Queen reloaded: The Quark must go on

Empty spaces - what are we living for
Abandoned places - I guess we know the score
On and on, does anybody know what we are looking for...
Another hero, another mindless crime
Behind the curtain, in the pantomime
Hold the line, does anybody want to take it anymore
The Quark must go on,
The Quark must go on
http://www.youtube.com/
Does Dante know what we are looking for ? Im Allgemeinen, das liest man ja überall, gilt Dante als der Repräsentant mittelalterlichen Wissens. Da aber das mittelalterliche Wissen pures Nichtwissen war, ist Dante eigentlich der Repräsentant mittelalterlichen Nichtwissens. Historisch ist natürlich Nichtwissen genauso interessant wie Wissen. Das Wissen um das Nichtwissen ist irgendwie auch Wissen. Irgendwie. Spitzt man die Frage allerdings etwas zu, dann relativiert sich die Aussage etwas. Wieviel Geld soll eine Gesellschaft ausgeben, um ein Wissen über Nichtwissen zu erlangen und wieviel Geld soll sie ausgeben, um Wissen zu erlangen? Für die beamteten Geistlichen ist das Wissen um das Nichtwissen genau so bedeutend wie Wissen. Rein vordergründig könnte man sich aber auf den Standpunkt stellen, dass es ausreichend Dinge gibt, die wir tatsächlich nicht wissen, aber wissen sollten, so dass das Wissen um das Nichtwissen nicht gerade Priorität besitzt. Die Dante „Forschung“ hat ja zu einer Büchermenge geführt, da bräuchte man einige hundert Güterwaggons, um die von A nach B zu transportieren und jedes Jahr kommt nochmal ein Waggon dazu. Geballtes Wissen um das Nichtwissen. Reizvoller wäre natürlich ein Buch, das Antwort auf die schlichte Frage gibt, wozu wir ein Wissen um das Nichtwissen eigentlich brauchen. Es besteht aber die Befürchtung, dass ein solches Buch, würde es von einem verbeamteten Geistlichen geschrieben, nur leere Blätter enthielte. Der Beschäftigung Wissen über Nichtwissen zu erlangen, korreliert eine gewisse Desorientiertheit, eine gewisse Briefmarkensammlermentalität, eine gewisse Blödheit, Spießigkeit. Geht es um universitäre Ausbildung in neuerfundenen Studiengängen und Aufbaustudiengänge wie Kulturmanager, interkulturelle Kommunikation, Ästhetik der Medien etc. und wird in diese dann so ein Quark integriert, es handelt sich bei diesen Studiengängen ja meistens um einen Remix aus Inhalten, die älter sind als die grünen Hügel Afrikas, dann haben wir es mit mehr zu tun als schlichter Trägheit und Dummheit. Wir sind dann allmählich bei einer moralischen Kategorie angelangt. Es ist Aufgabe der Unis, Studenten auf das Leben, auch auf das Berufsleben, vorzubereiten, Möglichkeiten aufzuzeigen und Perspektiven zu entwickeln. Hierzu gehören vor allem Inhalte und Techniken, die es erlauben, geisteswissenschaftliche Inhalte interessant, lebendig und für jeden zugänglich darzustellen. Sinnvoller als irgendwelche Referate, Hausarbeiten etc. wären zum Beispiel Projekte, die fakultätenübergreifend durchgeführt werden. Da aber den verbeamteten Geistlichen selbst alle Eigenschaften fehlen, die sie für ein Berufsleben außerhalb der Uni qualifizieren würden: Kreativität, Teamfähigkeit, Interesse an wirtschaftlichen Entwicklungen, Fähigkeit, Zusammenhänge lebendig darzustellen, technisches Verständnis neuer Medien, BWL Kenntnisse etc. etc. kann man feststellen, dass das Personal zur Ausbildung von Studenten weitgehend unqualifiziert ist. Dieser Zusammenhang wäre bei der Studienreform zu überdenken gewesen, nicht der Name der Abschlüsse. Dann besteht hier auch ein Markt. Man kann sich auch mit Nichtwissen beschäftigen, wenn man aufzeigt, warum es nicht trägt. Es könnte durchaus eine Aufgabe der Geisteswissenschaften sein, zu filtern, zu orientieren und zu unterhalten, wenn die Kriterien, nach denen gefiltert wird, transparent sind. Es darf auch eine öffentliche Diskussion um diese Kriterien geben. Das Problem scheint aber darin zu bestehen, dass die Geisteswissenschaften gar keine Kriterien haben, anhand derer sie filtern und orientieren können. Das hat auch nichts mit einem Elfenbeinturm zu tun. Dieser ist ja noch irgendwie positiv, bezeichnet zwar das etwas Elitäre, Abgehobene, kann aber auch positiv gemeint sein. Denkbar ist ja zum Beispiel, dass nur Menschen, die der gesellschaftlichen Realität und ihren ökonomischen Mechanismen entrückt sind, etwas radikal Neues hervorbringen. L‘ Art pour l‘ art ist Elfenbeinturm, aber interessanter als Bertolt Brecht, der uns im Theater ökonomische Zusammenhänge erklären will. Will ich hierüber informiert werden, nehm ich ein Fachbuch in die Hand. Die Geisteswissenschaften sitzen aber nicht in einem Elfenbeinturm, sie sitzen in einem miefigen Rattenloch. Sie sitzen nicht im Elfenbeinturm und sind der Welt mit ihrem Klein Klein enthoben, sondern in einem Loch und ihr Ausblick reicht gerade bis zur Öffnung desselben. Das größte Glück besteht dann darin, einmal von einem staatlichen Fördertopf ein Stück Käse durch die Öffnung hineingereicht zu bekommen, das ihnen dann hilft, subtiles Wissen über Nichtwissen zu erlangen.

Solang als man die beiden Latoniden
Bedeckt vom Widder und der Waage sieht,
Wenn gleiche Horizonte sie umfrieden,

Solang der Waage Zunge im Zenit
Die beiden Schalen hält im Gleichgewichte,
Bis eine steigt, die andre abwärtszieht,

Solang sah Beatrice, im Gesichte
Ein Lächeln, jenen Punkt stillschweigend an,
Der mich vorhin bezwang mit grellem Lichte.
Im Original

Quando ambedue li figli di Latona,
coperti del Montone e de la Libra,
fanno de l'orizzonte insieme zona,

quant'è dal punto che 'l cenìt inlibra
infin che l'uno e l'altro da quel cinto,
cambiando l'emisperio, si dilibra,

tanto, col volto di riso dipinto,
si tacque Beatrice, riguardando
fiso nel punto che m'avea vinto.

Genau so lange wie Sohn und Tochter der Latona,
bedeckt vom Widder und der Waage,
gemeinsam am Horizont erscheinen,

Genau so lange wie der Moment währt,
wenn der Zenit zum Ausgleich führt den Kreis
um dann, im Wechsel ungleich wird,

so lange, schwieg, mit einem Lächeln
ins Gesicht gemalt Beatrice, auf den
Punkt schauend, der mich überwältigt

Beatrice starrte also auf den sagenhaften Punkt, der entweder Gott oder die Trinität ist. Des weiteren haben wir eine Darstellung, wie lange sie darauf schaute. Von der poetischen Schönheit, wie dieser Moment beschrieben wird, sind wir natürlich überwältigt, das klingt überhaupt nicht konstruiert. Sohn und Tochter der Latona (die hatten wir schon, die hatte mit Zeus ein Stelldichein, was Hera auf die Palme brachte, die ihre Niederkunft zu verhindern suchte) sind Apollo und Diana. Apollo ist der Gott des Lichts, also der Sonne und Diana die Göttin des Mondes. Die Sonne und der Mond sollen also gleichzeitig am Horizont erscheinen. Das ist, rein theoretisch, zweimal im Jahr der Fall, nämlich bei den Tagundnachtgleichen, also am 21/22 März (Frühlingsanfang auf der Nordhalbkugel) und am 22/23 September (Herbstanfang auf der Nordhalbkugel). Am 21/22 März stand, zumindest historisch, die Sonne im Widder (um Christi Geburt allerdings stand sie zu diesem Zeitpunkt bereits im Sternzeichen Fische, aufgrund der Präzession, dem irdischen Torkeln, und da stand sie auch zur Zeit Dantes, das heißt Dante hat, wie der Autor auch, nie in den Himmel geschaut, sondern einfach überlieferte Angaben übernommen). Am 22. September stand, ebenfalls lediglich historisch (heute Jungfrau) und zu Dantes Zeit nicht mehr richtig, die Sonne in der Waage. Da der Tag bei der Tagundnachtgleiche exakt so lang ist wie die Nacht, geht die Sonne, in der dantesken Astronomie, im Westen unter und der Mond erscheint im Osten, für einen ganz kurzen Moment, wobei Dante diese Konstellation höchstwahrscheinlich selber nie beobachtet hat. Des weiteren scheint Dante ganz grundsätzlich etwas zu verwechseln. Nacht ist, wenn die Sonne unterhalb des Horizontes liegt und Tag, wenn sie darüber ist. Der Tag ist also genau dann so lang wie die Nacht, wenn die Sonne sich genau so lange unterhalb des Horizontes befindet wie oberhalb. Punkt. Der Mond hat damit überhaupt nichts zu tun. Der kann auch am helllichten Tag erscheinen und tut das auch, das hat sogar der Autor, der nie nach oben schaut, schon beobachten können. Bei den Tagundnachtgleichen ist es also keineswegs so, dass der Mond in dem Moment auf der einen Seite auftaucht, in dem die Sonne am anderen Ende verschwindet. Das wäre auch nach dem ptolemäischen Weltbild nicht so gewesen. Wir wissen also nicht, wie lange Beatrice auf den sagenhaften Punkt glotzte, was aber harmlos ist, denn es interessiert uns auch nicht.

