Auf dem Rücken Geryons fliegen Dante und Vergil hinab zum achten Kreis der Hölle. Wie dieser aussieht, erschließt sich dem Autor nicht wirklich und die Angaben hierzu sind widersprüchlich und lassen sich auch aus dem italienischen Text nicht zweifelfrei entnehmen.

Teilweise wird er beschrieben als ein Kreis, der selber wieder eingeteilt ist in zehn Unterkreise, also im Grunde hätte dann das gleiche Aussehen, wie der siebte Kreis, eben nur sieben Kreise mehr und die Unterkreise als Gräben vorgestellt, die durch Dämme getrennt sind.

Die zweite Sicht, und wohl die richtigere, sieht den achten Kreis als aus zehn Tälern bestehend, die auf den Mittelpunkt, also den neunten Kreis, ausgerichtet sind. Diese Täler sind durch Dämme von einander getrennt, und durch Brücken aus Felsgestein verbunden, so dass man sie überqueren kann.

Da sie an späterer Stelle die Felswand, die alle Gräben umgibt hochklettern, ist zu vermuten, dass Geryon sie im ersten Graben abgesetzt hat.

Als hierorts wir von Geryons Rücken glitten
Begab der Dichter sich zur Linken stracks
Ich aber folgte seinen Schritten

Hierorts wäre also dann der erste Graben, oder das erste Tal des achten Kreises. Mit links haben wir ein Problem, da links lediglich da ist, wo der Daumen rechts ist, aber wo ist der Daumen? Wir gehen einfach mal davon aus, dass gegen den Uhrzeigersinn gemeint ist, also wenn man sich an den Kreisen orientiert. Vergil und Dante durchqueren dieses Jammertal also in der Breite und zwar oberhalb der Mitte desselben, was dann auch eine Deutung ermöglicht, was mit rechts gemeint ist.

Rechts bildeten neuartigen Gezwacks
Und neuer Martern Schinder und Erfinder
Den vollen Inhalt dieses ersten Sacks

Sie sind also noch relativ dicht an der Felswand, die zum siebten Kreis führt und sehen rechts den ganzen Jammer. Da gibt es jetzt eine Schaar, die bereits die Mitte des Tales durchwandert hat, diese läuft auf sie zu, bewegt sich also weg vom neunten Kreis der Hölle und die andere, die schon jenseits der Mitte ist, nähert sich diesem Kreis. Allerdings hängt diese Sichtweise davon ab, wie man diese Verse interpretiert.

Nel fondo erano ignudi i peccatori;
Dal mezzo in qua ci venien verso 'l volto,
di là con noi, ma con passi maggiori,

Eindeutiger ist hier wohl eine von der Übersetzung Zoozmanns abweichende Interpretation.

Im Grunde gingen nackt und bloß die Sünder
Diesseits der Mitte kamen sie entgegen
Jenseit in unserer Richtung, doch viel schneller

Wörtlich käme sowas raus

Im Grunde waren nackt und Sünder
Von der Mitte da sie kamen uns zugeneigt das Gesicht
von jenseits mit uns, aber mit größeren Schritten

In diesem Jammertal büßen die Kuppler und Verführer. Wieso Dante erwähnt, dass er anhielt und sogar ein paar Schritte zurücklief, um einen der aus der ewig wandernden Schaar genauer zu betrachten, wissen wir nicht. Wir können aber daraus schließen, dass Dante und Vergil sich nun in Richtung der Mitte des Tales bewegen, sonst wären sie ihnen ja nicht entgegengekommen. Erkannt hat Dante Venedico die Caccianemici. Venedico Caccianemico (geb. ungefähr um 1228) stammt aus Bologna und gehörte der Partei der Guelfen an. Zeitweise hatte er wichtige politische Ämter in Milano, Pistoia und Modena inne. Venedico wurde vorgeworfen, seine Schwester Ghisolabella veranlasst zu haben, dem Marchesse Azzo VIII zu Willen zu sein.

Die Verse, die dann kommen, sind weitgehend dunkel.

Doch nicht als einziger der Bolgnesen
Verzweifl ich hier, soviel find derer drinnen
Als niemals Sipa-Sprecher sind gewesen

Am Ort, wo Savena und Reno rinnen
Nicht brauch ich dir die Wahrheit zu beschwören
Willst du dich unsrer Habsucht nur entsinnen!

Die Sipa-Sprecher lassen sich noch erklären, in Bologna scheint man damals anstatt si, sipa (es sei) gesagt zu haben. Wieso die Bologneser allerdings besonders habgierig gewesen sein sollen, ist unklar.

