Kahlen folgt dessen Sohn Ludwig II, verstirbt allerdings schon 879. Der Machtverlust des Königs setzt sich auch mit seinem Sohn Karl III fort. Es entsteht eine Machtbalance zwischen Adel und König. Auch wenn der Anführer des Adels Robert I in der Schlacht bei Soisson 922 fällt, bleibt die Position Karl III, des Einfältigen, geschwächt. Er wird 923 gefangen genommen und stirbt in Gefangenschaft 929. König wird Rudolf. Dieser wiederum stirbt kinderlos, so dass der Sohn des deaktivierten Karls III reaktiviert wird. Der war nach England geflüchtet und wird jetzt als Ludwig IV 936 zum König gewählt. Obwohl mit der Unterstützung Hugos des Großen an die Macht gekommen, dieser ist der Sohn des hingemeuchelten Robert I, kommt es zum Clinch mit eben diesem, und Hugo der Große lässt ihn gefangennehmen, lässt ihn aber wieder frei, als er macht, was Hugo will. Auf Ludwig IV folgt nun Lothar I. Der wiederum gerät in Clinch mit seinem Bruder, weil dieser Ansprüche auf Niederlothringen erhebt. In diesem Konflikt erhält er Unterstützung vom Sohn Hugos des Großen, dem von Dante erwähnten Hugo Capet. Diese Unterstützung hält aber nicht lange. Er macht Lothar I platt und wird selber König. Und seine Kinder und Kindeskinder blieben dann auch tatsächlich sehr, sehr lange die Könige von Frankreich. Und weil dem so ist und weil Dante nun mal die französischen Könige nicht mag, ist er „des Giftbaumes Wurzel“. Warum er aber im Läuterungsberg landet und so eine harmlose Gestalt wie Francesca da Rimini in der Hölle, das versteht kein Mensch.

Von einem Fleischer aus Paris entsprossen
Sah ich Könige alten Stammhaus enden
Den letzten hielt ein Mönchsgewand umfangen

Das ist natürlich historisch gesehen totaler Mumpitz. Es gibt ein Chanson de geste "Hugues Capet", das ist 1360 entstanden, als die französischen Könige Probleme mit dem Bürgertum hatten. Es musste bewiesen werden, dass die französischen Könige dem Bürgertum entstammten und Frankreich gegen eine Armee Ottos I tapfer verteidigten, was sogar einen wahren Kern hat, denn tatsächlich stand Hugo der Große im Konflikt zwischen Lothar I auf Seiten Lothars. Davon abgesehen, ist das aber natürlich Quark. Da Dante aber einem solchen Märchen aufsitzt, kann man schließen, dass es zu dieser Zeit noch kein Wikipedia gab und er nicht die Möglichkeit hatte, sich etwas umfassender zu informieren. Das verzeihen wir ihm. Aber wieso findet Dante es eigentlich plausibel, dass ein Fleischer König wird?

Der hat in der Tat einige Könige kommen und gehen sehen, bevor er sich selber auf den Thron setzte (Manchmal wird in der Literatur behauptet, dass Dante sich irrte, er den Vater mit dem Sohn verwechselte, aber dafür finden wir keinen Anhaltspunkt, er kann genauso gut den Sohn meinen). Wen er allerdings mit Mönchsgewand meint, ist unklar. Ins Kloster geschickt wurden einige. Er könnte auch auf die Brüder von Pippin III anspielen, die wurden auch ins Kloster geschickt.

Da griff ich nach dem Zaun mit festen Händen!
Durch Freundschaft stark, erfolgreich im Erwerben,
Kam ich impor und wusste es so zu wenden

Dass die verwaiste Krone meinen Erben
und aus diesem Samen sprossen
All die Gesalbten – mag sie Gott verderben

Das diese Verse historisch betrachtet kritisch sind, ist klar. Es war weniger Freundschaft, was ihm die Möglichkeit bot, sich auf den Thron zu setzen, als ein massiver Interessenskonflikt zwischen Adel und König. Der Thron war auch nicht verwaist. Verwaist war er erst, als er den König umbrachte. Das mit den Gesalbten ist natürlich ironisch gemeint.