„Nicht brauch ich dich zu fragen,“ sprach sie dann,
„Was du begehrst, denn dorther sah ich`s tagen,
Wo engverknüpft ist jedes Wo und Wann.

Nicht für sich selbst Gewinn davonzutragen,
Wie Einfalt meint, nein! Dass im Widerglanz
Ihr Schimmer nur ‚ich bin‘ vermag zu sagen,

Ergoss, befreit von Zeit- und Raumsubstanz
Die ewge Liebeskraft als Allumfasser
Neunfache Liebe diesem Strahlenkranz.

Im Original

Poi cominciò: «Io dico, e non dimando,
quel che tu vuoli udir, perch'io l'ho visto
là 've s'appunta ogne *ubi* e ogne *quando*

Non per aver a sé di bene acquisto,
ch'esser non può, ma perché suo splendore
potesse, risplendendo, dir "*Subsisto*",

in sua etternità di tempo fore,
fuor d'ogne altro comprender, come i piacque,
s'aperse in nuovi amor l'etterno amore

Dann begann sie: “Ich sage, ohne es erfragt zu haben,
was du hören willst, weil ich es dort sah,
Wohin sich richtet jedes *wo* und jedes *wann*

Nicht um für sich mehr Güter zu erlangen,
was ohnehin nicht möglich, sondern damit sein
Glanz in seiner Pracht verkünde *ich bin*

als Wesen, das in Ewigkeit und außerhalb der Zeit besteht,
außerhalb dessen, was der Verstand begreift, allein weil
Es ihm gefiel, er in neuer Liebe die ewige Liebe entzündet

Beatrice fragt also gar nicht erst, was Dante wissen will, das weiß sie eh, sondern erklärt ihm gleich was er wissen will. Die zweite ist dann wieder das Tralala von der göttlichen Güte. Wir sehen durchaus ein, dass Gott, der ja, hätte er sich ein bisschen beeilt, die Erde auch als Nebenjob am Wochenende hätte zusammenbauen können, kaum Wert auf irdische Güte legt. Was ihn antreibt ist offensichtlich das Gleiche wie Bill Gates. Der kann auch nicht noch mehr Dollars aufeinanderhäufen bzw. es ist inzwischen belanglos. Was ihn antreibt ist der Wille, der Welt zu verkünden, dass er da ist. Allerdings scheint dieser Wille nicht so stark zu sein wie der Dollartrieb, denn im Grunde schwächelt die Firma Kleinweich doch gewaltig und hat sich von google eigentlich ganz schön vorführen lassen. Die dritte Terzine ist im Detail nicht interpretierbar. Was man unter Ewigkeit im katholischen Hokuspokus verstehen soll, ist unklar, denn darüber haben sich natürlich Alle Gedanken gemacht. Was Dante angeht kämen Boethius und Thomas von Aquin in Frage, der ersterem weitgehend folgt. Der Autor hat auch noch eine Definition von Ewigkeit: Ewigkeit ist die Zeit, die man braucht um die Divina Commedia zu lesen.

Nicht, dass sie vorher dalag wie ein blasser,
Erstarrter Leib - : Kein Vor- und Nachher war,
Eh Gottes Atem webte überm Wasser!

Im Original

Né prima quasi torpente si giacque;
ché né prima né poscia procedette
lo discorrer di Dio sovra quest'acque

Doch lag sie vorher nicht träge danieder;
nicht vorher und nicht nachher schwebte
Gottes Geist über diesen Wassern

Gemeint ist wohl schlicht, nach Thomas von Aquin, dass Gott eben schon immer da war und damit auch die göttliche Liebe schon immer da war, sie hat also kein Anfang und kein Ende. Im Detail allerdings ist es dunkel, verstanden hat es, das lässt sich den verschiedenen Übersetzungen entnehmen, niemand. Das Detail, welche das allgemeine Unverständnis offenbart, ist das „discorrere“. Der Sinn von discorrere hat sich im Laufe der Zeit etwas gewandelt, die Kernbedeutung ist aber sprechen. In diese Richtung geht dann auch die Übersetzung von Gmelin.

Auch vorher lag sie müßig nicht danieder,
Denn weder vorher noch hernach bewegte
Sich Gottes Rede über diesen Wassern

Falkenhausen übersetzt dann aber so:

Nicht, daß bis dahin ihre Kräfte ruhten:
Gab‘s doch nicht Vor und Nach, nicht Tag noch Stunden,
Eh Gottes Geist geschwebt ob jenen Fluten

Wir haben also für das discorrere Atem (Zoozmann), Rede (Gmelin), Geist (Falkenhausen). Das Problem ist, dass nun mal discorrere, sprechen, da steht, aber der Bibelvers, auf den offensichtlich Bezug genommen wird, Genesis, 1, 2, von Geist spricht.

Und die Erde war wüst und leer, und es war finster auf der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte auf dem Wasser.

Das ist im übrigen auch im Italienischen so.

Ora la terra era informe e deserta e le tenebre ricoprivano l'abisso e lo spirito di Dio aleggiava sulle acque.

Die unterschiedliche Übersetzung müsste also auf eine unterschiedliche Interpretation der Terzine hindeuten, denn Atem, Geist, Rede ist ja nicht das Gleiche. Zumindest normalerweise. Bei Thomas von Aquin kann man das aber nicht so sicher sagen. Da kann es sein, dass alle drei eine Emanation der göttlichen Gnade sind, die von der Liebe auf die Menschen kommt und dem Apfelkompott die Süße spenden. Wahrscheinlich ist die Interpretation Dantes, also Geist ersetzen durch sprechen, gar nicht mal so schlecht. Es lässt sich ohne weiteres vorstellen, dass Gott den lieben langen Tag über dem Wasser schwebte und Selbstgespräche führte, was hätte er auch sonst tun sollen den lieben langen Tag?

Nein! Stoff und Form trat als vereintes Paar,
Als ob dreifacher Strang drei Pfeile schösse,
Ins Dasein, rein und jedes Fehlers bar! -

Im Original

Forma e materia, congiunte e purette,
usciro ad esser che non avia fallo,
come d'arco tricordo tre saette

Form und Materie, verbunden und rein,
erwachten zum sein ohne Fehl, wie aus
einem dreisaitigen Bogen drei Pfeile

Nach der dantesken Astrophysik kommt jetzt noch eine danteske Biologie. Diese Terzine steht im Zusammenhang mit der Terzine oben (wo also beschrieben wird, dass die göttliche Liebe andere Liebe entzündet, damit Gott kund tut, dass er da ist). Erklärt wird also, welche Wesen Gott in seiner unendlichen Liebe hervorgebracht hat. Es wurden Wesen geschaffen, die nur Geist waren, also nur Form (Engel), dann reiner Stoff (nur Materie) und Wesen, wo Geist und Materia vermischt waren (Menschen). Das Bild mit den drei Pfeilen kann man, wie üblich, nicht nachvollziehen. Ein Pfeil trifft irgendwas, aber formt nichts. Aber hier wird ja ganz offensichtlich etwas geformt.

Als ob in Bernstein, Glas, Kristall sich gösse
Ein Lichtblitz, dass kein Auge vom Entzünden
Bis zum Durchflammstein merkt, ob Zeit verflösse,

So ließ der Herr dreifache Wirkung münden
Aus einer einzgen Tat, dass im Entspringen
Nicht Zwischenraum noch Stillstand zu ergründen.

Im Original

E come in vetro, in ambra o in cristallo
raggio resplende sì, che v
a l'esser tutto non è intervallo,

così 'l triforme effetto del suo sire
ne l'esser suo raggiò insieme tutto
sanza distinzione in essordire

Und wie in Glas, in Bernstein oder
Kristall ein Strahl erglänzt, der
ohne Verzögerung erstrahlt,

so hat der dreifache Effekt seines Herrschers auf
einmal das Wesen mit seinem Strahl vollkommen
durchdrungen ohne dass ein Unterschied im Entstehen

Die Terzinen sind nun eigentlich, so wie sie dastehen, weitgehend sinnfrei, die verschiedenen Übersetzungen unterscheiden sich zwar stark, haben aber alle gemeinsam, dass sie auch sinnfrei sind. Ein italienischer Kommentar schreibt dazu folgendes.

E così come 'l raggio del sol risplende in vetro in ambra et in cristallo talmente che non è intervallo di tempo dal venir a l'esser d'esso raggio tutto insieme, così 'l triforme effetto, così l'effetto di forma, di materia, e d'esser, tutto insieme raggiò dal suo Sire, risplendè e venne in atto da Dio suo signore, senza distintion ne l'essordire, senza distinguer nel produrle l'una da l'altra. E questo è quanto al terzo dubio, ciò è, al come, che esse sustantie furon create.

