Dante und Vergil betreten das zehnte und letzte Tal des achten Kreises der
Hölle. Hier befinden sich die Fälscher. Allerdings sind die Fälschungen
unterschiedlicher Art, manche fälschten, indem sie vorgaben jemand anderes
zu sein, als der, der sie tatsächlich waren und andere fälschten
Münzen.
Als Juno über Semelen entbrannte
Und zornig das verhasste Theben kränkte
dem sie aus Rachsucht oft schon Unheil sandte
Angespielt wird auf folgende Geschichte der griechischen Mythologie. Semele
ist die Tochter der Harmonia und des Kadmos, des Gründers von Theben und
die Mutter des Dionysos. Jupiter, also Zeus,
will diese Semele nun vernaschen, was wiederum seine Gattin, Juno oder Hera, entzürnte. Diese will also das Techtelmechtel ihre göttlichen Gatten mit Semele beenden. Um das zu erreichen nimmt sie die Gestalt der Beroe an, also der Amme von Semmele und redet Semmele ein, dass Zeus gar nicht Zeus sei. Semmele will daraufhin Zeus unbekleidet sehen (wieso sie dann schlauer ist als vorher
wissen wir nicht, ist aber auch egal). Zeus gibt schließlich nach und
zeigt sich ihr ohne Tunika. Beim Anblick des göttlichen Zeus allerdings
verbrennt sie, so wie jeder irdische Körper verbrennt, der der Sonne zu
nah kommt und mit ihr der ganze Palast. Sie ist aber bereits schwanger, der
Lütte wird später Dionysos, den rettet Hermes.
Und Wahnsinn auch dem Athamas verhängte
Dass, als sein Weib des Weges kam gegangen
Mit den zwei Söhnen, die sie eben tränkte
Damit hat es folgende Bewandtnis, das ist jetzt aber kompliziert, bei den Griechen
geht‘ s nämlich zu wie bei Louis Trenker im Rucksack, das ist alles
kompliziert. Semele, hatte noch eine Schwester, Ino, und diese zog den Dionysos
auf. Das ist der erste Grund, warum Hera sauer war. Der zweite Grund ist aber,
dass Ino die zweite Frau von Athamas wurde, der war ja bereits, das hatten
wir schon, mit Nephele verheiratet (die wiederum die zwei Kinder Phrixes und
Helle hatte, die auf dem goldenen Bock flüchteten, dessen Fell dann wiederum
das goldene Vlies wurde, das zu suchen sich die Argonauten dann aufmachten).
Nephele beschwert sich also bei Hera, dass der irdische Gatte fremd geht, also
das gleiche tut, wie ihr Göttergatte. Mit Ino hat Athamos zwei Kinder,
Learchos und Melikertes. Hera lässt Athamas nun wahnsinnig werden und
in seiner Raserei tötet er Learchos. Ino und Melikertes stürzen sich
ins Meer, werden aber von Zeus zu Göttern erhoben. Darüber, was Hera
sagte als ihr reichlich
untreuer Göttergatte ihre Pläne torpedierte, können wir nur
spekulieren.
Und als die Troer, die sich stolz vermessen
Alles zu wagen, Reich und Thron verloren
Seit sie Fortunas Gunst nicht mehr besessen
Die Trojaner zogen eben jenes berühmte Pferd ins Stadtinnere, worauf der
Krieg dann verloren ging. Der letzte Vers verweist auf die Tatsache, dass Troja
so lange unbesiegbar war, wie sich die Statue der Athene in Troja befand. Odysseus
raubte diese Statue und das Glück verließ die Stadt.
Als Hekuba zur Sklavin ward erkoren
Geopfert Polyxenen erst erblickte
Dann Polydor, den sie mit Schmerz geboren
Hekuba (oder Hekabe) ist die Gattin des Priamos, also des Königs von Troja.
Ihre Tochter Polyxene wurde vom Sohn des Achilleus (Neoptolemos) in ihrem Beisein
auf dem Grab des Achilleus geopfert. Der jüngste Sohne der Hekabe war
der einzige, der den Untergang Trojas überlebte. Dieser war dem König
von Thrakien (Provinz Griechenlands, gegenüber der Türkei), Polymnestor,
zusammen mit einem großen Schatz anvertraut worden. Auf der Rückreise
nach Griechenland kamen die Griechen nach Thrakien, opferten dort Polyxena
in Gegenwart ihrer Mutter, die ihren in Sicherheit geglaubten Sohn Poydor tot
am Strand fand, er war von Polymnestro aus Habgier und um in den Besitz des
Schatzes zu kommen
ermordert worden. Hekabe erwürgt daraufhin die Kinder des Polymnestro
und kratzte ihm die Augen aus. Hekuba verwandelt sich anschließend in
einen Hund.