Dann kommt eine Aufzählung des Sündenregisters dieser Könige. Das mag zwar alles richtig sein, was er da schreibt, allerdings waren die wohl damals alle nicht besonders helle, das war ein Hauen und Stechen ohne Ende, überall. Wieso er sich da jetzt gerade die französischen Könige rauspickt, ist vollkommen schleierhaft. Es sollte nochmal gut 700 Jahre dauern, genau genommen bis nach dem zweiten Weltkrieg, bis in dem ganzen Gewusel im Ansatz irgendein Sinn zu erkennen ist. Die Situation besserte sich, als sich die Erkenntnis durchsetzte, dass so wie es läuft, die Geschichte eine Höllenmaschine ist und die theoretische Durchdringung politischer, sozialer und wirtschaftlicher Verhältnisse dramatisch zunahm.

Seit sie die Mitglied der Provence genossen
Schwand den Bedeutungslosen bald die Scham
Biss dass ihr Übermut ins Kraut geschossen

Jetzt kommt ein kleiner Satz von ein paar hundert Jahren, also die Etablierung der Karpetinger (mit Hugo Capet) zur königlichen Dynastie Frankreichs spielte sich vor 1000 ab, aber diese Geschichte spielt um 1234. Angespielt wird auf die Heirat von Ludwig IX mit Margarete von Provence. Nicht alle teilen die Ansichten Dantes, denn Ludwig IV, trägt den Beinamen der Heilige. Aus heutiger Sicht war er eben einer der vielen spinntisierenden Könige, die es so gab. Judenverfolgung, Bücherverbrennung, Kreuzzüge etc. also volles Programm. Er war der älteste Bruder von Karl von Anjou. Dieser wiederum heiratete 1245 die Schwester von Margarete, Beatrix. Der Vater der Töchter, Raimund Berengar V, hatte Beatrix als Erbin der Provence eingesetzt. Das führte dann zu einem Streit zwischen Margarete und ihrem Schwager Karl von Anjou.

Nun hielt sich das Geschlecht nicht länger zahm
Log, trog und raubte dreist bis es – zur Buße!
Ponthieu, Gascogne und Normandie sich nahm

Gemeint ist Phillip IV, der regierte von 1285 bis 1314. Dieser war tatsächlich ein Raffzahn, er veranlasste die Zerschlagung des Templerordens, um so an deren Vermögen zu kommen und die Entführung des Papstes Bonifatius, welcher kurz darauf starb. Der folgende Papst, Clemens V, wurde freundlich dazu überredet, nach Avignon umzuziehen. Ihn hat Dante natürlich ganz besonders auf dem Kicker, weil er der Gegenspieler des von Dante verehrten Kaisers des Heiligen Römischen Reiches war, Heinrich VII. Die Anspielung auf die Gascogne (gelegen an der spanischen Grenze, Golf von Biskaya) ist grenzwertig. Es handelt sich um Gebiete, auf die sowohl Eduard I von England wie auch Phillip IV Anspruch erhoben. Das war damals so üblich, Pack schlug sich, Pack vertrug sich. Wieso die Gascogne und Aquitanien genuin zu England gehören sollten und Frankreich ein Usurpator war, ergibt sich nach einem Blick auf die Landkarte nicht unbedingt.

Herabkam Karl nach Welschland und – zur Buße!
Ließ Konradin er sterben, schickte dann
Ins Paradies Sankt Thomas – auch zur Buße

Ersteres ist richtig, zweiteres wohl Dünnsinn. Tatsächlich starben die letzten Staufer in Italien, Manfred von Sizilien und Konradin, in Kämpfen mit Karl von Anjou. Über die moralische Über- bzw. Unterlegenheit der beiden könnte man jetzt natürlich streiten. Was den Tod von Thomas von Aquin angeht, kolportiert Dante ein Gerücht. Ein Arzt von Karl von Anjou soll Thomas von Aquin mit vergiftetem Konfekt getötet haben.