Und wie ein Sonnenstrahl in Glas, Bernstein oder in einem Kristall dergestalt aufscheint, dass zwischen dem Kommen und dem Erscheinen dieses Strahls keine Zeit verstreicht, so erglänzt und kommt dieser dreifache Effekt, also der Effekt der Form, der Materie und des Erscheinens, alle drei ausgesendet von seiner Herrschaft, in einer Handlung von Gott seinem Herrn, ohne Unterschied im Beginnen und auch nicht in der Entstehung des einen oder anderen.

aus:http://www.bibliotecaitaliana.it/

Der Strahl hat also drei Effekte, Form, Materie und Entstehen und diese drei sorgen dafür, dass die Engel, die Materie und die Menschen gleichzeitig und zwar in Lichtgeschwindigkeit oder schneller entstanden sind. Man kann jetzt natürlich die Details bei Thomas von Aquin nachlesen, man kann aber auch schlicht sagen, dass die im Mittelalter reichlich durch den Wind waren.

Zugleich ward miterschaffen allen Dingen
Ordnung und Zweck – und Gipfel dieser Welt
Sind die, die einzig reine Form empfingen.

Zuunterst ward der bloße Stoff gestellt,
Was Form und Kraft enthält, steht mitteninnen,
Unlösbar voneinander sich gesellt!

Im Original

Concreato fu ordine e costrutto
a le sustanze; e quelle furon cima
nel mondo in che puro atto fu produtto;

pura potenza tenne la parte ima;
nel mezzo strinse potenza con atto
tal vime, che già mai non si divima

Erschaffen mit den Substanzen ward auch
Die Ordnung; und diese wurden der Gipfel
Der Welt, wo nur reine Potenz erschaffen;

ganz unten ist die reine Potenz;
und in der Mitte ist festgezurrt Kraft und
Tat zusammen, so dass sie nie getrennt werden

hm. Will man diesen Hokuspokus tatsächlich verstehen? Wer es also verstehen will, kann sich die Übersetzung eines italienischen Kommentars dazu durchlesen. Man kann es natürlich genau so gut einfach lassen. Der italienische Kommentar stammt von Alessandro Vellutello und entstand 1544. Interessant daran ist, dass Alessandro Vellutello seinen Kommentar Papst Paul III (geb. 1468, gest.1549) widmet.

Concreato fu ordine, mostra, che a tutte queste tre spetie di creature, che egli domanda sustanze, fu concreato, ciò è, insieme con esse creato, e construtto ordine, il qual fu, che quelle fossero nel mondo cima, ciò è, tenessero il supremo grado, ne le quali fu prodotto atto puro, ciò è, pura forma, e questi furon, come habbiamo veduto, o nove ordini d'angeli distinti in tre gerarchie, sopra de' cieli, per esser di puro e semplice intelletto, onde Thomaso ne la prima parte dice, "Angelus est incorporeus, non compositus ex materia"; e quelle tenessero la parte ima, ciò è, la parte più infima e bassa, ne le quali fu prodotto pura potentia, ciò è, pura e semplice materia, e questa fu quella de gli elementi tutti in una massa, che da' poeti, e da' filosofi fu detta Caos; e quelle tenessero il mezo tra questi due estremi, ne' quali fosse congiunto potentia con atto, ciò è, materia con forma, e questi furon i cieli uniti inseparabilmente a le sue intelligentie, che di quelli sono la forma, et essi materia, onde dice, che tal vime, ciò è, tal legame, strinse nel mezo potentia con atto, che non si divima, il qual non si discioglie o dislega giamai.

Gleichzeitig wurde die Ordnung geschaffen, was wiederum zeigt, dass alle drei Arten von Kreaturen, die er (also Dante) Substanzen nennt, zusammen, also mit diesen, erschaffen wurden, die Ordnung also bereits da war. Die erste Art der Substanz war oben, hatte also den höchsten Grad und war reiner Akt, also reine Form. Und diese reinen Formen waren, wie wir gesehen haben, die neun Ordnungen der verschiedenen Engel in drei Hierarchien, die sich über dem Himmel befanden. Sie waren aus reinem und unvermischtem Geist. Thomas von Aquin sagt über sie: „Angelus est incorporeus, non compositus ex material” (Die Engel sind Körper, die nicht aus Materie bestehen). Und jene anderen waren ganz unten, also im tiefsten und untersten Bereich, wo nur reine Potenz entstand, also reine und ungemischte Materie. Das sind die Elemente, die nur in einer Masse vorliegen. Das ist das, was Dichter und Philosophen das Chaos nennen. Die Dritten befanden sich zwischen diesen beiden Extremen, dort war Potential und Akt vermengt, war also Materie mit Form. Das sind die Himmel, die unauflösbar mit ihrer jeweiligen Intelligenz verbunden sind, deren Form sie sind und diese Materie. Mit „dieser Bindung“, also Verbindung, ist also gemeint, dass in der Mitte die Potenz mit der Handlung verbunden ist, dass sie nie getrennt sind, nie gelöst und nie unverbunden sind.

aus:http://www.bibliotecaitaliana.it/

Hieronymus lässt freilich vom Beginnen
Der Engelschöpfung bis zu der der Welten
Verschiedene Jahrhunderte verrinnen,

Im Original

Ieronimo vi scrisse lungo tratto
di secoli de li angeli creati
anzi che l'altro mondo fosse fatto;

Hieronymus schrieb , dass viele Jahrhunderte
Bevor die Welt ward erschaffen, schon die
Engel erschaffen worden waren

Na, das ist ja ein starkes Stück, wie konnte sich Hieronymus nur in so einer entscheidenden, die Welt bewegenden Idee irren.

Doch wie in Wahrheit soll die Schöpfung gelten,
Lehrt uns die Heilge Schrift in viel Kapiteln,
Die längst verständgen Lesern es erhellten.

Im Original

ma questo vero è scritto in molti lati
da li scrittor de lo Spirito Santo,
e tu te n'avvedrai se bene agguati;

doch die Wahrheit kündet an vielen Stellen
der Schreiber des Heiligen Geistes, und auch
du kannst es erkennen, so du darauf achtest

Der Schreiber des Heiligen Geistes ist Thomas von Aquin, woraus wir ersehen, dass der Heilige Geist erstens für die Kommunikation zwischen Gott und Mensch zuständig ist und zweitens für Wissen steht. Wie wir ohne Heiligen Geist das hätten erkennen können, also dass die Engel zusammen mit dem Rest erschaffen wurden und nicht vorher, ist zwar etwas unklar, aber vermutlich ist die Bibel gemeint, aus der man ja wahrscheinlich auch herauslesen kann, dass es im Paradies ein MacDonalds gibt.

Schon die Vernunft kann teilweis dies ermitteln:
Weltlenker ohne Welt vorher so lange
Tatlos zu sehn – das dürfte sie bekritteln!

Im Original

e anche la ragione il vede alquanto,
che non concederebbe che ' motori
sanza sua perfezion fosser cotanto

und auch die Vernunft sieht das so,
die nie zugestehen würde, dass die Beweger
ohne sie vollständig perfekt wären

Die Beweger sind die Engel. Wären die Engel jetzt vor der Welt erschaffen worden, dann hätten sie ja nichts zu tun. Da sich aber Engel über die Tat bestimmen, sind sie nur perfekt, wenn sie auch was zu tun haben. Das ist natürlich völliger Unsinn. Engel sind Angestellte im nichttechnischen öffentlichen Dienst oder beamtet, sie unterstehen direkt der Zentralmacht, gehorchen ihr und nur ihr, das aber ohne nachzufragen. Sie waren wie Beamte schon bei ihrer Geburt auf das Beamtentum fixiert, das Kreativgen, Gestaltungsgen oder Sinngen besitzen sie also nicht. Beamte waren sie von Anfang an und werden es sein bis zum jüngsten Gericht. Nun zeigt aber die Alltagserfahrung, dass Beamte und Hingestellte im öffentlichen Dienst eben nur dann perfekt sind, wenn sie NICHTS tun, denn Ruhe und Frieden ist ihre Bestimmung und wenn sie doch was tun, ist es meistens Unsinn.

Nun weißt du: Wann und wo und wie im Gange
Der Schöpfung Engel wurden, und drei Flammen
Sind dir gelöscht von deinem Forschungsdrange.

Im Original

Or sai tu dove e quando questi amori
furon creati e come: sì che spenti
nel tuo disio già son tre ardori

Nun weißt du wo und wann diese Liebeswesen
Erschaffen wurden und wie: So dass schon
Drei Flammen deines Begehrens gelöscht sind

Also das mit dem wann geht ja in Ordnung. Die Engel wurden gleichzeitig mit dem Rest der Welt, des Universums erschaffen, damit sie gleich eine Tätigkeit haben (Was natürlich Unsinn ist. Bei Staatsekretären (die ähneln aus den oben genannten Gründen den Engeln) zum Beispiel hat man zuerst den Posten; was er dann tut, kommt später. Der Autor kennt auch aus seiner Tätigkeit in der Verwaltung Leute, die zwar einen Posten hatten, aber keine Tätigkeit. Das wie war zwar etwas dunkel, das war die Geschichte mit den drei Effekten, Form, Materie, Sein, die blitzartig die Engel erschaffen haben, aber immerhin, er sprach davon. Über das wo hat sie aber kein Wort verloren. Wir können höchstens vermuten, dass sie, beamtentypisch, irgendwo hin versetzt wurden und da blieben.