Vergil und Dante wandern weiter in Richtung neunter Kreis, also längs des Sacktales. Denkt man darüber nach, wird es jetzt etwas merkwürdig, rein geographische betrachtet. Dante wandern weiter, bis sie an eine Stell kommen, wo Stufen in die Felswand geschlagen sind, dort glättern sie dann hoch, stehen also auf einem der Dämme, die die Täler trennt. Auf diesem Damm laufen sie dann rechts weiter, also immer weiter in Richtung neunter Kreis, entfernen sich damit vom dem Kreis, also dem siebten, der die ganzen Täler umfasst. Merkwürdig sind dann aber diese Verse.

Bis wo die Felsen auseinander sprangen
Um Durchlass den Gepeitschten zu gestatten.
Da sprache Virgil: In gleicher Richtung drangen

Voran mit unserem Schritt die anderen Schatten
Darum betrachte jetzt auch die Gesichter
Die wir bislang noch nicht gesehen hatten

Gemeint sind also die oben bereits Beschriebenen, die sich jenseits der Mitte von Dante und Vergil wegbewegten und zwar „schnelleren Schrittes“ also Dante und Vergil sich bewegten. Wenn Dante und Vergil ihnen jetzt aber ins Gesicht sehen können, dann sind sie entweder auf dem Weg in das nächste Tal (um Durchlass den Gepeitschten zu gestatten), laufen also nicht mehr längs sondern quer, oder Dante und Vergil haben eine Abkürzung gemacht. Letztlich ist das aber egal.

Wir finden nun wieder einen Verweis auf die griechische Mythologie, auf Jason. Wer in drei Teufels Namen war Jason? Also Jason war der, der das goldene Vlies raubte, davon erzählt die Argonautensage, aber was ist das goldene Vlies ? Fangen wir also ganz von vorne an. Der König von Böotien (heutiges Verwaltungsgebiet Mittelgriechenland) Athamas hatte Stress mit seiner Frau Nephele und ein Techtelmechtel mit Ino, der Tochter von Kadmos, König von Theben. Ino hasste die Töchter von Nephele, weil diese ja Anspruch auf den Thron hatten, sie hätte es, naheliegenderweise, vorgezogen selber ein Sohn zu haben, der dann König wird. Sie bittet also die Götter zu Hilfe und da diese in jenen Zeiten nicht nur redeten sondern auch mal was taten, halfen sie dann auch, zwar etwas umständlich, aber immerhin. Sie schickten nämlich einen Steinbock (Widder), mit goldenem Fell der fliegen und reden konnte (dieser Widder wiederum war natürlich ein Sohn des Poseidons, bei den Griechen war ja alles möglich). Dieser Steinbock, Chrysomallos mit Namen, trug nun die beiden Kinder der Nephele, Helle und Phrixos, in ein Land am schwarzen Meer. Bei den Dardanellen jedoch, also traditionell der Grenzlinie zwischen Europa und Asien, fiel Helle ins Meer und deswegen heißt dieser Durchgang (die Verbindung von Ägais und Marmarameer, auch Hellespont. Chrysomallos setzt Phrixos in Kolchis ab (Ostküste des schwarzen Meees), wo ihn der dortige König Aietes gastlich empfing. Chrysomallus fordert nun Phrixos auf, ihn zu opfern und überlässt ihm als Abschiedsgeschenk seinen goldenen Pelz. Nach seinem Tod steigt er zu den Sternen auf und ist dort noch bis heute zu sehen, als Sternkreiszeichen Widder eben. Phrixos wiederum schenkt diesen goldenen Pelz Aites, dieser wiederum bewahrt ihn, von einem Drachen bewacht, im Hain des Ares (bei den Römern der Mars, der Kriegsgott, auf). Soweit zum goldenen Vlies. Kommen wir zu Jason und zur Argonautensage.

Jason bekommt von seinem Onkel Pelias, (König des heutigen Verwaltungsgebietes Thessalien) den Auftrag, das goldene Vlies zu rauben, in der Hoffnung, dass Jason bei dieser Gelegenheit stirbt, der Onkel will sich eines möglichen Anwärters auf den Thron entledigen. Jason gelingt es jedoch, alles was im damaligen Griechenland Rang und Namen hatte, Herakles, Theseus, Orpheus etc. für dieses Reise zu gewinnen und lässt sich von Argos ein schnelles Schiff bauen, woher dann der Name Argonauten für die Teilnehmer dieser Reise und der Name Argonautensage stammt. Auf dem Weg dahin kommt es zu einer unendlichen Anzahl von Zwischenfällen, von denen uns aber im Moment nur das Ereigniss interessiert, auf welches bei Dante angespielt wird.