Schon seh ich einen anderen Karl heran
Aus Frankreich ziehn, ach! Und wie der beschaffen
Und seine Schar, man bald erkennen kann

Gemeint ist Karl von Valois, ein Bruder Phillips IV. Den hat Dante nun natürlich ganz besonders auf dem Kicker, denn er ist dafür verantwortlich, dass Dante aus Florenz verbannt wurde. 1301 schickt Papst Bonifaz Karl von Valois nach Florenz, um dort zwischen Guelfen und Ghibellinen zu vermitteln. Tatsächlich öffnet er aber die Tore für die vertriebenen schwarzen Guelfen, die daraufhin wieder die Oberhand erlangen. Dies führt nun, da Dante die Vertreter beider Parteien, sowohl der Guelfen wie auch der Ghibellinen vorher aus Florenz vertrieben hatte, zu seiner eigenen Verbannung. Darauf beziehen sich dann diese Verse. Er kommt eigentlich ohne Armee, als Friedenstifter, öffnet aber tatsächlich die Tore für die Guelfen.

Wehrlos kommt er und führt sonst keine Waffen
Ischariots Lanze nur schwingt seine Hand
Doch so, dass dir Florenz die Flanken klaffen

Ischariot ist ein anderer Name für Judas (nach dem Ort Isch Qerijot). Die Lanze des Judas ist eben der Verrat.

Er erntet Schuld und Schande, doch kein Land
Das drückt ihn einst mit um so größerer Schwere
Je mehr er heut den Schaden hält für Tand

Mit "er erntete Schuld und Schande, doch kein Land" kann alles Mögliche gemeint sein. Karl Valois war zuerst mit Margarete von Sizilien verheiratet, wodurch er, erfolglos, versuchte, König von Sizilien zu werden, später, nach deren Tod, mit Katharina von Courtenay, der Anwärterin auf den Thron von Konstantinopel, aber auch das führte zu nichts. Auch sein dritter Versuch gekrönt zu werden, schlug fehl. Er bewarb sich, unterstützt von seinem Bruder um den Titel des Kaisers des Heiligen Römischen Reiches. Gewählt wurde allerdings Heinrich VII von Luxemburg.

Der dritte Karl, gefangen jüngst am Meere
Verkauft sein Kind – so schachern die Korsaren
Um Sklavenmädchen – ohne Scham und Ehre!

Also: Karl von Anjou ist der erste Karl, Karl von Valois der zweite und der dritte ist der Sohn von Karl von Anjou, Karl II von Anjou. Das mit dem Karl II ist jetzt eine Geschichte, die wir schon kennen, bzw. den Anfang davon. Karl II ist der Sohn von Karl von Anjou und damit ein Vetter von Karl von Valois. Nach Manfreds Tod flüchtete dessen Gattin mit ihrer Tochter Constantia nach Spanien. Da Manfred von Sizilien Ansprüche auf die Krone in Sizilien erhoben hat, die der Papst ja Karl von Anjou zugesprochen hatte, erbt seine Tochter diesen Anspruch und damit auch Peter III von Aragonien. Peter III unterstützt die Aufständischen in der bereits öfters erwähnten sizilianischen Vesper 1282. 1284 kommt es zur Seeschlacht zwischen Aragonien und Frankreich, bei der Karl II gefangen genommen wird. Im von Eduard I vermittelten Frieden wird Karl II gegen ein Lösegeld von 30 000 Pfund Silber freigelassen. Weiter muss er seinen Vetter, Karl von Valois (Bruder Phillips IV) dazu bringen, seine Gebietsansprüche auf Aragon aufzugeben. Zusätzlich zu den 30 000 Pfund Silber muss er noch drei seiner Söhne als Geiseln in Aragon zurücklassen. Darauf bezieht sich die Aussage "dass es mit Kindern handelt wie mit Waren".

Ich seh die Lilien in Alagna prangen
Und, künftige Übeltaten auszustechen
Im Stellvertreter Jesuschrift gefangen

In Alagna (in Piemont, Grenze zur Schweiz) wurde Papst Bonifaz geboren, den bringt Phillip IV unter seine Kontrolle, so dass in Alagna die Lilien prangen. Lilien sind das Wappen der französischen Könige. Etwas unverständlich bleibt der Vers trotzdem, betrachten wir das italienische Orginal.

Perché men paia il mal futuro e 'l fatto,
veggio in Alagna intrar lo fiordaliso,
e nel vicario suo Cristo esser catto.