Doch zählt man zwanzig nicht so rasch zusammen,
Als einge sannen, wie sie untergrüben
Der Erde Grund, zu lockern Schloss und Krammen.

Im Original

Né giugneriesi, numerando, al venti
sì tosto, come de li angeli parte
turbò il suggetto de' vostri alimenti

So schnell wie der Ursprung eurer Nahrung
Ward gestört durch einen Teil der Engel
Wirst du nicht mal auf zwanzig zählen können

Soll heißen, dass es nicht allzu lange gedauert hat, bis nach der Erschaffung des Universums einige Engel rebellierten und verstoßen wurden. Bei ihrem Fall nach unten stießen sie mit dem Primum Mobile zusammen, das ja die anderen Sphären in Bewegung hält, so dass der Fall der Engel auch auf der Erde wahrgenommen wurde.

Treu blieben andre, jene Kunst zu üben,
Die du hier sahst, wozu sie Lust entzückt,
Weil keiner Trennung Schmerz sie kann betrüben.

Im Original

L'altra rimase, e cominciò quest'arte
che tu discerni, con tanto diletto,
che mai da circuir non si diparte

Der andre blieb und begann jenes Werk
das du hier siehst, mit soviel Hingabe
dass das Kreisen nie unterbrochen

Die Engel kreisen also um den Punkt, also Gott oder die Trinität. Dazu meint der bereits genannte Kommentator aus der Renaissance, Alessandro Vellutello:

L'altra parte de gli angeli, che non seguì Lucifero e rimase là su in cielo, cominciò quest'arte del circuir intorno al suo creatore, dal qual circuire, per esser confirmata in gratia, e non poter peccare, non si diparte mai.

Der andere Teil der Engel, der Luzifer nicht folgte und im Himmel blieb,
begann, um seinen Schöpfer zu kreisen, so dass die Gnade bestätigt wurde und sie unfähig waren zu sündigen und nie hörten sie auf zu kreisen.

Wo Dante dieses Kreisen her hat, ist ein Rätsel. Auf jeden Fall schauen sie ständig Gott, was sie glücklich macht. Der einzige, der ein bisschen Pep hatte und wohl auch mal kritisch anmerkte, dass das Paradies stinklangweilig ist, war Luzifer.

Anstoß zum Falle gab – weil ihn berückt
Verworfner Hochmut – Der, den du sahst leiden
Und knirschen, von des Erdballs Wucht erdrückt.

Er meint also Luzifer. Das hätten wir jetzt natürlich gerne ein bisschen genauer gewusst, was Luzifer da konkret angestellt hat. Dem Christentum ist ja zuzutrauen, dass jeder, der seinen eigenen Verstand einsetzt, hochmütig ist. In diese Richtung geht ja auch der Ratzinger, Joseph:

Ja, in gewissem Sinne können wir eine Besserung feststellen. Es gibt aber auch andere Entwicklungen. Im allgemeinen sehen wir einen wachsenden Relativismus, jedenfalls in der westlichen Welt: die Idee, dass alles gleich gültig sei, dass wir keine klaren Erkenntnisse über Gott haben und daher alle Glaubensrichtungen gleich nebeneinander stehen und so weiter. Das ist mein allgemeiner Eindruck von der heutigen Welt. Dies ist für uns als Christen eine Versuchung. Andererseits gibt es in vielen Menschen eine wirkliche Sehnsucht, eine konkrete Beziehung zu Christus zu haben, eine konkrete Verbindung mit der Gegenwart unseres Herrn. So würde ich sagen, daß sich bei der Jugend der Kirche die Lage schon verbessert hat, weil sie nicht einfach tut, was alle tun. Sie sind wirklich in Kontakt mit dem Herrn und teilen den Glauben der Kirche. Daher würde ich sagen, daß sich zwar die allgemeine Situation der westlichen Welt in Bezug auf den Glauben nicht gebessert hat. Aber in der Kirche, bei der Jugend der Kirche können wir einen Neubeginn sehen.

Aus: http://www.kath.net/

Wer also den einzig wahren Glauben anzweifelt, ist ein Relativist, ein Luzifer. Der Ratzinger kapiert das nicht. In der gesamten Menschheitsgeschichte wurde noch nie ein Krieg durch Leute entfesselt, die Fragen stellten. Aber die Leute, die im Besitz der Wahrheit waren, haben schon ganze Kontinente in Schutt und Asche gelegt. Der einzige, der im Himmel durchblickt, scheint Luzifer zu sein. Wahrheit ist eine komplexe Mischung aus Trägheit, Opportunismus, Faulheit, Machtgeilheit und der Unfähigkeit auf Dinge spontan und unvoreingenommen zu reagieren.

Die du hier siehest, fühlten sich bescheiden
In ihrem Selbst als Werkzeug Dem verpflichtet,
Der Kraft gibt, seines Anblicks sich zu weiden.

Im Original

Quelli che vedi qui furon modesti
a riconoscer sé da la bontate
che li avea fatti a tanto intender presti:

Die, die du siehst waren bescheiden
sich zu erkennen durch die Güte
die sie befähigte, so weit zu schauen

Wenn man das Weltbild Dantes grob skizziert, wird man feststellen, dass man es mit einem geschlossenen totalitären Weltbild zu tun hat. Höchstes Ziel des Menschen ist es, sich auf ein Leben im Jenseits vorzubereiten, also irgendwo im Paradies zu landen. Auf der Erde ist nur Jammer und Elend. Die Deutungshoheit, wie man da hinkommt hat allein die Kirche und allein die Kirche vermittelt über die Sakramente den Zugang. Das Vertrauen des Menschen in seine eigenen Gestaltungsmöglichkeiten wird systematisch unterminiert, da ja der menschliche Verstand in seiner Fähigkeit die Realität zu durchdringen diskreditiert wird. Das ergibt so in etwa die psychische Struktur eines Talibans: Das Diesseits undurchschaubar und ungestaltbar, das Jenseits institutionell vermittelt. Damit wird dann der Weg frei für Kreuzzüge aller Art. Dieser psychischen Struktur entspricht dann auch der merkwürdige Umstand, dass das Jenseits zwar systematisch erfasst und beschrieben wird, aber der Kenntnisstand das Diesseits betreffend praktisch Null war. Keine Reflexion über Ökonomie, Politik, völlige Unfähigkeit zur Introspektion, eine subjektive Verarbeitung der Welt ist praktisch nicht vorhanden. Die gesamte Welt wird betrachtet, bewertet und interpretiert durch die Brille einer statischen Ideologie.

Drum wurden sie zum Anschaun hier durchlichtet
Im Glanz durch ihr Verdienst und Gottes Gnade,
Dass ihre Willenstreue nichts vernichtet!

Im Original

per che le viste lor furo essaltate
con grazia illuminante e con lor merto,
si c'hanno ferma e piena volontate;

deshalb wurden ihre Augen so durch die
erleuchtete Gnade und ihren Verdienst erhoben,
dass ihr fester Wille unerschütterlich

Das ist wohl nochmal das Gleiche wie oben. Wer Gott schaut, findet seine Gnade bestätigt.

Drum höre, dass kein Zweifel dich belade:
Verdienstlich ist es, Gnade zu empfangen,
Zeigt nur die Neigung offne Zugangspfade!

Im Original

e non voglio che dubbi, ma sia certo,
che ricever la grazia è meritorio
secondo che l'affetto l'è aperto

und da ich nicht will dass du zweifelst,
sondern Gewißheit erlangst: Die Gnade zu empfangen
ist Verdienst, weil die Liebe dafür öffnet

Das Gnade, Schauen, Liebe Mysterium wollen wir im Grunde gar nicht entschlüsseln. Oben behauptet er ja noch, dass zuerst das Schauen kommt
und die Liebe dann folgt. Also irgendwie schaut man zuerst, dann erhält man Liebe und die Liebe bringt dann die Gnade. Wir haben eine danteske Astronomie, eine danteske Biologie, eine danteske Geographie und jetzt noch eine danteske Psychologie.

Wenn meine Lehren dir zu Herzen drangen,
Wirst du begreifen jetzt der Engel Leben
Und brauchst nicht fremde Hilfe zu verlangen.

Im Original

Omai dintorno a questo consistorio
puoi contemplare assai, se le parole
mie son ricolte, sanz'altro aiutorio

Du kannst jetzt noch viel erfahren über
Diese Versammlung, wenn meine Worte recht
Verstanden, ohne jede Hilfe

Der Autor hat da jetzt wirklich ein Problem, er versteht es nicht mal mit Hilfe. Zur Dantesken Psychologie kommet jetzt noch eine danteske Psychiatrie, das ist an und für sich schon der Hammer. Wenn aber Gegenstand dieser dantesken Psychiatrie die Engel sind, dann wird es das Abenteuer pur.

Doch weil man euch noch sieht am Wahne kleben,
Der Engeln pflegt in eurer Schulen Sprengel,
Gedächtnis, Willen und Vernunft zu geben,

So hör noch dies von der Natur der Engel,
Damit du Wahrheit siehst, die Missverstand
Verhüllt in doppelsinnges Wortgemengel.