Des Vlieses, als an Lemnos Strand die Wut
Erzürnter Weiber, Eifersucht-entbrannt,
Erbarmunglos vergoss der Männer Blut

Hypsipylen hat er das Herz entwandt
Mit Schmeicheleien von süßem Liebesglücke!
Und sie, die selbst zu heucheln gut verstand

Ließ er in Mutterhoffnung schnöd zurücke
Hier büßt er dies, wie auch Medeen
Verübte Schuld und buhlerische Tücke

Wir sehen mal davon ab, das die Rechtsauffassung Dantes der unseren nicht entspricht, denn es kann nicht sein, dass man zwar als Nichtchrist nicht in Paradies kommt, dafür aber ziemlich weit unten in der Hölle landet, wenn man den christlichen Vorstellungen nicht entspricht. Anyway. Lemnos ist eine Insel in der Ägais. Die dortigen Bewohner hatten die Heiligtümer der Aphrodite vernachlässigt, was diese natürlich erboste. Sie strafte die Bewohner damit, dass sie allen Frauen einen üblen Mundgeruch verlieh, so dass sich deren Männer andere Frauen suchten, in diesem Fall irgendwelche Sklavinnen. Das wiederum erzürnte nun die Frauen und sie brachten die Männer einfach um. Der einzige, der nicht umgebracht wurde war Thoas, dessen Tochter Hypsipylen ihn versteckt hatte (das mit dem … die selbst zu heucheln gut verstand…, ist also kritisch). Kurz darauf kommt Jason mit seiner Manschaft edler Recken auf Lemnos an und da gibt es dann natürlich viel Spaß, weil ja erstens die Männer tot waren und zweitens Herakles und Konsorten wohl mehr her macht, also das was vorher da war. Jason auf jeden Fall schwängert Hypsipylen und sie bekommt zwei Kinder. Später merken dann die anderen Frauen, dass Hypsipylen sie betrogen hatte und schicken sie mitsamt Kindern in die Verbannung.

Unter Umständen tauchen die ganzen Griechen hier auf, weil sie das Maximum an Lug, Trug, Prinzipienlosigkeit und Wollust darstellen, denn so wie die Geschichte angefangen hat, geht sie auch weiter, bis in alle Ewigkeit. Medea, die Tochter des Aietes ist von Liebe zu Jason entbrannt und gibt ihm einen Zaubertrank, der den Drachen einschläfert. Aites aber will das goldene Flies nur unter der Bedingung rausrücken, dass er den Hain des Ares (also des Gottes, dem das Vlies geweiht ist) mit den Stieren des Hephaisto pflückt und Drachenzähne sät. Aus diesen hätten eigentlich Krieger sprießen sollen, die Jason und seinen Kumpels dann den Garaus machen, aber Jason macht sie vorher platt. Obwohl damit alle Aufgaben, die Aites forderte erfüllt sind, rückt er das Vlies immer noch nicht raus und plant, Jason und seine Mitstreiter umzubringen, ein Plan, der von Medea verraten wird. Mit Jason wiederum hat sie zwei Kinder, die sie aber umbringt, als Jason sich mit einer anderen vermählt. Kann sein, dass Dante das griechische Totaltohuwabohu deswegen wählte, weil es die perfekte Illustrierung von Prinzipienlosigkeit, Verlogenheit, Selbstsucht und Wollust darstellte. Wir haben also unter Umständen eine deutliche andere Einschätzung der Antike als in der deutschen Klassik.

Von der Höhe des Dammes schauen sie in das zweite Tal, wo die Schmeichler hausen. Den ersten, den Dante erblickt ist Alessio Interminei aus Lucca. Alessio Interminelli war ein Adliger aus Lucca, heutige Toscana,
und ein Anhänger der weißen Guelfen starb 1295. Historisch ist wenig über ihn bekannt, inwiefern er den Zeitgenossen Dantes als
illustratives Beispiel für einen Schmeichler herhalten konnten, wissen wir nicht.

Thais stammt aus Athen und begleitete als Geliebte Alexander den Großen auf seinem Zug gegen Persien. Verschiedentlich wird erwähnt, dass sie es gewesen sein soll, die Alexander den Großen dazu veranlasste den persischen Königspalast Persepolis (330 vor Christus) niederzubrennen. Möglich ist, dass sie nach Alexanders Tod, 323 vor Christus, Ptolemaios heiratete.