Damit zukünftige Schuld geringer scheine, als jene die bereits vollendet
das Zeichen der Lilie in Anagni wird erscheinen
Christus in dem Priester ist gefangen

Angespielt wird auf das Attentat auf Bonifaz VIII. Eigentlich war dieser mit Phillip IV gegen die Staufer verbündet. Allerdings endet die Harmonie, als Phillip IV den Zehnten, also die Kirchensteuer, für sich beansprucht. Daraufhin erlässt Bonifaz die päpstliche Bulle Unam Sanctam, die den Vorrang der geistlichen Macht über die weltliche Macht postuliert. Phillip IV hat ein Interesse, die Macht des Papstes zu brechen, um so seine eigenen Interessen besser durchsetzen zu können. Nach dem Tode Bonifaz VIII wird auch der Amtsitz des Papstes nach Avignon verlegt, der Nachfolger Bonifaz, der aus Frankreich stammende Clemens V, residiert in Avignon.

Von Spöttern seh ich ihn umringt, von Frechen
Und Essig kosten wiederum und Galle
Seh zwischen Schächern dann sein Auge brechen

Die Verse sind dunkel. Höchstwahrscheinlich ist immer noch von Bonifaz VIII die Rede und vom Attentat in Aganani. Am 7. September 1303 wurde der Palast des Papstes in Agnani überfallen, der Papst festgesetzt. Erst am 9. September befreiten Einwohner von Agnani den Papst und vertrieben die Eindringliche. Allerdings war Bonifaz danach so mitgenommen, dass er wenig später starb.

Seh auch des neueren Pilatus Kralle
Nach Kirchengut sich strecken, seh ihn tragen
Der Habgier Banner in die Tempelhalle

Hier lohnt es sich auch, das italienische Original anzuschauen.

Veggio il novo Pilato sì crudele,
che ciò nol sazia, ma sanza decreto
portar nel Tempio le cupide vele.

Sehe den wiederauferstandenen Pilatus
so gierig noch, dass ohne abzuwarten
er ihn den Tempel drägt die gierigen Begierden

Mit dem „novo Pilato“, dem neuen Pilatus, ist wohl Phillip IV gemeint. Dante sieht wohl eine Ähnlichkeit zwischen Pilatus, der gegen Jesu vorgeht (genau genommen dies aber ziemlich wiederwillig tut) und dem König, der gegen den Papst vorgeht. Italienische Interpreten neigen dazu, in den Versen eine Andeutung auf die Verfolgung des Templerordens durch Phillip IV zu sehen. Nach dem Tode Bonifaz VIII wollte Clemens V die Vorwürfe gegen die Templer (Sodomie, Ketzerei etc.) nochmal prüfen lassen, aber auf diese Untersuchung legte Phillip keinen Wert. Er verfolgte sie senza decreto, ohne Anordnung, weil er vor allem am Vermögen des Templerordens interessiert war. Die Übersetzung mit Tempelhalle ist wohl weniger günstig, weil das eher von Templerorden wegführt, aber um diesen geht es.

Was du mich an der Braut hast hören loben
Des heiligen Geistes, drauf der Wunsch in dir
Entstand, bei mir Erklärung zu erproben

Das bildet der Gebete Inhalt hier
Bei Tag – doch steigt die Nacht vom Sternenäther
So klagen von den Gegensätzen wir

Soll heißen, im Moment ist es Tag und da preisen sie die Beispiele der Tugendhaftigkeit, also Maria, Fabricius, Nikolaus. Nachts aber rufen sie sich die Beispiele der Untugenden in Erinnerung.

Dann wird Pygmalion, der Übeltäter,
Betrachtet, den die Gier nach Gold zum Dieb,
Zum Brudermörder machte und Verräter

Dante bezieht sich offensichtlich auf die Darstellung des Pygmalion bei Vergil. Dort ist er der Bruder der Dido, der Königin von Karthago. Er ermordet den Ehemann Didos aus Habgier.