Sie, deren Auge Gottes Antlitz fand,
Dem nichts verhüllt ist, werden von dem Schimmer
In Ewigkeit nicht wieder abgewandt.

Drum stört ein andres auch ihr Schauen nimmer,
Auch brauchen sie nicht der Erinnrung Huld,
Denn unzerspalten bleibt ihr Denken immer.

Im Original

Ma perché 'n terra per le vostre scole
si legge che l'angelica natura
è tal, che 'ntende e si ricorda e vole,

ancor dirò, perché tu veggi pura
la verità che là giù si confonde,
equivocando in sì fatta lettura.

Queste sustanze, poi che fur gioconde
de la faccia di Dio, non volser viso
da essa, da cui nulla si nasconde:

però non hanno vedere interciso
da novo obietto, e però non bisogna
rememorar per concetto diviso;

Doch weil auf der Erde in euren Schulen
man lesen kann, dass dergestalt die Natur
Der Engel, dass sie verstehen, erinnern und wollen,

werde ich noch sagen, damit du klar die
Wahrheit siehst die da unten ward verwirrt,
durch ein lasches Lesen.

Diese Wesen, da sie sich freuten an Gottes
Angesicht, haben nie den Blick abgewendet
Von ihm, dem nichts bleibt verborgen

Doch niemals gelangte ein neues Objekt in
ihr Blickfeld, und deswegen gibt es nicht
zu erinnern, da keine Wahrnehmung ward unterbrochen

hm. Also sagen will er uns, dass die Engel immer Gott anschauten, da waren sie dann immer irgendwie liebesglutdurchdrungen und wunschlos glücklos. Da sie auch nur eine einzige Information in der Birne hatten, Gott eben, ging diese eine Information natürlich auch nicht verloren. Eine einzige Information passt ja noch in das Basalganglion einer Fliege. Leute, die zu doof sind, um überhaupt mal über den Tellerrand zu schauen, gibt es nun unstrittig tatsächlich. Die sind nicht mal unglücklich, denn die wissen nicht mal, wie beschränkt sie sind. Den Zustand vollkommenster Glückseligkeit in vollkommenster Blödheit kann man jetzt natürlich als Ideal definieren. Der Autor bestreitet nur, dass dieser Zustand tatsächlich stabil ist.

Mir scheint am lichten Tag in Traum gelullt,
Wer glaubt und nicht glaubt, was sein Mund verbreitet,
Das letzte aber bringt euch Schmach und Schuld!

Im Original

sì che là giù, non dormendo, si sogna,
credendo e non credendo dicer vero;
ma ne l'uno è più colpa e più vergogna

so träumt man da unten, ohne zu schlafen,
glaubt und glaubt auch nicht, die Wahrheit zu sagen;
doch ist in dem einen mehr Schuld und Schande

Wenn Dante sich das selber ausgedacht hat, dann wäre es, für seine Verhältnisse, schon eine bedeutende Leistung. Ein sognare (träumen) ohne ein dormire (schlafen) ist ein Wachtraum. Allein darüber, dass er den Wachtraum entdeckt hat, wenn auch nicht richtig beschrieben, sind wir schon begeistert, unsere Erwartungshaltung ist nämlich so ziemlich auf dem Nullpunkt. Wir freuen uns über etwas Sinnhaftes in der Divina Commedia wie über ein Reh an der Autobahn, Hauptsache Abwechslung. Der Tagtraum allerdings wird in die Richtung rationales Denken gedrückt. Denn wider besseren Wissens oder in Abwesenheit desselben erzählt jemand etwas. Das ist ein rationaler Vorgang. Tatsächlich ist der Tagtraum rationaler als der Nachttraum, der Nachttraum ist völlig ungesteuert. Der Tagtraum allerdings ist eine lustige Zwischenstufe, er baut die Welt mal unseren Wünschen entsprechend um, erfindet die perfekte Welt. Das ist zwar selten richtig rational, gibt aber den Blick frei auf das Summum Bonum, das höchste Glück. Das wäre die eigentliche Dimension des Tagtraumes. Dante allerdings ist zuzutrauen, dass er keine Tagträume mehr hatte. Er war also schon tot, bevor er überhaupt gestorben ist. Mit Tagtraum meint Dante lediglich, dass die Unwahrheit gesagt wird, bewusst oder unbewusst, wobei besonders verwerflich ist, wenn man bewusst die Unwahrheit sagt. In diesem konkreten Falle ist es also zum Beispiel besonders verwerflich, wenn man behauptet, dass die Engel etwas wollen, sich erinnern oder etwas wahrnehmen. Wer also behauptet, dass die Engel mehr als ein Basalganglion besitzen und weiß, dass sie nur ein Basalganglion besitzen, der handelt verwerflich. Da der Autor ja eine moralisch integre Person ist, wird er also nie behaupten, dass die Engel mehr als ein Basalganglion hatten und nicht blöd wie die Nacht waren. Das Widersinnige des Gegenteils leuchtet ja auch jedem sofort ein, denn in der Fakultät für danteske Neuropsychiatrie lernen wir ja, wie es um Geist und Psyche der Engel bestellt ist.

Nicht eine Straße ist‘ s, die ihr beschreitet,
Wenn ihr philosophiert: Ihr irrt und haftet,
Von Eitelkeit und Lust am Schein verleitet.

Im Original

Voi non andate giù per un sentiero
filosofando: tanto vi trasporta
l'amor de l'apparenza e 'l suo pensiero!

Ihr folgt nicht einer Spur, wenn ihr
philosophiert: So weit seid ihr abgetrieben
durch die Liebe zum Schein und seinen Hirngespinsten

Was verleitet eigentlich die Italiener dazu, ihrem Nationalheiligen überall eine Statue aufzustellen? Was verleitet die italienischen Bildungsbehörden dazu, Dante in allen Lehrplänen verbindlich vorzuschreiben? Als Exempel für einen verwirrten mittelalterlichen Geist mag das ja noch durchgehen, aber drei volle Schuljahre lang Dante? Da geht man dann wohl eher davon aus, dass Dante mehr ist als ein mittelalterlicher Wirrkopf. Dass dem Ratzinger, Joseph nicht so richtig klar ist, was in den letzten 600 Jahren so alles passiert ist, das kann man ja noch verstehen. Das ist systembedingt. Dass man aber einen Autor, der über 600 Jahre Philosophie als ein Abirren vom Pfad der Erkenntnis abtut, als die ultimative Autorität hinstellt, das gibt einem schon schwer zu denken. Mit Italien hat das natürlich nichts zu tun, der Autor vermutet, das läuft alles unter Folklore, die keiner mehr ernstnimmt. Zwischen dem Faust und der Divina Commedia liegen auch nicht die Alpen, sondern 600 Jahre leidvolle Geschichte.

Doch denen wird das Schuldbuch mehr belastet,
die mit der Bibel treiben ihre Possen,
Dass gar ihr klarer Sinn wird angetastet!

Die Bibel enthält in der Tat tiefe Wahrheiten. Allein schon die Beschreibung der Arche Noah ist von subtilem Tiefsinn.

Genesis 6, 16: Ein Fenster sollst du daran machen obenan, eine Elle groß. Die Tür sollst du mitten in seine Seite setzen. Und er soll drei Boden haben: einen unten, den andern in der Mitte, den dritten in der Höhe.

Die Arche Noah hat also drei Stockwerke. Eines unten, eines in der Mitte und eines oben. Das findet der Autor subtil. Wenn er ein Haus bauen würde, würde er das unterste Stockwerk oben hinsetzen, das mittlere nach unten und das unterste in die Mitte. Dann wäre zwar das oberste oben, das mittlere in der Mitte und das unterste wieder unten aber wir hätten ein Gleichnis für den Wandel im ewigen Kreisen des Gleichen. Oder so ähnlich.

Dabei denkt niemand, wie viel Blut geflossen,
Sie auszusäen, noch: Wie in Gnaden steigt,
Wer sich in Demut an sie angeschlossen.

Das stimmt. Die meisten Leute denken wohl eher an das Blut, das vergossen wurde, als diese Mythensammlung Dogma war.

Abstechen will heut jeder und es zeigt
Der Pfaff, was er spitzfindig ausgeheckt hat -
Wobei er ganz vom Evangelium schweigt.

Das hat der Autor schon vermutet. Selbst im totalitärsten Staat gibt es noch ein paar Leute, die eine eigene Meinung haben.

Der sagt, dass rückwärts sich der Monde versteckt hat
Bei Christi Tod und vor der Sonne stand,
So dass kein Lichtstrahl sich zur Welt erstreckt hat,

Ein andrer, dass von selbst die Sonne schwand,
Drob sich in Spanien und dem Land der Inder
Die Finsternis wie bei den Juden fand.

Im Original

Un dice che la luna si ritorse
ne la passion di Cristo e s'interpuose,
per che 'l lume del sol giù non si porse;

e mente, ché la luce si nascose
da sé: però a li Spani e a l'Indi
come a' Giudei tale eclissi rispuose

Einer sagt der Mond habe sich zurückgezogen
während der Leidenszeit Jesu und sich schob,
so dass das Licht der Sonne nicht mehr strahlte

andere sagen, dass das Licht sich ganz verdunkelte,
so dass die Spanier und auch die Inder
wie auch die Juden diese Finsternis sahen

Die Sonnenfinsternis während der Kreuzigung Christi steht auf jeden Fall mal in der Bibel.

