Dante und Vergil steigen den Damm hinauf, der das siebte vom achten Tal trennt und schauen, oben angekommen, auf das achte Tal hinab. Hier brüten die, die durch List andere täuschten. Ganz in der Logik des contrapasso, der zur Sünde adäquaten Strafe, sind deren Seele eingehüllt in Flämmchen, die Glühwürmchen gleich durch das Tal schweben. Glühwürmchen geben zwar Licht, wer sich aber an Ihnen orientiert, der wird leicht in die Irre geführt.

Der Gesang setzt ein mit einer ironischen Hymne auf Florenz.

Freu dich Florenz! – Mächtig schwingst du und groß
Die starken Flügel über Land und Meere;
Dein Name prunkt sogar im Höllenschoß!


Bezug genommen wird auf den fünfundzwanzigsten Gesang, wo die Diebe sühnen und Florenz durch fünf seiner Bürger vertreten war.

Wenn aber Morgenträume Wahrheit deuten
So wird dir großes Unglück bald gedeihn
Drob sich besonders die Pratenser freuen


Prato ist eine Stadt 20 km nordwestlich von Florenz. Auf was genau Dante anspielt ist unklar, es lassen sich nur Bemerkungen finden, dass die Prato sich von Florenz dominiert sah, was aber für viele kleinere Städte der Toscana zutraf.

Wär‘ s abgetan, man fände sich darein
Ja wär‘ s vorbei schon, weil es doch muss kommen
Je älter ich, je schwerer wird mir‘ s sein

Auch diese Verse sind etwas dunkel. Gemeint ist wohl, dass wenn der Absturz sicher ist, ist es sicher, er kommt so früh wie möglich, denn je älter er wird, desto mehr wird es ihn kosten, damit fertig zu werden. Wäre der Absturz schon da, könnte man sich innerlich darauf einstellen, das wäre besser, als die ewige Angst, vor eben diesem Absturz.

Es kommt nun ein sehr ungewöhnliches Bild um die Abenddämmerung zu beschreiben, das eigentlich auch noch ganz hübsch ist, wenn auch die Übersetzung von Zoozmann hier nicht ausreichend präzise ist, um das Bild zu übersetzen.

Gleichwie der Landmann beim Gezirp der Grille
Am Hügel ruht, wenn sich das Licht der Welt
Nur schwach verdunkelt in der Abendstille

Wenn Fliege dann den Mücken räumt das Feld
Und er, Glühwürmchen zahlreich sieht im Grunde
Des Tales, wo er pflügt und Wein bestellt

So viele Flämmchen sah ich in der Runde
Der achten Unheilsbucht das Dunkle klären
Sobald mein Blick hinunterdrang zum Schlunde


Die Zeile „Fliege dann den Mücken räumt das Feld“ ist nicht richtig übersetzt. Was in der Abenddämmerung tatsächlich passiert ist, dass die Mücken weniger, aber die Stechfliegen mehr werden. Im Italienischen Orginal heißt es.

Quante 'l villan ch'al poggio si riposa,
nel tempo che colui che 'l mondo schiara
la faccia sua a noi tien meno ascosa,

come la mosca cede a la zanzara,
vede lucciole giù per la vallea,
forse colà dov' e' vendemmia e ara:

Zanzarra kann zwar auch Mücke heißen, aber eben auch Steckmücke und diese ist gemeint, andernfalls hätten wir, dass die Mücken den Mücken weichen, was keinen Sinn ergibt.

Gleich jenem, der den Spott gerächt durch Bären
Und das Gespann vor des Elias Wagen
So schnell hinsausen sah zu lichten Sphären


Angesprochen werden zwei Episoden aus dem zweiten Kapitel des zweiten Buches der Könige (also aus der Bibel).

Elias entschwebt vor den Augen des Elisas gen Himmel.

Und es geschah, als sie hinübergegangen waren, da sprach Elia zu Elisa: Begehre, was ich dir tun soll, ehe ich von dir genommen werde. Und Elisa sprach: So möge mir doch ein zwiefaches Teil von deinem Geiste werden! Und er sprach: Du hast Schweres begehrt! Wenn du mich sehen wirst, wann ich von dir genommen werde, so soll dir also geschehen; wenn aber nicht, so wird es nicht geschehen. 11Und es geschah, während sie gingen und im Gehen redeten, siehe da, ein Wagen von Feuer und Rosse von Feuer, welche sie beide voneinander trennten; und Elia fuhr im Sturmwind auf gen Himmel.