Dann Midas, dem der gleiche schmutzge Trieb
Solch lächerliches Elend eingetragen
Dass er bis heute ein Gespötte blieb

Es gab mehrere griechische Könige dieses Namens. Dante meint aber offensichtlich die mythologische Gestalt Midas, der, so die Legende, Sohn des Gordion, des Königs von Phrygien (heutige Türkei) und der Kybele, eine Fruchtbarkeitsgöttin, die ursprünglich ebenfalls in Phrygien verehrt wurde, später aber auf dem Berg Ida in Kreta, so die Legende, ihren Wohnsitz hatte. Um diesen Midas ranken sich nun zahlreiche Legenden, die alle dessen absolute Blödheit thematisieren. Midas wollte zum Beispiel so klug werden wie Silenos, der Lehrer von Dionysos. Er glaubte, dass es hierfür reichen würde, Silenos gefangen zu nehmen. Dies tat er, indem er Wein in einen Bach mischte. Als Silenos davon trank, schlief er berauscht ein und wurde gefangen genommen. Dionysos gewährte daraufhin dem Midas eine Bitte, wenn dieser dafür seinen Lehrer freiließe. Die Bitte des Midas war, dass alles, was er anfasste zu Gold würde. Der Wunsch wurde ihm erfüllt, der Haken war, dass auch alle Nahrungsmittel zu Gold wurden, so dass Midas fast verhungerte. Er bat nun Dionysos, die Gabe zurückzunehmen. Dieser riet ihm daraufhin, sich im Fluss Paktolos zu baden. Er tat dies, mit dem Ergebnis, dass nun der Fluss goldhaltig war.

Auch weiß von Achan jeder hier zu sagen
Der frech die Beute stahl, dass Josuas Hand
Noch heut ihm zürnend scheint hier zu erschlagen

Abgestellt wird auf eine Espisode aus Josua 7, 1. ff. Achan hatte nach der Eroberung Jerichos zwanzig Silberlinge und eine Stange Gold gestohlen und in seiner Hütte vergraben. Da ist der Herr Israels erzürnt (eigentlich könnte es ihm ja egal sein, er kriegt es ja eh nicht, aber anyway). Um den Herrn zu versöhnen lässt Josua, das ist der Nachfolger Moses, Achan und die Seinen steinigen.

Saphira und ihr Gatte wird genannt
Mit Schimpf, mit Lob der Sturz des Heliodor
Und schmachbedeckt wird rings dem Berg bekannt

Was mit Saphira und ihrem Gatten los ist, steht in Apostelgeschichte 5,1. Allerdings ist die Geschichte total abenteuerlich. Wir betonen, dass das, was jetzt folgt, die ganze Geschichte ist: Ein Mann aber, mit Namen Ananias samt seinem Weibe Saphira verkaufte sein Gut und entwendete etwas vom Gelde mit Wissen seines Weibes und brachte einen Teil und legte ihn zu der Apostel Füßen. Petrus aber sprach: Ananias, warum hat der Satan dein Herz erfüllt, dass du dem heiligen Geist lögest und entwendetest etwas vom Gelde des Ackers? Hättest du ihn doch wohl mögen behalten, da du ihn hattest; und da er verkauft war, war es auch in deiner Gewalt. Warum hast du denn solches in deinem Herzen vorgenommen? Du hast nicht Menschen, sondern Gott gelogen. Da Ananias aber diese Worte hörte, fiel er nieder und gab den Geist auf. Und es kam eine große Furcht über alle, die dies hörten. Es standen aber die Jünglinge auf und taten ihn beiseite und trugen ihn hinaus und begruben ihn. Und es begab sich über eine Weile, bei drei Stunden, dass sein Weib hineinkam und wusste nicht, was geschehen war. Aber Petrus antwortete ihr: Sage mir: Habt ihr den Acker so teuer verkauft? Sie sprach: Ja, so teuer. Petrus aber sprach zu ihr: Warum seid ihr denn eins geworden, zu versuchen den Geist des HERRN? Siehe, die Füße derer, die deinen Mann begraben haben, sind vor der Tür und werden dich hinaustragen. Und alsbald fiel sie zu seinen Füßen und gab den Geist auf. Da kamen die Jünglinge und fanden sie tot, trugen sie hinaus und begruben sie neben ihren Mann. Und es kam eine große Furcht über die ganze Gemeinde und über alle, die solches hörten.