Und von der sechsten Stunde an kam eine Finsternis über das ganze Land bis zur neunten Stunde (Matthäus 27, 45).

Offensichtlich gab es dann eine Debatte; wer die Kontrahenten waren erfahren wir nicht, ob die Finsternis durch einen Totalausfall der Sonne verursacht worden war oder durch eine Mondfinsternis. Im Grunde erfahren wir nicht mal, welcher Position sich Dante anschließt, wir vermuten aber, dass er auf Sonnenfinsternis plädiert. In diese Richtung geht auch der Kommentar des schon oben erwähnten Kommentator aus der Renaissance, Alessandro Vellutello.

 

Altri dicano, che non fu perchè la luna s'interponesse tra esso sole e noi, ma che al sole fu tolta la luce talmente, ch'egli universalmente oscurò tanto a li Spani, che sono occidentali, quanto a gl'Indi che sono Orientali, et a' Giudei ch'abitavano Hierusalem posto nel mezo de l'hemisferio nostro e sotto 'l circolo meridiano, perchè l'eclipsi del sole, che solo si fa per l'interpositione de la luna tra esso sole e noi, non è mai universale a tutti, per esser il sole molto maggior de la luna, onde essa luna non può celar a tutti la luce di quello.

Andere sagen, dass nicht der Mond sich zwischen die Sonne und uns geschoben hat, sondern dass die Sonne komplett ihr Licht verloren hatte, so dass es überall dunkel wurde, sowohl in Spanien, also im Westen, wie auch in Indien, also im Orient und bei den Juden, die in Jerusalem wohnten und sich in der Mitte unserer Hemisphäre befinden und auf dem Meridian, denn die Sonnenfinsternis tritt ein, wenn sich der Mond zwischen die Sonne und uns stellt, sie ist nie überall gleichzeitig zu beobachten, weil doch die Sonne viel größer ist als der Mond, so dass der Mond nicht ihr ganzes Licht rauben kann.

Lapi und Bindi zählt Florenz weit minder,
Als derlei Fabelkram, den hier alljährlich
Von Kanzeln schrein des Aberglaubens Kinder!

Im Original

Non ha Fiorenza tanti Lapi e Bindi
quante sì fatte favole per anno
in pergamo si gridan quinci e quindi;

Es gibt nicht soviele Lapi und Bindi
Die künden könnten ständig so viele Märchen,
von den Kanzeln schreien sie überall

Lapi und Bindi sind Nachnamen, die zur damaligen Zeit wohl sehr verbreitet waren. Es wurden also noch mehr Märchen erzählt als es Träger dieses Namens gab. Wahrheitsgehalt ist natürlich relativ. Wahrscheinlich beinhaltet die Märchensammlung der Gebrüder Grimm weit mehr Wahrheit als die ganze Bibel mit allen apokryphen Schriften.

Dann ziehn die blöden Schäflein heim, nur spärlich
Von solchem Winde satt; - Unwissenheit
Spricht sie nicht frei, die doppelt hier gefährlich!

Christus sprach nicht: Geht hin und seid bereit,
Der Welt zu künden Narretei und Possen! -
Zur Wahrheit hat die Jünger er geweiht!

Im Original

sì che le pecorelle, che non sanno,
tornan del pasco pasciute di vento,
e non le scusa non veder lo danno.

Non disse Cristo al suo primo convento:
"Andate, e predicate al mondo ciance";
ma diede lor verace fondamento;

so kehren die unwissenden Schäfchen, genährt
von Wind zurück, und die dass sie den Schaden
nicht sehen, entschuldigt sie nicht

Seinen ersten Jüngern sagte Christus nicht
„Geht hin, und predigt Geschwätz“;
sondern er gab ihnen ein wahres Fundament

Die erste Terzine folgt also der Maxime „Dummheit schützt vor Strafe nicht“. Wenn also die Schäfchen in der Kirche nur Unsinn erzählt bekommen, dann ist
es ihre Aufgabe, sich selber kundig zu machen. Das findet der Autor ja prinzipiell auch. Man hat ja oft die Möglichkeit, sich zu informieren und sollte das auch tun, wenn es sich um relevante Zusammenhänge handeln. Ob der christliche Hokuspokus zu diesen relevanten Zusammenhängen gehört, würde er aber eher bestreiten. Zu der zweiten Terzine kann man sagen, dass er sie zwar nicht dazu aufgefordert hat, aber dass das Ergebnis unter Umständen so ist, als ob er sie direkt dazu aufgefordert hätte.

Und die ist voll aus ihrem Mund erflossen;
Denn ihnen ward das Evangelium
Zum Schild und Speer – so stritt man unverdrossen!

Im Original

e quel tanto sonò ne le sue guance,
sì ch'a pugnar per accender la fede
de l'Evangelio fero scudo e lance

und diese klang so stark auf seinen Wangen,
dass er sie zu Schild und Lanze machen wird
um für das Evangelium zu streiten

Das ist ein bisschen rätselhaft. Das guance heißt im heutigen Standarditalienisch ziemlich eindeutig Wang. Trotzdem übersetzen alle mit Mund. Das mag sinngemäß sogar richtiger sein, aber erstmal steht Wange da. Wie dem auch immer sei, die Apostel haben für den rechten Glauben gestritten. In historischer Perspektive kann man sich zwar fragen, ob das sinnvoll war, aber getan haben sie es auf jeden Fall. Vielleicht nicht so, wie es in der Bibel steht, aber irgendwie.

Doch heut staffiert man mit Brimborium
Die Predigt aus, und wird der Spott belacht,
Bläht sich die Kutte – schiert sich sonst nichts drum!

Im Original

Ora si va con motti e con iscede
a predicare, e pur che ben si rida,
gonfia il cappuccio e più non si richiede

Heute predigt man mit geistreichen Sprüchen
und Gefälligkeiten, so dass man lacht, und
Sich die Kapuze bläht und mehr verlangt man nicht

Die Predigten sind also witzig, was ja schon mal nicht schlecht ist, denn witzig sind die Prediger ja nicht, vor allem die im Fernsehen nicht: Zoobies on air. Puh. Der große Grimmige aus der Toscana findet das natürlich schlecht. Ein Problem ist das „motti e con iscede“. Da steigen sogar gebildete Italiener aus. Es gibt hierüber einen ganzen Artikel im Corriere della Sera.

http://archiviostorico.corriere.it/

Jetzt kommt ein kleiner Gedankensprung zu einem Thema, das den großen Grimmigen von Wittenberg 200 Jahre später beschäftigen wird.

Den Vogel, der sein Nest im Zipfel macht,
Sieht nicht der Pöbel! – säh er ihn: Er nähme
Den Ablass nicht, drauf sein Vertraun bedacht.

Im Original

Ma tale uccel nel becchetto s'annida,
che se 'l vulgo il vedesse, vederebbe
la perdonanza di ch'el si confida;

Doch ein Vogel nistet in der Spitze
der Kapuze, säh ihn das Volk, würde
es den Ablass sehen von dem, dem es vertraut

Gemeint ist, dass ein Vogel, also ein Dämon, in der Spitze der Kapuze der Mönchskutte nistet. Würde das Volk diesen sehen, würde es auch die Nichtigkeit des Ablasses sehen, also sehen, dass die Seele nicht in den Himmel springt, wenn der Taler in den Kasten springt, wie Luther das formulierte. Die Interpretation ist jetzt natürlich abartig und der Text gibt das eigentlich nicht her, aber so sieht das unser Renaissance Kommentator.

Ma tal uccel, intendendo del demonio, che si dipinge con l'ale, il qual domina e sopra sta a questi simili vanagloriosi predicanti, onde dice, che s'annida loro nel becchetto del cappuccio, che se 'l vulgo che gli ode lo vedesse, vedrebbe la perdonanza ne la qual egli si confida, intendendo de le indulgentie ch'essi predicanti fingon d'haver autorità di poter concedere.

Doch dieser Vogel, unter dem man sich einen Dämon vorzustellen hat, der ausgestattet ist mit Flügeln und die Herrschaft erlangt hat, schwebt über diesen eitlen Predigern. Deswegen heißt es, dass sie nisten in der Spitze ihrer Kapuze. Sähe ihn nun das gemeine Volk, das diesen hasst, würde es sehen,
dass die Absolution, in welche es vertraut, in der Meinung, dass die Barmherzigkeit, von der sie annehmen, dass diese Priester die Autorität haben sie zu erteilen.

Die Dummheit auch so geil ins Kraut nicht käme,
Dass jeglicher Verheißung, mag sie sein
So dumm sie will, zu traun man sich nicht schäme!