Elisas rächt sich an den Spöttern

Und die Männer der Stadt sprachen zu Elisa: Siehe doch, die Lage der Stadt ist gut, wie mein Herr sieht, aber das Wasser ist schlecht, und das Land ist unfruchtbar.Da sprach er: Holet mir eine neue Schale, und tut Salz darein! Und sie holten sie ihm. Und er ging hinaus zu der Quelle des Wassers, und warf das Salz hinein und sprach: So spricht Jehova: Ich habe dieses Wasser gesund gemacht; es wird weder Tod noch Unfruchtbarkeit mehr daraus entstehen. Und das Wasser wurde gesund bis auf diesen Tag, nach dem Worte, das Elisa geredet hatte. Und er ging von dannen hinauf nach Bethel; und als er auf dem Wege hinaufging, da kamen kleine Knaben aus der Stadt heraus, und verspotteten ihn und sprachen zu ihm: Komm herauf, Kahlkopf! Komm herauf, Kahlkopf! Und er wandte sich um und sah sie an und fluchte ihnen im Namen Jehovas. Da kamen zwei Bären aus dem Walde und zerrissen von ihnen 42 Kinder. Und er ging von dannen nach dem Berge Karmel; und von dort kehrte er nach Samaria zurück.

Der tiefere Sinn, so denn einer vorhanden, dieser biblischen Geschichte ist dem Autor zwar unklar und 42 Kinder umzubringen weil zwei sich lustig gemacht haben findet er auch nicht richtig prophetenlike, aber darauf auf jeden Fall wird in den Versen angespielt.

Spähend ich tief mich von der Brücke neigte
Dass ich gestürzt wär, wenn sich nicht der Hand
Zum Halt ein Vorsprung aus dem Felsen zweigte


Wie wir diesen Vers zu verstehen haben, ist ebenfalls unklar. Bis jetzt konnten wir davon ausgehen, dass die Brücken, die die Täler überspannten, eingestürzt sind, hier klingt es so, wie wenn eben diese Brücke noch da wäre. Wahrscheinlich ist der Brückenkopf gemeint, ist aber letztlich auch egal.

Wen birgt der Brand, daran sich die Spitzen trennen
Als wär der Holzstoß dies, in dessen Glut
Eteokles mit dem Bruder musste brennen?


Wir kommen jetzt wieder auf die bereits erzählte Geschichte vom Ödipus zurück. Dieser hat ja seinen Vater ermordet, seine Mutter geheiratet, woraus dann zwei Kinder hervorgingen, hat von dem ganzen Schlamassel erfahren und sich die Augen ausgestochen. Die Regierungsgeschäfte übernahmen seine beiden Söhne, Eteokles und Polyneikes. Eteokles wiederum reisst die Herrschaft über Theben an sich und setzt seinen Bruder vor die Tür. Dieser versammelt dann die sieben Helden (Sage von den Sieben gegen Theben, die hatten wir auch schon) um seinen Bruder platt zu machen. Sechs Tage geht die Schlacht unentschieden aus, am siebten töten sich die beiden Brüder im Zweikampf. Die beiden wurden dann auf einem Scheiterhaufen gemeinsam verbrannt, allerdings trennten sich vor lauter Hass der beiden auch noch die Flammen.

Einer der zur Flamme Verwandelten ist Odysseus und sein treuer Gefährte Diomedes. Odysseus kommt bei Dante, entgegen aller Tradition, ganz schlecht weg. Mit seiner List führte er andere in die Irre und sein Hochmut ließ ihn die Grenzen der damals bekannten Welt verlassen, was ihm nicht zustand.

Beseuft wird hier im Innern dieser Flammen
Das Lügenross, das jenes Tier erschlossen
dem edlen Samen, draus die Römer stammen


Einen Vergleich mit dem italienischen Orginal schenken wir uns jetzt, an dieser Stelle ist die Übersetzung von Gmelin klarer.