Also, da verkauft jemand einen Acker, der ihm unstreitig gehört, gibt aber den Erlös, der ihm unstreitig zusteht, nicht vollkommen an, sondern nur zum Teil und dafür wird er bestraft und zwar zum Tode. Verglichen damit ist das Finanzamt ja die reinste Kindergärtnerin. Sitte und Brauch war es, einen Teil vom Erlös der Gemeinde zu spenden, anzunehmen ist, dass es da so ungefähre Vorstellungen gab, was angemessen war. Um also dem sozialen Druck etwas auszuweichen, mindert man am Besten den Gewinn ein bisschen, das haben sie getan. Das aber reicht, um sie zum Tode zu verurteilen. Wahrlich, wahrlich, der Gott Israels ist ein eifersüchtiger Gott, also irgendwie so eine Art Rübezahl. Manchmal ganz großzügig, aber manchmal auch ganz schon harsch.

Des Polymnestors Mord an Polydor
Dann rufen wir am Schlusse: „Krassus, sprich:
Wie schmeckt das Gold? Du weißt es, armer Tor.“

Ist Ihnen was aufgefallen? Normalerweise haben wir pro Terzine eine Gestalt, jetzt gleich zwei. Also Dante steigert sich noch, wenn wir fertig sind, sind in jeder Terzine drei, irgendwann haben wir dann nur noch sowas.

Klytämnestra Mord, raffgierige Sphinx, wonnebrünstig Dido
raffende Hand Karl, Raffzahn Peter, Katarina treulos
Gilberto Verrat, Michael gottlos

Das wären 5 in einer Terzine. Gott sei Dank ist Dante 1321 gestorben. Stellen sie sich mal vor, er hätte nochmal 700 Jahre Geschichte zur Verfüngung gehabt, allein in Deutschland 630 Parlamentarier, die man irgendwo in der Hölle oder im Läuterungsberg unterbringen kann oder muss. Da würde Ihnen irgendwann mal der Schädel wegfliegen.

Also, fangen wir mit Polymnestor und Polydor an. Polydoros war der jüngste Sohn des Priamos. Um die Schätze Trojas vor den Griechen in Sicherheit zu bringen, wurde Polydoros mit eben diesen Schätzen zu Polymnestor, dem König von Thrakien geschickt; er hielt sich also beim Fall von Troja dort auf. Nach dem Fall von Troja bringt Poymnester Polydoros um, um so an die Schätze zu gelangen. Den Leichnam wirft er ins Meer. Als er an den Strand gespült wird, erkennt ihn seine Mutter Hekabe, die inzwischen in griechischer Gefangenschaft ist. Sie tötet die Kinder des Polymnestors und blendet diesen.

Fehlt uns noch der Krassus. Marcus Licinius Crassus (geb. 115 v. Chr. , gest. 53 v. Chr.) war nun eine richtige Dumpfbacke, Geiz war mit Sicherheit das harmloseste seiner Verbrechen. Er kam nach der Niederlage der Gegner Sullas zu beträchtlichem Vermögen, indem er deren Vermögen konfiszierte. Er ließ sich den Oberbefehl über das Sklavenheer des Spartacus übertragen, nachdem er dieses 73 v.Chr. besiegt hatte und ließ die Gefangenen an der Via Appia ans Kreuz schlagen. Im Falle von Crassus gab es sogar mal eine gerechte Strafe auf der Erde. In der Schlacht bei Carrhae (heute Syrien, Nähe Libanon) wurde sein Herr von den Parthern vernichtend geschlagen, Crassus selbst wurde geköpft, sein Kopf öffentlich zur Schau gestellt. Gut gemacht, kann man da nur sagen. Der zweite Satz „Krassus, sprich: Wie schmeckt das Gold?“ bezieht sich auf eine Legende. Der König der Parther, Orodes II, soll flüssiges Gold in den Mund des abgeschlagenen Kopfes geschüttet haben, mit den oben erwähnten Worten. Orodes wusste wohl, dass ein Grund für den Angriff von Crassus auf das Partherreich war, an dessen Schätze zu kommen.