Im Original

per cui tanta stoltezza in terra crebbe,
che, sanza prova d'alcun testimonio,
ad ogne promession si correrebbe

deswegen würde soviel Dummheit auf der Erde glauben,
dass, ohne dass der Beweis eines Zeugnisses existierte,
bei jedem Versprechen zusammenlaufen

Zwar etwas undurchsichtig formuliert, aber der Sinn ist, dass die Leute so blöd sind, dass sie jedem, der etwas verspricht hinterher laufen, auch wenn jeder Beweis fehlt, dass dieses Versprechen wird eingelöst werden können. Das ist prinzipiell richtig. Zum Beispiel rennen ja viele Leute Jesus Christus hinterher und seinem Heilsversprechen, obwohl jeder Beweis fehlt. Wobei hier noch ein besonderes Problem auftritt. Es werden alle möglichen Grundängste des Menschen instrumentalisiert und das ganze Gebäude in einer derartig verquasten Sprache vorgetragen, dass schlussendlich keiner mehr weiß, an was da eigentlich geglaubt wird. Das Christentum scheint eine Marktsegmentierung vorzunehmen. Für die etwas Anspruchsvolleren gibt es die Thomas von Aquin Variante und für das gemeine Volk Folklore und dazwischen alle mögliche Abstufungen. Der Autor sieht noch nicht so richtig, dass es seine Aufgabe ist, als Unternehmensberater für die katholische Kirche tätig zu werden. Aber wenn sie sich nicht vollkommen ins Jenseits katapultieren will (in doppelter Bedeutung, im Diesseits nicht mehr vorhanden und im Jenseits alleine), dann muss der Studiengang Theologie reformiert werden. Das Personal muss in die Lage versetzt werden, zu gesellschaftlich relevanten Themen fundiert Stellung zu nehmen. Ein bisschen Soziologie, Wirtschaft, Psychologie, Literatur, Politik würde dem Studiengang nicht schaden. Dass keiner mehr in die Kirche geht, kann auch daran liegen, dass das Personal wenig zu sagen hat. Davon abgesehen ist natürlich das Phänomen, dass Leute irgendwelchen Rattenfängern hinterherlaufen immer noch aktuell und wäre Anlass, das Bildungssystem und die Medien zu reformieren. Der Schwachpunkt des bereits erwähnten Karl Poppers besteht nämlich darin, dass Demokratie wie er sie versteht, das heißt als Experiment im Sinne der Naturwissenschaften, nur funktionieren kann, wenn die Menschen in der Lage sind, die von den Parteien vorgeschlagenen Handlungsoptionen zu bewerten. Das setzt Kenntnisse und Transparenz voraus. Die gegenwärtige Wirtschaftspolitik der Bundesregierung (Jahre 2009) versteht nämlich nicht mal mehr ein Diplom Volkswirt wie der Autor. Das ist der perfekte Karneval. Umsatzsteuer rauf, Grundfreibetrag runter, Pendlerpauschale weg, Pendlerpauschale wieder da, Steuererleichterung ja, aber Erbschaftssteuer hoch, 500 Milliarden (!) allgemein als Bürgschaft, 10 Milliarden um ein Aktienpaket der Commerzbank zu kaufen, das eigentlich 1 Milliarde wert ist, „Schutzschirm für die Wirtschaft“ vulgus noch mehr Verlagerung von wirtschaftlicher Macht hin zu Leuten, Beamte, die keinerlei Risiko tragen und auch keine Ahnung haben, Erfindung von allen möglichen Dingen (digitale Signatur, Zwang zur Veröffentlichung im elektronischen Bundesanzeiger), die kein Mensch braucht, aber in den Unternehmen Zeit fressen, Subventionierung von Pleiteunternehmen etc. etc. etc.. Karneval eben. Besonders raffiniert ist dann noch, dass die Regierung, die den Schuldenberg anhäuft, eine „Schuldenbremse“ ins Grundgesetz einbauen will. Das ist, wie wenn derjenige, der schuldhaft in den Konkurs geschlittert ist, schärfere Gesetze gegen Konkursbetrug verlangt. Die Bundesregierung scheint irgendwie nach der Methode Thomas von Aquin zu verfahren. Handle, schreibe und denke so chaotisch, dass keiner mehr durchblickt. Dann werden alle davon ausgehen, dass ein tiefer Sinn versteckt ist.

Und damit mästet Sankt Anton sein Schwein;
Und andre, die noch schlimmer sind als Säue,
Die lösen Schuld mit falschem Gelde ein!*

Im Original

Di questo ingrassa il porco sant'Antonio,
e altri assai che sono ancor più porci,
pagando di moneta sanza conio

Das lässt fett werden das Schwein des heiligen Antonius
und andere noch, die noch schweinischer sind,
indem sie mit ungeprägtem Geld zahlen

Sankt Antonius war ein Eremit, der im 3. Jahrhundert vor Christus in Ägypten lebte. Durch Einsiedler, die in der Nähe der elterlichen Besitztümer wohnten, machte er früh Bekanntschaft mit dem Christentum. Nach dem Tod seiner Eltern verkaufte er alle elterlichen Besitztümer und zog sich in die Einsamkeit zurück. Die Verbindung mit dem Schwein ist späteren Datums. Seine Anhänger, vor allem in Frankreich, züchteten überwiegend Schweine. Dante scheint aber wohl eher auf einen anderen Zusammenhang abzustellen.
Innerhalb der Legende von Sankt Antonius wird das Schwein öfter als Symbol der Versuchung erwähnt. Die moneta sanza conio (ungeprägtes Geld) sind dann die Ablässe, die gegen Geld erworben wurden, aber keinen göttlichen Stempel tragen und deshalb wertlos sind. Ob es ein aufklärerischer Impuls war, der zu Abschaffung des Ablasses führte oder die Einführung der Kirchensteuer, die diesen unnötig machte, ist schwer zu sagen. Eine Sache finden wir aber absolut innovativ, da sind wir richtig begeistert:

Auch mit dem Segen Urbi et Orbi ist nach katholischer Lehre allen, die ihn hören oder sehen und die guten Willens sind, ein vollkommener Ablass ihrer Sündenstrafe gewährt. War zunächst für diesen Empfang die Anwesenheit auf dem Platz oder in Sichtweite des Spenders notwendig, so kann der Segen seit 1967 auch über Radio, seit 1985 über das Fernsehen und seit 1995 sogar über das Internet gültig empfangen werden.

aus: http://de.wikipedia.org/wiki/Ablass#Moderne

Wow! Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen, das muss man sich anschauen, Wort für Wort: „…so kann der Segen … seit 1995 sogar über das Internet gültig empfangen werden“.
Da biste platt wa. Der Ablass kann auch über das Internet gültig empfangen werden, das ist der sogenannte e-Ablass, electronic Ablass. Da könnte man ein ganzes Geschäftsmodell drum bauen. Also pro page view (aufgerufene Seite) Ablass für 1 p (peccato = Sünde. 1 p hat man, wenn man die letzte Praline wegfuttert ohne zu fragen, ob sie jemand will. 100 p ist dann den Kühlschrank leermampfen ohne nachzufüllen. 1000 p ist den Geschirrspüler nicht ausräumen. So als Orientierung). Wenn Sie also 100 Seiten dieser Seite aufrufen, haben Sie 100 p weniger auf dem Konto. Wenn Sie jetzt noch einen Banner organisieren, der pro 1000 page impressions ( Erscheinen des Banners auf einer Website) 25 Euro einbringt, machen Sie richtig Kasse. Die Leute wollen ps haben und Sie kriegen die Euros. Jemand räumt also den Geschirrspüler nicht leer und das macht für Sie 25 Euro. Vergessen Sie alles, was Sie bis jetzt gelesen haben. Der Autor ist strenggläubiger Katholik. Der Katholizismus ist die Wahrheit und nichts als die reine Wahrheit und nur die Kirche hat die Schlüssel zum Paradies und ohne ps kommen Sie da nicht hin. Dieses Modell würde übrigens auch im Polypol funktionieren. Denn der Preis eines p bleibt konstant, bewegt sich nicht Richtung Grenzkosten. Da die Sünden ja unbegrenzt sind, ist der Bedarf an ps ja ebenfalls unbegrenzt. Zum Problem könnten nur die Werbetreibenden werden, also wenn nicht in diesem Ausmaß Werbung geschaltet wird. Der Inhalt der Website wäre aber bei diesem Modell egal, denn die Leute surfen ja nicht wegen dem Inhalt, sondern wegen dem p. Da aber der Inhalt das eigentliche Problem aller Geschäftsmodelle ist, diesen muss man nämlich erstellen, wäre das zentrale Problem der Internetökonomie gelöst.

Doch da wir abgeschweift sind, lass aufs neue
Den Blick gradaus sich wenden, dass der Pfad
Sich kürze und dich bald das Ziel erfreue!

Im Original

Ma perché siam digressi assai, ritorci
li occhi oramai verso la dritta strada,
sì che la via col tempo si raccorci

Doch da wir weit abgewichen sind vom Pfade,
richte die Augen wieder auf den rechten Weg,
so dass schneller du erreichst das Ziel

Finden wir nicht, dass sie abgewichen ist vom Pfade, die Beatrice. Sie hat uns halt nochmal mitgeteilt, dass die Erde ein Jammertal ist. Das wissen wir zwar bereits, aber fundamentale Wahrheiten kann man gar nicht oft genug wiederholen. Machen wir also am Schluss noch ein bisschen Theologie. Im Diesseits geht es zwar drunter und drüber und das systematisch zu ordnen macht auch keinen Sinn, aber im Jenseits, da ist alles bis ins Detail durchgeplant.