Und in der Flamme müssen sie beklagen
Die Hinterlist des Pferdes, das die Pforte
Geöffnet für die Römer edler Samen


Die Sage mit dem trojanischen Krieg hatten wir noch nicht, obwohl sie die bekannteste der griechischen Sagen ist. Aphrodite, Athene und Hera, drei Göttinnen, sind auf einer Hochzeit eingeladen, nicht aber Eris, die Göttin der Zwietracht. Diese ist stinksauer und wirft einen Apfel in die Runde auf dem steht, dass er der schönsten gebühre. Da Frauen nun mal eitel sind, kommt es zum Streit und Zeus bestimmt, dass Paris, der verstoßene Prinz von Troja bestimmen soll, welche die Schönste ist. Komisch an der Geschichte ist, dass schon lange vorher, seiner Mutter Hekabe geweissagt worden war, dass eben selbiger Paris den Untergang Trojas bewirken wird, weshalb man ihn auf dem Berg Ida aussetzte, wo er als Hirte aufwuchs. Als ein Stier seiner Herde, an dem ihm besonders gelegen ist, als Preisgeld ausgesetzt wird, nimmt er selber an diesen Festspielen Teil, kehrt also nach Troja zurück, dort erkennt ihn seine Schwester Kassandra. Er wird wieder, unter Missachtung der Lehre, die man aus dem Traum hätte ziehen sollen, als Sohn aufgenommen. Das heißt, dass auch der Streit unter den Göttern vom Schicksal gelenkt wird. Aphrodite verspricht ihm nun, so er sie denn als die Schönste ansieht, ihn mit der schönsten Frau der Welt zu belohnen. Das wiederum ist Helena, die aber leider die Gattin des Menelaos, König von Kreta ist. Solche widrigen Umstände können aber einen echten Prinzen nicht abschrecken, er schnappt sich Helena, was die Griechen verbittert und entfacht so den trojanischen Krieg. Dieser wiederum zieht sich hin, bis Odysseus eben jene bekannte List mit dem Pferd erfindet. Bleibt nur noch zu klären, was es mit der Zeile „Geöffnet für die Römer edler Samen“ auf sich hat.
Also das Pferd hat erstmal nicht die Pforten für die Ahnen der Römer geöffnet, das war nämlich Aeneas und seine Mitstreiter (diese waren Trojaner!) sondern für die Griechen. Da aber die Bresche, die das Pferd in die Stadtmauer machte, Troja in Schutt und Asche legte und die Aeneas und die Seinen zur Flucht zwang, die in Italien endetete, ist das Pferd indirekt beteiligt an der Gründung Roms.

Dort werden Tränen um die List vergossen
Drob Deidamia den Achill beklagte
Auch des Palladiums Raub straft die Genossen


Also die Genossen sind eben Odysseus und Diomedes und sie büßen dafür, dass sie Deidamia ihren Lover entführt hatten. Das geht so. Achilleus ist der Sohn von Thetis und Peleus. Thetis ist ein Göttin und Peleus ein Mensch, folglich ist Achilleus sterblich. Thetis bringt ihn, als sich der Krieg mit Troja abzeichnete, zum König Lykomedes von Skyros. Dort lebt er als Mädchen verkleidet, damit ihn keiner erkennt und er folglich nicht in den Krieg geht, hat aber ein Techtelmechtel mit dessen Tochter Deidamia. Der Seher Kalchas entdeckt aber seinen Aufenthaltsort und Odysseus macht sich als Händler verkleidet auf den Weg dahin, in seinem Gepäck Schmuck und Waffen. Während also die wirklichen Mädchen das tun, was Mädchen nun mal tun, nämlich nach dem Schmuck greifen, macht der finstere Gesell Achilleus das, was Männer nun mal tun, er greift nach den Waffen, wodurch er sich verrät. Das war also die erste List des listigen Odysseus, die ihm von Dante angekreidet wird. Das Palladium ist ein Statue der Göttin Pallas Athene, die sich in Troja befindet und solange sie in Troja ist, kann Troja nicht eingenommen werden. Diese Palladium stahlen Odysseus und Diomedes. Eine Auseinandersetzung im Zusammenhang mit diesem Diebstahl kann auch diese Verse unter Umständen erklären.