Und nicht nur ich war‘ s, der vorhin die Frommen
Beispiele pries, ich tat mit lauterem Klange
Das nur, drum mich allein hast du vernommen

Das ist die Antwort auf die eingangs von Dante gestellte Frage, warum nur er allein zu hören ist („…und aus welchem Grunde, erneuerst du altes Lob – und du allein?“)

So heftig schüttelte-nicht Delos sich
Eh, beide Himmelsaugen zu gebären
Latona dort ins sichre Nest entwich

Latona ist der lateinische Name für Leto. Mit Leto sind wir wieder bei den Griechen. Leto ist die Tochter des Titanen Koios (noch erinnerlich? Die Titanen sind aus der Verbindung von Gaia, der Mutter Erde mit deren Sohn Uranus hervorgegangen. Kronos wiederum zeugt mit seiner Titanenschwester Rhea die Götter....) und der Phoibe (auch eine Titanin). Die Sache wird jetzt allerdings ein bisschen komisch, weil die olympischen Götter ja die Titanen nach deren Aufstand in den Tartarus verfrachtet haben. Also rein logisch gesehen, kam Leto dann wohl im Tartarus zur Welt. Nachdem aber Zeus Papa und Mama in den Tartarus verfrachtet hatte, fängt er ein Techtelmechel mit deren Tochter an. Man kann also definitiv sagen, der Typ lässt nichts anbrennen. Wenn Sie also überall lesen, Leto sei die "Geliebte des Zeus" gewesen, dann ist das ziemlich relativ. Der hatte soviele Geliebte wie Julio Iglesias, anzunehmen ist, dass er sich da im Einzelnen gar nicht mehr dran erinnern kann. Auf jeden Fall ist das Ergebnis dieser wie auch immer gearteten Verbindung zwischen Leto und Zeus, dass Leto schwanger wird, mit Artemis und Apollon. Das Ergebnis ist, das kennen wir schon, dass seine göttliche Schwester und Gemahlin Hera stinksauer ist, weil Gaia, also die Erde, Ihre Großmutter (Großmutter, weil Gaia mit ihrem Sohn Uranus gibt die Titanen, die Titanen Kronos und Rhea geben die Götter) ihr vorhergesagt hatte, dass die Kinder der Leto mächtiger werden, als ihre eigenen (was ja zutrifft, denn wer kennt schon Ares, den furchtbaren Gotte des Krieges, oder Hebe, die Göttin der Jugend, oder Eileithyia, die Göttin der Geburt). Also so ein richtiger Donnergott kommt nur raus, wenn eine Titanin involviert ist. Sie versucht also die Niederkunft zu verhindern. Erstmal schickt sie den Drachen Python (das ist ein wahrscheinlich hässliches Vieh, hervorgegangen aus einer Verbindung von Gaia und dem Schlamm) los, damit dieser Leto verschlinge. Das wiederum verhindert Zeus (wahrscheinlich weniger, weil er sich für Leto interessierte, als aufgrund der Tatsache, dass da ein biologisches Programm abläuft, die Leute wollen sich ja immer fortpflanzen). Hera trägt daraufhin ihrer Großmutter Gaia auf, dafür zu sorgen, dass Leto auf keinem Land gebären könne, welches jemals von der Sonne beschienen worden war. Daraufhin lässt Poseidon die Insel Delos auftauchen, die ist ja dann neu und war zum Zeitpunkt der Zusage Gaias noch nie von der Sonne beschienen worden. Poseidon hat also mehr für seinen Bruder Zeus übrig, als für seine Schwester Hera. Zeus wiederum hat sich inzwischen gegen seine schwesterliche Gattin ein richtiges Hausheer geschaffen, den Hermes, ein von ihm mit der Pleiade Maia gezeugter Sohn, bringt die schwangere Titanin dann eben dahin. Hera kann also nur auf ihre eigene selbsterzeugte Hausmacht zurückgreifen, also auf Eilethyia, die Göttin der Fruchtbarkeit, die hat aber auch Zeus als Papa. Am Anfang ist Hera aber erfolgreich und Eiletyhia weigert sich, Letho bei der Geburt beizustehen. Aber die ganzen Mannsbilder im Himmel sind natürlich für Zeus und gegen die Spaßbremse Hera. Die legen jetzt zusammen und kaufen dem Himmel den Mond ab, woraus Hephaistos, (Sohn des Zeus und der Hera) ein so schönes Halsband fertigt, dass Eilethya, Göttin hin Göttin her, im Grunde ist sie halt eine Frau, sich bestechen lässt und Letho beisteht. Also der Plott ist natürlich ziemlich jämmerlich. Adorno wirft ja den Produkten der Kulturindustrie vor, Werke zu schaffen, "die an den Grenzen der psychologischen Motivierbarkeit" liegen. Bei den Griechen ist das ein bisschen anders, verglichen damit ist Hollywood geradezu Realismus pur. Mit „beide Himmelsaugen“ sind dann Artemis uns Apollon gemeint.