Der Engel Anzahl ist in solchem Grad
Vervielfacht, dass hier Maß und Grenzen fehlen
Und nie ein Zahlbegriff der Wahrheit naht!

Im Original

Questa natura sì oltre s'ingrada
in numero, che mai non fu loquela
né concetto mortal che tanto vada;

Zu solchen Höhen erhebt sich die Anzahl dieser
Natur, dass keine Sprache und keine Idee der
Sterblichen sie beschreiben könnte

Gemeint ist wahrscheinlich etwas, was sie uns schon erzählt hat, im 28 Gesang.

Sie schwieg – und sieh! aus allen Kreisen sprühte
Ein Funkentanz, wie es das Eisen macht,
Wenn unterm Hammer ächzt das weißgeglühte.

Und jeder Funke neue Funken facht,
Dass ich bei diesem Wachsen und Zerspalten
An jenes Schachbrett-Zahlenspiel gedacht,

Das läuft auf das Gleiche hinaus. Es gibt unendlich viele Engel. Trotzdem gut, dass sie uns nochmal daran erinnert hat, sonst hätten wir diese entscheidende Information glatt vergessen.

Doch du erkennst im Wort von Danielen,
Dass die Zehntausendmalzehntausend-Zahlen
Bei ihm nur die bestimmte Zahl verhehlen.

Im Original

e se tu guardi quel che si revela
per Daniel, vedrai che 'n sue migliaia
determinato numero si cela

und wenn du betrachtest was Daniel
offenbart, wirst du sehen, dass in der
bestimmten Tausend die Zahl sich verbirgt

Angespielt wird auf das Buch Daniel, 7, 10: Und von ihm her ging ein langer feuriger Strahl. Tausend mal tausend dienten ihm, und zehntausend mal zehntausend standen vor ihm. Das Gericht ward gehalten, und die Bücher wurden aufgetan.

Von Engeln steht da zwar nichts, aber was immer es auch gewesen sein mag, was da so zahlreich vorhanden war, die konkrete Zahl verweist auf das Unbestimmte. Behauptet zumindest Beatrice, die aber wahrscheinlich auch nicht nachgezählt hat.

Das Urlicht, drin die Engel alle strahlen,
Wird auf so viele Art als Geister sind
Auch aufgefangen in verschiedne Schalen,

Im Original

La prima luce, che tutta la raia,
per tanti modi in essa si recepe,
quanti son li splendori a chi s'appaia

Das erste Licht, das alles durchströmt,
wird auf so viele Arten aufgefangen,
wie Glanzwesen sind, denen es sich verbindet

Das erste Licht ist Gott, dessen Licht durchströmt alle Kreise der Engel. Wie dieses Licht dann aber empfangen wird, hängt von dem jeweiligen Engel (splendore ~ Glanzwesen) ab, auf den es trifft. Es hat also soviele Erscheinungsformen, wie es Engel gibt, weil es sich mit jedem Engel anders verbindet.

Und wie die Freude am Geschenk gewinnt
Nach dessen Art, wirkt hier die Süßigkeit
Der Liebe heiß und lau, träg und geschwind.

Im Original

Onde, però che a l'atto che concepe
segue l'affetto, d'amar la dolcezza
diversamente in essa ferve e tepe

Von daher ist die Süße der Liebe,
je nachdem ob dem Empfang die Neigung
folgt, brennend oder lau

Das hat sie uns auch schon mal erzählt. Die Gnade fließt auf jeden Engel und Menschen herab, aber je nachdem wie bereit man ist sie zu empfangen, ist sie brennend oder lau. Die Aussage ist irgendwie nicht falsifierbar formuliert und daher im Sinne Poppers unwissenschaftlich. Wenn ich einen Lauen vor mir haben, kann das darin liegen, dass sich Gottes Gnade nicht über ihn ergossen hat oder dass er nicht bereit war, sie zu empfangen. Positiv wird zwar ein Schuh draus, wenn etwas empfangen wurde, gab es auch jemanden der ausgeteilt hat, aber das ist dann eine Binsenweisheit. Aus der Tatsache, dass das Ereignis eingetreten ist, jemand also empfangen hat, kann nicht geschlossen werden, dass auch an jeden ausgeteilt wird. Da muss Thomas von Aquin noch ein bisschen schrauben, das stimmt so noch nicht.

Sieh nun die Fülle und Erhabenheit
Endloser Kraft, die ihres Strahlenscheines
Reflex so vielen tausend Spiegeln leiht

Und doch in sich wie vorher bleibt als Eines!“

Im Original

Vedi l'eccelso omai e la larghezza
de l'etterno valor, poscia che tanti
speculi fatti s'ha in che si spezza,

uno manendo in sé come davanti

Sieh nun die Erhabenheit und die Größe
der ewigen Kraft, die soviele Spiegel
sich hat geschaffen, in denen sie gebrochen

und dabei eine ist so wie zuvor

Die Kraft, also Gott, spiegelt sich in unendlich vielen Spiegeln in immer unterschiedlicher Art und Weise, bleibt aber immer die Gleiche. Es sieht so aus, als ob alle Religionen und Ideologien auf einen Endzustand zusteuern, also statisch sind. Es ist ein Glücksfall für die Menschheit, dass die technische Entwicklung, die soziale Dynamik, die Kultur unstatisch sind, das heißt kaum prognostizierbar. Diese realen Kräfte zertrümmern jedes statische Denken. Von dieser Dynamik hängt aber wiederum ab, was der Mensch ist. Transponiert man also die Frage Marcel Prousts auf die Menschheit, wird die Antwort komplexer. Marcel Proust genügte ja bekanntlich der berühmten Aufforderung „Erkenne dich selbst“ durch das vrai moi, das „wahre ich“. Dieses „wahre ich“ enthüllt sich im Verlaufe des Lebens, denn das, was ihm adäquat ist, senkt sich hinab in eines Busens stillen Grunde und was ihm nichts bedeutet in den Orkus des ewigen Vergessens. Manche können sich noch nach 10 Jahren an eine bestimmte Handbewegung, ein bestimmtes Lächeln, ein unbedeutendes Ereignis erinnern und für andere war das eben nicht der Akkord, der eine Saite ihrer Seele zum Klingen brachte. Das heißt zwar noch nicht, dass das ganze „vrai moi“ sich im Laufe eines Lebens enthüllt, aber immerhin ein Teil und mit dem noch nicht enthüllten, und das ist bedauerlich, steigt man dann ins Grab. Für die Menschheit als Ganzes wird es dann noch komplizierter. Was sie war, lässt sich so ungefähr ermitteln. Nimmt man zum Beispiel Dante, so kann man feststellen, dass er nicht nur über nicht humanoide Lebensformen schreibt, sondern aus heutiger Sicht eine solche ist. Das Denken in Möglichkeiten und in einem offenem Horizont scheint aber nicht gerade das zu sein, was Menschen üblicherweise tun, zumindest zielen alle Religionen und Ideologien auf einen Endzustand, den zu erreichen das höchste Ziel ist. Der Ratzinger, Joseph bemüht sich ja immer wieder redlich, die Würde des Menschen aus dem Jenseits abzuleiten, was aus dem Diesseits kommt kann ja nur schnöder Materialismus sein. Das muss man nicht so sehen. Man kann es umgekehrt sehen. Der Katholizismus ist es, der dem Menschen sein Mysterium raubt, weil er die Möglichkeiten kappt. Nur im Diesseits werden wir noch erfahren, wer er wirklich ist, im Jenseits nicht. Das immerhin haben wir bei Dante gelernt. Es ist ein Verdienst Hegels, darauf hingewiesen zu haben, dass sich der Mensch in seiner ganzen Pracht und Schönheit erst in der Geschichte entblättert, hätte er sich seinen Weltgeist geschenkt, der übrigens so abstrakt ist, dass man ihn auch als offenen Horizont bezeichnen könnte (Popper übertreibt da also ziemlich), wäre es perfekt gewesen. Der Mensch ist vor allem Möglichkeit, nicht sein. Das Schöne an der Möglichkeit ist, dass sie nicht abhängt von der zweifelsohne vorhandenen Neigung des menschlichen Geistes zur Statik. Die Möglichkeit ergibt sich ganz praktisch aus realen Prozessen. Es ist immer wieder faszinierend zu beobachten, wie statische Vorstellungen an der Realität scheitern. Es bleibt zu hoffen, dass irgendwann die Realität den Leuten erbarmungslos die Statik aus dem Hirn hämmert. Es gibt ja Leute, die verbuchen Ernst Bloch, der die Möglichkeit in den Vordergrund rückt, als Utopist. Da ist sich der Autor auch nicht so sicher. Unter Umständen ist die Realität mit der Möglichkeit verheiratet, nicht mit der Statik. Die Realität bestätigt die Möglichkeit, die Dynamik und den Wandel und den Menschen, der sich mit diesen ändert. Die Statik bestätigt sie nicht. Man könnte zu dem viel zitierten Satz von Helmut Schmidt „wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen“ also mit einiger Berechtigung anmerken: Wer keine Visionen hat, hat ein gespaltenes Verhältnis zur Realität und sollte sich in psychiatrische Behandlung begeben.