Und er: Dort schmilzt Ulyssens Übermut
Und Diomeds. Sie büßen hier mitsammen
Wie sie zur Tat gesellte einst die Wut

Odysseus und Diomedes waren sich nicht immer einig. Diomedes überwand die Mauer, in dem er auf die Schulter von Odysseus kletterte, der Deal war aber, dass dieser, einmal oben, jenen nachzieht, das tat er aber nicht, sondern mopste die Statue alleine. Darüber war Odysseus so sauer, dass er ihm einen Dolch in den Rücken rammen wollte.

Von Vergil angesprochen, hätte es Dante getan, hätten ihm die stolzen Griechen unter Umständen nicht geantwortet, erzählt Odysseus dann, wie er hier gelandet ist. Nicht zufrieden mit Haus, Hof und Kind zog es ihn wieder weg in die große weite Welt.

Träg ward ich schon und grau wie die Begleiter
Da winkten Herkules Säulen uns entgegen
Als warnten sie: Bis hierher und nicht weiter


Die Säulen des Herkules sind die Meerenge von Gibraltar. Diese galten als Ende der Welt. Dass man sie nicht passieren dürfe, scheint nicht die allgemeine Meinung gewesen zu sein, denn tatsächlich sind vor und vor allem danach (Kolumbus) zahlreiche Fahrten jenseits dieser Meerenge unternommen worden.

Friedrich Schiller (genau jener, der große deutsche Dichter) interpretiert die Stelle dahingehend, dass es ja nicht möglich sein kann, direkt zum Läuterungsberg zu schippern, das bestimmt ja immer noch der liebe Gott.

„ Die Erzählung steht im Zusammenhange mit andern Dichtungen der göttlichen Komödie, für die sie vorbereitende Winke giebt; denn die Szene des ganzen zweyten Theils liegt eben auf dieser unzugänglichen Insel, auf dieser Atlantis, vor welcher Ulysses durch eine Anstalt der Vorsehung Schiffbruch litt, damit nicht die Scheidewand zwischen Lebenden und Todten eingerissen, und die Wohnung frommer, sich reinigender Seelen von einem Sterblichen erforscht würde.“

Vielleicht sollte man sich an dieser Stelle nochmal klar machen, wo die Hölle liegt und wo der Läuterungsberg. Die Hölle liegt im Inneren der nördlichen Halbkuge und hat die Form eines Amphietheaters, der letzte, der neunte Kreis der Hölle und der mit dem geringsten Durchmesser, liegt im Erdmittelpunkt. Hat die Hölle die Form eines Amphietheaters, so ist der Läuterungsberg, der auf der nur mit Wasser bedeckten südlichen Erdhalbkugel gedacht wird, das genau Gegenstück davon, eine neunstufige Stufenpyramide. Die Hölle und der Läuterungsberg sind durch einen Gang verbunden (der verläuft dann logischerweise im Inneren der südlichen Weltkugel.

Insgesamt reiht sich die Vorstellungen Dantes, dass die Säulen des Herkules eine nicht zu überwindende Grenze darstellen ein in andere christliche Vorstellungen, die der Autor auch nicht versteht, wenn sie auch als nicht zu überwindende Grenzen fester Bestandteil der christlichen Mythologie sind. Er hat noch nie eine präzise Begründung gefunden, warum man nicht vom Baum der Erkenntnis essen soll und warum man nicht Türme bauen soll, die gen Himmel reichen. Auch die Begründung, im entsprechenden Eintrag der Wikipedia klingt geradezu nach Aldous Huxley, Brave New World.

‚Statt der versprochenen Gottgleichheit erkennen die Menschen ihre Armseligkeit und Bedürftigkeit. „Demnach verhält sich die vom Menschen tatsächlich erlangte Erkenntnis des Guten und Bösen zu der erhofften wie die bittere Enttäuschung zu der vorhergehenden Illusion.
http://de.wikipedia.org/wiki/Baum_der_Erkenntnis

Diese Sichtweise ist ideologisch ausbeutbar. Sapere aude, wage zu wissen, würde ich da sagen.