Doch nicht von Thebens Furien ward uns Kunde
Von Trojas nicht, dass je ihr Zorn gepackt
Tier oder Mensch derart, als zur Stunde
Die üppige Mobilisierung der griechischen Mythologie hatte also nur den
Sinn zu schildern, dass die Raserei im zehnten Kreis der Hölle noch weit
wilder tobte, also in Theben oder Troja. Bei dem was jetzt kommt muss man genau
hinschauen.
Ein Geisterpaar hier, totenblas und nackt
Herstürzte wie ein Schwein, das – aus dem Koben
In hast entrsprungen – bissig um sich hackt
Der eine packte den Capocchio oben
Am Hals und schleifte fort ihn, dass sein Bauch
Zerschunden ward vom Grund, dem steinig – groben
Da sprach der arme Aretinergauch
Der zitternd hocken blieb: Der Poltergeist
Heißt Schicchi – uns zu schaden ist sein Brauch
Es kommen also zwei Geister herangestürzt, die wiederum zwei Personen packen.
Die zwei die gepackt werden, kennen wir schon aus dem Ende des 29. Gesang. Aretiner
sind die Leute aus Arezzo. Der eine davon ist Capocchio ist der Geldfälscher,
der andere ist Griffolino, das ist tatsächlich ein Aretiner, ist der, den
Geld dafür nahm, dass er einem anderen das Fliegen beibringen wollte. Capocchio
wird von Schicchi geschnapppt. Giovanni Schicchi soll sich für den ermordeten
Buoso Donati ausgegeben haben
und in dessen Namen ein Testament verfasst haben, in dem er sich reichlich bedachte unter anderem mit der besten Stute im Stall, wovon gleich die Rede sein wird. Capocchio wiederum erzählt Dante dann auch noch, wer der zweite Schatten ist (Geisterpaar). Der zweite Schatten ist Myrrha. Myrrha ist wieder eine Figur aus der griechischen Mythologie und bekanntlich sieht es da ja aus, wie Hempels unterm Sofa. Ihre Eltern sind das Königspaar Cenchreis und Kinyras von Assyrien und Cenchreis wiederum behauptet, dass ihre Tochter schöner sei als Aphrodite (Spieglein, Spieglein an der Wand....). Das kann Aphrodite natürlich nicht auf sich sitzen lassen und sorgt dafür, dass
sich eben diese Tochter in ihren Paps verliebt und mit ihm schlafen will,
was sie dann auch schafft, indem sie sich bei Dunkelheit an ihn ranmacht. Sie
hat also ein Nickerchen mit ihrem eigenen Paps und aus dieser Liaison dangereuse
geht dann Adonis hervor. Jetzt ist natürlich die Mama sauer und will sie
umbringen, da hat dann aber Aphrodite ein Einsehen und verwandelt sie in einen
Myrrhenbaum, also so einer der Weihrauch spendet. Ob das besser ist als ganz
tot ist zwar unklar, aber das ist jetzt auch egal. Schwierig sind dann auch
noch diese beiden Verse.
Sie ist bei ihm ans arge Ziel gekommen
Weil sie verkleidet zu ihm ging bei Nacht
Auch Schicchi hat Betrug einst unternommen
Der – auf des Reitstalls Fürstin nur bedacht -
Nachahmend spielte die Donati Rolle
Und Testament nach Simons Sinn gemacht
Myrrha und Schicchi ähneln sich also insofern, als beide vortäuschten,
jemand zu sein, der sie nicht waren. Um diesen Vergleich herzustellen, muss
kurz die Myrrha und die Beschreibung deren Schicksal dazwischengeschoben worden.
Die letzten Verse (Der – auf des Reitstalls Fürstin nur bedacht -
) bezieht sich aber wieder auf Giovanni Schicchi.
Mit dem nächsten Vers gibt es gleich mehrere Probleme.