Und „gloria in excelsis deo“ schrien
Sie alle, wenn mein Ohr das recht verstanden
Was nur in nächster Nähe deutlich schien

Da sich Dante und Vergil ja zwei Terzinen vorher raschen Schrittes von der Gruppe der Büßenden entfernt hatten, vernehmen sie das „Gloria in excelsis deo“ nur noch unscharf. Das „Gloria in excelsis deo“ ist Teil der katholischen Messe, wie genau weiß der Autor aber nicht, denn er ist ein Heide, hat noch nie eine Kirche von Innen gesehen. Die Anfangszeilen lauten:

Gloria in excelsis Deo
et in terra pax hominibus bonae voluntatis.

Das gibt dann in der deutschen Übesetzung

Ehre sei Gott in der Höhe
und Friede auf Erden den Menschen seiner Gnade.

Wir standen reglos lauschend wie in Banden
Den Hirten gleich, die dies zuerst vernommen
Bis dass der Erdstoß und die Stimmen schwanden

Bezug genommen wird auf das Evangelium des Lukas, Kapitel 2, 8.

Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde, die hüteten des Nachts ihre Herde. Und siehe, des HERRN Engel trat zu ihnen, und die Klarheit des HERRN leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr. Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der HERR, in der Stadt Davids. Und das habt zum Zeichen: ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegend. Und alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen: Und da die Engel von ihnen gen Himmel fuhren, sprachen die Hirten untereinander: Laßt uns nun gehen gen Bethlehem und die Geschichte sehen, die da geschehen ist, die uns der HERR kundgetan hat. Und sie kamen eilends und fanden beide, Maria und Joseph, dazu das Kind in der Krippe liegend. Da sie es aber gesehen hatten, breiteten sie das Wort aus, welches zu ihnen von diesem Kinde gesagt war. Und alle, vor die es kam, wunderten sich der Rede, die ihnen die Hirten gesagt hatten. Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen. Und die Hirten kehrten wieder um, priesen und lobten Gott um alles, was sie gehört und gesehen hatten, wie denn zu ihnen gesagt war.

Als auf dem Heilsweg wir zurückgekommen
Sahn wir am Boden mit gewohnten Tränen
Die Schatten wieder leid und furchtbeklommen

Sollen heißen, das Gedonner hört irgendwann auf und sie sind wieder unter den Büßenden.

Diese Verse hätte man besser anders übersetzt, dann wären sie verständlicher.

Trübt mein Gedächtnis nicht ein irrig Wähnen
So tritt Unwissenheit und Wissbegier
Sich nie in meiner Brust mit schärferen Zähnen

Die italienischen Orginalverse lauten so.

Nulla ignoranza mai con tanta guerra
mi fé desideroso di sapere,
se la memoria mia in ciò non erra,

Das gäbe dann.

Noch nie flößt‘ Unwissenheit mit solcher Inbrunst
mir ein ein solch Begehren nach Belehrung
wenn mein Gedächtnis mich hier nicht täuscht

Unwissend war er also schon öfter, aber noch nie war sein Wunsch so groß, diese Unwissenheit zu beseitigen. Und auch bei den folgenden Versen hätte man geschickter übersetzen können.

Und niemals heftiger war mein Durst als hier
Doch da er eilte, wagte ich keine Fragen
Und wusste dennoch keinen Aufschluss mehr

Hier das italienische Original.

quanta pareami allor, pensando, avere;
né per la fretta dimandare er'oso,
né per me lì potea cosa vedere:

così m'andava timido e pensoso.

so scheint es mir jetzt, wen ich es recht bedenke
doch konnte ich durch eigene Kraft nicht tiefer dringen
und auch wagte nicht zu fragen in der Eile

so ging ich, eingeschüchtert und bedrückt