Und stieß auf einen der war anzusehen
Wie eine Laute, hätte ihim weggeschaft
Ein Schnitt die Gabel, die man braucht zum gehen
Die Wassersucht – durch falschzersetzten Saft
Die Glieder formlos blähend und verdrehend
Dass dick der Bauch wird, das Gesicht erschlafft
Wahrscheinlich ist es so gemeint, dass der Oberkörper so angeschwollen
ist, dass er aussieht wie eine Laute, also die mit dem großen, bauchigen
Klangkörper. Das Problem ist die Wassersucht, ihm italienischen Orginal
steht etisia.
faceva lui tener le labbra aperte
come l’ etico fa, che per la sete
l'un verso 'l mento e l'altro in sù rinverte.
Ein etico ist der an etisia leidet, an Schwindsucht oder Tuberkolisis. Diese schwemmt aber den Körper gar nicht auf, im Gegenteil, es findet ein rapider Gewichtsverlust statt. Alle übersetzen aber mit Wassersucht, das ist das, was Dante wohl meinte. Der von der Wassersucht aufgeblähte (aufgebläht ist er, ganz in der Logik de contrappasso, weil er Geld aufblähte). Auch über Mastro Adamo gibt es nur wenig überlieferte Fakten. Aufgrund dessen, was er selber erzählt, dass er in einem der vier Täler der Provinz Arezzo gelebt hat und dort von den Conti Guidi, also von Alessandro Guido und Aghinolfo Guido
dazu überredet worden war, den Fiorentino, die Währung von Florenz
zu fälschen, also den Goldanteil zu verringern und den Kupferanteil zu
erhöhen, wird vermutet, dass es sich um einen englischstämmigen Maestro
Adamo handelt, der in Brescia gelebt hat und in Bologna 1270 aktenkundig geworden
ist, wo er an der dortigen Universität studiert hat. Im Jahre 1281 wird
er von der Regierung von Florenz gefangen genommen und öffentlich verbrannt.
Dieser Meister Adam liegt neben der Frau des Potiphar und Sinon.
Des Ehebruchs wollt die den Josef zeihen
Sinon ist der – Lug war ihm Schild und Wehre
Und Fieberhitze dünstet aus den zweien
Über Potiphar erfahren wir alles im 1. Buch Mose, 39. Ist wohl aber eine
typische Männerphantasie. Joseph ist der, den seine Brüder in den Brunnen
geschmissen haben. weil ihnen seine Prinz Manieren und Papas Lieblings Manieren
auf den Sender gingen. Später verkauften sie ihn an Kaufleute und die wiederum
verkaufen ihn an Potiphar, einem Oberst der Leibwache des Pharaos. Dessen Frau
wiederum will ihn vernaschen, was eher unglaubwürdig ist, aber in der Bibel
wollen immer die Mädels die Jungs vernaschen, obwohl es ja in der Realität
eher umgekehrt ist. Der Prinz auf jeden Fall lehnt die Offerte ab (das ist dann
dreimal unwahrscheinlich) worauf dann Potiphar sauer ist und sie bei ihrem Mann
bezichtigt, sie vergewaltigt zu haben. Daraufhin landet er im Knast, wo er erst
wieder rauskommt, als er dem Pharao seinen Traum deutet, mit den sieben guten
und sieben schlechten Jahren. Damit beginnt dann seine Karriere und als es seinen
Brüdern schlecht geht, landen die auch in Ägypten. Da sind dann die
Israeliten in Ägypten bis Moses sie ins gelobte Land führt. Und hätte
der Joseph nicht den Traum gedeutet, hätten wir heute keine Jaffa Orangen.
Sinon spielt eine Rolle im Trojanischen Krieg. Er lässt sich absichtlich
von den Trojanern gefangen nehmen und überredet sie dann, das trojanische
Pferd in die Stadt zu ziehen. Zwischen Mastro Adamo und Sinon beginnt dann ein
Streit, in dem sich beide ihre Sünden vorwerfen. Dunkel ist hierbei noch
diese Stelle.
Doch du hast Brand und Kopfschmerz! Und zu schlürfen
Vom Spiegel des Narzissus würdest du
Wohl keiner langen Einladung bedürfen.
Der Spiegel des Narzissus ist schlicht Wasser und da er Durst hat, würde
er dieses trinken.
Dass Dante aber sich aufgeilt an diesem Streit, wie es Neudeutsch heißt,
nimmt ihm Vergil übel.
Ich hörte stumm dem Zank der beiden zu
Da rief Vergil: „Sieh da! Was soll das Schauen?
Nur wenig fehlt, ich rügte dich im Nu!
Da sich Dante aber für seine
Neugier aus niederen Beweggründen
wenigstens schämt, verzeiht ihm Vergil.